2. Lesung vom 24. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C:
1 Tim 1,12-17
Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an Timotheus:
Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat:
Christus Jesus, unserem Herrn.
Er hat mich für treu gehalten
und in seinen Dienst genommen,
obwohl ich ihn früher lästerte, verfolgte und verhöhnte.
Aber ich habe Erbarmen gefunden,
denn ich wußte in meinem Unglauben nicht, was ich tat.
So übergroß war die Gnade unseres Herrn,
die mir in Christus Jesus den Glauben und die Liebe schenkte.
Das Wort ist glaubwürdig und wert, daß man es beherzigt:
Christus Jesus ist in die Welt gekommen,
um die Sünder zu retten.
Von ihnen bin ich der erste.
Aber ich habe Erbarmen gefunden,
damit Christus Jesus an mir als erstem
seine ganze Langmut beweisen konnte,
zum Vorbild für alle, die in Zukunft an ihn glauben,
um das ewige Leben zu erlangen.
Dem König der Ewigkeit,
dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott,
sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.
Der 1. Timotheusbrief zählt mit dem 2. Timotheusbrief und dem Titusbrief zu den so genannten Pastoralbriefen. Unter dem Anschein eines Paulusbriefes werden wichtige Akzente seiner Theologie neu aufgegriffen und auf die Fragen der damaligen Zeit übertragen.
Im heutigen Lesungsabschnitt wird versucht, die Berufungsgeschichte des Paulus soteriologisch zu deuten. Christus zeigte in der Errettung und Befähigung des Saulus seine Erlösungsliebe. Was mit Paulus geschehen konnte, soll auch möglich sein für die Menschen in der Gemeinde. Darin kommt es auch zur Nähe zum Evangelium, das die Liebe Gottes dokumentiert.
Die Lesung ist aus dem Anfangsteil des Briefes an Timotheus - er gehört zu den "Pastoralbriefen" und stellt so etwas wie ein Vermächtnis dar. Paulus kann auf seine eigene Lebenserfahrung zurückgreifen, um die übergroße Gnade "unseres Herrn" zu rühmen. Aus einem, der früher „"lästerte, verfolgte und verhöhnte", wurde einer, der "in Christus" den Glauben und die Liebe geschenkt bekam und in seinen Dienst genommen wurde (passiv!). Noch prägnanter als hier wird die Bekehrungsgeschichte des Saulus von Tarsus wohl nicht erzählt werden können - ein Vorbild für viele andere Bekehrungsgeschichten, die sich mit biografischen Details zurückhalten, aber vom Erbarmen Christi sprechen. Timotheus, der Paulus nicht von Anfang an kennt, soll, wie der Brief es ausweist, das Evangelium weitergeben. Das Evangelium ist: Einmal, "Er ist in die Welt gekommen, die Sünder zu retten", dann, "Ich habe Erbarmen gefunden". Diese Bewegung lässt nichts anderes zu, als mit einem Dank anzufangen und mit einem Lobpreis aufzuhören. Der Abschnitt endet mit dem "Amen", das der Gemeinde erlaubt, in Lebenserfahrungen und Lobpreis einzustimmen. "Christus" ist hier, ganz ursprünglich, kein Eigenname, sondern ein "Titel": Jesus ist der Gesalbte, der Messias Gottes.
Die Briefe an Timotheus und Titus werden seit dem 18. Jahrhundert als "Pastoralbriefe" bezeichnet. Sie gelten als geistliches Testament von Paulus und zeigen ein unmittelbares Vertrauensverhältnis zwischen dem Verfasser und der paulinischen Überlieferung.
Paulus erinnert sich an seine Auserwählung zum Apostel. Es kommt ihm wie ein Wunder vor, daß der Herr ihn zu seinem Dienst berufen hat, daß er ihn für eine solche Aufgabe für "treu erachtete" und ihm sein Vertrauen schenkte. Für diese unbegreifliche, erbarmende Liebe sagt Paulus aus innerstem Herzen Dank.
Um seinen Mitchristen dieses Wunder von Damaskus eindrucksvoll zu schildern, weist er auf den unglaublichen Gegensatz zwischen seinem früheren und seinem jetzigen Leben hin. Ihn, der in seinem Kampf gegen die Anhänger Jesu, des Nazoräers in "maßloser Wut" vorging (Apg 26,10 f.), der "die Gemeinde Gottes verfolgte und zu vernichten suchte" (Gal 1,13), traf jene unbegreifliche, vergebende und erbarmende Liebe des Herrn, die am Kreuz sprach: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lk 23,34).
Wie sich aber dieses Erbarmen des Herrn im Leben des Paulus auswirkte, so ist es bei jedem Menschen, der glaubt; denn "Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten". Paulus erkennt sich als Werkzeug in Gottes Heilsplan: Er ist das Vorbild dafür, daß alle Menschen, die an Christus glauben, ewiges Leben und Heil erlangen können. Diese Erinnerung an seine gnadenvolle Erwählung zwingt Paulus zum Lobpreis Gottes.
Norbert Riebartsch (2007)
Manfred Wussow (2004)
Lopez Weißmann (1998)