Lesung aus dem Buch Jesus Sirach:
Die Weisheit lobt sich selbst
und inmitten ihres Volkes rühmt sie sich.
In der Versammlung des Höchsten öffnet sie ihren Mund
und in Gegenwart seiner Macht rühmt sie sich:
Der Schöpfer des Alls gebot mir,
der mich schuf, ließ mein Zelt einen Ruheplatz finden.
Er sagte: In Jakob schlag dein Zelt auf
und in Israel sei dein Erbteil!
Vor der Ewigkeit, von Anfang an, hat er mich erschaffen
und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht.
Im heiligen Zelt diente ich vor ihm,
so wurde ich auf dem Zion fest eingesetzt.
In der Stadt, die er ebenso geliebt hat,
ließ er mich Ruhe finden,
in Jerusalem ist mein Machtbereich,
ich schlug Wurzeln in einem ruhmreichen Volk,
im Anteil des Herrn, seines Erbteils.
Das Buch Jesus Sirach entstand um 180 v. Chr. in Jerusalem. Das wichtigste Anliegen Jesus Sirachs war, Weisheit und Gottesfurcht miteinander zu verbinden - heute würde man sagen: eine Synthese von Philosophie und Theologie. Zentrum und inhaltlicher Höhepunkt des Buches ist das 24. Kapitel. Hier wird die Weisheit "personifiziert" dargestellt: als Wesen, das selbst eine Rede hält. Sie erscheint als erstes aller Geschöpfe und als Gottes Schöpfungswerkzeug. - Aus diesem Kapitel stammt die erste Lesung.
Das Volk Israel hat in seiner mehr als tausendjährigen Geschichte seine Lebens- und Glaubenserfahrungen gesammelt. 331 vor Christus eroberten die Griechen Jerusalem und brachten ihre eigene Welt- und Lebensanschauung mit. Die Lehre der griechischen Weisen und auch die Lebenspraxis der Fremden wurden zur Auseinandersetzung nicht nur für die jüdischen Theologen, sondern auch für die Frommen. Wo finde ich Antworten auf meine Lebensfragen? Brauche ich dazu Gott und seine Propheten? Kann ich nicht in mir selber, durch mein Denken die notwendigen Antworten erkennen?
Jesus Sirach gibt als Antwort: es ist Gottes Weisheit, die die Weisheit des Menschen trägt. An seiner Weisheit müssen sich die menschlichen Antworten messen.
Jesus Sirach ist einer der großen Weisheitslehrer des AT. Er ist ein Pädagoge, der Unterweisungen gibt für die Erziehung eines Kindes.
Kapitel 24, Verse 1-22 stellen ein Loblied der Weisheit dar. Er läßt die Weisheit selbst sprechen (ab Vers 3). Sie erzählt von ihrer Suche nach einem Wohnort, einem Ort der Ruhe - und sie findet ihn in Jerusalem. Dort läßt sie sich nieder. Verse 13-17 schildern in schönen Bildern, wie sich die Weisheit dort breitmacht.
Verse 19-22 schildert die Vorzüge, die man von ihr hat: man fällt nicht in Sünde, man hat das ewige Leben.
Gewählt ist diese Stelle im Hinblick auf den "Logos" (Johannesevangelium): Die "Weisheit Gottes" wird oft als Synonym für das "Wort Gottes" verstanden und mit ähnlichen Attributen versehen.
Martin Stewen (2003)
Wolfgang Jungmayr (2000)
Johann Pock (1999)