Könige sind in Europa längst nicht mehr an den Schalthebeln der Macht Königsfamilien sind auch nicht besser als andere Familien. Am heutigen Sonntag geht es ohnehin nicht um Kronen und Juwelen oder um Klatsch und Skandalgeschichten. Am Ende des Kirchenjahres wird radikal die Frage gestellt, wer oder welche Macht real regiert, von wem wir uns fuhren oder verfuhren lassen.
Es gibt Herren, die ihre Untergebenen unterjochen und nur glauben, groß zu sein, wenn sie andere möglichst klein machen. Es gab und gibt Führer, die Millionen von Menschen in den Tod reißen. Wenn sie selber nicht mehr herrschen und leben, dürfen andere auch nicht mehr sein. Die Könige, Führer und Mächtigen sind heute nicht mehr so klar zu benennen. Da gibt es herrschende Meinungen und Vorurteile, die ungeprüft übernommen werden. Welchen Moden gehe ich auf den Leim? Auf welcher Welle schwimme ich mit? Verblendungen und Abhängigkeiten werden als die große Freiheit verkauft. Oberflächliche Visionen vom Leben enden im Kater, in Lähmung und Ermüdung, auch in der Entsolidarisierung.
Wenn ich schwach bin, bin ich stark
Jesus ist ein anderer König. Er ist der gute Hirt, der gekommen ist, damit wir Leben in Fülle haben. Der König am Kreuz gibt auch den Zerschlagenen, Vergessenen und Opfern Hoffnung. Sein Reich, die Königsherrschaft Gottes, schenkt leibliche und psychische Gesundheit, richtet Gebeugte auf, eröffnet Beziehung, schenkt Freiräume des Lebens in Sackgassen der Schuld. Gottes Wille ist das Heil und die Rettung der Menschen. Diese Herrschaft ist ganz und gar nicht triumphalis- tisch. Es beginnt im Verborgenen und im Kleinen.
Im Evangelium von Christkönig hören wir ein Schlüsselwort Jesu, eines, das für seine Sprache wichtig ist, um das seine Gleichnisse kreisen, das die Handlungen symbolisieren, das er letztlich in seiner Person ist: Es ist das Wort vom Reich Gottes.
Vermutlich tun wir uns mit diesem Wort gar nicht so leicht: Es ist ja schließlich oft genug auch verraten und missbraucht worden. Manchen steckt noch das Dritte Reich in den Knochen, da wollen sie nicht gleich wieder ein Reich haben. Es hat in der Geschichte genug Utopien gegeben, die sich auf Gott, die Vorsehung berufen haben und dann eine lange Blutspur hinterlassen haben. Das Reich Gottes mit einem konkret geographisch bestimmten Land, mit politischen Größen zu identifizieren, das fällt uns wahrscheinlich nicht so schnell ein. Eher schon verbreitet ist die Vorstellung, dass Gott oder das Göttliche in uns ist, ja, dass unser Inneres selbst das Göttliche ist. Verbunden ist die Suche nach esoterischen Vorstellungen mit einem Misstrauen gegenüber der Sprache, den anderen, der Leiblichkeit.
Was ist denn mit dem Reich Gottes gemeint? Es geht zum einen um eine Herrschafts- und Machtfrage. Das Reich Gottes ist ein Bild für das erste Gebot, dafür, dass Gott der Herr ist und dass es keinen anderen gibt. So stellt die Botschaft Jesu vom Reich Gottes vor die Entscheidung zwischen Leben und Tod, zwischen Gott und Götze. Es wäre fatal, wenn Leben und Tod zu einer Frage des Durchsetzungsvermögens, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu einer Frage des bloßen Standpunktes, Egoismus oder Solidarität zu einer Frage der Werbestrategie, Liebe oder Hass zu einer Frage der Hormone, Wahrheit oder Lüge zu einer Frage der besseren Taktik, Friede oder Krieg zu einer Frage der Konjunktur verkämen.
Wer ist denn der wirkliche Regent, der König und Herr unseres Lebens, wer sitzt denn an den Schalthebeln der Macht, der Meinung und Gestaltung? - Woran dein Herz hängt, das ist dein Gott oder dein Götze, dein „Abgott“, wie Martin Luther sagt. In den menschlichen Grundtrieben, Grundängsten, Ursehnsüchten und Basiswünschen brechen egoistische Zerrformen und Perversionen ein. So pervertiert das Besitzstreben die Wirtschaftswelt, das Machtstreben die politische Landschaft und das Genussstreben das gesellschaftliche Leben. Die Profit-, Karriere- und Konsumgesellschaft verliert selbstverliebt allen Transzendenz- und Gottesbezug.
Das Reich Gottes als Machtfrage entlarvt aber auch andere Atmosphären, Besetztheiten und Süchte. Was ist denn so das Grundlebensgefühl? Was dominiert denn so die Gedanken und Meinungen, welchen Träumen und Phantasien gehen wir denn so nach? Auch da die Frage: Wer ist an den Schalthebeln der Macht? Wen lassen wir das entscheidende Wort sagen? Wem sind wir ausgeliefert?
Vor die Entscheidung gestellt
Wenn Gott die Macht hat, dann sind Missverständnisse auszuschließen. Bei Macht denken wir nicht selten an Herr-Knecht-Verhältnisse und übertragen Vorstellungen von menschlicher Herrschaft einfach auf Gott, der dann ein ehrsüchtiger orientalischer Despot ist, der ständig seine Huldigungen braucht. Gott ist aber nicht neidig, so dass er sich freuen würde, wenn es anderen schlecht geht, oder er traurig wäre über das Gelingen anderer.
Gottes Ehre ist der lebendige Mensch, Gottes Herrschaft ist (auch) gelingendes Leben. Die Macht Gottes engt nicht ein, sie schafft Raum für eine neue, bleibende Gerechtigkeit. Das Böse, und das ist entscheidend, das Dämonische und Kaputtmachende wird von innen angenommen und überwunden.
Beide Linien, die Machtfrage und die Frage nach der Gerechtigkeit, bedeuten eine Umkehrung der Größen Verhältnisse. Denn typisch für Jesus ist die Bevorzugung der Kinder und der Kleinen.
Der Christkönigssonntag stellt vor die Entscheidung zwischen Leben und Tod, zwischen Gott und Götze. Und so gilt das Obengesagte einmal mehr: Dass es fatal wäre, wenn Leben und Tod zu einer Frage des Durchsetzungsvermögens, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu einer Frage des bloßen Standpunktes, Egoismus oder Solidarität zu einer Frage der Werbestrategie, Liebe oder Hass zu einer Frage der Hormone, Wahrheit oder Lüge zu einer Frage der besseren Taktik, Friede oder Krieg zu einer Frage der Konjunktur verkämen.
Jesus, der König, zeichnet das Hoheitszeichen seiner königlichen Würde auf die Stirn eines jeden Menschen. Seitdem er Mensch geworden ist, ist es uns versagt, vom Menschen, auch vom geringsten, schlecht zu denken. Wir würden von Gott selbst schlecht denken.
Aus: Manfred Scheuer, Und eine Spur von Ewigkeit. Ein geistlicher Begleiter durch das Jahr. Herder Verlag, Freiburg Basel, Wien 2006.
Norbert Riebartsch (2010)
Manfred Wussow (2004)
Lorenz Walter Voith (1998)