Anschauliche Beschreibungen
In der Sprache der Menschen gibt es Wörter, von denen man sagen kann: man kann das nicht sehen, nicht greifen, aber man kann sie fühlen. Drei Beispiele dafür sind: Liebe, Freude oder Geist, pfingstlich gesprochen: Heiliger Geist. Diese Wörter verlangen ganz anschauliche Beschreibungen. Zwei junge Menschen zeigen ihre Liebe darin, dass sie sich umarmen, in kleinen Geschenken oder sie sagen es sich gegenseitig. Nachdem ich mit 27 Jahren mein Diplom bestanden hatte, machte ich vor lauter Freude Bocksprünge. Ich hatte auf diese Weise meiner Freude Ausdruck verliehen.
Dieselben Beobachtungen, die ich für Liebe und Freude aufgezählt habe, mache ich auch für das Wort Heiliger Geist. Ich kann den Heiligen Geist nicht sehen, aber ich kann ihn erfahren. Wenn wir auf die Lesungen und das Evangelium schauen, dann wird der Heilige Geist hier ganz anschaulich und konkret beschrieben. Gerade in diesen konkreten Beschreibungen steckt eine frohe Botschaft, die uns Mut macht. Es lohnt sich Christ oder Christin zu sein.
Sturm und Feuerzungen
Schon die Lesung aus der Apostelgeschichte ist sehr anschaulich. Es ist faszinierend wie der Heilige Geist wirkt. Der Sturm, die Feuerzungen, das Brausen vom Himmel. Alles hat die Apostel bewegt.
Als Lukas die Apostelgeschichte verfasste und diese Geschichte aufschrieb, da wollte er wahrscheinlich keinen historischen Bericht schreiben. Vielmehr - so glaube ich es - versuchte er auszudrücken, wie innerlich bewegt die Apostel waren. Ich kann mir gut vorstellen, wie aufgewühlt die Apostel waren, wie sie hin und herschwankten zwischen der Entscheidung: ist das auch wirklich wahr, was wir erlebt haben oder war alles nur ein schöner Traum? Sendet uns Jesus seinen Beistand oder sendet er ihn nicht? Sind wir nicht bloß auf uns gestellt? Und Jesus - so Lukas - hat seinen Geist gesendet. Das spürten sie. Sie bekamen Schwung, sie bekamen Elan, ja sie wurden begeistert in einem ganz tiefen Sinn. Als sie dann spürten: alles ist wahr, da konnten sie vor die Menschen treten. Sie verkündeten Gottes große Taten.
Petrus redete, weil er begeistert war
Das ist eine Zusage an uns, die uns Mut macht. Es ist die Verheißung, dass auch wir Christen vom Heiligen Geist erfüllt werden, wenn wir wie die Apostel damals dazu bereit sind und es wirklich wollen. Dass wir erfüllt sind vom Heiligen Geist kann sich ganz konkret zeigen.
In der Apostelgeschichte hören wir wie Petrus plötzlich mutig wird und von seinen Erfahrungen überzeugend redet. Diese Menschen brauchen wir auch heute noch. Wir brauchen Menschen, die begeistert von ihrem Glauben reden. Sicher: Petrus war kein Redner, er war Fischer. Er hat niemals einen Rhetorikkurs besucht. Er konnte einfach reden, weil er begeistert war.
Es gibt aber auch unter uns Christen Menschen, denen das freimütige Sprechen in die Wiege gelegt wurde. Sie können freimütig über ihren Glauben erzählen. Man hört ihnen gerne zu. Sie können argumentieren, so dass Menschen wirklich - ähnlich in der Apostelgeschichte - spüren: das, was sie sagen, stimmt, es überzeugt mich. Es gibt Menschen, die haben der Welt was zu sagen, die haben der Welt Jesus zu verkündigen. Ich bin davon überzeugt, dass es mehr Menschen sind, als wir glauben.
Die Botschaft mit Worten zu verkünden, das ist nicht nur - sicher schon auch - Priestern vorbehalten. Es gibt sicher viele Möglichkeiten, von meinem Glauben zu sprechen. Die Apostelgeschichte hat einen sehr symbolischen Zug. Die Apostel werden verstanden von den verschiedensten Völkern. Übertragen auf uns: wer erfüllt vom Heiligen Geist spricht, der spricht so, dass ihn jeder verstehen kann, sei es ein gebildeter, sei es ein ungebildeter Mensch. Die Menschen werden - wie in der Apostelgeschichte angerührt. Sicher: es ist wichtig, dass alles mit dem Leben abgedeckt wird, was ich sage, doch ich will auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten: der Glaube entsteht dadurch, dass andere Menschen erzählen, dass andere diesen Glauben mutig verkünden.
Wir brauchen uns nicht zu verstecken
Pfingsten sagt uns: wir brauchen uns mit der christlichen Botschaft nicht zu verstecken. Damit wären wir gleich auch beim Evangelium. Haben wir da nicht gehört, dass die Jünger aus Angst vor den Juden die Türen verschlossen. Doch sind diese Türen kein Hindernis für den Geist Gottes. Wir haben auch viele Türen aus Angst verschlossen. Jesus aber nimmt die Ängste der Jünger ernst. Er nimmt auch unsere Ängste, unser Sicherheitsdenken in der Kirche ernst. Ich bin sehr davon überzeugt: gerade meine Ängste, die Ängste der Kirche nimmt Gott, um sein Werk zu tun. Die Ängste können für mich ein Weg zu Gott sein, indem ich lerne: ich bin als Mensch abhängig von Gott, angewiesen auf seine Fürsorge für mich.
Gott beruft auch heute noch Menschen, er will auch heute noch Menschen, Sie, Euch und mich, mit seinem Geist erfüllen. Das Evangelium kann uns Mut machen, sich ganz auf Gott zu verlassen, sich bei ihm geborgen zu wissen. Das Evangelium macht mir Mut, Gott einfach zu erlauben, mein Leben zu führen, felsenfest zu glauben: ich lebe aus seiner Kraft.
Der Lebensatem Gottes
Ich lebe daraus, dass er mich anhaucht. Zwei Mal erzählt die Bibel, dass Gott den Menschen anhaucht: einmal am Anfang der Bibel im Buch Genesis: Gott blies seinen Lebensatem in den Menschen und im Evangelium des heutigen Tages.
Es ist sehr interessant, was der Evangelist Johannes berichtet. Jesus spricht von der Sündenvergebung. "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert." In einem Hochgebet der Messfeier beten wir: "Dein Geist bewegt die Herzen der Menschen, wenn Feinde wieder miteinander sprechen, Gegner sich die Hände reichen und Völker den Weg zu einander suchen." Jeder Akt der Vergebung, und sei er noch so klein, jede kleine Versöhnung ist doch ein Zeichen, dass Gottes Geist wirkt. Jede Vergebung, jede Lossprechung zeigt den Geist Gottes ganz konkret. Jede Vergebung, jeder Neuanfang ist doch wieder ein Schritt auf den Ursprungszustand zu.
Die Werke des Geistes
Der Mensch hat durch den Sündenfall das Paradies verloren. Er lebt nicht mehr in Eintracht. Vergebung ist ein Weg, die verlorene Eintracht untereinander und mit Gott wieder herzustellen. So eint der Heilige Geist. Ich kann hier wieder auf das Sprachenwunder in der Apostelgeschichte zurückgreifen. Menschen lernen durch den Geist Gottes einander zu verstehen, nicht nur in den äußeren Worten, sondern sie verstehen sich von ihrem Herzen her, sie nehmen sich gegenseitig an. Auch das ist ein konkretes Werk des Heiligen Geistes.
Ein Beispiel: die neuen geistlichen Bewegungen sind noch vor wenigen Jahren eigene Wege gegangen. Dabei haben sie sich ganz stark von anderen abgegrenzt. Die Phase war sicher notwendig. Doch seit einigen Jahren näheren sie sich an, ja suchen immer mehr das Gemeinsame, versuchen dankbar die Schätze anzuschauen, welche andere Bewegungen hervorbringen. Wenn das kein Werk des Geistes ist, was ist dann ein Werk des Geistes?
Nicht umsonst schreibt daher Paulus in seinem Brief an die Galater, was die Werke des Fleisches sind: Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink und Essgelage. . . Das alles führt von Gott weg, es führt von Mitmenschen weg, es führt dazu, dass ich eingekapselt und in mich verkrümmt nur noch für mich lebe.
Was Paulus aber unter den Werken des Geistes aufzählt, das trägt zur Einheit bei: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. . . Das alles führt mich zu Menschen hin. Der Geist eint Menschen.
Das Fest Pfingsten macht mir Mut, mich auf Gott einzulassen, ihm immer mehr zu erlauben, mein Leben zu bestimmen. Wo ich das alles, was Paulus zu den Werken des Heiligen Geistes aufzählt, erleben darf, da wirkt der Geist Gottes, und das ganz anschaulich, greifbar, und auch sichtbar. Wo ich das alles erlebe, da erlebe ich die Liebe. Das spüre ich den Heiligen Geist, und da spüre ich die Liebe, die in Gott ihren Ursprung hat. Der Heilige Geist wird konkret bei einzelnen, in der Gemeinde und in der Gemeinschaft der Kirchen.