Heimat
Wie das klingt! Der Apostel Paulus schreibt seiner Lieblingsgemeinde in Philippi (Kleinasien), ohne Scheu, fast schon vertraulich: unsere Heimat ist im Himmel. Dabei haben wir doch unterschiedliche Lebensgeschichten. Eine eigene Heimat hat auch jeder, jede von uns. Einen Ort, einen Landstrich, eine Sprache - und ganz viele Rezepte und Gerichte. Alles ein wenig gefärbt. Manchmal auch verklärt. Das Wort "Heimat" klingt, riecht nach Kindheit. Dass wir unsere Heimat im Himmel haben, ist nicht meine Idee, aber es ist eine schöne Vorstellung, meine Wurzeln - und Ihre Wurzeln dann auch - in den Himmel zu heben. Wir kommen aus Gottes Liebe. In seiner Liebe sind wir beheimatet. Seine Liebe begleitet uns. Das verbindet uns, das führt uns zusammen, das hält uns beieinander. So unterschiedlich wir auch sonst sind - und manchmal auch so fremd. Unsere Heimat ist im Himmel.
Himmel
Was vom Himmel zu erzählen ist! Jesus ist auf einem Berg, um zu beten. Jesus hat sich zurückgezogen. Hier oben ist er seinem Vater sehr nah. Die Jünger schlafen. Ist es Nacht geworden? War der Weg so beschwerlich? Die Kondition so schlecht? Andererseits: Wir wissen doch, wie müde wir manchmal sind! Wie schnell wir ermüden können! Wie gut es uns tut, zur Ruhe zu kommen! Heute auch einmal auf einem Berg. Ein schönes und gewagtes Bild: Während Jesus sich zurückzieht, um zu beten, ziehen wir uns zurück, um zu - schlafen?
Die Geschichte hat freilich eine Pointe: Jesus wird nach Jerusalem gehen und dort gekreuzigt werden. Sein Leidensweg beginnt. Seine Jünger werden sogar fliehen - nachdem sie sich als Verräter und Verleugner geoutet haben. Ist es vielleicht sogar ein schlechtes Omen, dass die Jünger jetzt eingeschlafen sind? Lukas erzählt lieber, dass sich Mose und Elija zu Jesus gesellen, um ihn aufzurichten. Beide spielen in der Geschichte Gottes mit seinem Volk herausgehobene Rollen.
Sie kennen den Wankelmut der Menschen, aber auch die Treue Gottes,
sie kennen die Einsamkeit, aber auch den Mut,
sie kennen die Berge, aber auch die Weite.
Jetzt nehmen sie Jesus in ihre Mitte.
Wir sehen strahlendes Licht. Lukas weiß sogar von einem leuchtendend weißen Gewand Jesu zu erzählen. Jesus - in Licht gehüllt. Von Dunkelheit keine Spur. Es ist, als ob hier oben die Sonne aufgeht. Über dem Weg Jesu, über die vielen Wege, die wir gehen. Was wir in unserer frommen Sprache meistens "Verklärung Jesu" nennen, bringt schon das österliche Licht in unsere Mitte. Kein Zweifel: Die Jünger dürfen - noch - schlafen. Hier oben. Unsere Heimat ist im Himmel.
Gottes Stimme
Was noch vom Himmel zu erzählen ist! Die Jünger werden wach. Sie haben gar nicht mitbekommen, was sich gerade zuträgt. Sie stolpern förmlich in die Geschichte hinein. Überrascht, überrumpelt. Aber es reicht dann nur noch zu einem - Traum. Drei Hütten - für Jesus, für Mose, für Elija. In Eile errichtet. Hütten - keine Häuser. Schnell zusammengezimmert, ganz dem Augenblick verfallen. Manche Träume müssen ganz hell ausgeleuchtet werden! Was sollen die drei Hütten hier oben? Fernab von Menschen, von Siedlungen, von Wegen? Nicht einmal alle Jünger sind da. Es ist, als ob ein kleiner, intimer, elitärer Kreis den Himmel für sich reklamieren, ihn in Hütten bannen und auf einem Berg zur Schau stellen möchte. Mose und Elija, die endlich einmal aus grauer Vorzeit aufgetaucht sind, sollen bleiben. Jesus auch. Ich kann das verstehen. Einmal, wenigstens einmal so viel Klarheit auf einmal zu haben, dass es keinen Zweifel, keine Einrede mehr gibt. Triumphalismus auf dem Berg! Eine große Stunde, konserviert für alle Zeit! Aber Jesus wäre dann gefangen, festgehalten, in eine Hütte gesteckt - ganz weit weg, ganz weit oben. Oh Gott, nicht auszudenken!
Lukas erzählt von einer Stimme, die aus dem Himmel kommt. Von Wolken geschützt und verborgen. "Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!" Jetzt wird klar, hell, worauf alles in dieser Geschichte hinausläuft: auf Jesu Wort. Auf sein Wort der Liebe. Er wird dieses Wort bewahren, er wird dieses Wort bewähren. Auf dem Weg, der ihn nach Jerusalem führt. Auf dem Weg, der ihn ans Kreuz bringt. Auf dem Weg, der Ostern mit Leben gekrönt wird. Dann wird er uns sein Wort anvertrauen.
Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.
In deine Hände befehle ich meinen Geist.
Das - und mehr - wird Jesus am Kreuz sagen. Mit den Worten des 22. Psalms, mit den Worten von Menschen, die vor ihm litten, vor ihm den Weg in den Tod gingen, vor ihm ihre Hoffnung auf Gott setzten. Aber Jesus ist der auserwählte, der geliebte Sohn. Alles, was er sagt, was er tut, kommt aus dem Himmel und führt in den Himmel. Er hat das letzte Wort. Auch über den Tod. Unsere Heimat ist im Himmel.
Abstieg
Schon als die Stimme erklang, erzählt Lukas, sei Jesus allein gewesen. So schön, erhaben und lichtvoll die Szene war: jetzt kommt der Abstieg. Wir sehen die Jünger schweigsam mitgehen. So endet diese Geschichte, die auf einen hohen Berg führte, ohne große Worte. Die Deutungshoheit bleibt bei ihm. Unsere Sprachlosigkeit auch.
Wissen Sie, was Lukas macht? Lukas schreibt einen sog. Reisebericht. Lukas erzählt den Weg Jesu. Seine Begegnungen mit Menschen. Viele Gespräche, wenn auch oft nur angedeutet. Gegen Ende des Berichtes dann die Gerichtsverhandlungen, das Todesurteil. Das letzte Wort aber wird Ostern gesagt: Er ist auferstanden.
Heute, am 2. Fastensonntag, sind wir mit ihm unterwegs. Paulus schreibt:
"Unsere Heimat ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann.
Darum, meine geliebten Brüder (und Schwestern), nach denen ich mich sehne, meine Freude und mein Ehrenkranz, steht fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn, liebe Brüder (und Schwestern)."
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.