Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn ihr mich liebt,
werdet ihr meine Gebote halten.
Und ich werde den Vater bitten
und er wird euch einen anderen Beistand geben,
der für immer bei euch bleiben soll.
Wenn jemand mich liebt,
wird er mein Wort halten;
mein Vater wird ihn lieben
und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen.
Wer mich nicht liebt,
hält meine Worte nicht.
Und das Wort, das ihr hört,
stammt nicht von mir, sondern vom Vater,
der mich gesandt hat.
Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin.
Der Beistand aber, der Heilige Geist,
den der Vater in meinem Namen senden wird,
der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Im Abschiedskomplex Johannes 13 - 17 wird die Verbundenheit mit Gott beschworen.
Wer sich auf die Verbundenheit mit Jesus einlässt, wird auch den Vater erfahren, der Jesus gesandt hat. Und er wird den Geist spüren, den Vater und Sohn senden.
Die Perikope ist der ersten Abschiedrede Jesu im Johannesevangelium entnommen. Die beherrschende Zeitform, in der Jesus spricht, ist das Futur. Er belehrt die Jünger, wie sich die Zukunft nach seinem Weggang zum Vater gestalten wird. Ein Grundmerkmal dieser Zeit wird sein, dass die Jünger nicht alleine sind, sondern dass ihnen der Heilige Geist geschenkt ist, der an die Stelle Jesu tritt und seine Offenbarung vergegenwärtigt, erschließt und vertieft. Der Heilige Geist wird im griechischen Urtext der johanneischen Abschiedsreden „Paraklet“ genannt. Das heißt wörtlich übersetzt: der Herbeigerufene (vgl. lat. „Advokat“). Im übertragen Sinn ist ein Helfer oder eben – wie es die Einheitsübersetzung sagt – ein Beistand gemeint. Wenn Jesus von einem „anderen“ Beistand spricht, macht dies deutlich, dass er sich für die Jünger auch selbst als Beistand versteht.
Voraussetzung und Konsequenz des Beschenktwerdens mit dem Heiligen Geist als Beistand ist die Liebe zu Jesus und das Festhalten an seinem Wort bzw. an seinen Geboten. Es geht dabei nicht nur um ein bloß verstandesmäßiges Begreifen dessen, was Jesus ist und was er sagt und fordert, sondern um eine Lebenspraxis, die ihm und seiner Weisung entspricht. Für das liebende Festhalten am Wort Jesu ist den Jüngern zusätzlich zum Heiligen Geist eine neue Gemeinschaft mit Jesus und dem Vater verheißen. Wenn in Ez 37,26 f. für die Endzeit von der Wohnung Gottes unter den Menschen gesprochen wird, so kommt diese Wirklichkeit in der vorliegenden Perikope in mehr existentiell-persönlicher Weise zum Ausdruck: Wer Jesus liebt und an seinem Wort festhält, zu dem werden er und der Vater kommen und bei ihm wohnen.
In dieser Abschiedsrede verheißt Jesus den Jüngern einen Beistand, der sie begleiten und führen wird, wenn er nicht mehr bei ihnen ist. Diese Begleiter wird den Jüngern helfen, daß sie sich in der Welt bewähren. Denn sie werden nach seinem Weggang dem Einfluß der Welt ausgesetzt sein. Es wird Auseinandersetzungen um die Wahrheit geben (vgl. Vers 17, der in der liturgischen Perikope leider ausgelassen ist). Der Evangelist nimmt hier offenbar Bezug zu dem, was er in seiner Gemeinde erlebt. Um das Vermächtnis Jesu recht zu verstehen, braucht es den Geist Jesu. Vermutlich hat es in der Umgebung der Gemeinde Leute gegeben, die die Überlieferung auf ihre eigene Weise ausgelegt haben.
Entscheidend ist die innere Verbindung mit Jesus durch die Liebe zu Jesus. Wer mit Jesus in Liebe verbunden ist, ist zugleich mit dem Vater in Verbindung, und erfährt den Beistand, d. h. die Begleitung und Führung durch den Heiligen Geist.
Norbert Riebartsch (2010)
Martin Leitgöb (2004)
Hans Hütter (1998)