"Stell' dir vor, es ist Hochzeit, und keiner geht hin" - so könnte man in Abwandlung eines Sponti-Spruches die Eingangssituation des heutigen Evangeliums umreißen. Da wird also eine Hochzeitsfeier von den eingeladenen Gästen boykottiert, indem diese der - wiederholten! - Einladung nicht Folge leisten. Obwohl doch nicht zuletzt ein verlockend-exquisiter Festschmaus zu erwarten ist: "Die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet." Wahrlich, der Gastgeber hat alles getan, um seine Gäste zu verwöhnen. Diese aber glänzen durch Abwesenheit, halten nicht einmal Entschuldigungsgründe für ihr Ausbleiben bereit, sondern gehen ihren Alltagsgeschäften nach. Doch nicht genug damit, dass sie den Gastgeber mit ihrem Nichterscheinen brüskieren und sich selbst um die Festesfreude bringen - einige von ihnen malträtieren sogar die Boten, bringen sie gar um. Ja, sind die denn von allen guten Geistern verlassen! möchte man da unwillkürlich ausrufen. Und wenn man nun noch bedenkt, dass der Gastgeber niemand geringerer als der König ist und der Anlass für die Einladung die Hochzeit seines Sohnes, dass es sich hier also sozusagen um eine Märchenhochzeit, um das Fest der Feste, handelt, dann versteht man die Eingeladenen absolut nicht mehr. Wie undankbar, borniert und schlichtweg "hirnverbrannt" erscheinen sie da! Sie haben sich selbst in ihrer ganzen Nichtswürdigkeit und Armseligkeit entlarvt, indem sie die Einladung des Königs buchstäblich - in Gestalt seiner Diener - mit Füßen traten.
Der Glanz fällt auf die Anwesenden.
Muss das Fest nun ausfallen? Nein, das geht auf gar keinen Fall. Eine Hochzeitsfeier kann man nicht von der Lust und Laune der gebetenen Gäste abhängig machen. Das Fest muss und wird stattfinden, es ist ja auch alles auf das Beste vorbereitet. Aber zu einem Fest, einer Hochzeit gar, gehört eine Festgesellschaft! Es gehören Menschen dazu, die mitfeiern, die sich mitfreuen, für die dies auch ein besonderer Tag in ihrem Leben ist. Ein Fest ohne Gäste gibt es nicht. Nun ist guter Rat teuer. Doch nicht für den König. Er ordnet an, dass die Diener einfach die Leute von der Straße zum Fest holen, wahllos, wie es sich gerade trifft. So kommt eine buntgewürfelte Hochzeitsgesellschaft zusammen, und man darf annehmen, dass es ein sehr lebendiges, ausgelassenes Fest voller Überraschungen wird, auf dem sich die so spontan Eingeladenen ganz unverhofft wiederfinden. Die Situation lädt geradewegs dazu ein, sich die Festgesellschaft und den Festverlauf in den glänzendsten Farben auszumalen.
Einladungen
Bisher war immer wieder von "Einladung" die Rede. Was meint eigentlich dieses Wort? Eine Einladung bedeutet, dass ein anderer den ersten Schritt tut, auf mich zugeht, mich in etwas Schönes, Angenehmes, Interessantes einbeziehen möchte; sie bedeutet, dass mir eine Tür geöffnet wird und ich dort eintreten darf, wo ich ohne Einladung keinen Zutritt hätte; dass ich akzeptiert, zum "insider" werde; dass ich gern gesehen, erwünscht und willkommen bin; dass man auf meine Anwesenheit, meine Gesellschaft Wert legt. Eine Einladung ist also eine Geste der Offenheit, der Freundlichkeit und Zugewandtheit; sie ist ein Zeichen der Akzeptanz und Wertschätzung, ein integrativer Akt - sie ist ein Geschenk.
Diese Überlegungen machen die zurückweisende Haltung der Eingeladenen im Evangelium noch schwerer verständlich. Wie kann man sich nur über eine derartige Auszeichnung, eine solch noble Geste hinwegsetzen; wie kann man sich diese einmalige Gelegenheit dabeizusein entgehen lassen!? Soviel scheint sicher: W i r hätten uns so ein Angebot nicht zweimal machen lassen. Wir hätten eine solch unwiederbringliche Chance mit beiden Händen ergriffen und den Alltagstrott Alltagstrott sein lassen.
Hätten wir das wirklich? Seien wir vielleicht doch lieber etwas vorsichtig. Bedenken wir, dass diese Geschichte einer fast geplatzten Hochzeitsfeier, die nur durch unkonventionelle Maßnahmen nicht zum kompletten Desaster wird, eine Gleichniserzählung vom Himmelreich ist, in der es vielleicht doch nicht nur um ausgemachte Deppen, Toren und Ignoranten geht, zu denen wir auf gar keinen Fall gehören. Allein die Tatsache, dass offenbar a l l e offiziell Eingeladenen sich dem Fest verweigern, sollte uns stutzig machen. Es kann wohl kaum sein, dass der König die Hochzeitsgäste zufällig so ungeschickt ausgewählte, dass er lauter Nieten erwischte. Eher ist doch anzunehmen, dass es ganz normale Menschen waren, bei denen die Einladung trotz allem nicht "ankam".
Wir merken, der sichere Boden, auf dem wir uns mit unserer spontanen Entrüstung befanden, gerät unmerklich ins Wanken, die Sache beginnt sich zu drehen, wird uns nicht ganz geheuer, je mehr wir uns auf die Geschichte einlassen. Normale Menschen? Die sind wir doch auch. Ja, könnte es denn sein, dass auch wir mitgemeint sind, dass auch wir nicht die richtigen Prioritäten setzen?
"Ernst" oder "Fest" des Lebens?
Ein neues geistliches Lied ist überschrieben mit "Unser Leben sei ein Fest". Diese einladenden Worte erscheinen mir wie ein Widerhall des Gleichnisses vom königlichen Hochzeitsmahl. Ein wunderschöner Gedanke: Das Leben als Fest zu verstehen. Als etwas, was gefeiert sein möchte. Als etwas, was sich nicht von selbst versteht. Als etwas, zu dem wir uns nicht selbst eingeladen, sondern das wir geschenkt bekommen haben. Geschenkt letztlich von Gott, dem König unseres Lebens, der uns damit das Allerbeste und Allerschönste zukommen lassen will. Nehmen wir dieses Lebensfest, das der Ursprung und Hintergrund aller anderen Feste ist, wirklich als solches wahr? Nehmen wir die Einladung zu diesem Fest an? Oder bleiben wir nicht oft außen vor, leben am Leben vorbei: Indem wir es verstehen als Last und Plackerei, als ständige Leistungsanforderung ohne viel Aussicht und Sinn? Sprechen wir nicht viel mehr und viel überzeugter vom E r n s t als vom F e s t es Lebens? Wie viele Chancen zur Freude, zum Glück, zur Dankbarkeit lassen wir uns im Leben entgehen! Weil wir Wichtigeres zu tun haben, Vordringlicheres, Einträglicheres; weil wir meinen, uns die "Leichtigkeit des Seins" nicht leisten zu können, nicht erlauben zu dürfen. Das Leben sei schließlich keine Lustpartie.
Teilnahmebedingungen?
Das Evangelium aber sieht das offenbar anders, Da wird schließlich eingeladen und auch gefeiert auf "Deubel komm raus": "Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen."
Ausgerechnet die, die wortwörtlich den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, kommen reichlich in den Genuss des Hochzeitsfestes. Weil sie nichts Wichtigeres, Besseres zu tun haben, haben sie teil am Wichtigsten und Besten überhaupt: teil an der Köstlichkeit und Fülle des Lebens, für die das (himmlische) Hochzeitsmahl das unüberbietbare Bild darstellt. Am Schluss wird deutlich: Um an diesem Fest des Lebens teilzunehmen und es kräftig zu feiern, müssen wir nicht moralisch einwandfrei und religiös zuverlässig sein, wir müssen keine teure Eintrittskarte mit dem Preis unseres Lebens bezahlen - nein, wir brauchen keine andere Voraussetzung mitzubringen als die Bereitschaft, der Einladung zum Fest des Lebens zu folgen, wo und wann immer sie uns erreicht. Damit machen wir uns selbst - und dem himmlischen Gastgeber! - die allergrößte Freude. Die bittere Erfahrung "Stell' dir vor, es ist Hochzeit, und keiner geht hin" hat sich damit erledigt, und wir dürfen einstimmen in das frohe Lied: "Dann gehen wir dem Himmel entgegen, und alle gehen mit."
Übrigens: Um den Dresscode müssen wir uns dann auch keine Sorgen mehr machen - wir sind schon mit dem hochzeitlichen Gewand bekleidet!
Martin Stewen (2014)
Bernhard Zahrl (1999)
Hans Hütter (1996)