König Jahwe
Das Fest Christkönig, das wir heute feiern, will uns dazu einladen, die Hoheit und Würde Jesu zu betrachten und gleichzeitig seine unendliche Liebe zu uns Menschen. Sie ist es ja, die ihn in die Situation brachte, von der wir im Evangelium gehört haben.
Im Unterschied zu seinen Nachbarvölkern, die alle einen König besaßen, wählten die Israeliten lange Zeit keinen König. Ihr König war Jahwe. Er offenbarte ihnen seinen Willen, er gab ihnen Gesetze und Ordnungen. Moses, am Hofe des Pharao ausgebildet und vertraut mit der Gesetzgebung, fasste den Willen Jahwes in zehn Geboten zusammen. Sie ordneten und bestimmten das Verhältnis der Gläubigen zu ihrem Gott und das Leben miteinander in Achtung voreinander.
Ganz sicher wurden diese Gebote von ihrem Inhalt her bereits vor ihrer Niederschrift von den Israeliten beachtet und praktiziert. Der Vorteil ihrer Formulierung und Aufzeichnung war jedoch: Sie prägten sich besser ins Gedächtnis und ins Bewusstsein ein und schufen eine deutlichere Verbindlichkeit für alle.
Könige als Statthalter Jahwes
Mit der Landnahme und Staatsbildung kamen die Israeliten in eine neue Situation. Sie spürten, dass die Nachbarvölker ihnen unter anderem dadurch überlegen waren, weil sie politisch und militärisch in ihren Königen Anführer hatten. Diese strukturierten das Staatswesen und waren vor allem durch ein ausgebildetes Herr, an dessen Spitze jeweils der König stand, dem Hirten- und Bauernvolk der Israeliten überlegenen. Gegen den Protest des Propheten Samuel wird Saul zum König über Israel erhoben.
Wie sehr die Israeliten ihren König als eine Art Statthalter Jahwes betrachteten, wird darin deutlich, dass die Könige Israels nicht gekrönt, sondern zu Königen gesalbt wurden. So ging der Gedanke, dass Jahwe der eigentliche Herr und König des Volkes sei, nicht unter. Ihrem Gott Jahwe in besonderer Weise verpflichtet, empfanden sich vor allem die dem Saul nachfolgenden Könige David und Salomo. Sie bauten zwar ihre äußere Macht aus, sorgten aber ebenso für eine Vertiefung des Glaubens im Volk.
In der Bibel wird dann berichtet, wie im Laufe der Zeit mancher König Israels sich vom Ideal abwandte, ja zum Rechtsbrecher, Unterdrücker und Ausbeuter wurde. Der Gedanke an einen Messias-König wurde geboren und von den Propheten verkündet. Die Erwartungen an diesen Messias-König waren: Er werde die Feinde Israels besiegen, vor allem aber bestehendes Unrecht beseitigen und sich der Armen und Unterdrückten annehmen.
Sehnsucht nach einem Messias-König
Menschen, die Jesus erlebt hatten und sich in ihrem Glauben ihm anschlossen, sahen in seiner Person den erwarteten und verheißenen Messias-König. Und die Evangelien berichten den Einzug Jesu in Jerusalem als eine Art königlichen Triumphzug. Die Menschen – eine gewaltige Menge, so wird betont – breiten ihre Kleider auf den Weg. Bei keinem der Könige Israels hat es das zuvor gegeben. Lukas berichtet: „Wegen der Wundertaten, die sie gesehen hatten, riefen sie: Gesegnet ist, der da kommt, der König im Namen des Herrn“. Und Matthäus fügt hinzu: „Das aber ist geschehen, damit erfüllt werde, was durch den Propheten verheißen wurde. Sagt der Tochter Sion: Sieh, dein König kommt zu dir“.
Viele Juden der damaligen Zeit hatten ihre Schwierigkeiten, in Jesus den verheißenen Messias-König zu sehen, zumal er eine Erwartung nicht eingelöst hatte: Ein Großreich zu schaffen, das allen anderen Völkern überlegen war. Hier nun genau setzt unser Evangelium an. Es will die Gedanken reinigen von den Vorstellungen damaliger Zeit und aufzeigen, worin Jesu Hoheit und Würde tatsächlich bestehen. Jesus selbst bekennt vor Pilatus: Ich bin ein König – allerdings über ein Reich, das nicht von dieser Welt ist. Jesu Würde und Hoheit sind ihm vom Vater gegeben. Darum kann er dem rechten Schächer sagen: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein“.
Von Gott gegebene Königsmacht
Das Evangelium zeigt, wie Jesus von Menschen getreten und erniedrigt wird. Die Soldaten verspotten ihn und reichen ihm in seinem Durst Essig. Das Verhalten der Soldaten kann man noch an eheste verstehen. Sie kennen Jesus nicht und als rohe Kriegs-Gesellen treiben sie ihr Spiel mit jedem, den sie kreuzigen. Die führenden Männer des Volkes haben mit der Kreuzigung Jesu endlich erreicht, was sie schon so lange geplant hatten. In der Verspottung klopfen sie sich als die Mächtigeren oder Klügeren auf die Schulter. Pilatus verfolgt mit seiner Aufschrift vielleicht eine Warnung an das Volk der Israeliten: So wird es jedem ergehen, der sich von euch zum König erklärt. Die beiden Verbrecher sind ein Abbild des Volkes, das sich in Spötter und Gegner und an Jesus Glaubende teilt. Äußerlich gesehen ist kaum jemand so verachtet und geschunden gestorben wie Jesus. Und genau in dieser Situation zeigt Jesus, wer er in Wahrheit ist: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein. Diese Worte kann Jesus sprechen, weil ihm seine Macht nicht von Menschen übertragen wurde, sondern von Gott. Auf Jesus trifft während seines ganzen Lebens und noch im bitteren Sterben zu, was die Propheten verkündet hatten und was in den Liedern Israels besungen wurde: Er erbarmt sich des Gebeugten und Schwachen, er rettet das Leben der Armen.
Jesus als einen König darzustellen, dem die Menschen weder Würde schenken noch nehmen können, ist das eine Anliegen der Evangelisten. Jesu Hoheit und Würde liegen in seiner Messianität und Göttlichkeit. Das zunächst nur in Worte gefasste Bekenntnis vor Pilatus „Ich bin ein König“ besiegelt Jesus in der Tat und vor der Welt durch seine Auferstehung. Wort und Tat sind bei Jesus eins. Davon kann sich jeder überzeugen.
Christus, unser König
Bei allen, die an Jesus glauben, möchten die Evangelisten aber sicher noch ein zweites Ziel erreichen. Wie Jahwe der König der Israeliten war und die Gläubigen sich an seine Gebote hielten, so soll Jesus mit seinen Weisungen von uns als König und Herr angenommen werden, auf den wir hören und dem wir folgen:
- Sich der Armen und Hilfsbedürftigen anzunehmen,
- sich weigern, Unrecht zu tun oder gut zu heißen,
- durch Spott und Erniedrigung sich nicht vom Weg der Liebe abbringen zu lassen
- und wissen, dass auch wir uns – wie der rechte Schächer – jederzeit an Jesus wenden können. Jesus wird sich auch unser erbarmen.
Feiern wir Christus als unseren König, geben wir ihm die Ehre und folgen wir ihm. Dazu werden wir heute neu eingeladen.