Christi Himmelfahrt und Ostern gehören zusammen. Sie ist eine logische Fortsetzung der Auferstehung. Jesus hinterlässt seine Spuren in der Welt und nimmt seine, unsere, Verwundungen mit zum Vater.
Aus und vorbei?
Himmelfahrt – das ist das Fest des endgültigen Abschieds Jesu. Aus und vorbei? Warum sollte es ein Fest sein, dass der Auferstandene nun doch nicht bei den Seinen bleibt, sondern in luftige Höhen entschwindet? Wozu dann überhaupt noch die Zeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt – hätte Jesus da nicht gleich zum Vater gehen können? Ich mache mich ein wenig auf die theologische Spurensuche zu einem Fest, das leider in manchen Regionen zu kurz kommt – da es überlagert wird von Erstkommunion, Vatertag oder Familienausflug.
Eine erste Spur führt mich konkret auf die Spuren Jesu. Jesus hinterlässt seine Fußspuren in unserer Welt, wie es die Himmelfahrtskapelle am Ölberg symbolisch/real darbietet: Der Stein mit den Fußspuren Jesu, der hier gewissermaßen Schwung geholt hat für seinen Weg zum Vater. Aber er ist nicht ganz weg – sondern durch seine Fußspuren ist Gott selbst in dieser Welt gegenwärtig, real-symbolisch.
Auch wenn Jesus in der Himmelfahrt zu Gott zurückkehrt, ist sein Leben, seine Botschaft, sein Wirken nicht mehr aus der Welt wegzudenken - seine Spuren bleiben hier, breiten sich aus. Und seine Spuren sind vielfältig: Christentum ist aus unsrer Welt nicht mehr wegzudenken! Durch die christliche Botschaft hat sich die ganze Welt verändert.
Spuren Jesu in der Welt
Was wäre die Welt ohne die christlichen Werte? - Ohne Glauben, Hoffnung und Liebe; ohne den Glauben so vieler Menschen an die Auferstehung; ohne den Einsatz für die Ärmsten in allen Ländern.
Die Stellung der Frau in der Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, wäre ohne das Christentum nicht denkbar geworden; in vielen Religionen ist sie untergeordnet (wie im Islam, im Buddhismus und Hinduismus). Erst die Botschaft und das Handeln Jesu hat ein langsames Umdenken bewirkt - ein Umdenken, das auch heute noch andauert und noch immer zu keinem Ende gekommen ist; ein Wermutstropfen dabei (oder auch Stachel): es ist eine Botschaft, die die katholische Kirche selbst für sich erst wirklich voll entdecken und anerkennen muss!! Hier hat Jesus Spuren hinterlassen, in die die (katholische) Kirche erst hineinwachsen muss …
Die Fußspuren Jesu, die er bei der Himmelfahrt hinterlassen hat - sie sind nur symbolisch dort in Jerusalem zu besichtigen; aber real begegnen wir ihnen auf Schritt und Tritt. Gerade im Blick auf Franziskus und auf alle, die nach seinen Regeln versuchen, den Fußspuren Jesu zu folgen: Jesu Fußspuren finden sich dort, wo Mensch als Ebenbild Gottes im Mittelpunkt steht; ohne Ansehen der Person, der Macht, des Geldes - sondern als Geschöpf, als Kind Gottes. Seine Fußspuren finden sich in den Armen, die sich aufmachen; in den jungen Menschen, die für eine Zukunft auf die Straße gehen, in welcher es noch eine lebenswerte Erde gibt.
Blickrichtung
Ein Zweites, das mir am Himmelfahrtstag auffällt, ist die Reaktion der Jünger auf die Himmelfahrt. Sie stehen da, vielleicht mit offenem Mund, und staunen; was sollen sie tun? Jetzt ist der Herr endgültig weg. Irgendwie ratlos und hilflos sind sie, die großen Apostel auf deren Fundament unsere Kirche ruht! (Ich wäre da auch sehr verärgert und grantig: Wozu die Auferstehung, wenn er dann doch gleich wieder weg ist? Ist es nicht ein zweiter Karfreitag, ein zweites Abschiednehmen?)
Doch da kommt das Wort der Engel: "Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da und gafft nach oben?" - Nicht der Blick nach oben ist nun gefragt, sondern der Blick in die Welt. Sie sollen nicht Vergangenem nachtrauern, sondern vorausblicken. Letztlich ist es Frage nach dem Blickpunkt: Unser christlicher Blick soll auf dem Hintergrund von Ostern nicht ein zaudernder, verlassener, ratloser sein; es soll ein Blick sein, der offen ist; Blick, der sicher ist aus dem Wissen: Wir sind hier nicht alleingelassen, sondern Gott ist mit uns. Die Fußspuren Jesu sind rundherum sichtbar; sein Geist wirkt in uns und mit uns. Wir sehen ihn nicht - aber er ist da.
Nicht zufällig ähnelt die Szene jener Szene am Ostermorgen, als die Frauen und die Jünger zum Grab Jesu kommen – und der Engel / die Engel ihnen sagt: Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Geht…
Logische Fortsetzung der Auferstehung
Ostern und Christi Himmelfahrt gehören zusammen; der Heimgang zum Vater an Christi Himmelfahrt ist die logische Fortsetzung der Auferstehung; letztlich wurde dieser Heimgang nur kurz unterbrochen, um die Jüngerinnen und Jünger, die Frauen und Männer in seiner Nachfolge, zu stärken.
Jesus ist nun nicht durch einen wehmutsvollen Blick nach oben zu erkennen; nicht durch ein nostalgisches Nachtrauern zurückzuholen - damit hätten auch die Jünger nichts bewirkt. Und auch das Übergehen zur Tagesordnung, als ob nichts geschehen wäre ist falsch. Denn er ist nicht verschwunden aus der Welt: Wir können nun das Himmlische im Irdischen erkennen. Ich begegne Gott im Nächsten neben mir. Dies ist die Botschaft der Himmelfahrt. Der Himmel beginnt schon hier und jetzt, wo ich Christ bin.
Heimkehr zum Vater als Verwundeter
Ein Letztes schließlich, das mir bei der Feier von Christi Himmelfahrt wichtig ist: Jesus fährt auf zum Vater mit seinen Wundmalen; mit seinen schönen und schweren Erfahrungen des Lebens. Und damit nimmt er unser Menschsein und alle Freuden und Verwundungen unseres Lebens mit zu seinem Vater. All unsere Freude und unser Leid – es ist nun bei Gott; er weiß darum. Und dies ist mir etwas sehr Tröstliches: An einen Gott glauben zu können, der mich nicht erst dann liebt, wenn ich vollkommen gut, vollkommen losgelöst von irdischen Banden bin – sondern der mich mit meinen Verwundungen annimmt und liebt. Mit der Himmelfahrt Jesu ist das Menschliche, das Menschsein, auf immer ins Göttliche eingeschrieben und mit ihm verbunden.
Fußspuren Gottes in der Welt zu sehen; diesen Fußspuren zu folgen - und vertrauen zu können, dass diese Fußspuren zu Gott führen – das zeigt dieses Fest. Es ist ein Fest, das es wert ist, immer wieder auch in seinen theologischen Inhalten gefeiert zu werden: als Vollendung von Ostern; und als kleiner Vorausblick auf das eigene Ende, bei dem ich hoffe, mit den eigenen Verwundungen des Lebens diesen Heimgang zum Vater als Fest feiern zu können.
Martin Stewen (2023)
Johann Pock (1998)
Hans Hütter (1996)