Das die Lesung beherrschende Wort ist der "Neue Bund", den Gott mit seinem Volk Israel schließen will. Bereits am Sinai war Jahwe einen Bund mit Israel eingegangen. Zehn Weisungen Jahwes, die Mose in Stein meißeln ließ, bildeten die Grundlage für diesen Bund. Sie waren gute Wegweiser, das Leben mit Gott und den Mitmenschen so zu ordnen, damit Ehrfurcht, Achtung und Fürsorge das Leben der Menschen bestimmten. Es waren Weisungen, die dem Wohl der Menschen dienten und Gott die gebührende Ehre gaben.
Aber wie Menschen so sind, sie ergreifen längst nicht immer das, was ihnen zum Heil dient. Dies war beim Volk Israel der Fall; das ist bei uns oft so. Bequemlichkeit, Zorn, Rachegedanken, Gleichgültigkeit, Egoismus lassen Menschen oft hinter dem zurückstehen, was ihnen an Gutem möglich wäre. So kam und kommt es immer wieder zum Bruch des Bundes zwischen Gott und den Menschen.
Der Grund für dieses menschliche Versagen wird in der heutigen Lesung deutlich herausgestellt: Die Weisungen Gottes sind zwar auf Steinen eingemeißelt, aber nicht in unseren Herzen verankert. Und das ist ja bis auf den heutigen Tag der Grund unseres Versagens. Gute Weisungen und hilfreiche Gebote haben wir genügend. Sie auch ins Herz einzuschreiben, um sie zu verwirklichen, das ist der wunde Punkt.
Es hatte in Israel durchaus viele Versuche gegeben, die Gebote Gottes im Volk lebendig zu erhalten. Alle Gebote, Bestimmungen und Verordnungen, die im Laufe der Zeit nach den zehn Geboten im Volk entstanden, dienten letztlich dem Versuch, die zehn Grundgebote des Bundes neu und lebendig in den Blick zu rücken. Erst ihre herz-lose, rein mechanische Erfüllung machte sie zum Teil inhaltsleer und nutzlos. Darin besteht Jesu Kritik, die er vielen Vorschriften und Satzungen gegenüber äußert.
Gott aber, so können wir in der Lesung miterleben, gibt nicht auf. Zu sehr liebt er sein Volk und die Menschen, als dass er von ihnen enttäuscht sie sich selbst überlässt. Durch den Propheten Jeremia kündigt er einen Neuen Bund mit Israel und den Menschen an.
Ein Neuer Bund
Der Gedanke vom Neuen Bund Gottes, der bereits gut 500 Jahre vor Christi Geburt von Jeremia ausgesprochen wird, taucht späterhin im ganzen AT nicht mehr auf. Erst Jesus greift das Wort beim letzten Abendmahl erneut auf: "Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird" (Lk 22,20b). Jesus greift nicht nur das Wort vom Neuen Bund auf, er erneuert mit den Worten "in meinem Blut, das für euch vergossen wird" auch die Zusage Gottes im AT: "Ich verzeihe ihnen ihre Schuld, an ihre Sünden denke ich nicht mehr" (Jer 31,34).
Wenn wir die Gedanken der Lesung auf uns wirken lassen, dann stimmen wir sicher leicht dem zu, dass Gottes Weisungen uns ins Herz geschrieben sein müssen, wenn sie von uns beachtet und verwirklicht werden sollen.
Herzlichkeit, Leidenschaft und Hingabe
Herz, Herzlichkeit sind die entscheidenden Worte. Der Herzlichkeit steht oft die Mühe im Weg. Wir müssen uns aufraffen, Hand anlegen, zupacken, wenn die Weisungen Gottes Gestalt annehmen sollen. Gerade dann, wenn wir Menschen begegnen, die uns nicht so liegen, wenn wir für unseren Einsatz keinen Dank oder eine Anerkennung erfahren, wenn unsere schönen Träume durchkreuzt werden, dann sind wir immer wieder in Gefahr, das Würzige und Herzhafte, zu dem wir fähig wären, zu unterlassen. Wir lehnen Gottes Weisungen nicht ab, aber sie prägen auch nicht unser Denken und Handeln. Es fehlt unserem Handeln oft das Herz mit seiner Glut, seinem Feuer, seiner Leidenschaft und Hingabe.
Um dieser Gefahr der Herz-losigkeit zu entgehen, sehe ich im Grunde nur einen Weg: Wir müssen uns einbetten in die Liebe Gottes zu uns. Es ist schön, wenn wir von Menschen geliebt werden und ihre Hilfe erfahren. Aber das allein trägt uns auf Dauer noch nicht, weil Menschen in ihrer Schwäche auch immer wieder versagen, uns enttäuschen, verletzen, den Mut nehmen, uns Unrecht antun. Nur wer sich regelmäßig in Gottes Liebe sonnt, sein Nest in Gottes Liebe baut, wird seinem Herzen Freundlichkeit bewahren können. Zu groß sind die Anforderungen des Lebens, die Belastungen und Enttäuschungen, als dass eine gelegentliche Hinwendung zu Gott genügen und ausreichen würde.
Gott selbst liefert uns das Stichwort, auf das es ankommt. Er spricht von einem Bund zwischen ihm und uns. Ein Bund ist mehr als ein lockeres, freundschaftliches Verhältnis. Bund im biblischen Sinne ist das Verschmelzen ineinander, ist das Zusammenwachsen zweier in ein gemeinsames Leben. Gottes Gesinnung, Gottes Geist will uns ergreifen und in uns wirken und wir dürfen aus seiner Kraft leben und handeln. Diese innige Gemeinschaft will Gott ausdrücken, wenn er sagt: "Ich schreibe ihnen meine Weisungen in ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein." Gleichzeitig deutet Gott mit diesen Worten an, dass er selbst sehr aktiv sein wird. Der Bund mit Gott ist nicht nur unserem Bemühen überlassen. Unser Anteil ist vor allem, sich dem Wirken Gottes zu öffnen, sich ihm zuzuwenden, nicht ohne ihn und an seinen Weisungen vorbei leben zu wollen.
"Ich bin an deiner Seite"
Dass wir diesen Schritt der tiefen und dauerhaften Hingabe an Gott zu oft nicht wagen, das ist unser Verderb. Denn wir bringen uns damit um sehr viel Glück in unserem Leben. Dabei haben wir doch alle die Erfahrung gemacht: Wenn ich bedenke, wie sehr Gott mich zu einem Geschöpf der Liebe veranlagt hat und machen will:
In mir schlummern enorme Kräfte zur Liebe.
Ich kann beistehen, helfen, trösten, ermutigen.
Ich kann durch mein Mittun zahllose Missstände beseitigen und das Schöne mit in Gang setzen.
Wenn wir bedenken, wer wir sein könnten, wie viel Gutes wir vollbringen könnten, bewegt sich doch bereits unser Herz. Wir haben noch gar nichts unternommen, schon beim Gedanken daran, dies und das könnten wir in die Hand nehmen, erfasst uns ein Gefühl von Glück und Lust darauf, es zu tun. Und ich kenne niemanden, der die Schritte zum Guten dann auch tatsächlich getan hat und darauf hin nicht in einem hohen Maß glücklich gewesen wäre. Gott will uns dieses Glück verschaffen, indem er uns einen Bund mit ihm anbietet, der verheißt: Öffne dich mir, ich bin an deiner Seite. Ich gebe dir die Kraft, die du brauchst.
Ein Bund zu unserem Glück
Oder haben wir nicht erfahren, wie gut es tut, wenn uns Gott sagt: Ich will dir Vergebung schenken.
Erinnern wir uns ruhig an beschämende Situationen in unserem Leben. In unserer Enttäuschung über uns selbst sagt uns Gott: Trauer bringt dich nicht weiter. Wenn du wirkliche Reue in dir hast, dann tu zwei Dinge: Nimm das Gute wieder in den Blick, setz deinem Versagen neue Werke der Liebe an die Seite und hab Erbarmen mit denen, die an dir schuldig wurden. Neu anfangen dürfen, auch bei wiederholtem hässlichen Versagen wissen, dass Gott in Liebe an meiner Seite bleibt, welche Energie fließt uns da durch Gott zu. Welcher Segen ergießt sich von uns auf unsere Mitmenschen, wenn wir ihnen großmütig und großzügig verzeihen, so wie Gott uns verzeiht.
Und auch mit dem Leid werden wir anders umgehen, wenn wir uns in Gott verankert haben. Es gibt Leid, das wir uns zufügen, weil Gottes Weisungen nicht in unsere Herzen eingeschrieben sind, - sinnloses Leid, das es nicht geben müsste und das nichts bringt, - Leid, das wir aus Zorn, Rache oder auch Gedankenlosigkeit dem anderen zufügen.
Daneben gibt es das Leid oder die Schicksalsschläge, deren "Warum?" wir nicht erklären können. Leid und Schicksalsschläge können uns in eine tiefe Krise in unserem Glauben führen. Manchmal erhalten wir im Nachhinein eine Antwort, warum dies oder jenes Schwere für uns ganz gut war. Aber manches bleibt auch sehr im Dunkeln.
Hilfe, das Leid durchzustehen, so können wir beobachten, wird denen zuteil, die sich in Gott verankern. Ja manche Leidende sind wesentlich glücklicher und fröhlicher als solche, die - nüchtern betrachtet - keinen Grund zur Klage hätten.
Der Neue Bund, bereits gut 500 Jahre vor Christi Geburt angekündigt und von Jahwe angeboten, ein Bund zu unserem Glück schon hier auf Erden, wird von Jesus aufgegriffen und den Menschen neu angeboten. Wer für sich durchtragendes Glück sucht, wird Gottes Angebot nicht in den Wind schlagen. Er wird die uns dabei abverlangte Mühe nicht scheuen, zumal er spürt, wie viel Kraft ihm von Gott her zufließt. Er wird sich immer wieder in Gottes Liebe sonnen und neu voll Freude Gottes Weisungen in sein Herz schreiben. Menschen, die den Neuen Bund mit Gott eingehen, werden alle Liebe der Mitmenschen genießen, aber darüber hinaus sich tief geborgen wissen in der Liebe Gottes, die alle menschliche Liebe an Tiefe und Weite übertrifft.
Christoph Legutko (2000)
Alfons Jestl (1997)