Heute ist ein besonderer Tag. Heute feiern wir die Erscheinung Christi. Die Erscheinung des Messias. Der Tag heute heißt: Epiphanias. Das griechische Wort betont, dass Jesus nicht einfach kommt - er erscheint in seiner Herrlichkeit und Größe. Er geht auf wie ein Stern - und in seinem Glanz wird die Welt hell.
Landläufig heißt dieser Tag auch: Heilige drei Könige. Matthäus erzählt in seinem Evangelium, wie die Weisen, von einem Stern geleitet, den neugeborenen König suchen und finden. Sie, die die Klugheit Babyloniens mit den großen Hoffnungen Israels verbinden, bringen den Reichtum, den Duft und den Geschmack der großen Welt mit: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Schätze, Träume, Sehnsüchte.
Sie machen sich auf einen langen und beschwerlichen Weg, nur um "anzubeten". Sonst nichts! Der neue Stern, der ihnen am Horizont erscheint, hat sie aus ihrer alten Welt gelockt, das Königshaus in Jerusalem vollends irritiert und dann auch noch die Herrlichkeit Gottes auf ein Kind gelegt. Auf einen Königssohn! Aber eben - auf den anderen! Ihr wisst schon: Den, für den ein Futtertrog gut genug sein musste.
Herodes macht keine gute Figur. Gute Miene zum bösen Spiel? Am Ende wird er nicht einmal sein Gesicht retten können - als Kindsmörder geht er in die Geschichte ein und offenbart das hässliche Gesicht von Macht und Machtmissbrauch. Überraschend ist diese Offenbarung nicht. Wir könnten die Geschichten unschuldiger Kinder (und Erwachsener) in einer fast schon endlosen Reihe dazu tun.
Historisch tut man Herodes Unrecht - er war ein Liebhaber großer Bauwerke und schöner Kunst. Dass er sich die Finger schmutzig gemacht hat, ist nicht überliefert. Aber er steht in dieser Geschichte als Repräsentant da. Als Repräsentant einer Macht, die über Leichen geht. Der nichts heilig ist. Die selbstverliebt Menschen ausnutzt und zur Beute macht. Am Ende tut der Name nichts zur Sache. Herodes, von der Nachwelt ehrfürchtig "der Große'" genannt, wird zu einem Spiegel.
Wir sehen, wie sich die Finsternis über die Welt legt. Sogar die Sterne werden verdunkelt. Jede kleine Hoffnung soll verkümmern. Es ist, als ob nichts wachsen, nichts groß werden soll. Die Bitte, Gott selbst möge kommen und in seiner Herrlichkeit erscheinen, macht Epiphanias zu einem Fest der Sehnsucht.
Leuchtende Erkenntnis
Eine Sehnsucht zu spüren, tut gut. Dann sind wir offen und warten noch - ohne alles sicher zu verstauen, zu verklären, in Mogelpackungen zu verkaufen. Aber kommen Sie doch mit - wir besuchen einmal Korinth. Ein Ort, der von den Weisen aus dem Morgenland vertreten wird. Beim neugeborenen König.
Mit der Zeit war in Korinth, einer bedeutenden antiken Hafen- und Handelsstadt, Umschlagplatz vieler kostbarer Waren und aufregender Gedanken, eine kleine christliche Gemeinde entstanden. Dass die Leute aufgeweckt waren, merkten alle ganz schnell. Dass sie gerne diskutierten (und auch stritten), gereichte ihnen zur Ehre. Aber sie zogen Grenzen untereinander, bildeten Lager und spielten mit Trennungen. Das brachte die kleine Gemeinde an den Rand des Ruins. Die Krönung war, dass sich alle ein Urteil darüber zutrauten, wer Gott richtig versteht - und eben auch richtig zu ihm gehört.
Paulus, der die Gemeinde gegründet hat, schrieb ihr sogar einen "Tränenbrief", steht aber wie ein Depp da. Es ist nichts Königliches an ihm: er sieht nicht gut aus, er hat eine piepsige Stimme und was er sagt, ist glanz- und schnörkellos. In Korinth ist man Größeres und Besseres gewohnt. Nein, aus Korinth wären die Weisen aus dem Morgenland nicht nach Bethlehem aufgebrochen, eher hätte man sie bei sich erwartet - und sich mit ihnen geschmückt.
Wenn es nur um Animositäten ginge - wir könnten diese Geschichte abhaken. Aber in Wirklichkeit stand nichts Geringeres auf dem Spiel, als das Evangelium, dass Gottes Nähe und Liebe zu allen Völkern bringt.
Aber hören wir, was Paulus den Korinthern geschrieben hat:
"Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi." (2 Kor. 4,3-6)
Paulus zitiert die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte vom "Ersten Tag": Gott, der am 1. Tag der Schöpfung das Licht hervorgebracht hat, macht unsere Herzen hell - um anderen Menschen Licht zu schenken. Paulus, missverstanden und kleingemacht, bringt auf den Punkt, was mit Jesus in die Welt gekommen ist - eben auch nach Korinth. Die Herrlichkeit Gottes ist in dem Angesicht Jesu Christi zu erkennen. Durch uns. . . Ob Streit, Entzweiung, Rechthaberei - und sei es im Namen der größten Wahrheit - Licht bringt?
Es ist nicht bekannt, was die Leute in Korinth über die kleine christliche Gemeinde in ihren Mauern gesagt - oder auch nicht gesagt haben. Ob sie eine Sehnsucht verspürten?
Nein, Herodes muss nicht für alles herhalten!
Vertriebene Gespenster
Manchmal sehen wir im Dunkeln Gespenster. Manchmal schicken wir die Gespenster auch durch die Gemeinde. Sie heißen: Angst. Verzagtheit. Selbstgenügsamkeit. Ob die verwöhnten Ohren in Korinth davon hörten? Auch nur zuhören wollten? Ich weiß es nicht. Aber ich sehe unter uns die Angst umgehen, als Kirche nicht mehr anerkannt zu werden, immer mehr an Bedeutung zu verlieren und auch substantiell zu verarmen. Ich nehme auch die Verzagtheit wahr, in dieser Situation überhaupt noch Glauben zu bekennen, für das Evangelium ein gutes Wort zu haben und mit Menschen eine Hoffnung zu teilen. Bei mir selbst entdecke ich manchmal, wie ich mich mit der Binnenstruktur unserer Gemeinde - wir könnten sie auch Ghetto nennen - zufrieden gebe.
Aber dann werden draußen die Hoffnungsgeschichten nicht mehr erzählt, die Geschichten, die verschlossene Biographien öffnen und gute Wege wissen. Wenn sie fehlen, womöglich nicht einmal vermisst werden, feiern die Gespenster - ein Fest.
Rainer Maria Rilke hat in dem Zyklus: Mir zur Feier (1909 - also vor 100 Jahren) einmal geschrieben (Die Gedichte, itb2246, Frankfurt und Leipzig 1998, S. 147):
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Sich viele Blüten schenken lassen … Leise aus den Haaren lösen … Seine Hände hinhalten...
Paulus spricht von dem hellen Schein, den Gott in unsere Herzen gegeben hat. Es ist der helle Schein des Evangeliums selbst - die Liebe Gottes, seine Treue. Herzen, die um die dunklen Seiten am besten wissen, die auch die Ecken schützen, die das Licht scheuen, werden verwandelt, neu gemacht, befreit. Trotz vieler Worte: am Ende ist es immer nur das eine Wort, das mich für das Leben fit macht: Ich liebe dich.
Die, die nur als Schatten leben können, treten ins Licht hinaus, werden gesehen, angenommen, geliebt.
Und die, die über alles Schatten legen, Freiheit unterdrücken und Angst machen, verlieren den Schutz der Dunkelheit.
Die Gespenster - Angst, Verzagtheit und Selbstgenügsamkeit - werden sich nicht mehr an unseren Tisch setzen, sich nicht mehr zu uns ins Bett legen, uns nicht mehr gefangen nehmen. Dass die Herrlichkeit Gottes aufgeht - darauf haben die Menschen lange gewartet. Ich auch …
Kommt, lasst uns Korinth wieder verlassen. Den Umschlagplatz mit den großen Ideen, Reden und Wortfetzen.
Anziehende Schönheit
Wenn kluge Leute - wie die Weisen - sich auf einen langen und beschwerlichen Weg machen, wissen sie, was sie suchen - und finden - müssen, um auf ihre Kosten zu kommen. Sie haben aber nur einen Stern, dem sie folgen können. Also: in unseren Augen - nichts. Was sie wohl gesagt haben, als sie aufbrachen? Zurückkamen? Wir erfahren nicht mehr als ihre große Freude, ihr Glück.
Der 6. Januar ist ein besonderer Tag. An ihm feiern wir die Erscheinung Christi. Seine Herrlichkeit. Für die orthodoxen Christen ist der 6. Januar seit alters her das Weihnachtsfest. Bei uns hat sich der 24. Dezember als Tag der Geburt Jesu durchgesetzt. Nicht, dass Jesus am 24.12. geboren wäre, aber seine Geburt heiligte die Sonnenwende. Ein alter, wichtiger Tag im Leben der Menschen durfte jetzt den neuen Anfang verkünden, der mit der Geburt Jesu geschenkt war.
Die Geschichten aber, die an diesem Tag gelesen wurden, erzählten von der Niedrigkeit, von der Niedrigkeit Marias, von der Niedrigkeit Jesu, von der Niedrigkeit Gottes. Man hörte und spürte, man feierte und besang - wie Gott in die Nacht kommt.
Heute, am 6. Januar aber, hat der Ton einen neuen Klang bekommen. Der, der sich klein gemacht hat, der sich den Kleinen zuwandte, der das Geringe annahm - ist in seiner Herrlichkeit und Schönheit sichtbar.
In seinem Glanz werden Menschen hell, werden Gesichter leuchtend, werden (Lebens)Geschichten klar. Menschen treten aus dem Schatten heraus, von ihnen geht Hoffnung aus, an ihrem Freimut beißt sich das Finstere die Zähne aus.
Matthäus hat übrigens seinem Evangelium einen besonderen Rahmen gegeben: Erst kommen die Weisen, stellvertretend für die Völker, zu Jesus - dann, am Ende, schickt der Auferstandene seine Jünger in alle Welt.
"Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Mt. 28,18-20).
Die große Welt: Das sind Korinth, Göttingen, Aachen … Selbst in den entlegensten Ecken soll der Glanz des Herrn aufgehen. Wie ein Stern.
Ich denke an die Weisen aus dem Morgenland. Sie waren sehr mutig. Ich mag sie sehr. Ich nenne sie heute sogar: Heilig.
Martin Behm hat 1606 die Bitte formuliert:
Du wollst in mir entzünden, dein Wort, den schönen Stern,
dass falsche Lehr und Sünden sein meinem Herzen fern.
Hilf, dass ich dich erkenne und mit der Christenheit
dich meinen König nenne jetzt und in Ewigkeit.
Und der Friede Gottes,
der einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat,
bewahre unsere Sinne
in Christus, unserem Herrn