Glaubenserfahrungen verbinden
Maria, schwanger durch das Wirken des Hl. Geistes, eilt zu ihrer Verwandten Elisabeth und verbleibt dort drei Monate. Warum tut Maria dies? Warum geht sie nicht zur ihrer Mutter und bleibt bei ihr? Meine Vermutung geht in die Richtung: Maria trifft zuhause auf kein rechtes Verständnis. Man ist sich unsicher, ob man ihr glauben darf. Empfängnis durch den Hl. Geist - Wer soll das glauben? Wir wissen nicht, wieviel an Misstrauen und Schmähung Maria in ihrem Heimatdorf Nazareth auf sich nehmen musste. Bei Elisabeth fühlt sie sich geborgen.
Elisabeth ist bis in ihr hohes Alter unfruchtbar. Im alten Israel galt dies als Schande. Die meisten Gläubigen argwöhnten sogar, dass Unfruchtbarkeit eine Strafe Gottes für heimlich begangene Sünden sei. Mit viel Unrecht und Leid wird Elisabeth in ihrem Leben konfrontiert. Für ihre Unfruchtbarkeit kann sie nichts. Anstatt Mitleid mit ihr zu haben, wird sie von vielen geschmäht, verurteilt, in ihrem Wert nicht wahrgenommen. Das Bittere an Elisabeths Situation ist: Sie kann von sich aus so gut wie nichts tun, um eine positive Einstellung der Menschen ihr gegenüber zu bewirken. Sie ist ihren Mitmenschen ausgeliefert.
Elisabeth - wie Maria ganz dem Willen Gottes ergeben und selbst den Weg der Verachtung gegangen - kann nachvollziehen, wie es Maria innerlich geht. Inzwischen durch Gottes Gnade und wunderbares Wirken selbst schwanger geworden, weiß sie, dass bei Gott Unmögliches möglich ist. Mit dieser Glaubenserfahrung ist sie genau die Richtige, die das junge Mädchen Maria auffangen, trösten und ermutigen kann, ihr wunderbares Ja zu Gott mit ihrem Herzen immer neu zu bestätigen, auch wenn Menschen auf ihr herumhacken. Elisabeth, die Glaubenserfahrene, kann der jungen noch unerfahrenen Maria Stütze sein und Halt geben. Umgedreht kann Maria bei ihrer Base in die Schule gehen und sich überzeugen, wie richtig es ist, Gott die Treue zu halten gegen alles Gerede und negative Verhalten der Mitmenschen.
Zwei Frauen mit einer bewunderungswürdigen Verbundenheit und Treue zu Gott begegnen sich und stimmen einen Lobpreis an. Denn Treue zu Gott und Dank an Gott bestimmen ihr beider Wesen.
"Gott ist Fülle"
Wenn wir uns fragen, wozu könnte uns das heutige Evangelium anregen, dann steht mir als erstes Bild die lebenslange Treue der Elisabeth vor Augen. Wie viele Hoffnungen an ihr Leben musste sie begraben! Das Leben gibt ihr einen Weg vor, den sie so als junges Mädchen sicher weder erahnte noch wollte. Im Vertrauen auf Gott nimmt sie ihr Schicksal an.
Sodann kann uns das Evangelium in Erinnerung bringen: Jede Gemeinde, jede Gemeinschaft, jede christliche Gruppe braucht Menschen vom Typ der Elisabeth.
- Menschen, an denen man sich aufrichten kann;
- Menschen, die sich durch Schicksale des Lebens nicht entmutigen ließen und lassen;
- Menschen, von denen man als Vorbilder lernen kann;
- Menschen, die innerlich nicht verhärmt oder ins ständige Klagen abgerutscht sind, sondern sich Kraft und Freude erhielten, weil sie in Gott und aus Gott lebten und leben - und nicht daraus, ob ihre Wünsche und Pläne in Erfüllung gingen oder nicht.
Elisabeth trägt den Namen "Gott ist Fülle". Und dies lebt sie. Gott ist für mich Fülle - und nicht meine erfüllten Pläne, Wünsche und Erwartungen. Dies wäre auch für uns ein guter Leitspruch.
Mögen diese beiden Frauen uns Vorbild sein, unser Leben - auch mit seinen Härten - im Vertrauen auf Gott anzunehmen und immer neu in den Lobpreis auf Gott einzustimmen, trotz mancher Leiden.