Lobpreis auf die Weisheit des Kreuzes
"Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, sondern entäußerte sich, um im Gehorsam den Kreuzestod auf sich zu nehmen", schreibt Paulus in seinem Brief an die Philipper. Paulus, das sei erwähnt, der hier verherrlichende Worte für das Sterben am Kreuz findet, traute sich zunächst selbst nicht, bei den Menschen über das Kreuz zu sprechen. Als er auf seinen Missionsreisen zu predigen begann, beschränkte er sich darauf, von Jesus als einem außerordentlichen Menschen zu berichten, der viel Wunderbares und Gutes tat. Paulus unterließ es, von der Kreuzigung zu sprechen. In Athen, einem Ort höchster weltlicher Kultur, äußerte er sich angepasst weise und philosophisch, ohne je das Kreuz zu nennen. Doch seine Rede war ein Misserfolg. Der Apostel verließ Athen und ging mit erbittertem und enttäuschtem Herzen nach Korinth. Er fragte sich: Wieso ist das passiert? Wie war das möglich? Dann erahnte er, dass es ein Missgriff war, nicht auch über das Kreuz zu sprechen. Und als er den ersten Brief an die Korinther schrieb, war dieser ein Lobpreis auf die Weisheit des Kreuzes.
Was geschah eigentlich durch die Kreuzigung Jesu, die er im Gehorsam gegenüber Gott hinnahm, außer seiner persönlichen Hinrichtung noch?
Jesus bringt mit seinem von der Liebe bestimmten Leben und durch seine Lehre von der "Liebe und Barmherzigkeit Gottes für alle Menschen" das vorhandene Gottesbild der Juden ins Wanken. Vor allem für die Ältesten, Schriftgelehrten und Pharisäer, darf nicht wahr sein, was Jesus lehrt und wie er sich manchen Menschen, Sündern und Ausgestoßenen, gegenüber verhält. Sie sind erbost über den Zimmermannssohn aus Nazareth, werfen ihm Arroganz vor. Außerdem untergräbt er ihre Autorität. Die Menschen, besonders die Verfemten, Ausgestoßenen, Abgeschriebenen, lieben Jesus: Sein Handeln und ebenso seine Lehre. In ihrem Ärger über Jesus schaukeln sich die Pharisäer und Schriftgelehrten gegenseitig in ihrem Zorn hoch. Es findet sich niemand unter ihnen, der zur Besonnenheit rät, wie es später der Pharisäer Gamaliel tat.
Als die Apostel vor den Hohen Rat gezerrt wurden, um verurteilt zu werden, heißt es in der Apostelgeschichte: Da erhob sich Gamaliel, ein beim ganzen Volk angesehener Gesetzeslehrer; er ließ die Apostel für kurze Zeit hinausführen. Dann sagte er: Überlegt euch gut, was ihr mit diesen Leuten tun wollt. Es traten schon viele Männer auf, die behaupteten, sie seien etwas Besonderes. Sie alle kamen um und ihre Anhänger wurden zerstreut. Darum lasst von diesen Männern ab und gebt sie frei. Denn wenn ihr Werk von Menschenhand stammt, wird es sich auflösen; stammt es aber von Gott, so könnt ihr es nicht vernichten.
Die Torheit des Kreuzes
Jesus hat nicht das Glück, dass sich jemand für ihn einsetzt und die Gemüter beruhigt. Nicht nur seinen Tod wünschen sich die Schriftgelehrten und Pharisäer; ans Kreuz, ja ans Kreuz soll er, um als Verbrecher zu sterben. Mit Jesus steht auch sein Gottesbild, das an einer unbegrenzten Liebe des Vaters zu allen Menschen festhält, vor Gericht und der Hinrichtung. Jesus ist nicht bereit, sich durch Schikane, Folter und Kreuzigung von seinem Weg und Bekenntnis abbringen zu lassen. Er bleibt standhaft. Und nun kommt das Entscheidende: Gott lässt Jesus nicht für die Liebe und seine Botschaft von der Liebe Gottes sterben und damit hat es sich. Jesus ist nicht in erster Linie ein Märtyrer treu gelebter Liebe - das auch -, aber zuerst ist er ein Märtyrer des Glaubens an einen barmherzig liebenden Gott für alle. Am dritten Tag führt Gott ihn in die Auferstehung zu neuem Leben. Tod und Auferstehung Jesu bezeugen, dass Jesu Weg, sein Leben, vor allem aber sein Glaube richtig sind und ganz und gar dem Willen Gottes entsprechen. Kreuz und Auferstehung bezeugen, dass die Liebe Gottes zwar hingerichtet, aber nicht getötet werden kann.
Fest der unbezwingbaren Liebe Gottes
Kreuzerhöhung ist somit ein Fest, wo wir die unbezwingbare Liebe Gottes zu uns feiern - und zwar zu allen, wirklich allen Menschen. Wir glorifizieren nicht das Leid, nicht das Kreuz, sondern bedanken uns voller Glück für das Heil, das uns aus der Liebe Gottes erwächst.
Leid und Kreuz zu glorifizieren, dafür findet sich bei Jesus keinerlei Hinweis. "Nehmt euer Kreuz auf euch und folgt mir nach" ist keine Aufforderung Jesu, Leid und Kreuz anzustreben, sondern von der Liebe nicht zu lassen oder Abstriche von ihr zu machen, sobald es schwer wird, sie zu leben und zu verwirklichen. Es ist nicht nur berechtigt, es ist richtig, sich gegen Leid und Kreuz zu stemmen und zu wehren, wo immer wir dies können.
Jesus hat nicht nur gelitten. Er feierte das Leben, wo sich Gelegenheit dazu bot. Mit Armen und Reichen, Pharisäern und Zöllner saß er zu Tisch, ließ sich zur Hochzeit einladen, wo so sehr gefeiert wurde, dass der Wein ausging. Bei Maria und Marta kehrte er ein. Von der Schwiegermutter des Petrus ließ er sich bedienen, von Frauen in seinem Gefolge unterstützen, von der Dirne im Hause des Pharisäers Simon salben und die Füße küssen. Mit Maria Magdalene verband ihn eine innige Freundschaft. Die Menschen versetzte er in Staunen und genoss seine Beliebtheit. Erst als man ihn gegen seinen Willen zum König machen wollte, lehnte er ab und verbarg sich. Aber unter Jubel zog er dann später in Jerusalem ein. Es machte ihm Freude, seine Liebe zu verschenken, Menschen zu beglücken, Leidenden zu helfen und dafür Dank zu ernten.
Im Leid nicht allein
All das sollte uns ermutigen, die Freuden des Lebens, die sich uns bieten, auszukosten und zu genießen. Ich bin überzeugt: Gott will nicht, dass wir Leid und Kreuz in den Himmel heben, es gar unnötig ertragen. Leid bleibt Leid und Kreuz ein Kreuz. Wir handeln im Sinne Jesu, wenn wir uns gegenseitig beistehen, Fröhlichkeit miteinander teilen, Leid und Kreuz in gegenseitiger Hilfe mindern, wo wir dies vermögen. Es kommt darauf an, dass wir der Liebe die Treue halten, auch wenn uns Unrecht, Bedrückung, Gemeinheit seitens der Menschen trifft und Leid zufügt. Wut, Zorn, Rache, Wiedervergeltung nicht ausleben, um sich darin eine Art Genugtuung zu verschaffen, darauf kommt es an. Dann leben wir Nachfolge des Gekreuzigten und Auferstandenen. Jesus will uns Kraft geben für das Durchhalten in der Liebe. Er sagt den Aposteln und Jüngern beim Abschied: Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. Das ist seine Verheißung, die er einlöst.
Dies gilt auch für Leid und Kreuz, das uns in unserem Leben entgegenkommt. Kreuz und Leid wird nicht von uns hinweggenommen; aber damit allein gelassen werden wir nicht. Gott wird auch in den Dunkelheiten unseres Lebens mit seiner Liebe, Kraft und Stärke bei uns sein. Durchgehaltene und gelebte Liebe ist ein aufgerichtetes Zeichen, das auf Gott hinweist, und auf den Weg, auf dem Heil, Hilfe, Glück zu den Menschen gelangt. Daran soll uns Kreuzerhöhung erinnern.