Leben als Dienst
Vor ein paar Wochen las ich in einer kirchlichen Zeitschrift einen Artikel. Dieser Artikel trug die Überschrift: "Gottesferne und Geburtenschwund - ein zeitloser Zusammenhang." In diesem Artikel behauptet die Autorin Christa Meves, dass die niedrigen Geburtenzahlen mit dem immer geringer werdenden Glauben zusammen hängen. Die Menschen müssen wieder zu Gott zurückfinden. Wenn Deutschland und Europa nicht untergehen wollen, dann braucht es wieder mehr Frauen, die bereit sind, Mütter zu werden. Freilich darf das Problem nicht auf die Frauen alleine geschoben werden. Eine wichtige Ursache ist die Umwelt, die in den vergangenen Jahren die Frauen immer negativ beeinflusst hat. In dieser Umwelt waren und sind auch heute noch Männer beteiligt. Der Mensch muss, so ein für mich wichtiger und zentraler Satz dieses Berichtes, lernen, dass sein Leben Dienst zu sein hat, Dienst im Gehorsam zu seinem Schöpfer. Der Mensch stellt sonst sein eigenes Lebensrecht ins Zentrum seiner Überlegungen und Handlungen. Er lebt dann eher für sich selbst, und nur für sich selbst.
Immer wieder hat sich der Mensch von Gott entfernt. Er wollte sein wie Gott. So ist er immer wieder in die Sklaverei gekommen. Die Sklaverei in Ägypten kann als Bild betrachtet werden für die modernen Sklavereien. Die Götter, denen wir heute dienen, versklaven uns. Die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise, die daraus folgt, machen viele Menschen unfrei. Was tun nicht viele, damit ihre Existenz nicht gefährdet wird? Sie verraten und verkaufen ihre eigenen Werte, um ihre Stellung zu halten. Wer bereits seinen Arbeitsplatz verloren hat, kann sich seinen Lebensunterhalt oft nicht mehr aus eigener Kraft verdienen. Viele sind abhängig vom Staat. Viele müssen unter Bedingungen arbeiten, die menschenunwürdig sind. Eine Fernsehsendung im Zweiten Deutschen Fernseher zeigte das Leben von Leiharbeitern. Trotz einer Vollzeitarbeit leben viele Menschen am Existenzminimum. Eine Form der Sklaverei. Wenn ich auch kein Fachmann für Wirtschaftsfragen bin, so traue ich mich zu sagen: ohne den Egoismus vieler könnte die Lage der Menschen anders, ja viel besser sein. Es leben sehr viele reiche Menschen auf Kosten der Menschen, die unten stehen. Die Schere wird immer größer.
Götter, die unfrei machen
Daneben aber gibt es noch andere Formen der Sklaverei. Jeder von uns muss schauen, was ihn persönlich unfrei macht. Der eigene Egoismus kann mich unfrei machen. Immer will ich alles für mich haben, ich denke nicht an die anderen. Dadurch werde ich getrennt. Bei anderen kann es der Versuch sein, es möglichst allen recht zu machen. Weil ich mich nicht unbeliebt machen will, verrate ich so meine eigenen Werte.
Die Menschen müssen auch heute aus der Sklaverei befreit werden. So hat es das Volk Israel in der Bibel erfahren. Unter der Last ihrer Arbeit spürten die Menschen: es geht so nicht weiter. Gott hört auf das Schreien. Was wir heute in der ersten Lesung gehört haben, ist das Paschamahl. Dieses Paschamahl ist ein Befreiungsmahl. Wer von Gott verschont werden wollte, der musste das Blut des Lammes an die Türpfosten streichen. Dessen Leben und das seiner Familie wurden verschont. Mit seinem Volk wurde er herausgeführt aus der Sklaverei durch die Wüste in das Leben in Freiheit. In dieser Stelle zeigt sich wie Gott ist und wir Gott handelt. Gott ist ein Gott des Lebens, ein Gott, der vergibt, ein Gott, der mit seinem Volk eine eigene Geschichte schreiben möchte.
Ein Gott, der in die Freiheit führt
Mit Gott zu leben, bedeutet in Freiheit und in Glück zu leben. Wenn wir uns von diesem Gott abkehren, dann machen wir anderes zu unserem Gott. Was wir dann zu unserem Gott machen, das kann uns versklaven. Denn unsere Gedanken sind dann nur noch von dem bestimmt, wem wir dienen. Das können Menschen sein. Wenn ich mich einem Menschen unterwerfe, dann übernehme ich so die Gedanken dieses Menschen und denke nicht mehr eigene Gedanken. Mitmenschen geht es oft nicht um mich, sondern eher um deren eigenes Wohl. Wenn ich meinen Verein aus der Fußballbundesliga so zu meinem Lebensinhalt mache, dass ich kaum noch Zeit habe für meine Familie, oder für meine Freunde, dann bin ich bereits unfrei. Lassen wir uns doch einladen, dem Leben mit Gott dieselbe Zeit zu schenken wie der zum Beispiel der Pflege des Autos, eines Hobbys oder unseres beruflichen Fortkommens. Jetzt sage ich Ihnen allen noch, wer Sie noch mehr versklaven kann: Sie sich selbst. Jeder kann sich selber mehr unter Druck setzen durch falschen Ehrgeiz oder durch Gier. Von alldem will uns Gott befreien.
Christus das Lamm Gottes
Die Juden feiern ihr Paschafest, wir feiern Eucharistie - beides ein Mahl, das uns an den Gott der Befreiung erinnert. Paulus hat uns überliefert, was im Abendmahlssaal geschah. Jesus nahm das Brot, brach es und sprach: das ist mein Leib. Dann hat Jesus den Becher mit Wein genommen. Er hat den Wein ausgeteilt und gesagt: das ist mein Blut, das für euch vergossen wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis. Vergessen wir nie, was Jesus für uns getan hat. Jesus hat sich ausgeteilt. Jesus teilt sich auch heute aus. In diesem Gottesdienst denken wir daran ganz besonders. Bei den Juden war es das Blut des Lammes. Im Wein nehmen wir das Blut Christi zu uns.
Christus ist das Lamm Gottes. Wir singen es in jeder Messe. Christus war frei davon, mit Gewalt oder mit seiner Macht sein Recht zu behaupten. Er aber ging den anderen Weg, den Weg der Gewaltlosigkeit. Ein Lamm steht ja für ein harmloses und gewaltloses Tier. Jesus gibt sich hin für uns. In jeder Messe feiern wir diese Hingabe. In jeder Messe wird Jesus in den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig. Er ist da, anwesend, mitten unter uns, die wir in seinem Namen versammelt sind. Wenn wir ihn in Gestalten von Brot und Wein empfangen, dann vereint sich Jesus immer wieder mit uns, dann durchdringt Jesus unser Leben. Dann durchdringt Jesus unser Denken, Handeln und Wollen. Dann können wir immer mehr in die Haltung des Dienens hineinwachsen.
Ein Jude soll nie vergessen, was Gott gewirkt hat. Ein Christ soll nie vergessen, was Jesus beim Abendmahl getan hat. Vor allem: er soll werden wie Christus, er soll dienen wie Christus. Er soll bereit sein für den Glauben zu sterben wie Christus. In der Bereitschaft, sich hinzugeben hat Jesus den Grund für die Eucharistie gelegt.
Hingabe und Dienst
Wer Jesus nachfolgt, wird von ihm zum einem Leben in Fülle geführt. Das geschieht durch das Beispiel, das Jesus uns gibt. Jesus gibt uns ein Paradebeispiel in der Fußwaschung. Petrus versteht es noch nicht. Doch auch wir müssen begreifen, dass wir uns erlösen lassen müssen, dass wir uns die Liebe, die Jesus in dieser Geste zeigt, nicht verdienen können. Diese Geste ist ein Zeichen seiner Hingabe. Zuerst dient Gott, zuerst dient Jesus uns. Zuerst möchte uns Gott mit Leben beschenken. Gott möchte uns Befreiung und Erlösung schenken aus einem Leben, das bestimmt ist von unserer Schuld. Darum geht er diesen Weg. Gehen wir ihn mit.
Ich komme auf den Artikel am Beginn der Predigt zurück. Lassen wir uns von Jesus verwandeln. Dann kann die Haltung des Dienens wachsen. Dann schenken wir wieder mehr Leben, dann erfüllt das unser Leben. Gott ist für uns - und das bedeutet Leben.