Kleiner Glaube
Das habe ich nicht erwartet! Die Jünger sagen: Stärke unseren Glauben! Es sind nicht einzelne Stimmen – alle bitten so. Gleichsam ein Chor! Merkwürdig: Was ist mit dem Glauben der Jünger? Muss ich mir Sorgen machen?
Meistens sind die Jünger über jeden Zweifel erhaben, thronen auf ihren Säulen in der Kirche, schauen über unsere Köpfe hinweg. Sie sind groß – und einsam. Sie sind unnahbar – und kalt wie Stein. Ich mag dann gar nicht hinsehen. Oder zu ihnen aufschauen. Sie spielen in einer anderen Liga.
Dann das: Im Evangelium sehen wir Jünger, die zweifeln, fragen, in Ängsten gefangen sind. Lukas erzählt nicht viel, aber was er erzählt, macht die Jünger auf einmal sehr menschlich. Richtig sympathisch. Sie werden nicht auf Sockel gestellt – sie stehen mit beiden Beinen im Leben. Sie schmücken keine Säulen, zieren keine Kirchenportale. Sie brauchen Nähe, Beistand, Zuneigung. Wie ich auch. Ich verstehe die Bitte sehr gut „Stärke unseren Glauben“!
Darf ich erzählen, was mir durch den Kopf geht? Einerseits sind wir in der Falle, dass wir immer stark sein müssen. Wir können uns keine Zweifel leisten, Selbstzweifel schon gar nicht. Wir möchten auch fest stehen, über den Dingen erhaben. Nur: Die Rolle, perfekt zu sein, wächst uns dann schnell über den Kopf. Einmal auf den Leib geschneidert, müssen wir immer und in allem perfekt sein – ohne Abstriche. Wenn dann das Bild nach außen Flecken bekommt, die Kratzer nicht mehr zu übersehen sind und uns die Schminke ausgeht, fühlen wir uns nackt und klein.
So sehen Säulenheilige nicht aus.
Unser Glaube
Vielleicht ist es gut, dass wir so viel von den Jüngern nicht erzählen können. Sie sind mit Jesus auf einem gemeinsamen Weg – und dann doch oft überfordert und ratlos. Sie sehen ihn, sie hören ihn. Sie hören auch seinen Ruf, an ihn zu glauben. Obwohl sie so dicht dran sind, nicht ein Wort verpassen, wissen sie sich keinen anderen Rat als den, Jesus zu bitten: Stärke unseren Glauben.
Es ist gut, dass wir jetzt von uns erzählen können. Manchmal erleben wir den „Glauben“ so, als müssten wir ihn in einem Paket mit ganz vielen Gewissheiten, Regeln und Dogmen in unser Leben nehmen – und fühlen uns nicht angenommen, auch nicht verstanden. Glaubenssätze sind in die Jahre gekommen und verwelkt. Dabei sehnen wir uns nach einem Glauben, der uns trägt. Der uns auch dann trägt, wenn wir mit unserem Latein am Ende sind, wenn wir der Zweifel nicht mehr Herr werden, wenn wir uns selbst nicht mehr verstehen.
Glaube begegnet uns als Vertrauen. Als Vertrauen Gottes zu uns. Als unser Vertrauen zu ihm. Um dieses Vertrauen bitten die Jünger, um dieses Vertrauen bitten wir. Vertrauen bedeutet, geliebt und angenommen zu sein. Vertrauen bedeutet, getragen zu werden und zu tragen. Mit den Zweifeln und Anfechtungen, die wir als Menschen auch brauchen. Da ist nichts zu beklagen, auch nichts zu verurteilen. In der Liebe wächst der Glauben über sich hinaus – und nimmt Herzen für sich ein.
Großer Glaube
Wenn unser Glaube über sich hinauswächst und Herzen für sich einnimmt,
dann wird das,
was unabänderlich erscheint,
immer schon seinen Platz eingenommen hat,
von uns nicht geändert werden kann
einfach verrückt – und verwandelt.
Jesus bespricht nicht die vielen Schwierigkeiten, die es mit dem Glauben gibt – und eigentlich immer schon gegeben hat. Lukas weiß meisterhaft davon zu erzählen, wie Jesus mit dem winzigen Senfkorn in der Hand den Glauben in seiner Schönheit und Größe beschreiben kann: Euer kleiner Glaube wird Wunder tun!
Um diesen Glauben bitten wir: Stärke unseren Glauben.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.