<link http: shambala25.files.wordpress.com autun_dream_of_three_wise_men-cancre-wikimedia-commons.jpg _blank external-link-new-window external link in new>Meditation zu einem Relief im Musée Lapidaire von Autun
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Lang ist's her
Sie hatten seinen Stern gesehen, die drei. Doch das war lange her. Sie hatten seinen Stern gesehen ... Der hatte sie vom Stuhl gerissen und aus den Matratzen. Aufbruch im Morgengrauen des Lebens. Sie hatten sich auf den Weg gemacht. Doch den hatten sie sich ganz anders vorgestellt: gradliniger, einfacher, klarer und zielstrebiger, nicht über Autun oder Limburg, sondern direkte Luftlinie nach Bethlehem. Und nun liegen sie da am Boden und schlafen, alle unter einer Decke, damit sie nicht frieren - ohne Heizung.
Man kann ja auch wirklich müde werden und verzweifeln. Ständig kam etwas dazwischen: Päpstliche Instruktionen, Verordnungen im Amtsblatt, Skandal unter den Getreuen ... Von den immer gleichen Problemen gar nicht zu reden: Die Leute sind stur, kapieren's nicht, wollen ewig alles beim Alten lassen ... Und dann ging auch noch das Geld aus.
Sie hatten einen Stern gesehen. Doch das war lange her. Und der eine war müde geworden, und der andere war frustriert, und der Dritte war einfach sauer und wütend zugleich. Und alle drei hatten sie Blasen an den Füßen und waren lahm geworden. Die Jüngsten waren sie ja schließlich auch nicht mehr. Sie gingen weiter, weil sie halt mal gegangen waren, der Macht der Gewohnheit folgend, nicht dem eigenen Triebe. Die Vision des Aufbruchs war längst auf der Strecke geblieben.
Sie hatten einen Stern gesehen. Aber darüber redeten sie schon lange nicht mehr miteinander; es wäre ihnen fast peinlich gewesen, das Gespräch darüber war versickert. Andere Themen hatten sich aufgedrängt: Wer und was sich alles bei den anderen ändern müsste; wo man wirklich sparen könnte, und was einem alles nicht passt, überhaupt und so.
So kam es, dass sie irgendwann alle drei unter einer Decke steckten auf einer bequemen Matratze, irgendwo in Frankreich. Burgund ist das schlechteste nicht - der Wein, der Käse ... Da kann man's zunächst einmal aushalten. Bitte nicht stören!
Der störende Engel
Wenn da nicht dieser Engel wäre, der die Schlafenden energisch anstupst. Er zeigt auf den Stern. Entschuldigt, sagt er, wenn ich störe, da war doch noch etwas. Da war doch ein Stern, erinnert euch, der hatte euch nicht in Ruhe gelassen. Der hatte euch vom Stuhl gerissen und aus den Matratzen. Ihr wolltet nicht einfach so weitermachen ...
Ja, ja, schon gut, sagt der eine unter der Decke und macht nicht mal die Augen auf. Stern, Engel - da kann ja jeder kommen. Er dreht sich um und schläft weiter.
Lass mich in Ruhe mit dem Stern, sagt der andere unter der Decke. Ich bin in meinem Leben schon vielen nachgelaufen. Ich habe schon so viele Aufbrüche zusammenbrechen gesehen, von kirchlichen Ordnungen und Instruktionen ausgebremst. Verschone mich mit solchen Sternen. Ich hab meine Decke, basta!
Einer von den dreien hat die Augen aufgemacht. Nicht dass er den Stern noch im Blick hätte. Er schaut in eine ganz andere Richtung. Aber die Augen hat er immerhin aufgeschlagen. Der Engel stupst ihn an: Schau mal, der Stern! Du brauchst bloß den Kopf zu drehen, umzukehren. Ganz nah ist er bei dir, der Stern. - Die drei bleiben liegen ...
Mensch Engel, was nun? Was willst du jetzt tun? Ziehst du den dreien die warme Decke weg? Sie werden dich zum Teufel wünschen und sich endgültig in die Ofenecke verkriechen. Mensch Engel, überleg's dir.
Noch ist nicht aller Tage Abend
Es gab einmal den Tag, da haben wir seinen Stern gesehen. Es gab einmal den Tag, da hat's uns von den Stühlen gerissen und wir sind aufgebrochen. Und schließlich sind wir immer noch dabei, wie auch immer. Mag sein, dass wir uns zur Ruhe gesetzt oder gelegt haben und denken: Sternzeiten, das war einmal, das ist lange her. Aber noch sind - hoffentlich - die Augen offen, und irgendwie, lahm oder angeschlagen, sind wir immer noch auf dem Weg. Innen drin, ganz tief im Herzen ahnen wir vielleicht, dass der Stern uns gar nicht so fern ist. Wenn uns doch nur ein Engel anstupsen würde: Schau her, mach die Augen auf! Kehr dich um! Dein Stern, ganz nah, ganz nah ...
Von den drei Magiern heißt es im Evangelium, dass sie auf dem Weg geblieben sind. Mehr noch: Sie haben sich nicht einmal im Palast des Herodes länger aufhalten lassen, obwohl es dort molligere Polster und Decken gab als in Autun. Und schließlich sind sie noch rechtzeitig angekommen in Bethlehem, alle drei. Alle Achtung!
Noch ist nicht aller Tage Abend - das neue Jahr fängt gerade erst an. Und - man soll die Hoffnung nicht aufgeben, mit der Kirche nicht, mit unserer Gemeinde nicht, und nicht - jeder und jede hier - mit sich selbst.
Aus: Franz Kamphaus, Gott beim Wort nehmen. Zeitansagen. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2006.
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