Die Schere von Arm und Reich
Eine Frau berichtet: "Das Geld reicht vorne und hinten nicht, ich habe selten mehr als 800,- €, und das für einen Vollzeitjob. Das geht doch nicht. Wie soll man so leben. Ich muss doch auch Miete zahlen und alles. Ich bin immer weiter abgerutscht, manchmal habe ich zwei, drei Tage nichts zu essen, und kann mir nichts mehr kaufen, weil ich kein Geld mehr hatte. Ich habe dann hier gesessen und nur noch geweint."
In Deutschland und auch in Westeuropa wird die Schere von Arm und Reich immer größer. Es ist schon sehr traurig, wenn in unserem so reichen Land Menschen derartiges erzählen. Wie wird diese Frau wohl auf die Worte Jesu im Evangelium heute wohl reagieren. Ich kann mir denken, dass sie diese Worte als einen Hohn empfindet. Wo ist da Gott, der für uns sorgt? Wo ist Gott, der wie ein sorgender Vater für die Menschen da ist. Ich sage auch zu diesen Worten Jesu genau das, was ich zu den anderen Kapiteln aus der Bergpredigt gesagt habe: auch diese Worte Jesu sind ernst gemeint. Wir wollen uns nicht vorbei mogeln.
Ungerechter Mammon
Warum berichten denn immer mehr Menschen das, was uns die Frau erzählt hat? Es gibt sehr viele Menschen, die eben dem "Mammon", dem Besitz dienen, die sich von ihrer eigenen Gier leiten lassen. Die Wirtschaftskrise - ist sie eigentlich wirklich überwunden? - hat viele Menschen in die Armut getrieben. Vom sogenannten Aufschwung profitieren viele Menschen, die schlechter gestellt sind, eben nicht! So sind viele Menschen auch nicht bereit, miteinander zu teilen.
Ich weiß, mit meinen Gedanken bewege ich mich sehr im Bereich der Wirtschaft. Gerade hier zeigt sich das, was Jesus uns mit seinen Worten lehren möchte. Die Wirtschaft ist nach der katholischen Soziallehre für den Menschen da. Nicht der Mensch ist für die Wirtschaft. Es hat aber eine sehr traurige Entwicklung gegeben in den letzten Jahren. Nicht die soziale Verantwortung war vielen Menschen wichtig. Das Geld war wichtig. Immer mehr und mehr! Wie kann ich die Personalkosten einsparen, wie kann ich sie möglichst gering halten? Das produziert dann Situationen wie ich sie am Anfang geschildert habe.
Bereit zu teilen?
Uns soll es um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen - und alles andere wird uns dazugegeben werden. Wenn wir bereit sind, uns für die Menschen einzusetzen, die so am Rande stehen wie die Frau, die Opfer derjenigen werden, die sich dem "Mammons" verschrieben haben, dann dienen wir Gott. Wo wir bereit sind zu teilen, dort dienen wir Gott. Deutlich zeigt sich mir: Gott will sein Reich bauen. Hier in unserem Leben fängt es an. Und er will es mit uns bauen.
Wir sind berufen, uns eben für dieses Reich einzusetzen. Immer aber ist doch zu beachten: das Entscheidende tut Gott. Weil das so ist, darum dürfen wir auch vertrauen. Vertrauen darauf, dass er seine Schöpfung, die Welt, die er geschaffen hat, die Pflanzen, die Tiere und wir Menschen für wertvoll erachtet. Das ist eine wichtige Botschaft der Worte Jesu aus dem Evangelium des 8. Sonntages. Gott hat diese Schöpfung wunderbar gemacht. "Gott sah, dass es gut war." So berichtet uns der Anfang der Bibel. Und um diese Schöpfung ist Gott besorgt.
Um den Menschen besorgt
So ist Gott vor allem um uns Menschen besorgt. Weil wir als Menschen wertvoll sind. Dieser Wert hängt nicht davon ab, wie viel Geld wir besitzen. Der Wert eines Menschen zeigt sich auch nicht darin, wie wir uns kleiden. Der Wert ist auch nicht ablesbar wie hoch meine berufliche Position ist. Ich bin wertvoll, weil Gott mich liebt, weil er mich erschaffen hat. Aus diesem Glauben heraus darf ich leben.
Fragen wir uns immer wieder ganz ehrlich: wie viel Zeit und Energie verwenden wir darauf, vor unseren Mitmenschen gut da zu stehen. Was ich da gerade aufgezählt habe, ist an sich nicht schlecht. Schlecht wird das alles erst, wenn ich Besitz, Ansehen, Kleidung, berufliches Fortkommen zu meinem Gott mache. Dann diene ich dem Mammon. Ich diene dem Mammon, wenn ich für meine Wünsche über Leichen gehe. Wenn ich egoistisch für mich raffe und mir die Not der Mitmenschen gleichgültig ist, dann suche ich nicht das Reich Gottes. Da sagt Jesus: wer so handelt, lebt wie die Heiden, die das alles zur Mitte des Lebens machen.
Warum handeln viele Menschen so? Warum handeln wir selbst so? Wir sind vielleicht so sehr besorgt um uns selbst. Wir haben Angst, zu kurz zu kommen. Dabei sagt uns Jesus zu: Gott weiß um unsere Wünsche. Gott weiß, was wir alles brauchen. Es ist kein Widerspruch zum Glauben an Gott, wenn uns Besitz und Ansehen zuteil wird. Gott hat doch nicht einfach diese Welt geschaffen und hat uns Menschen einfach verboten, die Schönheiten der Welt zu genießen. Das ist nicht mein Gottesbild. Wir werden alles, was unser Leben ausmacht, aber in der rechten Weise gebrauchen, wenn wir Gott den ersten Platz in unserem Leben geben.
Gott hat diese Welt geschaffen, dass die Menschen auf ihr glücklich werden können. Es gibt viel Leid auf der Welt, viel Streit, Hass, Neid weil Menschen zu sehr darum besorgt sind, was sie essen wollen, was sie anziehen sollen. Wer auf Gott vertraut, wie auf einen sorgenden Vater und eine liebende Mutter, der kann gelassen leben.
Gott vertrauen
Von dieser liebenden Mutter berichtet die Lesung aus dem Buch Jesaja. Gerichtet sind die Worte an das Volk im babylonischen Exil. Es fühlt sich von Gott verlassen, wie die Frau, die ich eingangs zitierte. Doch Gott vergisst uns nicht. Auch nicht die Frau vom Anfang. Wir sind seine geliebten Kinder. "Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst. Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott." So betet ein Mensch in Psalm 8. So hat auch Jesus gebetet. Mit diesen Worten bin ich doch eingeladen, darauf zu vertrauen, dass ich nicht immer das bekomme, was ich mir wünsche. Ich darf darauf vertrauen, dass ich das bekomme, was für mich gut ist, was mir nutzt. Gott weiß doch viel besser, was für mich persönlich gut ist, als ich das selber weiß. Gott weiß auch, warum er manches zulässt.
Diesen Glauben an die wunderbare Sorge Gottes um mich muss ich immer wieder neu lernen. Ich glaube auch, dass viele diese Sorge Gottes um die Menschen gespürt haben. Da wurde nach langem Suchen ein Ausbildungsplatz gefunden. Nach einigen Jahren merkte man: es war zwar nicht der Wunschberuf, aber gerade dieser Beruf erfüllt mich heute sehr. Da traf ich einen Menschen und dieser sprach ein Wort und das half mir in einer schweren Situation. So kommt es, dass mir was gegeben wird und ich spüre: das war goldwert. Auch ich kann auf diese Situationen zurückblicken.
"Ich bin da"
Ich merke: die Worte Jesu sind keine leeren Versprechungen. Der Name Jahwe - Ich bin der Ich bin da - ist Wirklichkeit. Gott hat in meinem Leben und er macht auch heute noch auch angesichts vieler Not seinem Namen immer wieder alle Ehre.
Diesem Gott dürfen wir dienen. An seinen Worten dürfen wir uns ausrichten. Wir sind geliebt, einfach weil wir sind. Und wir sind viel wert, mehr als alle Vögel des Himmels, mehr als die Lilien, die auf dem Feld stehen. Geben wir da unseren Mitmenschen ein Zeugnis von dieser Sorge. Vielleicht wird es weniger Menschen geben, die so leben müssen wie die Frau vom Anfang. Lassen wir erkennen, wen wir als Gott verehren. Es ist Jahwe, der für uns der sorgende Vater und die liebende Mutter zugleich ist.