Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 02. Jul. 2023 - 13. Sonntag im Jahreskreis (A)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Okt. 2024
29. Sonntag im Jahreskreis (B)
13. Okt. 2024
28. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Okt. 2024
27. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Sep. 2024
26. Sonntag im Jahreskreis (B)
22. Sep. 2024
25. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Sep. 2024
24. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Sep. 2024
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
08. Sep. 2024
8. September: Mariä Geburt (Fest)
08. Sep. 2024
23. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
22. Sonntag im Jahreskreis (B)
31. Aug. 2024
Erntedank (Sonst.)
25. Aug. 2024
21. Sonntag im Jahreskreis (B)
18. Aug. 2024
20. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Aug. 2024
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
11. Aug. 2024
19. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Aug. 2024
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
04. Aug. 2024
18. Sonntag im Jahreskreis (B)
28. Jul. 2024
17. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jul. 2024
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
21. Jul. 2024
16. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jul. 2024
15. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jul. 2024
14. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Jun. 2024
13. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Jun. 2024
29. Juni: hl. Petrus und Paulus (Fest)
27. Jun. 2024
27. Juni: Fest der Mutter von der Immerw. Hilfe (Fest)
24. Jun. 2024
24. Juni: hl. Johannes des Täufers (Fest)
23. Jun. 2024
12. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Jun. 2024
20. Juni: Weltflüchtlingstag (Sonst.)
16. Jun. 2024
11. Sonntag im Jahreskreis (B)
09. Jun. 2024
10. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jun. 2024
Heiligstes Herz Jesu (B)
02. Jun. 2024
9. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Mai. 2024
Fronleichnam (B)
26. Mai. 2024
Dreifaltigkeitssonntag (B)
20. Mai. 2024
Pfingstmontag - Maria, Mutter der Kirche (B)
19. Mai. 2024
Pfingstsonntag (A/B/C)
18. Mai. 2024
Pfingsten, am Vorabend (A/B/C)
12. Mai. 2024
7. Sonntag der Osterzeit (B)
09. Mai. 2024
Christi Himmelfahrt (B)
06. Mai. 2024
Bitttage (A/B/C)
05. Mai. 2024
6. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Mai. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
30. Apr. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
28. Apr. 2024
5. Sonntag der Osterzeit (B)
21. Apr. 2024
4. Sonntag der Osterzeit (B)
14. Apr. 2024
3. Sonntag der Osterzeit (B)
08. Apr. 2024
25. März: Verkündigung des Herrn (Fest)
07. Apr. 2024
2. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Apr. 2024
Ostermontag (A/B/C)
31. Mär. 2024
Ostersonntag (A/B/C)
30. Mär. 2024
Osternacht (B)
29. Mär. 2024
Karfreitag (A/B/C)
28. Mär. 2024
Gründonnerstag (A/B/C)
24. Mär. 2024
Palmsonntag (B)
19. Mär. 2024
19. März: hl. Josef (Fest)
17. Mär. 2024
5. Fastensonntag (B)
10. Mär. 2024
4. Fastensonntag (B)
03. Mär. 2024
3. Fastensonntag (B)
25. Feb. 2024
2. Fastensonntag (B)
18. Feb. 2024
1. Fastensonntag (B)
14. Feb. 2024
Aschermittwoch (A/B/C)
11. Feb. 2024
6. Sonntag im Jahreskreis (B)
04. Feb. 2024
5. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Feb. 2024
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
28. Jan. 2024
4. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jan. 2024
3. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jan. 2024
2. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jan. 2024
Taufe des Herrn (B)
06. Jan. 2024
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
01. Jan. 2024
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2023
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
31. Dez. 2023
Fest der hl. Familie (B)
26. Dez. 2023
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
24. Dez. 2023
4. Adventsonntag (B)
17. Dez. 2023
3. Adventsonntag (B)
10. Dez. 2023
2. Adventsonntag (B)
08. Dez. 2023
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
03. Dez. 2023
1. Adventsonntag (B)
26. Nov. 2023
Christkönigsonntag (A)
19. Nov. 2023
33. Sonntag im Jahreskreis (A)
12. Nov. 2023
32. Sonntag im Jahreskreis (A)
09. Nov. 2023
9. November: Weihe der Lateranbasilika (Fest)
05. Nov. 2023
31. Sonntag im Jahreskreis (A)
02. Nov. 2023
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2023
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
29. Okt. 2023
30. Sonntag im Jahreskreis (A)
22. Okt. 2023
29. Sonntag im Jahreskreis (A)
15. Okt. 2023
28. Sonntag im Jahreskreis (A)
08. Okt. 2023
27. Sonntag im Jahreskreis (A)
07. Okt. 2023
Erntedank (Sonst.)
01. Okt. 2023
26. Sonntag im Jahreskreis (A)
24. Sep. 2023
25. Sonntag im Jahreskreis (A)
17. Sep. 2023
24. Sonntag im Jahreskreis (A)
14. Sep. 2023
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
10. Sep. 2023
23. Sonntag im Jahreskreis (A)
03. Sep. 2023
22. Sonntag im Jahreskreis (A)
27. Aug. 2023
21. Sonntag im Jahreskreis (A)
20. Aug. 2023
20. Sonntag im Jahreskreis (A)
15. Aug. 2023
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
13. Aug. 2023
19. Sonntag im Jahreskreis (A)
06. Aug. 2023
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
30. Jul. 2023
17. Sonntag im Jahreskreis (A)
23. Jul. 2023
16. Sonntag im Jahreskreis (A)
16. Jul. 2023
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
16. Jul. 2023
15. Sonntag im Jahreskreis (A)
09. Jul. 2023
14. Sonntag im Jahreskreis (A)
02. Jul. 2023
13. Sonntag im Jahreskreis (A)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - 2 Kön 4,8-11. 14-16a
Lesung aus dem zweiten Buch der Könige.
Eines Tages ging Elíscha nach Schunem.
Dort lebte eine vornehme Frau,
die ihn dringend bat, bei ihr zu essen.
Seither kehrte er zum Essen bei ihr ein, sooft er vorbeikam.
Sie aber sagte zu ihrem Mann:
Ich weiß, dass dieser Mann,
der ständig bei uns vorbeikommt,
ein heiliger Gottesmann ist.
Wir wollen ein kleines, gemauertes Obergemach herrichten
und dort ein Bett, einen Tisch,
einen Stuhl und einen Leuchter für ihn bereitstellen.
Wenn er dann zu uns kommt,
kann er sich dorthin zurückziehen.
Als Elíscha eines Tages wieder hinkam,
ging er in das Obergemach, um dort zu schlafen.
Und als er seinen Diener Géhasi fragte,
was man für die Frau tun könne,
sagte Géhasi: Nun, sie hat keinen Sohn
und ihr Mann ist alt.
Da befahl er: Ruf sie herein!
Er rief sie
und sie blieb in der Tür stehen.
Darauf versicherte ihr Elíscha:
Im nächsten Jahr um diese Zeit
wirst du einen Sohn liebkosen.
Das zweite Buch der Könige ist der vierte Band eines umfassenden israelitischen Geschichtswerks (1 Sam - 2 Kön). Geschrieben wurde es, so nimmt man an, an einem Tiefpunkt der israelitischen Geschichte: Im Jahre 586 v. Chr. wurde das Südreich Juda von den Babyloniern erobert, der Tempel zerstört, die Stadtmauern geschliffen und die Oberschicht samt "allem, was lesen und schreiben konnte" nach Babylon deportiert. Das selbständige Königreich existierte nicht mehr und es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, daß das Volk Israel, wie so viele der kleinen Reiche vor ihm, im babylonischen Völkergemisch untergehen würde. Wie hatte es mit dem von Jahwe persönlich auserwählten und "angetrauten" Volk so weit kommen können? Zeit für ein paar eindringliche Fragen. Höchste Zeit für ein paar Gelehrte, sich ihre bisherige Geschichte anzuschauen und Bilanz zu ziehen. Ihre Antwort auf die Katastrophe des Exils ist ein vierbändiges Geschichtswerk, in welchem sie viel älteres Material aus ihrer Sichtweise überarbeiten und ergänzen.
Ihre Grundthese ist, vereinfacht gesagt: Israels Scheitern, aber damit auch seine Chance auf Neubeginn, kann man auf einen knappen Nenner bringen - das Gebot "Jahwe allein!". Gegen dieses Gebot haben die Könige Israels immer wieder verstoßen, indem sie Fremdgöttern huldigten. Wie ein roter Faden zieht sich durch das Geschichtswerk: Mit der Untreue gegen Jahwe hat Israel sich selbst um die Freiheit gebracht, die ihm einst - wider alle menschliche Erwartung - durch die Errettung am Schilfmeer geschenkt wurde. Es hat das gelobte Land leichtsinnig wieder verspielt, indem es seinen Ursprung vergaß: Jahwe allein! Und das, obwohl es in seiner Geschichte einzelne Menschen gab, die den vergessenen Gott einmahnten - z.B. den Propheten Elischa.
Die Lesungsperikope ist dem Erzählkranz um den Jahwe-Mahner Elischa entnommen. Er ist Schüler des berühmten Propheten Elija, der (soweit heute feststellbar) ungefähr 850 v. Chr. lebte. Wie sein großer Vorgänger hat Elischa im Volk und vor allem bei der Oberschicht des Reiches, die häufig Baal-Verehrer sind, einen schweren Stand: Die Bandbreite reicht von Verspottung bis zur offenen Verfolgung. Wer ihn aufnimmt, wie jene vornehme, leider namenlos gebliebene Frau, ergreift Partei für ihn und riskiert dasselbe Schicksal. Sie tut das nicht aus reinem Mitgefühl: Sie begreift ihn als einen Gesandten Jahwes. Und damit nimmt sie nicht allein den Mann Elischa auf, sondern auch den Gott, den er mitbringt. Anstatt sich und ihrem Mann aber durch diese couragierte Tat das Leben zu verpfuschen, wird ihr ein männlicher Nachkomme geschenkt - die sichtbarste Segnung für eine Frau im Alten Orient. Das geschieht nicht durch den "modernen" Fruchtbarkeitsgott Baal, sondern durch die Zuwendung des verachteten "altmodischen" Gottes Jahwe, der dieser mutigen Frau ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt. Ein Gott gegen die Hoffnungslosigkeit - wie damals am Schilfmeer.
Das zweite Buch der Könige erzählt die Geschichte der getrennten Reiche Israel und Juda bis zu deren jeweiligen Untergang. Neben der stereotypen Darstellung der einzelnen Könige sowohl des Nordreiches, als auch des Südreiches ist die Darstellung der Propheten und ihrer Auftritte für beide Bücher der Könige charakteristisch.
Nach der Entrückung des Propheten Elija wird Elischa der von Gott auserwählte Prophet im Nordreich Israel. Wie Elija ist auch er ein Mahner gegen den Abfall von Jahwe, verfügt über Wunderkräfte und ist der vollmächtige Verkünder des Wortes Gottes. Was er verheißt oder androht geht in Erfüllung. Die Wundergeschichten, die von Elischa erzählt werden, haben eine große Ähnlichkeit mit den Erzählungen über Elija.
Die Erzählung der heutigen Lesung betrifft zwar nicht die großen geschichtlichen Ereignisse und das Weltgeschehen, das in den Königsbüchern sehr oft im Zentrum steht, zeigt aber an einer einzelnen unbedeutenden Familie die Vollmacht Gottes mit der der Prophet Elischa handelt.
Der geschenkte Sohn
Eine gutsituierte aber kinderlose Frau aus Schunem nimmt sich des Propheten an, sie stellt ihm einen Raum in ihrem Haus zur Verfügung, wo Elischa sich aufhalten kann.
In den Versen 11-13 wird erzählt, daß Elischa herausfinden möchte, wie er sich für ihre Gastfreundschaft erkenntlich zeigen kann. Die Frau selbst hat sich mit ihrer Situation abgefunden und äußert keine Wünsche, erst Elischas Diener macht ihn aufmerksam, daß die Ehe der Frau kinderlos geblieben ist. Als ihr Elischa zusagt, daß sie einen Sohn bekommen wird, rechnet sie sofort mit einer Enttäuschung.
Die Schunemiterin schenkt wirklich einem Sohn das Leben, aber die negative Erwartungshaltung scheint sie trotzdem nicht überwunden zu haben, zumindest wird ihr Vertrauen nachträglich auf die Probe gestellt. 2 Kön 4,18-37 wird erzählt, daß der von Gott geschenkte Sohn stirbt. Diesmal resigniert die Frau aber nicht, sondern mobilisiert alle Kräfte, um den Propheten zu holen, von dem sie glaubt, daß er ihr helfen kann. Ihr Einsatz bleibt nicht ohne Erfolg: Elischa schenkt ihr ihren Sohn zum zweitenmal.
Der Prophet Elischa war viel unterwegs. Deshalb läßt es sich auch schwer sagen, wo er seinen ständigen Wohnsitz hat. Jeder Gottesmann galt als eine Person, der man nicht zu nahe treten durfte. Die Schunamitin freilich - ihr Name wird nicht genannt - ließ ihm "ein kleines Obergemach" einrichten. Sie rechnete mit einem ständigen Besuch des Propheten.
Für eine hebräische Frau gab es keinen größeren Kummer als Kinderlosigkeit. Gehasi mach den Propheten darauf aufmerksam. Der Dank des Propheten für die Großzügigkeit der Wohnungsbereitstellung ist eine Zusage Gottes an sie: "Übers Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen." Eine Anlehnung an die Erzählung von Abraham und Sara.
1. Lesung (ungekürzte Fassung) - 2 Kön 4,8-16a
Lesung aus dem zweiten Buch der Könige.
Eines Tages ging Elíscha nach Schunem.
Dort lebte eine vornehme Frau,
die ihn dringend bat, bei ihr zu essen.
Seither kehrte er zum Essen bei ihr ein, sooft er vorbeikam.
Sie aber sagte zu ihrem Mann:
Ich weiß, dass dieser Mann,
der ständig bei uns vorbeikommt,
ein heiliger Gottesmann ist.
Wir wollen ein kleines, gemauertes Obergemach herrichten
und dort ein Bett, einen Tisch,
einen Stuhl und einen Leuchter für ihn bereitstellen.
Wenn er dann zu uns kommt,
kann er sich dorthin zurückziehen.
Als Elíscha eines Tages wieder hinkam,
ging er in das Obergemach, um dort zu schlafen.
Dann befahl er seinem Diener Gehasi:
Ruf diese Schunemiterin!
Er rief sie, und als sie vor ihm stand,
befahl er dem Diener:
Sag zu ihr: Du hast dir so viel Mühe um uns gemacht.
Was können wir für dich tun?
Sollen wir beim König oder beim Obersten des Heeres
ein Wort für dich einlegen?
Doch sie entgegnete:
Ich wohne inmitten meiner Verwandten.
Und als er seinen Diener Géhasi fragte,
was man für die Frau tun könne,
sagte Géhasi: Nun, sie hat keinen Sohn
und ihr Mann ist alt.
Da befahl er: Ruf sie herein!
Er rief sie
und sie blieb in der Tür stehen.
Darauf versicherte ihr Elíscha:
Im nächsten Jahr um diese Zeit
wirst du einen Sohn liebkosen.
Antwortpsalm - Ps 89,2-3. 16-19
Kv: Von der Huld des Herrn
will ich ewig singen. – Kv
GL 657,3
Von der Huld des Herrn will ich ewig singen, *
von Geschlecht zu Geschlecht mit meinem Mund deine Treue verkünden.
Denn ich bekenne: Auf ewig ist Huld gegründet, *
im Himmel deine Treue gefestigt. – (Kv)
Selig das Volk, das den Jubelruf kennt, *
Herr, sie gehen im Licht deines Angesichts.
Sie freuen sich allezeit über deinen Namen *
und sie jubeln über deine Gerechtigkeit. – (Kv)
Denn du bist ihre Schönheit und Stärke, *
du erhöhst unsre Kraft in deiner Güte.
Ja, dem Herrn gehört unser Schild, *
dem Heiligen Israels unser König. – Kv
2. Lesung - Röm 6,3-4. 8-11
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
Wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden,
sind auf seinen Tod getauft worden.
Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod,
damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters
von den Toten auferweckt wurde,
in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln.
Sind wir nun mit Christus gestorben,
so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.
Wir wissen,
dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt;
der Tod hat keine Macht mehr über ihn.
Denn durch sein Sterben
ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde,
sein Leben aber lebt er für Gott.
So begreift auch ihr euch als Menschen,
die für die Sünde tot sind,
aber für Gott leben in Christus Jesus.
Antonia Keßelring (2002)
Regina Wagner (1999)
Feri Schermann (1996)
"Diese epistel ist ein rechtes heubtstück" schreibt Martin Luther über den Römerbrief und nennt ihn ein "Evangelium im Evangelium". Für den Reformator zählte diese Schrift zu den kostbarsten der ganzen Bibel, und im Rückblick auf sein Leben berichtet er, wie ein einziger Satz daraus (Röm 1,17) sein ganzes Dasein verwandelte: "Der aus Glauben Gerechte wird leben".
Der Römerbrief ist der späteste der Paulusbriefe: Der Apostel schreibt ihn etwa 56 n. Chr. in Korinth, um mit ihm seine geplante Romreise vorzubereiten. Zunächst will er die Gemeinden Roms besuchen und anschließend zu einer Missionsreise nach Spanien aufbrechen. Als einziger seiner Briefe ist er an eine Gemeinde gerichtet, die Paulus noch nicht kannte. Das spürt man auch beim Lesen. Die anderen Paulusbriefe sind Gelegenheitsschriften. Sie beantworten Anfragen der Gemeinde, schlichten Streit, ordnen die Liturgie, sind voller Brüche, Stimmungsumschwünge und lassen immer wieder den Menschen Paulus mit seinen Beziehungen durchschimmern. Mit dem Römerbrief dagegen präsentiert sich Paulus der berühmten Gemeinde in der Hauptstadt des römischen Imperiums mit seinen theologischen Gedanken und nimmt sich deshalb Zeit für einen klaren Gedankenaufbau. Das macht diesen Brief zur "gehaltvollsten", aber auch kompaktesten und anspruchsvollsten der Paulusschriften. Daher sollen im folgenden einige Schlüsselbegriffe der paulinischen Theologie erklärt werden:
In den Kapiteln vor und nach unserer Lesung stellt Paulus zwei Existenzweisen des Menschen vor - oder eher: zwei Machtbereiche, in denen der Mensch existieren kann. Es gibt den Prototyp Adam, den "alten Menschen". Das sind wir Menschen, die wir es mit unseren Verfehlungen soweit gebracht haben, daß wir ganz entfremdet leben - entfremdet untereinander, aber auch entfremdet von uns selbst und entfremdet von Gott. Wir sind nicht mehr Herren im eigenen Haus, nicht mehr unserer eigenen Taten mächtig: "Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will", klagt Paulus in Röm 7,19. Wir können uns aus dieser dreifach gestörten Beziehung nicht aus eigener Kraft befreien. Wohl können wir erkennen, was eigentlich gut und richtig wäre - "das Gesetz" - aber das führt uns noch deutlicher vor Augen, wie wenig wir unseren Ansprüchen und den Ansprüchen Gottes genügen. Denn dieses Gesetz ist uns immer eine Nummer zu groß, wir können es nie erfüllen, so daß wir uns selber sagen können: Ich bin gut, so wie ich bin. Besser muß ich nicht sein.
Der verstörte "alte" Mensch erlebt sich unterjocht unter eine fremde und lebensfeindliche Macht, die Paulus "Sünde" nennt - oder sogar "Tod".
Die Hoffnung in dieser verfahrenen Situation liegt für den Apostel darin, daß es einen "neuen Menschen" gibt: Jesus Christus. Dieser neue Mensch lebt in versöhnten Beziehungen und im Einklang mit sich und seinem Gott: nicht fremdbestimmt, sondern "geistbestimmt", nicht von einer fremden Macht unterjocht, sondern von Gottes Macht bevollmächtigt und befreit. Erst ein solchermaßen versöhntes Leben, sagt Paulus, ist ein Leben im Vollsinn des Wortes. Und wenn wir uns diesem Christus und seinem Leben und Sterben anvertrauen, werden wir auch in seine versöhnte Beziehung zu Gott hineingenommen. Wir erhalten Anteil an dieser neuen Lebensqualität, werden wie er "neue Menschen".
In diesem Sinne deutet Paulus nun in unserer Lesung auch die Taufe: In ihr wird der "alte Mensch", diese entfremdete Art Lebenshaltung, richtiggehend ertränkt. Sie ist ein Zeichen dafür, daß wir völlig neu und unbelastet beginnen dürfen. Wir sind dem Machtbereich der Sünde entzogen und können die alten Gespenster mit ihren Einflüsterungen ("du mußt", "du sollst", "du bist ungenügend") ruhigen Gewissens mit Nichtbeachtung strafen: Das ist nicht mehr relevant für uns. Für all das sind wir tot. Wir dürfen - so wie wir sind und ohne vorherige Verbesserungen - "ganz frech" damit rechnen, daß Gott uns annimmt als die, die wir sind. Für Paulus ist das eine Tatsache. Und gleichzeitig bleibt es ein Auftrag, es immer wieder neu, wie er sagt, zu "begreifen", und dieses neue vollmächtige und versöhnte Leben in allen Bereichen immer mehr wachsen zu lassen.
Die Lesungsperikope bringt einen Ausschnitt aus einem zentralen Text darüber, wie Paulus den theologischen Inhalt der Taufe versteht.
Mit Hilfe der wesentlichsten Glaubensaussage "Christus ist gestorben und auferweckt worden" interpretiert Paulus die Taufe: Weil der Getaufte in dieses Geschehen hineingenommen ist, also "mit Christus gestorben" ist, wird er auch mit ihm auferweckt werden. Mit dem Futur in Vers 4 zeigt Paulus, daß das endgültige Heil noch nicht Gegenwart ist, aber für den Gläubigen eine reale Verheißung darstellt.
Aber die Taufe betrifft nicht nur das Leben nach dem leiblichen Tod, sondern ganz konkret das irdische Leben des Menschen: Dadurch, daß der Getaufte zu Christus gehört, ist er frei geworden von dem, was Paulus als "die Sünde" bezeichnet: Die durch die Taufe geschenkte Gemeinschaft mit Christus soll in das zu erneuernde Alltagsleben hineinwirken. Sie soll konkrete Auswirkungen im Denken und Handeln des Getauften haben.
Alles was den Menschen versklavt, falsch verstandene Gesetzesfrömmigkeit, der Tod und die Macht der Sünde beherrschen den Getauften nicht mehr. Er ist frei, sich zu entscheiden und das neue Leben mit Gott anzunehmen. Dazu ist er durch die Taufe gerufen und soll immer mehr hineinwachsen in diese neue Haltung, jetzt schon, im irdischen Leben, bis zur endgültigen Gemeinschaft mit Gott.
Der paulinischen Sprache folgend, ist das Leben des Getauften bestimmt davon, sich als neuer Mensch zu bewegen und in einem neuen Geist. Damit kommt die dem Menschen seit der Schöpfung zugedachte, in der Sünde aber verlorene, Herrlichkeit zur Sprache, die ihm neu geschenkt wird. Mit Christus haben wir den "alten" Menschen und dadurch den Tod überwunden.
Es ist nicht ohne Bedeutung, daß dieser hoffnungsvolle Glaube nicht von dessen Treue und Bewährung abhängig gemacht wird sondern von der Tatsache, daß Jesus durch seinen Tod die Fähigkeit als neuer Mensch zu leben für uns geschaffen hat. Die durch die Taufe entstandene neue Situation, daß wir "für die Sünde tot sind", sollen wir begreifen - real umsetzen.
2. Lesung (ungekürzte Fassung) - Röm 6,3-11
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
Wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden,
sind auf seinen Tod getauft worden.
Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod,
damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters
von den Toten auferweckt wurde,
in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln.
Wenn wir nämlich mit der Gestalt seines Todes
verbunden wurden,
dann werden wir es auch mit der seiner Auferstehung sein.
Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt,
damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde,
sodass wir nicht mehr Sklaven der Sünde sind.
Denn wer gestorben ist,
der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir nun mit Christus gestorben,
so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.
Wir wissen,
dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt;
der Tod hat keine Macht mehr über ihn.
Denn durch sein Sterben
ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde,
sein Leben aber lebt er für Gott.
So begreift auch ihr euch als Menschen,
die für die Sünde tot sind,
aber für Gott leben in Christus Jesus.
Ruf vor dem Evangelium - 1 Petr 2,9
Halleluja. Halleluja.
Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht,
eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm.
Verkündet die großen Taten Gottes,
der euch in sein wunderbares Licht gerufen hat.
Halleluja.
Evangelium - Mt 10,37-42
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln:
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
ist meiner nicht wert,
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich,
ist meiner nicht wert.
Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt,
ist meiner nicht wert.
Wer das Leben findet,
wird es verlieren;
wer aber das Leben um meinetwillen verliert,
wird es finden.
Wer euch aufnimmt,
der nimmt mich auf,
und wer mich aufnimmt,
nimmt den auf, der mich gesandt hat.
Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist,
wird den Lohn eines Propheten erhalten.
Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist,
wird den Lohn eines Gerechten erhalten.
Und wer einem von diesen Kleinen
auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt,
weil es ein Jünger ist –
Amen, ich sage euch:
Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
Antonia Keßelring (2002)
Regina Wagner (1999)
Feri Schermann (1996)
Das Matthäusevangelium entstand ca. 80 n. Chr. Als Entstehungsort wird von manchen Syrien vermutet. Es verarbeitet ältere Quellen, nämlich das Markusevangelium und die "Redenquelle Q", ein Schriftstück, das uns verlorengegangen ist, aber wohl hauptsächlich Reden Jesu enthielt (z.B. die Bergpredigt) und einzelne Erzählungen (z.B. die Geschichte vom Hauptmann von Kapharnaum). Beide Quellen benutzt auch das Lukasevangelium. Trotzdem haben beide Evangelien ein unverwechselbares Profil.
Liest man das Matthäusevangelium in einem Zug durch, merkt man, daß es sich von den übrigen Evangelien durch seinen sorgfältigen, filigranen Aufbau unterscheidet. Der Evangelist verbindet das vorgefundene Material auf ungeheuer kunstvolle Weise mit Anspielungen und Leitmotiven. Einige fallen auf Anhieb ins Auge, manche entdeckt man erst nach längerer Zeit. Einzelne Abschnitte rahmt er gerne dadurch, daß er zu Beginn und zum Ende eine Stichwortkombination wiederholt, z.B. "Gerechtigkeit" und "Barmherzigkeit". Er ist es auch, der das, was in den Gemeinden als Worte Jesu überliefert wurde, zu fünf längeren Reden zusammenkomponierte - die bekannteste ist natürlich die Bergpredigt!
Sein inhaltliches Profil erhält das Matthäusevangelium durch die besondere Eigenart und die historische Situation der Gemeinde, für die es geschrieben wurde. Die vielen alttestamentlichen Zitate und seine Vertrautheit mit dem hebräischen Denken zeigen, daß es für eine judenchristliche Gemeinde verfaßt wurde. Diese Menschen, die sich als "Juden, die an Christus glaubten" fühlten, befanden sich gerade mitten in einer Krisensituation. Im Jahre 70 n. Chr. war Jerusalem und sein Tempel von den Römern zerstört worden. Eine der Folgen davon war, daß die junge Kirche und die Synagoge mehr und mehr auseinanderdrifteten.
Die Christen der Matthäusgemeinde standen nun vor dem Dilemma, daß sie sich zwar ganz und gar als Juden fühlten, die Gebote hielten, sich vermutlich beschneiden ließen und den Sabbat feierten, aber von den anderen Juden nicht mehr anerkannt und z.T. verfolgt wurden. Die kleine Matthäusgemeinde muß angesichts der großen Synagoge um ihre Identität ringen. Das spiegelt sich im Matthäusevangelium lebhaft wider: Kein anderes Evangelium wird so ausfällig gegen das Judentum und die Pharisäer! Eine solche Feindseligkeit diente damals der Abgrenzung gegen die übermächtige Synagoge, schrieb aber später blutige Geschichte, als sich die Machtverhältnisse umkehrten.
Aber auch die Chance dieser Krise wird im Evangelium deutlich: Dadurch, daß sich die matthäischen Christen notgedrungen von der Synagoge lösten, konnten sie sich zu den Heiden hin öffnen. Mit diesem Ausblick endet das Buch des Matthäus: "Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern" (Mt 28,19). Zu diesem Thema paßt auch das heutige Evangeliumsstelle. Sie ist der dritten Rede des Matthäusevangeliums entnommen: der sogenannten Aussendungsrede (9,35 - 11,1). Im Text des Matthäus ist sie nicht an die ganze Menschenmenge gerichtet, die Jesus folgte und seiner bedürftig war, sondern wendet sich nur an die zwölf Apostel. In der matthäischen Gemeinde betrafen die klaren Anweisungen dieser Rede vor allem die christlichen Wandermissionare, die predigend von Ort zu Ort zogen und besonders stark den Anfeindungen der Umgegend ausgesetzt waren.
Diese Ermahnung steht in der Mitte der Rede (Mt 10,16) und damit ist ihr Inhalt gut zusammengefaßt. Die Prediger verkünden einen hingebungsvollen und buchstäblich heilenden Gott, während sie gleichzeitig eine große Brutalität umgibt. Sie fordert den wandernden Prediger und Predigerinnen viel ab: einen klaren Kopf, schnelle Handlungsfähigkeit und großen Mut. Da ist die Gefahr groß, zu verhärten und sich der Umgebung anzugleichen oder aber sich auf eine sichere Verteidigungslinie zurückzuziehen. Und so erinnert die Rede sie auch daran, daß alle, die sich dem Gott Jesu auf Gedeih und Verderb anvertraut haben, ihm unendlich kostbar sind.
Im 10. Kapitel des Matthäusevangeliums findet sich die sogenannte Aussendungsrede: Jesus ruft seine Zwölf Jünger zu sich, gibt ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten zu heilen und sendet sie aus zu verkünden, daß das Himmelreich nahe ist. Er gibt ihnen auch die verschiedensten Anweisungen mit auf den Weg, angefangen von dem, was sie mitnehmen sollen bis hin zu Verhaltensregeln und Warnungen.
Die Worte Jesu, die wir hier finden, erscheinen sehr radikal und hart im Vergleich zu vielen anderen Aussagen. Gerade hier kann es eine große Hilfe sein, der Entstehung dieser Texte ein wenig nachzugehen.
Woher kommt der Text?
Auch Markus und Lukas überliefern Aussendungsreden, Lukas sogar doppelt. In der ersten Aussendungsrede, die Lukas aufgeschrieben hat (Lk 9,1-5), sendet Jesus die zwölf Jünger aus. Lukas hält sich hier sehr eng an die Vorlage des Markusevangeliums. In seiner zweiten Aussendungsrede (Lk 10 und Teile der folgenden Kapitel) werden 72 Jünger ausgesendet. Der Text weist hier Parallelen zu Matthäus auf. Die meisten Bibelwissenschaftler gehen davon aus, daß Matthäus und Lukas das Markusevangelium gekannt und jeder auf seine Weise verwendet haben. Texte, die zwar in Matthäus und Lukas manchmal sogar wörtlich aufgeschrieben sind, nicht aber in Markus, schreiben diese Wissenschaftler einer anderen Vorlage zu, die sowohl Markus als auch Matthäus verwendet hat. Diese Vorlage wird Logienquelle genannt, weil sie hauptsächlich "Logien", d.h. Worte Jesus beinhaltet haben muß.
Da uns diese Quelle nicht schriftlich vorliegt, vielleicht sogar nie als geschriebener Text existiert hat, sondern nur mündlich überliefert wurde, sind wir auf Rekonstruktionen angewiesen. Eine Hilfe ist hier, daß man sehr schön zeigen kann, wie Matthäus und Lukas mit dem Markusevangelium umgehen: Lukas bleibt sehr getreu an der Vorlage, Matthäus verarbeitet den ihm vorliegenden Text viel stärker. Das sieht man gerade bei der Aussendungsrede sehr schön: Lukas verwendet sowohl den Text, den er bei Markus findet und übernimmt ihn relativ genau, als auch einen zweiten Text der Aussendungsrede (aus der "Logienquelle"), bei Matthäus finden sich die Spuren sowohl des Markustextes, wie auch des Textes aus der Logienquelle, allerdings verarbeitet zu einer einzigen Rede.
Radikale Jesusnachfolge
Bei der Rekonstruktion dieser Logienquelle stößt man auf sehr alte Texte, die in ihrer Radikalität fast erschrecken wenn man sie aus dem Gesamtkontext der Evangelien herausgelöst betrachtet. Gerade auch die heutige Schriftstelle, die Matthäus schon in abgeschwächter Form übernimmt, zeigt das sehr deutlich. Lukas scheint hier die ursprünglicher Form bewahrt zu haben.
Lk 14,26-27: Wenn jemand zu mir kommt, und nicht haßt den Vater, die Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern und auch sich selbst, kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.
Auch die deutsche Einheitsübersetzung versucht diesen harten Text zu glätten und übersetzt das griechische Wort, das "hassen, verabscheuen" bedeutet mit "geringachten".
Was die Einheitsübersetzung als "Übersetzung" nicht machen darf, darf Matthäus als Theologe sehr wohl: er verarbeitet das ihm vorliegende Gedankengut und fügt es in seine Theologie ein. Offensichtlich ist für ihn diese radikale Strömung nicht mehr so aktuell.
Wer waren dann diese Menschen, die die Nachfolge Jesu derart radikal praktiziert haben (und jemand muß es so praktiziert haben, sonst wären die Texte gar nicht erhalten)?
Viele Bibelwissenschafter, ich möchte hier nur G. Theißen nennen, gehen davon aus, daß es Wanderprediger gegeben hat, die ganz radikal das Leben Jesu nachvollziehen wollten. Aus der Motivation heraus, daß das Himmelreich nahe bevorstünde, ließen sie alles zurück, wanderten herum wie Jesus und predigten. In völliger Besitzlosigkeit, ohne Familie, ohne jede Sicherheit, fühlten sie sich gesandt, das jüdische Volk zur Umkehr zu rufen. Die radikale Jesusnachfolge dieser Wanderprediger spiegelt sich auch in anderen Stellen des Evangelium, zum Beispiel wo gefordert wird, sogar die Toten nicht begraben zurückzulassen (Mt 18,22).
Was davon bleibt
Die Verarbeitung dieser radikalen Texte in den Evangelien zeigt, daß diese Wanderprediger nicht unwichtig waren, sich aber nicht als "die" Form der Jesusnachfolge durchsetzen konnten. Lukas widerruft sogar die Aufforderung zur absoluten Besitzlosigkeit (Lk 22,35-38), die in der Ausssendungsrede (Mt 10,9-10, Lk 9,3, Lk 10,4) als zentrales Gedankengut der radikalen Wanderprediger erscheint.
und was bleiben muß
Es hat in der Geschichte der Kirche aber immer wieder Menschen gegeben, wie zum Beispiel Franz von Assisi, die versucht haben, diesen radikalen Ansatz zu leben und die Christen damit aufzurütteln aus einem angepaßten, bequemgewordenen Christentum.
Deshalb darf man diese radikalen Texte auch heute nicht einfach aus dem Evangelium und aus der Verkündigung herausstreichen oder verniedlichen. Der radikale, "an die Wurzeln gehende" Anspruch der Botschaft Jesu darf nicht zu einer gemütlichen, harmlosen Befriedung der religiösen Gefühle werden, sondern muß aufrütteln, anecken und herausreißen aus dem Alltagstrott. Das heißt nicht, den Text wörtlich zu nehmen, sondern ihn zu verstehen, und daraus die Konsequenzen für den Stellenwert des Glaubens im je persönlichen Leben zu ziehen.
Unsere Perikope steht im größeren Zusammenhang der Aussendung der Jünger. Der Nachfolge kommt bei Matthäus eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Aussendungsrede verläßt die historische Situation von damals und spricht von Aussendung der Jünger überhaupt. Die Furcht ist die ständige Bedrohung des Jünger-Seins; daher die häufigen Sprüche über Furchtlosigkeit, Bekenntnis und Kreuztragen. Diese "Zeit" versteht die Jünger ebensowenig, wie sie den Herrn versteht.
Es ist auffällig, wie stark bei Matthäus die Nachfolge mit der Vollkommenheit verbunden ist. Aus dem alttestamentlichen Verständnis von Vollkommenheit - "Ganzheit der Hingabe an Gott" - ergibt sich, daß Nachfolge und Vollkommenheit für Matthäus das gleiche meinen.
Hier hinein gehört auch der Anspruch, die Familie, die Blutsverwandtschaft hintanzustellen. Eine der urmenschlichsten Bindungen wird hier zu einer gefährlichen Bande für den Menschen auf dem Weg der Nachfolge dargestellt. Dahinter steht die Berufung, abgelöst aus diesem Eingefügtsein fähig zu sein zur Freiheit dem Absoluten gegenüber. Die Feinde der Nachfolge sind - in diesem Fall - nicht die Familie - , sondern das Verhaftet- und Verpflichtetsein bestimmten Menschen und Dingen gegenüber. Das heißt, die Freiheit für Gott zu verlieren.
Das Aufnehmen der Boten Jesu umfaßt das Hören und Annehmen der Botschaft genauso wie die gastliche Aufnahme in die Häuser. Ein Becher Wasser genügt, um den Lohn zu erlangen. Es ist eine Zusicherung ganz besonders intensiver Identifikation Jesu mit den Seinen, die entsprechend seiner Verheißung sich klein gemacht haben, um wertvoll zu sein in der neuen Ordnung.
Die Frohe Botschaft vom Reich Gottes leben
Streitfragen
Eine überraschende Erkenntnis während der Corona-Pandemie war für mich, wie viele Personen in meinem Umfeld als Impfgegner, Impfskeptiker, ja sogar als Anhänger von Verschwörungstheorien aufgetreten sind. Je länger dieser Spuk dauerte, desto weniger habe ich mich zu diesen Themen geäußert. Ich wollte nicht bis dahin gute Beziehungen gefährden.
Mit manchen politischen Ansichten geht es mir ähnlich. Auch über theologische Streitfragen diskutiere ich nicht mit jedem, obwohl ich mich grundsätzlich über all diese Themen gerne unterhalte. Ich ziehe mich jedoch zurück, wenn mich jemand niederredet und es nicht mehr um ein Abwägen von Argumenten, sondern um die Verteidigung vorgefasster oder vorgegebener Meinungen geht. Wie sehr unterschiedliche Ansichten über Dinge die Menschen persönlich betreffen, die "unter die Haut gehen", die Gesellschaft, Familien, Parteien, Glaubensgemeinschaften spalten können, ist meist irrational.
Der Abschnitt des Evangeliums dieses Sonntags dürfte aus einer Zeit zugespitzter Auseinandersetzungen der Christen der ersten Generation stammen. Wie weit die einzelnen Formulierungen auf Jesus selbst zurückgehen und vor allem, in welchem Zusammenhang er so gesprochen hat, wird von Bibelfachleuten nach wie vor diskutiert. Sicher ist, dass Jesus mit seinen theologischen und politischen Ansichten mit Teilen seiner Verwandtschaft und den religiösen Anführern "übers Kreuz" gekommen ist. Andere Teile sind ihm aber offenbar gefolgt.
Die Streitkultur Jesu
Johannes berichtet, dass sich viele Anhänger nach seiner sogenannten "eucharistischen Rede" (Joh 6,51 ff) von ihm abgewandt haben und er seine Jünger gefragt hat: "Wollt auch ihr gehen?" Er hat sich klar positioniert und in Kauf genommen, dass viele von ihnen eine andere Richtung eingeschlagen haben. Er war sich auch bewusst, dass sein Weg in eine tödliche Auseinandersetzung mit der religiösen und politischen Elite führen wird. Viele sind ihm auf diesem Weg nachgefolgt, nicht aus "Vasallentreue", sondern weil sie die Erfahrung gemacht haben, wie Petrus es stellvertretend ausgedrückt hat: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens." (Joh 6,68).
Vor diesem Hintergrund sind die Worte dieses Evangelienabschnittes mehr als religiös-politische Agitation. Sie sind getragen von der Überzeugung und wohl auch von persönlicher Erfahrung, dass dieser Weg zu einem Leben führt, das Erfüllung bietet, wie andere Lebensziele und -inhalte nicht bieten können, zu wahrem Leben, zu "ewigem" Leben.
Leben nach der Frohen Botschaft Jesu
Was können diese Worte für uns heute noch bedeuten? – Es geht nicht um die Frage: Welche ist die bessere Religion, die bessere Weltanschauung? Welche Konfession ist die richtige? Welche Formen der Frömmigkeit sind besser, Messen im alten oder in neuem Stil, Hand- oder Mundkommunion usw.?
Es geht darum, dass wir in die Frohe Botschaft Jesu vom Reich Gottes hineinhorchen und überlegen, wie diese unser Leben positiv verändern kann.
Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass dieser Weg durchaus zu heftigen Auseinandersetzungen führen kann. Wir erleben das z.B., wenn sich die Caritas für die Armen und Schwachen der Gesellschaft stark macht, wenn verschiedene Organisationen einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen einfordern, wenn religiöse und zivile Autoritäten zum Frieden mahnen, NGOs Ungerechtigkeiten aufdecken und anprangern… Die Mächtigen sind selten davon begeistert.
Ein Leben nach der Frohen Botschaft Jesu kann leicht zu einem Kreuzweg werden. Dennoch gehen auch heute viele Menschen diesen Weg, weil sie gewiss sind, dass er zu wahrem Leben führt.
Verheißungen, die Zukunft bedeuten
Gottesboten
Die aus dem zweiten Buch der Könige gehörte Lesung lässt im Hochsommer an Advent oder an Weihnachten denken, wo ebenfalls die Geburt eines Sohnes verkündet wird!
Rubens, Tintoretto, Fra Angelico, Jan van Eyck, El Greco, Matthias Grünewald und wie sie alle heißen, haben die Verkündigungsszene mit Maria und dem Erzengel Gabriel als Bildmotiv gewählt. Als imposantes Geschehen haben sie diese Bibelstelle dargestellt, für uns aufbereitet.
Dabei sind Verkündigungsszenen in der Bibel keine Seltenheit, nur sind die anderen weniger bekannt, weniger „aufregend“, eine – die von der Verheißung an Sara – brachte sie sogar zum Lachen!
Die Akteure bei vielen biblischen Verkündigungsszenen sind schnell aufgezählt:
Einer, der verkündet: kann ein Gottesmann, ein Prophet oder Engel sein oder sogar drei männliche Gäste.
Dann braucht es noch eine Frau oder einen Mann, der bzw. dem eine Verheißung oder ein Versprechen verkündet wird, manche haben einen Namen wie Sara und Abraham, Hannah und Elkana, Zacharias und Elisabeth, und manche sind nach Ortsangaben benannt wie die Schunemiterin und ihr Mann…
Und einen Ort des Geschehens? Der Ort ist nicht willkürlich gewählt, meistens ist es die vertraute Umgebung, der Lebensraum der Frau, des Mannes, sodass die Botschaft der Verkündigung auch ankommen kann!
„Ruf diese Schunemiterin! …..
Er rief sie, und sie blieb in der Tür stehen.
Darauf versicherte ihr Elischa:
Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen.“
So, das war es! Diese Verkündigungsszene klingt etwas anders in unseren Ohren, als ihr adventliches Pendant. Sie muss auch ohne Erzengel als Bote Gottes auskommen. Es ist Elischa, ein Gottesmann, der die Verheißung an die Schunemiterin verkündet.
Elischa als Bote Gottes
Wer war dieser Elischa?- Vom Namen her „Gott hat geholfen, bzw. gerettet“. Elisch ist einer, der Gott als Hilfe, als Rettung verkündet. Elischa, war Schüler des Propheten Elia und später sein Nachfolger. So wie auf Eli, ruhte auch auf Elischa der Geist Gottes. Als ein heiliger Gottesmann, wie er in der Lesung genannt wird, war er sicherlich eine interessante Gestalt im alten Israel. Um ihn ranken sich einige Prophetenlegenden, die eher an übermenschliche, magische Kräfte erinnern, als an eine vom JHWH-Glauben getragene Prophetie. Er war ein herumziehender Prophet, nicht mit einem Ort oder einem Heiligtum verbunden. Dies zeigt auch der erste Vers der heutigen Lesung:
„Eines Tages ging Elischa nach Schunem.“
Was er dort vorhatte ist leicht gesagt: „Eine Verheißung verkünden, die Zukunft verspricht, bedeutet“! Aber nach all dem, was wir über die Situation des Ehepaares in Schunem hörten, brauchten sie eigentlich aufgrund ihrer guten Stellung in einem orientalischen Familienclan – der einen Mehrwert bedeutet, wie z.B. ein gutes Wort bei König oder Militär einzulegen zu können – und ihres Vermögens nichts vom Gottesmann. Sie schenkten ihm großzügige Gastfreundschaft, weil sie diesen Gottesmann in ihrem Haus beherbergen wollten. Damit wollten sie vermutlich auch ihren JHWH-Glaube zeigen und leben. Es war ihnen anscheinend eine Freude, sich im Beherbergen eines Fremden ihrem Glauben zu verpflichtet zu erweisen. Elischa ist der fremde Gottesmann, an den sich die Schunemiterin im Laufe der Zeit gewöhnt hat: „Ich weiß, dass dieser Mann, der ständig bei uns vorbeikommt, ein heiliger Gottesmann ist. Wir wollen ein kleines, gemauertes Obergemach herrichten …… Wenn er dann zu uns kommt, kann er sich dorthin zurückziehen.“
Zukunft
Der Fremde, man könnte sagen „das Fremde“ ist es, welches uns die überraschenden Möglichkeiten Gottes verkündet. Diese überraschenden Möglichkeiten Gottes sind Verheißungen, die Zukunft bedeuten! Das muss nicht ein Sohn sein, so wie es der Schunemiterin verkündet wird. Für sie im alten Israel war ein Sohn gleichbedeutend mit Zukunft!
Was ist mit uns? Dürfen wir uns in die Reihe der biblischen Personen einreihen, denen Gottes Verheißung Zukunft bedeutet? Braucht es da jemanden, der uns an die Verheißungen Gottes erinnert, sie neu ausspricht? Ist das der Fremde unter uns, die Nachbarin, das Kind, mit seinem lebensfrohen Lachen? Wo ist in unserem Leben der Ort der Verkündigung? Der uns vertraute Alltag, kann gut der Rahmen, jener Ort sein, wo verkündet wird, an dem wir erfahren, wo im Leben Zukunft ist.
Und wie und wo ahne ich die überraschenden Möglichkeiten Gottes, wie einst die Schunemiterin oder die anderen, an denen Gottes Verheißung wahr wurde.
Es könnte die freundschaftliche Hilfe unter uns Menschen sein; ein freundliches Wort, wo niemand es vermutet; eine Aktion für andere, deren Leben aus den Fugen geraten ist; geschenkte Gastfreundschaft dem, der uns besucht, wie in der Lesung erzählt wird. Dies alles und noch viel mehr – der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt - lässt uns und andere die ungeahnten Möglichkeiten Gottes erfahren.
Anmerkung:
Die Verkündigungsszene aus dem zweiten Buch der Könige mit dem Propheten Elischa und der Schunemiterin wurde kaum in der Kunst dargestellt. Die Zeichnung „Elischa mit seiner Gastgeberin, der Schunemiterin“ von Dirck Jacobsz Vellert – ein Maler der Renaissance - aus 1523 ist daher eine Seltenheit. Zu sehen ist diese Graphik in der Hamburger Kunsthalle!
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Radikale Anweisungen für die Jesusnachfolge
Radikale Jesus-Nachfolger imponieren
Dieses Evangelium klingt nicht gerade familienfreundlich. Es stellt uns auch keinen halbwegs gerechten Lohn in Aussicht, von dem man/frau auch leben kann, so wie wir es uns vorstellen. Von Sicherheiten, die heutzutage einfach dazu gehören, ist nicht die Rede. Die Worte sitzen, gehen zur „Wurzel“, sind radikale Eingriffe in das Leben jenes Menschen, der in die Nachfolge Jesu tritt.
Und wie ein Kontrast dazu ist die Einleitung zu den Versen. Es beginnt fast wie bei einem Märchen, bei dem man sich gemütlich hinsetzen möchte und einfach nur zu hören will: „In jener Zeit sprach Jesus zu den Aposteln…“ (kurze Stille) ... und dann beginnen die radikalen Anweisungen, Vorstellungen gelebter Jesus-Nachfolge.
Es wird von der historisch-kritischen Textauslegung angenommen, dass es sich hier um die Nachfolgeerfahrungen, wie sie die ersten Wanderprediger oder Wandermissionare gemacht haben, handelt. Von ziemlich radikalen Typen in der Jesusnachfolge hören wir in diesen Versen. So könnten wir es auffassen und meinen, ohne diese Radikalität in der Nachfolge unter so manchen Jesusjüngern gäbe es diese Verse nicht. Doch diese radikale Jesus-Nachfolge konnte sich nicht als „die“ allgemeine Form der gelebten Verkündigung unter den Jesusjüngern nicht durchsetzen. Jedoch zu denken geben könnte es uns, dass diese radikale Nachfolge weiterhin praktiziert wurde und noch immer wird, wie uns Beispiele aus der Geschichte zeigen: Franz von Assisi oder Klaus von Flüe, Elisabeth von Thüringen oder Theresa von Avila, Oskar Romero, Franz Jägerstätter, Sr. Maria Restituta Kafka, Maximilian Kolbe...
In einer dialogischen Auseinandersetzung über die Nachfolge, kristallisierte sich zum heutigen Evangelium folgende Frage heraus: „Aber sollen wir uns damit begnügen, dass uns einige wenige immer wieder zeigen wie Nachfolge in der Radikalität gelebt werden könnte?“
Eine Antwort auf diese Frage gibt das Evangelium selbst: die Worte Jesu, so radikal sie sind, könnten mehr für uns bedeuten, wenn wir sie nicht wie Zuschauer am Rande des Geschehens, so zu sagen von einem „sicheren“ Platz aus, betrachten. Unser Platz ist im Geschehen des Evangeliums. So können wir in die Intimität, die zwischen Jesus und Gott, den er Vater nennt, eintauchen und hineinwachsen in das göttliche Geschehen (in die Offenbarung). Von diesem Wachstum aus ist das Evangelium von heute neu zu verstehen.
Ein neues Leben mit Christus durch die Taufe
Wir sind als Getaufte hineingenommen ein neues Leben mit Christus. Dadurch haben wir vollen Zugang zu der Quelle, von der Jesus gelebt hat. Das Evangelium von heute zeigt, dass Jesus uns mit Gott neu verbinden will in eine Tiefe, in eine Beziehung, die alles bisher „Gekannte“ übersteigt:
„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ lauten die Schlussverse im Matthäusevangelium. Jesu richtet seinen Auftrag nicht an ferne Zuschauerinnen sondern an alle, die auf seinen Namen getauft sind und daher eine neue Identität angenommen haben.
Wer diese Dimension des Taufgeschehens erfasst hat, wird das, was das Evangelium heute verlangt, nicht als Last und Überforderung sehen, sondern als Erfahrungen in der Nachfolge. Wir werden immer wieder mit der Frage der Nachfolge als Jünger/Jüngerin Jesu konfrontiert. Die Schritte, die sich konkret im eigenen Leben in der Nachfolge ergeben, manchmal von uns sogar eingefordert werden, gilt es zu erkennen und zu gehen. Jedoch gehen wir den Weg der Nachfolge nicht allein. Wie einst den ersten Wanderpredigern, Wandermissionaren gelten auch für uns die Worte Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Durch das heutige Evangelium erfährt diese Zusage eine verheißungsvolle Ergänzung: „Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.“
Die Botschaft Jesu ist ein „ewiger Unruhestifter“
Nicht in Angst und Schrecken die Menschen zu versetzen, ist das Wesen der Frohbotschaft, sondern sie will Mut machen, will Vertrauen wecken. Vertrauen, das trägt, wenn es im Leben schwierige Situationen gibt, wie wir es im Evangelium bei der Jesusnachfolge gehört haben. Denn harmlos ist die Sache Jesu nicht, der Anspruch der Botschaft Jesu ist und bleibt eine Herausforderung für jeden von uns. Die Botschaft Jesu ist ein „ewiger Unruhestifter“ und wirkt sehr störend auf unseren Alltagstrott, wie wir heute gehört haben.
Ob nun die Jesus-Nachfolge radikal gelebt wird oder Christen einfach konsequent zu ihrem Glauben in der je persönlichen Lebenssituation stehen, für alle gilt die Zusage: Immanuel - „Ich bin bei euch“!
Seine bleibende Gegenwart macht möglich, dass wir, die getauft sind auf seinen Namen, und erfüllt werden mit dem Geist, in seine Nachfolge – die Schule Jesu – treten können. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Jesu Aufmerksamkeit und Sorge uns gilt, wie die Verse des heutigen Evangeliums es uns verkündet haben: „Wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.“
Jesus den Vorrang geben
Was ist echte Liebe?
Das heutige Evangelium lässt aufhorchen. Dies ist dem Evangelisten Matthäus sehr recht, von ihm gewollt und beabsichtigt. Denn er möchte die Gläubigen dafür gewinnen, die Nachfolge Jesu sehr ernst zu nehmen. Der Vorteil bei seinem Werben für eine lebendige Hingabe in die Nachfolge Jesu besteht darin, dass er sich auf konkrete Aussagen Jesu berufen kann. Diese fügt Matthäus zu einer längeren Rede Jesu zusammen, aus der als ein Abschnitt das soeben gehörte Evangelium entnommen wurde.
Schon der erste Satz „Wer Vater und Mutter, Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig“, lässt nicht nur aufhorchen. Die Aussage hat auch etwas Aufschreckendes an sich. Sollen wir Abstriche machen von unserer Liebe zu Vater oder Mutter oder den Kindern?
Um diese Frage richtig zu beantworten, ist es sicher hilfreich, sich erst noch einmal zu vergegenwärtigen, worin und woraus die Liebe besteht. Was ist echte Liebe; was nur ein äußerer Schein? Es könnte z.B. sein, dass ich alles tue, was der andere – seien es Vater, Mutter, Freunde, Vorgesetzte – wollen, weil ich damit ihre Gunst erwerben und erlangen kann. Eventuell darf ich dadurch sogar mit einer Belohnung oder Beförderung rechnen.
In diesem Verhalten, das äußerlich den Anschein der Liebe trägt und oft im Alltag praktiziert wird, liegt noch keine Liebe vor. Man ist sich äußerlich zwar gegenseitig gut, aber zur Liebe gehört mehr als das Erwerben von Gunst, Wohlwollen oder Geschenken. Liebe heißt doch: Wir suchen gemeinsam nach dem Richtigen, dem Guten, dem Wertvollen, tauschen daher unsere Gedanken und Vorstellungen miteinander aus und streben im gegenseitigen Helfen und mit gegenseitiger Unterstützung nach dem, was wir als richtig, gut und wertvoll erkannt haben.
Man kann nicht zugleich zwei Herren dienen
Nun gibt es bei diesem Bemühen die Situation, dass bei der Frage nach dem, was denn richtig, gut und wertvoll ist, die Meinungen und Vorstellungen auseinandergehen, weil das Nachdenken bei dem ein oder anderen sehr vom Gewinnstreben, dem Bemühen um Macht und Einfluss mitbestimmt wird und damit den Vorrang vor konsequenter Liebe einnimmt. Dies ist die Situation, die Jesus im Auge hat. Hier meldet er sich zu Wort. Deutlich sagt er uns, dass er mit seinem Denken und Handeln vorgibt, was richtig, gut und wertvoll ist. Alles Halbe ist für ihn ein Übel. In den Augen Jesu können wir nicht gleichzeitig zwei Herren dienen. Die konsequente Ausrichtung unseres Handelns an seiner Botschaft und seinem beispielhaften Verhalten fordert er von uns ein. Und dies selbst dann, wenn wir uns damit in Widerspruch zu Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Freunden und Bekannten begeben, weil wir nicht ihren Erwartungen entsprechen. Von der Linie und den Vorgaben Jesu abzuweichen, um anderen zu gefallen oder dadurch Macht, Ansehen, Einfluss zu gewinnen, genau das bezeichnet Jesus als völlig falsch und fordert die Treue zu ihm. Ihm, Jesus, den Vorrang gegenüber jedem einzuräumen, das legt er uns nicht nur ans Herz, das erwartet Jesus von uns. Wo wir uns hieran halten, muss ja die Liebe zu den anderen nicht gleich abnehmen oder zusammenbrechen. Sie gestaltet sich nur schwieriger, als wenn alle in die gleiche Richtung denken würden.
Schwierigkeiten nicht ausweichen
Jesus im Leben den Vorrang geben ist das eine Anliegen, das Matthäus den Gläubigen mit seinem Evangelium in Erinnerung rufen will. Ein zweites Anliegen besteht in der Aufforderung, den Weisungen Jesu nicht auszuweichen, wenn die Nachfolge Bürde mit sich bringt. Sich lebendige Nachfolge vornehmen ist leicht getan. Ihr beharrlich treu zu bleiben, wenn sie zur Last wird, darin liegt die Schwierigkeit.
Aus eigener Erfahrung wissen wir: Wer sich der Liebe verschreibt, wird oft beglückt erleben, wie viel Schönes seine Liebe bewirkt hat. Das gibt deutlich neue Kraft, liebevollem Verhalten treu zu bleiben. Daneben gibt es allerdings auch die Situation, dass unser von Liebe geprägtes Bemühen keine Früchte trägt, eher abgelehnt und obendrein kritisiert wird, weil unser Verhalten und Handeln nicht im allgemeinen Trend liegt. Jesus hat immer wieder Dinge getan, die nicht im Trend des praktizierten jüdischen Glaubens seiner Zeit lagen. Vor allem seine Hinwendung zu den öffentlich Ausgestoßenen, Verachteten und Kleinen hat ihm viel an Ablehnung eingebracht. Jesus hat seine Linie „Liebe zu allen Menschen aufbringen“ sein Leben lang durchgehalten. Wir Menschen dagegen sind leicht immer wieder in Gefahr, uns durch Ablehnung und negative Kritik entmutigen zu lassen. Matthäus weiß darum. Umso mehr möchte er uns auffordern: Löse dich nicht von deiner engen Bindung an Christus und die konsequente Befolgung seiner Worte, sobald eine Anerkennung deiner Haltung ausbleibt und Widerstand sich gegen dich aufbaut.
Wenn Liebe zum Kreuz wird
In der beharrlichen Hinwendung zu Christus nicht anerkannt und gewürdigt zu werden, darin besteht die eine Gefahr, die Nachfolge nicht konsequent zu leben. Eine andere tut sich auf, sobald die Mühe um das Richtige, Gute und in den Augen Jesu Wertvolle belastend wie ein Kreuz wird. Auch das kennen wir aus dem Alltag: Die von uns mit Liebe und Hingabe begonnene Mühe kann sich, was wir im Vorhinein nicht abschätzen konnten, in ihrem Umfang so ausweiten, dass sie für uns zu einer erdrückenden Last wird. Hier werden wir der Aufforderung Jesu „unser Kreuz zu tragen“ nicht untreu, wenn wir unseren Einsatz reduzieren und auf die Kräfte beschränken, über die wir verfügen. Jesus spricht nicht davon, dass wir uns kreuzigen lassen müssen. Er möchte uns lediglich deutlich, das allerdings mit Nachdruck, dazu auffordern, die uns mögliche Liebe nicht zu unterlassen. Dass wir uns ernsthaft mühen, unser Denken und Handeln konsequent mit allen unseren Kräften auf ihn hin ausrichten, darum geht es Jesus mit seinen ziemlich hart klingenden und kompromisslos ausgesprochenen Sätzen.
Möge uns dieser unser Gottesdienst neu zu einer Prüfung unserer Gesinnung anregen und in der Treue zur konsequenten Nachfolge Jesu stärken. So sehr uns Jesus zur Ernsthaftigkeit aufruft, so ernsthaft und deutlich verspricht er uns seinerseits seinen Beistand und seine Hilfe bei unserem Bemühen zur Treue in seiner Nachfolge.
In Jesus das Leben finden
Wie an den vergangenen Sonntagen überliefert uns heute Matthäus Worte Jesu zur Sendung der zwölf Jünger: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“
Radikale Jesusnachfolge
Das sind Sätze, die sehr radikal formuliert sind. Jesus verlangt, auf Sohn und Tochter, auf die Eltern zu verzichten. Er lädt ein: „Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ Jesus spricht vom Größten, der totalen Nachfolge, vom Martyrium. Er meint die Jünger, die dem Evangelium treu bleiben und bereit sind, auch eines gewaltsamen Todes zu sterben. Jesus war der erste, der „sein Leben verloren“ hat und es in neuer Fülle zurückerhalten hat. Er ermahnt uns, nicht die zu fürchten, „die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“. In unseren Tagen mussten schon Tausende Christen gewaltsame Verfolgung erleiden oder um ihres Glaubens willen sterben.
Verlierer und Gewinner
An sechs Stellen der Evangelien kommt Jesus auf das Thema „verlieren-gewinnen“ zu sprechen. Das zeigt, welche Bedeutung es für ihn hat. Seine Aufforderung, das eigene Leben zu „verlieren“, beschränkt sich nicht auf das Martyrium, sondern ist das Grundgesetz des christlichen Lebens.
Wir leben in unserem Land in Freiheit und können uns, ohne Nachteile zu befürchten, frei äußern, den Glauben ausüben und bekennen. Jesu Sendung weiterzutragen, ist für uns nicht leicht geworden, weil unsere Gesellschaft von einer Meinungsvielfalt überschwemmt ist, die es schwer macht, im Nächsten bis in die Tiefe des Herzen vorzudringen, wo der Glaube sich entzündet. Außerdem machen wir uns selbst gerne zum Mittelpunkt unseres Lebens und fragen uns zuerst: Was tut mir gut? Doch der vom Herrn gesandte Jünger stellt den Meister in die Mitte seines Lebens.
Wir wissen, wozu er uns einlädt? Jesus sagt: „Wer das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ Verlieren und Gewinnen, der Weg führt besonders über den Mitmenschen. Im Dienst am Nächsten, verlieren wir uns selbst und finden das Leben. Nicht für uns selbst leben, ist alles andere als eine passive oder von Verzicht gekennzeichnete, negative Lebenseinstellung. Es bedeutet großzügigem Einsatz und Sinn für Verantwortung.
In Jesus das Leben finden.
Immer wieder können wir diese Erfahrung machen. Wenn wir uns selbst verschenken, wächst in uns das Leben. Wer seinen Tag im Dienst an den anderen verbringt, wem es gelingt, seine vielleicht eintönige oder harte Arbeit in Taten der Liebe umzuwandeln, der kann die Freude echter Selbstverwirklichung erfahren. Die Gebote Jesu zielen alle auf die Liebe. Wenn wir sie befolgen, finden wir das Leben in Jesus. Jesus hat uns gesagt, wie das Jüngste Gericht aussehen wird. Er wird denen zu seiner Rechten sagen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben.“ Alles wird demnach davon abhängen, ob wir die Nächsten geliebt haben. Was wir für sie getan haben, wird Jesus als für sich getan betrachten.
Schauen wir uns um und erfüllen wir unseren Tag mit Taten der Liebe. Sprechen wir auch in einfühlender Weise vom Evangelium, wenn der Augenblick da ist, Gott die Ehre zu geben. Denn die Triebfeder unseres Tuns nimmt ihre Freude und Kraft vom Heiligen Geist, der uns Gottes unendlich große Liebe spüren lässt. Lassen wir uns für alle Mitmenschen etwas einfallen, nach unseren Möglichkeiten. Und wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, können wir beten. Auf die Liebe kommt es an.
Das Leben gewinnen
Unbehagen
Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als sie das Evangelium hörten? Hatten Sie ein gutes Gefühl, ein gemischtes, gar ein abgründiges? Dass es eine Rede an die Jünger Jesu ist, haben Sie gemerkt. Das entlastet uns aber nur auf den ersten Blick. Schnell sind wir hineingezogen. Mit Sätzen - Peitschen gleich - und Sätzen, großen Lohn versprechend. Aber sie wirken aneinander gereiht, zusammenhanglos und insgesamt beängstigend.
Eine gewisse Ratlosigkeit kann ich nicht verbergen. Ich sehne mich nach einem Lob aus seinem Munde, wo es doch so schwer ist, gegen ein übermächtiges Schweigen oder gegen lauten Widerspruch zu glauben. Dass ich seiner - Jesu - nicht würdig sein soll, nur weil ich Vater und Mutter, Sohn und Tochter liebe, ist wie ein Albtraum. Leider habe ich das Geheimnis auch noch nicht heraus, wie ich Liebe in "mehr" oder "weniger" aufteilen könnte. Geht das überhaupt - mehr lieben?
Rückschau
Ich muss jetzt an die Jünger denken. An zwölf Fingern kann ich sie abzählen. Ich kenne sogar ihre Namen. Ihre Schwächen auch. Die Jünger, die Jesus berufen hat, haben ganz viel hinter sich zurückgelassen, um mit ihm zu gehen. Ihre Berufe haben sie aufgegeben, ihre Familien, ihre Freundeskreise. Sie haben auf ihrer Wanderung durch das Land, immer in der Nähe Jesu, Menschen gebraucht, die ihnen Unterschlupf gewährten, ein Dach über den Kopf für eine Nacht, einen Becher frischen Wassers auf staubigem Weg.
Jesus macht seinen Jüngern nichts vor, er hat auch keine falschen Versprechungen für sie. Ihr müsst nur zu mir passen, sagt er. Dann geben die Jünger Jesus den Vorzug - vor Vater und Mutter, Sohn und Tochter, sie geben gar dem Kreuz den Vorzug gegenüber einem gesicherten und erfolgreichen Leben. Wenn wir die Worte Jesu von hinten, sozusagen aus der Rückschau lesen, hören sie sich ganz anders an. Sie sind von gemeinsamen Lebenserfahrungen durchzogen, sie sind auf einem gemeinsamen Weg erprobt, sie sind in vielen Begegnungen - und Auseinandersetzungen - gereift. Gerade die sperrigen, nicht eingängigen, nicht so "schönen" Geschichten entpuppen sich am Ende als Kleinode, als Schmuckstücke. Was der Evangelist Matthäus als große Herausforderung überliefert, haben die Jünger gemeistert. Mutig. Ob sie Jesus dann immer würdig waren? Einer hat ihn verraten, einer verleugnet, geflohen sind sie am Ende alle.
Jesus spricht aber auch die an, die seine Jünger aufnehmen. Sie nehmen mich auf, sagt Jesus. Himmlischer Lohn wird ihnen versprochen. Jesus gebt seinen Jüngern sozusagen eine Visitenkarte mit, die ihnen Türen - und Herzen öffnen wird. Sie können davon ausgehen, dass sie Unterschlupf finden werden. Auch die Freude, neue Freunde zu gewinnen. Auch die Kraft, Durststrecken zu bestehen. Die Jünger Jesu haben die Unsicherheit in ihrem Leben bejaht. Sie werden aber von anderen Menschen aufgenommen. Das ist ein schönes Wort: aufgenommen werden. Es klingt warm und vertraut, es verspricht Nähe und Verlässlichkeit.
Erst im Rückblick geht uns auf, wie groß die Meinung ist, die Jesus von seinen Jüngern hat. Und wie groß das Vertrauen ist, dass die Jünger ihm gewähren. Wer von ihnen liebt "mehr"? Wie gut, dass wir das heute nicht entscheiden können.
Weisheit
Ich habe jetzt von den Jüngern geredet. Ein bisschen habe ich das Gefühl, noch einmal davon gekommen zu sein. Wir haben unsere Kirche, unsere Institutionen, unsere großen Überlieferungen und Traditionen. Eine heiliger als die andere. Gelegentlich erschrecken wir darüber, dass es etwas kostet, Christ zu sein, manchmal fällt es uns sogar schwer, das offen zu sagen und zu zeigen. Wenn wir sonst auch vieles delegieren oder abtreten können - den Glauben nicht. Das Bekenntnis beginnt immer mit: Ich.
In unserer, oft auch unübersichtlichen Situation, bekommen die Worte Jesu noch einmal einen eigenen Klang. Sie haben viel gemeinsam mit Sätzen, die wir aus der Weisheit Israels kennen. Knackige, einprägsame Formulierungen, die Lebenserfahrungen, Hoffnungen und Träume aufbewahren - und eben auch zur Verfügung stellen. In unseren eigenen Worten: Was hält uns fest, was bindet uns? Was ist uns überhaupt wichtig? Was könnten wir loslassen? "Jesus sagt: Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen."
Ich möchte das Leben gewinnen. Mit Geld gelingt es nicht, mit Leistung auch nicht, mit Erfolg vielleicht am wenigsten. Aber mit Vertrauen und Liebe, mit dem Geschenk von Nähe und Gemeinschaft. Was dein Leben ausmacht, kannst du dir nicht kaufen. Ob Jesus das so auf unseren Marktplätzen sagen, in Facebook schreiben, twittern würde? Nachfolge Jesu bedeutet, ihn zu lieben, sich seinem Wort zu öffnen, mit ihm mitzugehen. Menschen erzählen sich dann Geschichten, die wie aus einer anderen Welt anmuten, aber in Wirklichkeit nur das Wunder beschreiben, dass es immer noch Liebe gibt - und Vertrauen nicht ausläuft. Die Befürchtung, dass uns das blühen könnte, habe ich auch schon gehört. Angst habe ich keine.
Aufnehmen
Das Schwergewicht der Worte Jesu ruht auf dem Schluss. Es ist davon die Rede, dass die Jünger aufgenommen werden. Heute werden wir daran erinnert, dass wir als Jünger Jesu andere aufnehmen. Das hat mit offenen Türen und Fenstern zu tun, aber auch mit offenen Herzen und Armen. In den Ostergeschichten wird erzählt, dass sich die Jünger aus Furcht zurückziehen, sich verschließen - und eben auch Türen und Fenster zu machen. Es dringt nichts mehr zu ihnen, sie lassen auch nichts mehr an sich heran. Und es gelangt nichts mehr nach draußen. Nicht ein Hoffnungsschimmer. Da kommt Jesus zu ihnen, als der Auferstandene, und bringt ihnen den Frieden. Und alles, was verschlossen war, geht auf.
Es gibt wohl nichts Größeres, als einen anderen Menschen aufzunehmen. Manchmal werden wir ihn als Gast sehen. Einfach entgegenkommend. Aber in dem Wort stecken auch die Worte "aufheben" und "hochheben". Dann wird ein Mensch, der unten ist, groß. Dann wird ein Mensch, der verloren ging, an meinem Tisch sitzen. Am Ende ist es eine weite Sicht.
Fast schäme ich mich: ich habe Jesu Worte beängstigend genannt. Ich erlebe sie jetzt aber geradezu befreiend. Das Evangelium ist eben doch immer für eine Überraschung gut.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter (2017)
Lieder:
GL 143: Mein ganzes Herz erhebet dich
GL 275: Selig, wem Christus auf dem Weg begegnet
GL 342: Komm, Heilger Geist, der Leben schafft
GL 347: Der Geist des Herrn erfüllt das All
GL 348: Nun bitten wir den Heiligen Geist
GL 357: Wie schön leuchtet der Morgenstern (2. Str.)
GL 358: Ich will dich lieben, meine Stärke
GL 361: Mein schönste Zier und Kleinod bist (1. und 3. Str.)
GL 422: Ich steh vor dir mit leeren Händen
GL 440: Hilf, Herr meines Lebens
GL 451: Komm, Herr, segne uns
GL 455: Alles meinem Gott zu Ehren
GL 461: "Mir nach" spricht Christus, unser Held
GL 474: Wenn wir das Leben teilen wie das täglich Brot
GL 479: Eine große Stadt ersteht (2. Str.)
GL 543: Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit
Psalmen und Kehrverse:
GL 56: Freut euch, wie sind Gottes Volk - Mit Psalm 100 - V.
GL 651,5-6: Freut euch, wie sind Gottes Volk - Mit Psalm 34 - V.
GL 645,3-4: Sende aus deinen Geist - Mit Psalm 104 - VII.
- Einleitung4
Hans Hütter (2023)
Manche Forderungen Jesu, wie wir sie in unseren heutigen Gottesdienst hören werden, sind überraschend hart und schrecken Leserinnen und Hörer der Frohen Botschaft ab. Es führt uns aber nicht weiter, wenn wir über schwer verständliche Bibeltexte hinwegsehen oder sie aus unserem Repertoire streichen. Wenn wir uns in die Situation der Menschen hineinversetzen, die diese Worte aufgeschrieben haben, bekommen sie zwar einen anderen Klang und eine andere Farbe. Es bleibt jedoch die Herausforderung: Lasse ich mich und meine Lebensweise durch das Evangelium in Frage stellen oder suche ich im Lesen des Evangeliums vor allem religiöses Wohlgefühl?
Am Beginn unserer Feier treten wir Christus, unserem Herrn, gegenüber und bitten ihn um einen kritischen Blick auf unser Tun und Denken, um sein Wohlwollen und sein Erbarmen mit unseren Unvollkommenheiten.
Schuldbekennntnis…
Hans Hütter (2020)
Zugangskontrollen sind heute an vielen Stellen aus Sicherheitsgründen selbstverständlich geworden. Auch im privaten Bereich ist Vorsicht geboten, wen wir z.B. in die Wohnung hereinlassen. Auf dem Höhepunkt der Corona-Epidemie waren sogar die meisten Grenzen zum Schutz der Bevölkerung gesperrt.
Die Aufnahme Hilfsbedürftiger ist jedoch in den großen Religionen ein Gebot der Nächstenliebe. Die Bibel erzählt uns einige Geschichten, wie Menschen, die die Gastfreundschaft hochgehalten haben, ohne es zu wissen Gott selbst bei sich aufgenommen haben. Wenn wir unser Herz gegenüber Menschen, die unsere Hilfe brauchen, verschließen, verschließen wir es auch gegenüber Gott.
Am Beginn unserer Feier bitten wir Gott um Vergebung für alle Hartherzigkeit und um Hilfe in unserer Ratlosigkeit im Umgang mit Fremden und Hilfesuchenden.
Klemens Nodewald (2017)
Die Worte Jesu, die wir heute hören, sind dem Evangelium des Matthäus entnommen. In ihnen werden wir aufgefordert, die Nachfolge Jesu wirklich ernst zu nehmen und Jesu Weisungen den Vorrang einzuräumen, selbst wenn wir dadurch in Konflikt geraten mit Vater, Mutter, Tochter, Sohn oder sonstigen Menschen.
Der Bürde, die uns belasten kann, wenn wir uns konsequent der Gottes- und Nächstenliebe zuwenden, sollen wir nicht vorschnell ausweichen.
Manfred Wussow (2011)
Der Beter eines Psalms ruft in unsere Runde:
"Ihr Völker alle, klatscht in die Hände,
jauchzt Gott zu mit lautem Jubel." (Ps 47, 2)
Klatschen und Jauchzen. Aus sich herausgehen. Feiern.
Alle Menschen werden eingeladen, Gott zu preisen.
Dann wächst auch der Mut unter uns, Jesus nachzufolgen,
seinen Weg mitzugehen.
Lasst uns ihn um sein Erbarmen bitten:
- Bußakt1
Manfred Wussow (2011)
Herr,
vieles hält uns fest, nimmt uns gefangen.
Wir werden innerlich nicht frei.
Herr, erbarme dich.
Christus,
wir werden aneinander schuldig.
Schenke uns, einander vergeben zu können.
Christus, erbarme dich.
Herr,
kleinlaut ist unser Glaube, unsere Lippen werden schmal.
Gib uns ein weites Herz.
Herr, erbarme dich.
"Ihr Völker alle, klatscht in die Hände,
jauchzt Gott zu mit lautem Jubel."
Lasst uns in das Gloria einstimmen!
- Kyrie5
Hans Hütter (2023)
Herr, Jesus Christus,
du erwartest, dass wir dich mehr lieben als alle anderen Menschen.
Herr, erbarme dich.
Du erwartest von uns, dass wir bereit sind, auch das Kreuz auf uns zu nehmen, das der Glaube an dich mit sich bringt.
Christus, erbarme dich.
Du schenkst wahres Leben allen, die bereit sind, um deinetwillen das Leben aufs Spiel zu setzen.
Herr, erbarme dich.
Edith Furtmann (2023)
Herr Jesus Christus,
oft sind wir in Strukturen verhaftet, die uns fern von dir halten.
Herr, erbarme dich.
Du möchtest uns für deine Nachfolge frei machen.
Christus, erbarme dich.
Du versprichst uns Leben in Fülle.
Herr, erbarme dich.
Beatrix Senft (2023)
Wenden wir uns an Jesus Christus, der uns vorgelebt hat, was ein Leben, Denken und Handeln nach dem Willen des Vaters entscheidend macht.
Herr Jesus Christus,
dein Weg in dieser Welt und zu den Menschen war bedingungslose Liebe.
Erbarme dich unserer Lieblosigkeit.
Herr, erbarme dich.
Du hast uns mit deiner Gütigkeit und deiner Barmherzigkeit ein Vorbild gegeben.
Erbarme dich unserer Oberflächlichkeit.
Christus, erbarme dich.
Du hast uns den richtigen Weg vorgelebt, dem zu folgen uns oft schwerfällt.
Herr, erbarme dich.
Ja, erbarme dich unser, Herr.
Lasse uns den rechten Weg erkennen
und stärke uns in der Treue zu dir. – Amen.
Hans Hütter (2020)
Herr, Jesus Christus,
arm und auf Hilfe angewiesen bist du in unsere Welt gekommen.
Herr, erbarme dich.
Alle, die dich aufnehmen, beschenkst du mit ewigem Leben.
Christus, erbarme dich.
Du begegnest uns in den Schwachen und Hilfsbedürftigen.
Herr, erbarme dich.
Klemens Nodewald (2017)
Wenden wir uns dem Herrn zu, der vorgelebt hat, was er an Denken und Handeln von denen einfordert, die sich für seine Nachfolge entscheiden und entschieden haben.
Herr Jesus Christus,
niemand konnte dich vom Weg uneingeschränkter Liebe abhalten.
Herr, erbarme dich.
Deinen Weg der Güte und des Erbarmens wollen auch wir gehen.
Christus, erbarme dich.
Komm uns zu Hilfe, wenn wir bei der Entscheidung für dich Kraft und Unterstützung benötigen.
Herr, erbarme dich.
Es erbarme sich unser der Herr.
Er lasse uns den rechten Weg erkennen
und stärke uns in der Treue zu ihm. – Amen.
- Tagesgebet3
Messbuch - TG 13. Sonntag: Finsternis des Irrtums, Licht der Wahrheit
Gott, unser Vater,
du hast uns in der Taufe zu Kindern des Lichtes gemacht.
Laß nicht zu,
daß die Finsternis des Irrtums über uns Macht gewinnt,
sondern hilf uns, im Licht deiner Wahrheit zu bleiben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 13. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - TG Auswahl 40: "sorgt euch nicht um euer Leben"
Jesus Christus hat gesagt:
"Sorgt euch nicht um euer Leben!
Ängstigt euch nicht!
Euch soll es zuerst um das Reich Gottes gehen;
dann wird euch das andere dazugegeben."
Darum beten wir:
Gott. Wir fürchten, wenn wir uns auf dich einlassen,
wird unser Leben noch schwerer;
wenn wir uns für deine Sache mühn,
kommen wir selber zu kurz.
Mach uns frei von der Angst.
Gib uns Freude an deinem Reich
und laß uns erfahren,
daß dir allein die Zukunft gehört.
Das gewähre uns durch Jesus Christus.
Amen.
MB Auswahl 40
Messbuch - TG Auswahl 7: deine gute Botschaft weitersagen
Gott.
Du suchst Menschen, die von dir sprechen
und der Welt deine gute Botschaft weitersagen.
Hilf uns,
Trägheit und Menschenfurcht zu überwinden
und deine Zeugen zu werden -
mit unserem ganzen Leben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB Auswahl 7
- Eröffnungsgebet1
Manfred Wussow (2011)
Gott,
du bist barmherzig.
Dir vertrauen wir die letzten Tage an.
Wir haben vieles erlebt,
vieles besprochen
und so manches aus den Augen verloren.
Wir danken dir für den Lebensmut,
für die Menschen, die uns begleiten
und für die vielen kleinen Freuden,
die die Tage schön machten.
Schenke uns einen starken Glauben,
damit wir aus der Gemeinschaft mit dir
Kraft schöpfen, deinem Wort vertrauen
und einander Liebe schenken.
Durch Christus, unseren Herrn.
- Fürbitten8
Hans Hütter (2023)
Jesus Christus, du bist in unsere Welt gekommen, um allen Menschen die Frohe Botschaft vom himmlischen Reich deines Vaters zu verkünden und verlangst von uns eine Radikalität, die uns an die Grenzen unserer Kräfte führt.
Wir bitten dich:
Für alle, die bereit sind, dir bedingungslos nachzufolgen und sich für dich einzusetzen.
Gib ihnen die Kraft zu erkennen und zu unterscheiden, was für das Kommen deines Reiches gut und notwendig ist.
Für alle, die unentschlossen vor deinem Ruf dir nachzufolgen Halt machen und dem Kreuz eines christlichen Lebens zu entkommen suchen.
Für alle, die ihr Leben mit Inhalten ausfüllen, die die nicht befriedigen können.
Zeige ihnen, was sie zufrieden und glücklich machen kann.
Für alle, die sich der Schwachen und Hilfsbedürftigen annehmen.
Lass sie Unterstützung und Anerkennung finden.
Für unsere verstorbenen Angehörigen und Freunde,
aber auch für alle, die in den zahllosen Glaubenskriegen umgekommen sind.
Schenke ihnen das ersehnte Leben in Fülle.
Du, Herr wirst niemand, der sich um wahres Leben bemüht, um seinen Lohn kommen lassen.
Dafür danken wir dir und preisen wir dich. – Amen.
Edith Furtmann (2023)
Herr Jesus Christus,
Du forderst uns auf, Farbe zu bekennen für dich.
Wir bitten dich:
Oftmals wissen wir genau, welchen Weg du uns zeigst. Zaghaft wägen wir mutlos im gestern verhaftet ab, was wir verlieren würden.
Bleibe bei uns!
Manchmal erkennen wir den Weg nicht, den du uns zeigst.
Wir sind zu sehr mit dem Hier und Jetzt verhaftet und trauen uns nicht aus unserem Leben heraus.
Bleibe bei uns!
Immer mehr Katholiken und Katholikinnen verlassen unsere Kirche.
Sie sehen sie nicht mehr an als Weg, zu Dir zu gelangen.
Bleibe bei ihnen!
Viele Menschen sind müde und verzweifelt.
Sie fühlen sich von Gott und der Welt verlassen und können ihr Leben nicht mehr aushalten.
Bleibe bei ihnen!
Immer wieder geraten auch wir in Situationen, in denen uns Unverständnis entgegen schlägt, weil wir versuchen, in Deiner Nachfolge zu leben.
Bleibe bei uns!
Zu viele Menschen auf dieser Welt müssen ihre Heimat verlassen und brechen in eine ungewisse Zukunft auf. Oft finden sie niemanden, der sie aufnehmen will.
Bleibe bei ihnen!
Steh unseren Kranken bei und nimm die Verstorbenen zu dir in dein Reich auf.
Herr Jesus Christus,
du hast von den Jüngern verlangt, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Stärke uns, damit auch wir aus alten Gewohnheiten aufbrechen und unser Heil bei dir suchen, damit wir das neue Leben bei dir, Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn finden. – Amen.
Renate Witzani (2023)
In einer Welt mit so vielen verschiedenen und gegensätzlichen Meinungen kann uns Jesu Botschaft Richtung und Maß vermitteln.
Um seinen Geist, den er uns als Beistand verheißen hat, lasst uns bitten:
Für deine Kirche, die inmitten einer oft ganz anders ausgerichteten Welt nach ihrer wahren Sendung sucht.
Für die verfeindeten Völker, Parteien und Politiker auf ihrem schwierigen Weg zu friedlichen und konstruktiven Lösungen für die ihnen anvertrauten Menschen.
Für alle, die andere pflegen und betreuen und trotz der hohen Anforderungen in ihrem Dienst Güte und Nähe vermitteln.
Für uns selbst, wenn wir versuchen, den Plan, den du für uns hast, zu verwirklichen, aber immer wieder von eigenen Ansprüchen und Zielvorstellungen nicht loslassen können.
Für unsere Verstorbenen, die wir in deiner Hand geborgen wissen dürfen.
Herr Jesus Christus!
Wer für dich und dein Reich brennt, wird nicht ausbrennen. Im tiefen Vertrauen auf deine Nähe und Hilfe danken wir dir und loben dich jetzt und allezeit. - Amen.
Renate Witzani (2020)
Lasst uns miteinander den Blick auf Gott lenken
und ihm unsere Bitten anvertrauen:
Um die Kraft deines Geistes für Papst Franziskus
und alle, die christlichen Kirchen vorstehen.
Um Trost und Hoffnung für alle,
die aufgrund ihres Glaubens im eigenen Land oder sogar in der eigenen Familie verfolgt werden.
Um deine Begleitung auf dem Weg der Nachfolge für jene Männer,
die in diesem Jahr zu Priestern geweiht werden.
Um Mut, deiner persönlichen Zusage an uns zu vertrauen,
wenn wir erkennen, dass wir manchen Ansprüchen anderer an uns nicht nachkommen können.
Um Vertrauen auf die Gemeinschaft in Christus mit dir
für alle, die ihr irdisches Leben loslassen müssen.
Vater!
Wir bitten dich, nimm diese ausgesprochenen und alle unsere unausgesprochenen Bitten an.
Durch Christus, mit dem wir seit unserer Taufe in besonderer Weise verbunden sind,
und im Heiligen Geist bringen wir dir unseren Dank und unser Lob dar. - Amen.
Hans Hütter (2020)
Gott, unser Vater,
in unserer Welt begegnen uns viele Menschen, die in Not und auf Hilfe angewiesen sind.
Wir bitten dich:
Für die 80 Millionen Menschen, die gegenwärtig auf der Flucht sind.
Schenke ihnen Frieden, Heimat und den nötigen Lebensunterhalt.
Für die zahllosen Menschen, die hilflos der Corona-Epidemie ausgeliefert sind.
Schütze sie und alle, die ihnen zu helfen bereit sind.
Für alle Frauen und Männer, die sich dem Dienst für Gott und für die Menschen zur Verfügung stellen.
Stärke sie durch deinen Heiligen Geist und lass sie durch Wort und Tat Zeugnis für dich ablegen.
Für alle, die in diesen Tagen zu Priestern oder Diakonen geweiht werden,
und für alle, die zu einem kirchlichen Dienst ausgesandt werden.
Lass sie an ihrer Sendung wachsen und schenke ihnen Freude an ihrer Aufgabe.
Für alle, die ihres Glaubens wegen verfolgt werden.
Lass ihre Leiden nicht vergeblich sein.
Für die Verstorbenen.
Schau auf das Gute, das sie in ihrem Leben sichtbar oder still getan haben
und lass sie nicht um ihren Lohn kommen.
Dir, Herr, vertrauen wir unsere Sorgen und Nöte an.
Dich preisen wir und dir danken wir. - Amen.
Klemens Nodewald (2017)
Herr Jesus Christus,
dein Ziel war es, uns Menschen einen Weg zu zeigen, der Frieden in die Welt bringt und zu einem guten Miteinander führt. Diesen Weg wollen wir gehen.
Daher bitten wir dich:
Lass alle Menschen erkennen,
wie richtig und wertvoll deine Weisungen sind.
Jesus, du unser Weg...
Komm uns zu Hilfe, wo das Streben nach dem Rechten und Guten sich schwierig gestaltet und uns Last auferlegt.
Jesus, du unser Weg...
Segne alle, die ihre Liebe immer wieder einbringen und großzügig an Kranke, Einsame und Menschen in Not verschenken.
Jesus, du unser Weg...
Erbarme dich derer, die um ihres Glaubens willen bedrängt, verachtet oder misshandelt werden.
Jesus, du unser Weg...
Ermutige alle Verantwortlichen und Einflussreichen, sich in besonderer Weise für Fairness, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einzusetzen.
Jesus, du unser Weg...
Lass den Weg aller Verstorbenen in der Gemeinschaft des Himmels und bei dir die Vollendung finden.
Jesus, du unser Weg...
Herr Jesus Christus,
du stellst nicht nur Forderungen an uns. Du bist da, wo immer wir uns dem Guten und der Liebe zuwenden.
Dafür danken wir dir immer neu. – Amen.
Renate Witzani (2017)
Gott verspricht uns als seinen Jüngern seinen Beistand.
Um ihn lasst ihn uns gemeinsam bitten:
Für Papst Franziskus und alle Hirten der Kirche,
die dich, guter Gott, als den Urgrund allen Lebens verkündigen.
Für die Opfer der vielen Katastrophen der letzten Wochen,
die auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind.
Für alle, die aufbrechen, um andere Länder und Menschen kennenzulernen und dadurch für sich neue Lebensperspektiven entdecken.
Für uns selbst, die wir uns mit dem Anspruch als deine Jüngerinnen und Jünger zu leben oft schwer tun und dich und andere enttäuschen.
Für unsere Verstorbenen, für die wir erhoffen, dass sie in deinen Händen geborgen sind.
Denn du, Vater, bist der Urgrund allen Lebens.
Dir vertrauen wir und wollen unser Leben nach deiner Weisung ausrichten.
Dir gebührt alle Macht und Herrlichkeit jetzt und allezeit. - Amen.
Manfred Wussow (2011)
Im Evangelium haben wir gehört,
dass wir das Leben gewinnen, wenn wir Jesus nachfolgen.
Darum bitten wir ihn für uns, für unsere Kirche, für unsere Welt:
Am 22. Juni 1941 überfielen deutsche Truppen die Sowjetunion.
Millionen Menschen kamen um.
Auch nach 70 Jahren sind die Wunden nicht verheilt.
Wir rufen zu dir: Herr, schenke uns deinen Frieden!
Die Rüstungsindustrie verdient so gut wie lange nicht mehr.
Waffen sind ein gutes Geschäft.
Aber sie werden auf Menschen gerichtet, die sich nicht wehren können.
Wir bekommen mit, wie über lange Zeit angehäufte Schulden
unsere Währung unter Druck setzen und ganz Europa gefährden.
Die kleinen Leute verstehen die Welt nicht mehr,
sollen die Zeche aber zahlen.
In Nordafrika lehnen sich Menschen gegen ihre autokratischen Regime auf.
Sie suchen für sich und ihre Gesellschaften neue Perspektiven.
Ideologien, die Menschen unterdrückten, entpuppen ihre Lügen.
Aus wirtschaftlicher Not wagen Menschen die Fahrt über das Mittelmeer.
Sie liefern sich Schleppern aus. Dann droht ihnen die Abschiebung.
Manchmal machen wir die Welt sehr eng.
Herr,
du hast Jünger in deine Nachfolge gerufen.
Sie haben ihr altes Leben hinter sich gelassen,
um ein neues zu gewinnen.
Mache uns mutig,
aus alten Gewohnheiten aufzubrechen,
alte Denkstrukturen zu verlassen
und deinem Wort mehr zu trauen als unseren Vorurteilen.
Bei dir suchen wir das Leben.
In Christus, unserem Herrn.
- Gabengebet1
Messbuch - GG 13. Sonntag: den Dienst an diesem Altar würdig vollziehen
Herr, unser Gott,
in den Geheimnissen, die wir feiern,
wirkst du unser Heil.
Gib, daß wir den Dienst an diesem Altar würdig vollziehen,
von dem wir deine Gaben empfangen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 13. Sonntag im Jahreskreis
- Gebet zur Gabenbereitung1
Manfred Wussow (2011)
Herr,
wir danken dir für Brot und Wein,
für dein Versprechen, dich uns ganz zu schenken.
Es sind deine Gaben,
die durch unsere Hände gehen,
die unser Leben reich machen,
die uns Glück und Segen schenken.
Dir bringen wir unsere Mühen und Leidenschaften,
unseren Frust und unsere Freuden.
Du verwandelst Brot und Wein,
unser Leben auch.
Komm, unser Herr!
- Lobpreis1
Hans Hütter (2020)
Kehrvers:
Freut euch, wir sind Gottes Volk,
erwählt durch seine Gnade. (GL 56,1)
Guter Gott, wir sind hier versammelt,
um dir das Opfer des Lobes und des Dankes darzubringen:
Wir danken dir für den Reichtum des Lebens,
mit dem du uns beschenkst
und den du uns immer neu zufließen lässt.
Kehrvers
Einst hast du dein Volk durch das Wirken der Propheten spüren lassen,
dass du da bist und es in allen Lebenslagen begleitest.
Heute bist du unter uns in den vielen Menschen,
die sich am Geist und Beispiel Jesu ausrichten,
sich von deinem Heiligen Geist leiten lassen
und mit Christus als neue Menschen leben.
Kehrvers
Du führst uns zurück auf Wege, die uns wahres Lebens bringen,
wenn wir uns in den vielfältigen Heilsversprechen unserer Zeit verlieren
und ein Leben suchen,
das unsere Sehnsucht nach vollem Leben nicht erfüllt.
Kehrvers
Du gibst uns die Kraft, das eigene Kreuz auf uns zu nehmen
und deinem Sohn nachzufolgen,
der sein Leben ganz für dich gelebt hat
und dennoch ganz bei den Menschen war.
Du willst, dass auch wir das wahre Leben finden,
für das du uns geschaffen hast.
Kehrvers
Wir stimmen ein in den Lobgesang aller Heiligen,
die diesen Weg gegangen sind und die ihn heute gehen,
und bringen dir mit allen Geschöpfen unseren Dank entgegen.
Danklied, z.B.: Nun saget Dank und lobt den Herren (GL 385)
- Präfation2
Messbuch - Präfation Kreuzerhöhung: Das Kreuz als Zeichen des Sieges
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Herr. heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken.
Denn du hast das Heil der Welt
auf das Holz des Kreuzes gegründet.
Vom Baum des Paradieses kam der Tod,
vom Baum des Kreuzes erstand das Leben.
Der Feind, der am Holz gesiegt hat,
wurde auch am Holze besiegt
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn loben die Engel deine Herrlichkeit,
beten dich an die Mächte,
erbeben die Gewalten.
Die Himmel und die himmlischen Kräfte
und die seligen Serafim feiern dich jubelnd im Chore.
Mit ihrem Lobgesang lass auch unsere Stimmen sich vereinen
und voll Ehrfurcht rufen:
Heilig...
MB Kreuzerhöhung
Messbuch - Präfation Sonntage 3: Die Rettung des Menschen durch den Menschen Jesus Christus
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Herr, heiliger Vater,
allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken.
Denn wir erkennen deine Herrlichkeit in dem,
was du an uns getan hast:
Du bist uns mit der Macht deiner Gottheit
zu Hilfe gekommen und
hast uns durch deinen menschgewordenen Sohn
Rettung und Heil gebracht
aus unserer menschlichen Sterblichkeit.
So kam uns aus unserer Vergänglichkeit
das unvergängliche Leben
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn preisen wir jetzt und in Ewigkeit
dein Erbarmen und singen mit den
Chören der Engel das Lob
deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Sonntage 3
- Mahlspruch1
Bibel (2011)
Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.
(Mt 10,37)
Oder:
Lobe den Herrn, meine Seele!
Alles in mir lobe seinen heiligen Namen.
(Ps 103,1)
Oder:
Vater, ich bitte für sie, dass sie in uns eins seien,
damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast - so spricht der Herr.
(Joh 17, 20-21)
Oder:
Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht,
eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm.
Verkündet die großen Taten Gottes,
der euch in sein wunderbares Licht gerufen hat.
(vgl. 1 Petr 2,9)
- Meditation1
Helene Renner (2020)
Nichts ist wichtiger
als eine gute Beziehung zu Gott
Dieser guten Beziehung
steht oft viel im Weg
Unsere Geschäftigkeit
unser Leichtsinn
unsere Feigheit vor Entscheidungen
unsere verschobenen Rangordnungen
unsere Zweifel
unser Unglaube
aber
nichts soll in unserem Leben
wichtiger sein
als eine gute Beziehung zu Gott
Gott
lass uns unseren Leichtsinn überwinden
unsere Geschäftigkeit überdenken
unsere Feigheit durch Mut ersetzen
unsere Zweifel dir anvertrauen
und unseren Unglauben
in Vertrauen verwandeln
Gott
hilf uns zu einer neuen Rangordnung
damit die Beziehung zu dir wachsen kann
- Schlussgebet3
Messbuch - SG 13. Sonntag: Lass uns Frucht bringen in Beharrlichkeit
Gütiger Gott,
die heilige Opfergabe,
die wir dargebracht und empfangen haben,
schenke uns neues Leben.
Laß uns Frucht bringen in Beharrlichkeit
und dir auf immer verbunden bleiben.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 13. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - SG 33. Sonntag: in der Liebe zu dir Christus nachfolgen
Barmherziger Gott,
wir haben den Auftrag deines Sohnes erfüllt
und sein Gedächtnis begangen.
Die heilige Gabe,
die wir in dieser Feier empfangen haben,
helfe uns,
daß wir in der Liebe zu dir und unseren Brüdern
Christus nachfolgen,
der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB 33. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - SG Auswahl 12: Lass uns in der Freude dieses neuen Lebens wandeln
Himmlischer Vater,
dein Sohn hat verheißen,
daß wir sein göttliches Leben in uns tragen,
wenn wir ihn empfangen in der heiligen Speise.
Wir danken dir für sein Erlösungsopfer
und bitten dich:
Laß uns stets in der Freude dieses neuen Lebens wandeln,
bis wir zur ewigen Vollendung gelangen in ihm,
unserem Herrn Jesus Christus,
der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB Schlussgebete zur Auswahl 12
- Gebet zum Abschluss1
Manfred Wussow (2011)
Wir danken dir, treuer Gott,
dass wir in deinem Haus aufatmen können,
mit anderen zu dir aufschauen und deine Stimme hören.
Was uns heute noch
oder vielleicht auch erst morgen in Beschlag nimmt,
legen wir in deine Hand.
Segne, was wir tun.
Lass es uns und anderen zum Segen werden.
Schenke uns eine gute neue Woche.
Durch Christus, unseren Herrn.
Nachfolge ohne Kompromisse
Ein Evangelium, dass auf den ersten Blick abschreckt; das familienfeindlich scheint. Wenn man allerdings weiß, dass Petrus z.B. seine Frau mit auf die Verkündigungsreisen genommen hat, dann muss man doch vielleicht einmal anders, genauer hinschauen.
Als erstes fällt mir das kleine Wörtchen „mehr“ auf. Das ist keine Abwertung der Liebe zu unseren Familien, das ist eine Aufwertung der Liebe zu Jesus. Diese Liebe muss eine unbedingte sein. Wir sollen zu Jesus stehen, auch wenn uns das in Konflikte mit der Familie bringen kann. Seine Nachfolge muss über allem stehen.
Als zweites kommt dann der Satz über das Leben: „Wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“ - Das galt in seiner ganzen Radikalität für die Jünger Jesu und auch für die ersten Christen. Sie liefen buchstäblich in die Gefahr, ihr irdisches Leben zu verlieren. Aber wie kommen wir da ins Spiel? Oder können wir uns zurücklehnen und sagen: uns hier in Deutschland kann ja nix passieren trotz aller Anfeindungen, denen die Kirche ausgesetzt ist? Ich glaube, es ist eine andere Art des Leben-Verlierens gemeint. Wer sich radikal auf Christus einlässt, wer sich ohne Kompromisse in die Nachfolge begibt, der verliert das bequeme Leben, der muss sein Leben ändern, der kann nicht so weiterleben wie bisher. Und dies, so glaube ich, ist die Botschaft für uns hier und heute in Deutschland, wo wir immer noch einer großen Christengemeinschaft angehören. Wir müssen unser Leben ändern. Wir müssen die Option für die Armen ernst nehmen und die Bewahrung der Schöpfung. Wir müssen uns einsetzen für die Ausgegrenzten, für die, für die sich sonst keiner einsetzt. Wir müssen umweltschonender leben, raus aus Konsum ohne nachzudenken. Wir müssen unser bequemes Leben verlieren, dann finden wir einen Schatz, die Freiheit der Nachfolge. Möglicherweise entgegen dem heute gängigen Gesellschaftsbild, wo jeder sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Möglicherweise ohne auf Verständnis unserer direkten Umwelt hoffen zu können. Aber wir werden ein Leben finden, das guttut, weil es ein Leben im Richtigen ist, in der Nachfolge Jesu Christi.
Edith Furtmann
Solidarität und „Lebensschutz"
Der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz appelliert zudem an die Bundesregierung, wieder Flüchtlinge aufzunehmen. Es brauche wieder einen "Geist der Aufmerksamkeit und der Solidarität", um sich von den Sorgen und Nöten der Menschen berühren zu lassen, erklärte Lackner. Diese Anteilnahme dürfe aber nicht an den Landesgrenzen halt machen. "Wir erachten es als dringend notwendig, ein faires Kontingent an Asylsuchenden und Vertriebenen in absehbarer Zeit aufzunehmen und zu versorgen", berichtete Lackner über die Erklärung des heimischen Episkopats nach der Vollversammlung in Mariazell. Auch wolle man entsprechende Initiativen in der Zivilgesellschaft unterstützen.
Aus: Die Presse am 19.6.2020, https://www.diepresse.com/5828183/
Evangelische Generalsynode verabschiedet Resolution zum Thema Asyl
Das Kirchenparlament sprach sich gegen den Umgang von Gerichten und Behörden mit zum Christentum konvertierten Asylsuchenden aus. Das viertägige Treffen endete am Samstag.
Die Generalsynode der Evangelischen Kirche A.u.H.B. hat am Samstag in St. Pölten eine Resolution zum Thema Asyl verabschiedet. Darin sprach sich das Kirchenparlament gegen den Umgang von Gerichten und Behörden mit zum Christentum konvertierten Asylsuchenden aus und wehrte sich gegen die "Unterstellung von Scheinkonversionen", wie der Evangelische Pressedienst für Österreich (epdÖ) mitteilte.
Der Begriff der Scheinkonversionen tauche immer wieder in Bescheiden auf, wurde betont. Die Behörden würden damit einerseits "die Aufrichtigkeit der Konversion infrage" stellen, andererseits das Urteil jener Pfarrer, "die die betreffende Person zur Taufe zugelassen haben". Die Generalsynode verwehre sich dagegen, "dass geistliche Amtsträger und ihre Arbeit dergestalt durch Behörden oder Gerichte in Misskredit gebracht werden".
Scharfe Kritik an Befragungen zum Glauben
Scharf kritisiert wurde in der einstimmig verabschiedeten Resolution auch, dass sich Asylwerber Befragungen zu ihrem Glauben unterziehen müssten. Dieses Vorgehen erinnere "an die Zeit der Gegenreformation, als sich Evangelische auch Glaubensprüfungen unterziehen mussten und des Landes verwiesen wurden, wenn sie diese nicht bestanden". Gefordert wurde vielmehr von Behörden und Gerichten, "Dokumente über Taufe oder Kirchenzugehörigkeit sowie das Urteil von Pfarrerinnen und Pfarrern anzuerkennen".
Bischof Michael Chalupka ortete bei der Abschiebung von Christen in Länder wie Afghanistan eine "Doppelmoral, die benannt werden muss": "Wenn sich die österreichische Bundesregierung gegen Christenverfolgung stellt und zu ihrem Thema macht, dann kann es doch nicht sein, dass Christinnen und Christen durch die Abschiebung ganz bewusst der Verfolgung ausgesetzt werden."
Aus: Die Presse am 17.12.2019, https://www.diepresse.com/5734887/
Wen kümmert es denn, dass Christen verfolgt werden?
Diskutiert wird, was noch alles gegen „Islamophobie“ und „Rassismus“ zu tun wäre. Die Welle der Gewalt gegen Christen in Afrika und Asien ist kein Thema.
Bestimmte Nachrichten halten die Medien für zweitrangig, falls sie sie nicht überhaupt ignorieren. In diese Kategorie fallen in der Regel alle, die sich auf die Verfolgung und Diskriminierung von Christen beziehen. Hier ist eine Auswahl solcher Nachrichten aus der ersten Dezemberhälfte:
[…]
Es gibt mehr als 140 Länder, in denen Christen diskriminiert und verfolgt werden. 2018 wurden 4136 Christen wegen ihres Glaubens ermordet, das waren 1354 mehr als 2017. Die Bilanz für 2019 droht noch schlimmer auszufallen.
In Afrika und in Asien ist die Religionsfreiheit oft eine Frage des nackten Überlebens. In Europa hingegen müssen sich Regierungen gegen den Vorwurf des „Rassismus“ und der „Islamophobie“ verteidigen, wenn sie muslimischen Eltern verbieten, ihre Töchter mit einem Kopftuch in die Volksschule zu schicken.
Die Frage, warum die europäischen Staaten nichts gegen die Christenverfolgungen unternehmen und die Islamisierung geschehen lassen, wird oft gestellt. Die Antwort ist einfach. Europa hat seine Identität verloren, weil es seine Wurzeln verleugnet. Wir leben in einer Welt, die die kulturellen Voraussetzungen ihrer Existenz nicht mehr wahrhaben möchte, obwohl die Menschenrechte, die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die positiven Werte der Aufklärung, die ganze Architektur der europäischen Zivilisation auf einem christlichen Fundament ruhen.
Die Kultur Europas“, erinnerte Benedikt XVI. vor dem Deutschen Bundestag (2011), „ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden.“ Dies „zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt“. Die Amputation ist bereits erfolgt. Europa leidet unter einem Phantomschmerz.
Zum Autor:
Karl-Peter Schwarz war langjähriger Auslandskorrespondent der „Presse“ und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Mittel- und Südosteuropa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog).
Aus: Die Presse am 17.12.2019, https://www.diepresse.com/5740190/
Kein leichter Weg
In England erinnert man sich noch immer an eine Rede, die Winston Churchill während des Zweiten Weltkriegs gehalten hat. Im Mai 1940 hatte die deutsche Wehrmacht Frankreich eingenommen, und England musste mit einer deutschen Invasion rechnen. In dieser gefährlichen Situation erklärte der britische Premierminister seinen Landsleuten ehrlich und lakonisch, dass sie sich auf harte Zeiten und große Opfer, auf „Blut, Schweiß und Tränen“ einstellen müssten, wenn sie entschlossen seien, sich gegen Hitlers Eroberungspläne zu wehren. Nur so sei es möglich, den Tyrannen zu stoppen. Wichtig war dabei, dass er den Leuten den Sinn der angekündigten Anstrengungen und Entbehrungen deutlich machen konnte: gegen ein totalitäres Regime Freiheit und Menschenwürde zu verteidigen. Ein hoher Wert, ein bedeutendes Ziel kann es rechtfertigen, Opfer zu verlangen und auf sich zu nehmen. An diese Rede Churchills kann man denken, wenn man die ernsten Worte liest, mit denen Jesus seine Anhänger auf schwierige und schmerzliche Situationen vorbereitet hat. Solche Worte Jesu finden sich zum Beispiel im Lukas- und im Matthäusevangelium (Lk 14,25-33; Mt 10,37-42).
Worauf sich an Jesus Glaubende einstellen müssen
Wer sich Jesus anschließt, sollte sich keinen Illusionen hingeben. Er muss sich bewusst machen, worauf er sich einlässt; dass ein ernster Einsatz gefordert ist; dass mit Widerständen und Bedrängnissen zu rechnen ist. Wer sich zu Jesus bekennt, muss im Konfliktfall (der nicht immer gegeben sein muss) bereit sein, selbst Eltern oder nahe Verwandte „gering zu achten“, das heißt an die zweite Stelle zu rücken. Er muss bereit sein, „auf seinen ganzen Besitz zu verzichten“, wenn es anders nicht möglich wäre, den Glauben an Jesus zu leben und den Weg zu gehen, den Jesus gewiesen hat. Wer zuckt nicht zusammen, wenn ihm so etwas gesagt wird?
Den Zusammenhang der Worte Jesu sehen
Aber auch Jesus ging es - ähnlich wie in der Rede Churchills - nicht darum, Opfer und Leiden, Kreuz um ihrer selbst willen zu fordern oder gar zu verherrlichen. Jesus konnte so ehrlich und deutlich von den Risiken und Schwierigkeiten der Nachfolge reden, weil er überzeugt war, den Menschen etwas ganz Wichtiges und Kostbares zu bringen, und weil er darauf vertraut hat, dass sich Menschen finden werden, die ihn verstehen und den Wert der Verbindung mit ihm erkennen.
Die zitierten Jesusworte dürfen nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Botschaft und des Lebens Jesu herausgelöst werden. Es sind ja nicht die einzigen und nicht die ersten Worte, die Jesus gesprochen hat. Die ersten Worte, die Jesus nach dem Lukasevangelium in der Öffentlichkeit spricht, sind: „Der Herr [Gott] hat mich gesandt, dass ich den Armen eine gute Nachricht bringe, den Gefangenen die Entlassung verkünde... und ein Jahr der Gnade ausrufe“ (Lk 4,18-21).
Den herausfordernden Aussagen war vieles andere vorausgegangen, das mitgehört und mitbedacht werden muss: Jesus hat mit seiner Botschaft Hoffnung geweckt, hat eine freudige und festliche Atmosphäre um sich verbreitet. Er konnte seine Gegenwart mit einer Hochzeitswoche vergleichen (vgl. Mk 2,18f). Um Jesus herum entfaltete sich ein befreites und zuversichtliches Leben; er hat es verstanden, das Leben der Menschen aufzuhellen (vgl. Mt 4,16), vor allem durch die Art, wie er von Gott, von der zuvorkommenden Güte Gottes sprach. Um Jesus entstand eine Atmosphäre, in der man aufatmen konnte (vgl. Mt 11,28). Einen tiefen Eindruck machte das heilende Wirken Jesu, seine Aufmerksamkeit für die Leidenden und Geplagten. Und die Mitte des Ganzen war die Strahlkraft der Person Jesu, die Ausstrahlung, die von ihm ausging, sein beeindruckendes Wesen.
Dieser Hintergrund, dieser Zusammenhang muss gesehen werden; dann lassen sich auch die fordernden Aussagen Jesu verstehen. Sie haben ein positives Ziel: Es geht darum, in der Verbindung mit Jesus zu bleiben, mit den Kräften, die in ihm wirken, auch wenn es Opfer kostet. Es geht darum, sich von niemandem rauben zu lassen, was Jesus gebracht und ermöglicht hat. In diesem Sinne kann der Apostel Paulus im Philipperbrief schreiben: „Was mir früher als Gewinn galt, das habe ich um Christi willen als Verlust erkannt; ... weil die Erkenntnis Christi Jesu [und die Gemeinschaft mit ihm] alles übertrifft“ (Phil 3,7f). Paulus hat den Schatz entdeckt (vgl. Mt 13,44), für den man vieles hergeben kann.
Zeugnisse aus der Geschichte
Auch im weiteren Lauf der Geschichte haben immer wieder christlich und menschlich vorbildliche Persönlichkeiten einen spürbaren und hohen Preis gezahlt, um ihrer Gewissensüberzeugung und ihrem Glauben treu zu bleiben. Das gilt von den vielen Märtyrern der Kirche bis in die neuere Zeit.
Man braucht nur die Briefe zu lesen, die Männer und Frauen des deutschen Widerstands gegen die Naziherrschaft aus den Gefängnissen geschrieben haben: an ihre Ehepartner, an Familie und Freunde. Darunter die Geschwister Scholl, Willi Graf, Helmut Graf Moltke, Nikolaus Groß, die Bonhoeffer-Brüder. Es waren Menschen, die das Leben durchaus geliebt haben, die keine perverse Selbstzerstörung betrieben haben. Aber sie wussten, dass ein wahrhaft menschenwürdiges Leben auf Werten gründet, die hochgehalten werden müssen, auch wenn das einen Einsatz kostet, der ans Leben geht. Sie waren überzeugt, dass Christen widerstehen müssen, wenn Religion und Menschenwürde missachtet werden, und sie spürten die Kraft, die ihnen aus der Verbindung mit Christus zukam.
Aus: Augustin Schmied, Farben des Anfangs. Jesus und seine Botschaft. Biblische Betrachtungen. Verlag Neue Stadt, München Zürich Wien 2015.
Wie hältst du’s mit dem Kreuz?
„Die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,14/).
"Wie hältst du’s mit der Religion?“ Ich glaube, daß diese Gretchenfrage für uns Christen ganz anders lautet, nämlich: "Wie hast du’s mit dem Kreuz?“
Auf dem letzten Konzil stand ein Bischof aus der Dritten Welt vor dem Mikrophon. Er nahm das Kreuz, das er auf seiner Brust hängen hatte, in die Hand, schaute es ein wenig an und rief dann in die Aula des Petersdomes: Wir tragen alle ein Kreuz auf der Brust, es wäre besser, wir würden es auf dem Rücken tragen!
Dazu noch eine Geschichte: Vor zweihundert Jahren lebte in Moskau ein deutscher Arzt, der sich in besonderer Weise der Gefangenen und Armen annahm und den man deshalb nur den „Engel von Moskau“ nannte. Er war befreundet mit dem Metropoliten von Moskau, der, wie sollte es anders sein, auf seiner Brust ein großes goldenes und mit Edelsteinen geschmücktes Kreuz trug. Eines Tages sprachen sie miteinander über die Strafgefangenen.
Der Metropolit wollte den Arzt in seinem Einsatz zurückstutzen und meinte: „Wer bestraft wird, ist auch schuldig.“ Der Arzt wurde zornig und schleuderte dem Metropoliten nur einen Satz ins Gesicht: „Sie haben nur Christus vergessen“ - und zeigte auf das goldene Kreuz.
Beide Geschichten haben etwas gemeinsam: den falschen Umgang mit dem Kreuz. Man kann es mit dem Ewigen Juden Goethes sagen:
„Er war nunmehr der Länder satt,
wo man so viele Kreuze hat
Und man, für lauter Kreuz und Christ
Ihn eben und sein Kreuz vergißt.“
Anders gesagt: Das Kreuz richtet unser Tun. Das Kreuz ist die größtmögliche Kritik an unserem eigenen Leben, an unseren christlichen Gemeinschaften, an unserer Kirche.
Um es noch einmal anders zu sagen: Das Kreuz ist nicht in erster Linie ein Gegenstand, den man als Schmuck in die Stuben oder um den Hals hängt; das Kreuz ist nicht bloß ein Betrachtungsgegenstand, nicht etwas, was man nur anschaut, bei Prozessionen herumträgt oder in der Karfreitagsliturgie feiert. Das Kreuz ist eine Lebensform, eine Prägung des Denkens, des Fühlens, des Handelns. Das Kreuz ist eine Perspektive, mit der ich die Welt als Ganzes und den Menschen im einzelnen anschaue.
Das mag etwas theoretisch klingen, doch vielleicht kann ich es an Franz von Assisi deutlich machen. Franziskus ist ja ein Mensch, der das Kreuz als Lebensform begriffen hat. Er hatte eine besondere Beziehung zum Kreuz: Wenn er an eine
Wegkreuzung kam, wenn sich zwei Äste gabelten, wenn immer er ein Kreuz sah, fühlte er sich mit Christus verbunden. In diesem ständigen Meditieren des Kreuzes machte er eines Tages zwei Entdeckungen und eine tiefe Erfahrung, die ihn zeit seines Lebens prägte.
Die zwei Entdeckungen waren: Franz von Assisi schaute das Kreuz an, meditierte es, würden wir heute sagen, lange, sehr lange. Ja, er war versucht, nur noch das Kreuz zu kennen, von allem Abschied zu nehmen und sich in eine Einsiedelei zurückzuziehen. Plötzlich fiel es wie Schuppen von seinen Augen: Der Gekreuzigte ist deswegen gestorben, weil er wollte, daß alle Menschen echt und intensiv leben können. Dann kam ihm der Abendmahlsbericht in den Sinn, in dem es heißt: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird; das ist mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird.
Es ging ihm also auf: Christus ist das Brot, nach dem die Welt hungert, der Wein, der alle begeistern könnte. Und nun hielt es ihn nicht mehr in der Einsiedelei. Er mußte hinaus, in die Welt, zu den Armen, Zerstrittenen, am Sinn ihres Lebens Verzweifelnden. Er mußte zu den Kranken, den Aussätzigen, den Ungläubigen, den Andersgläubigen. Er mußte alle Grenzen übersteigen, damit ja alle sich am Brot nähren können. Diese Entdeckung formulierte er dann so: Nicht für sich allein leben, sondern dem, der für alle gestorben ist.
Das Kreuz war also nicht mehr bloß Gegenstand, den er anschaute, sondern Perspektive, durch die die ganze Welt in den Blick kam, eine Kraft, die in die ganze Welt sandte.
Eines Tages machte Franz von Assisi eine zweite Entdeckung: Er breitete nämlich seine Arme aus, um sich dem Gekreuzigten anzugleichen. Plötzlich ging ihm auf, daß diese Angleichung ja bereits in der Gestalt seines Körpers gegeben war, daß das Kreuz nicht einfach sein Gegenüber, sondern seine eigene Form war. Er selber war Kreuz. Darum nannte er seinen Orden: „Wahre Arme des Gekreuzigten.“
Und nun die Grunderfahrung, die Franziskus zeit seines Lebens prägte. Franziskus fühlte nämlich, wie sein Herz weit wurde, wie er am Leiden der Welt litt. Darum fühlte er mit, wenn ein Aussätziger oder Kranker auf ihn zukam. Er fühlte mit, wenn ein Regenwurm im Staub vertrocknete.
Mitleiden und Mitfühlen gehörten in die Mitte seines Lebens: so als ob er selber am Kreuz hängen würde, um alles Leid der Welt zu tragen.
Diese Erfahrung nannte man „compassio“: mit Christus leiden am Leiden der Welt. Und man fügte ein anderes Wort hinzu, in dem noch etwas mehr ausgedrückt werden sollte: „condescensio“: mit Christus auf die Ebene der Notleidenden hinuntersteigen und ihnen menschlich nahe sein wollen.
Ich glaube, daß sich die Welt verändern würde, wenn wir das Kreuz als Lebensform entdeckten, wenn wir im Kreuz eine Perspektive sähen, durch die wir die Welt in den Blick bekommen, wenn wir begännen, mitzuleiden und einander menschlich nahezukommen.
Der Gekreuzigte ist der Verratene. Als Christ werde ich darum alles aus der Perspektive der Betrogenen, Im-Stich-Gelassenen, Geschiedenen, Einsamen anschauen.
Der Gekreuzigte ist der Gefangene und Gefolterte. Als Christ werde ich darum alles aus der Sicht der Internierten, Eingesperrten, Entwürdigten und Gefolterten betrachten.
Aus: Augustin Schmied, Farben des Anfangs. Jesus und seine Botschaft. Biblische Betrachtungen. Verlag Neue Stadt, München Zürich Wien 2015.
Der verlorene Kindersinn der Menschheit gegenüber Gott
Der "Herzdenker" H. PESTALOZZI, der in einer "religiösen", in einer "paradiesischen Unmittelbarkeit" zu Kindern steht, meditiert: "Wahrlich, wir sind dem Ebenbild Gottes im Menschen - unseren Brüdern mehr schuldig - wie klein, wie wenig ist der Unterschied vom Großen hinab zum Bettler am Wege - wie wesentlich sind sie gleich! - warum wissen wir das nicht mehr - war es immer so? - oder ist unser Jahrhundert mit so ewigen absondernden Kreisen - mit seinem ewigen Empormodeln zur Unempfindlichkeit mehr als alle Jahrhunderte schuldig - daß unser Herz tot, und wir nicht mehr sehen, nicht fühlen, die Seele, die in dem Sohn unseres Knechts lebt - und mit uns nach der ganzen Befriedigung ihrer Menschheit dürstet - Nein, der Sohn der elenden, verlorenen, unglücklichen - ist nicht da, bloß um ein Rad zu treiben, dessen Gang einen stolzen Bürger emporhebt - Nein! Nein! dafür ist er nicht da! Mißbrauch der Menschheit - wie empört sich mein Herz! - daß doch mein letzter Atem in jedem Menschen meinen Bruder noch sehe - und keine Erfahrung - von Bosheit und Unwürdigkeit - das Wonnegefühl der Liebe mir schwäche." Dieser Pädagoge kennt die Ursache einer solchen Gegenwart, in der er lebt und zu der er nicht gehören möchte: "Der verlorene Kindersinn der Menschheit gegenüber Gott ist das größte Unglück der Welt." Darum wünscht er sich das Herz seiner Mutter: "Mutter, heilige du mir den Übergang von deinem Herzen zu dieser Welt durch die Erhaltung deines Herzens." Trotz schrecklicher Erfahrungen mit Menschen und inmitten der Menschen bleibt H. PESTALOZZI bei seiner Überzeugung: "Aber dennoch glaube ich ewig und allgemein an das Menschenherz und sehe jetzt in diesem Glauben meine bodenlose Straße, wie wenn sie ein römisch gepflasterter Weg wäre."
Aus: A. M. J. M. Hermann van de Spijker, Narzisstische Kompetenz .- Selbstliebe – Nächstenliebe. Sigmund Freuds Herausforderung der Theologie und Pastoral. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1993.
Liebe ist anormal
»Erotische Ergriffenheit sprengt die festen Strukturen, mit denen sich das Ich bisher identifiziert hat, seien diese mehr familiärer und gesellschaftlicher oder mehr individueller Art.«1 So schrieb ich in »Das Nein in der Liebe«. - Liebe sprengt Normen: zunächst die von der Ursprungsfamilie her übernommenen Normen, wie »man« denkt und fühlt: der geliebte Mensch ist anders, stellt mich in Frage und macht mein Leben weiträumiger; dann durch gesellschaftliche Konventionen abgesicherte Normen und somit die reaktive Anpassung an das, was andere von mir erwarten und fordern: in der Liebe ziehen und drängen mich eigene Bedürfnisse; schließlich die Normen, die sich das Individuum mit seinen Ängsten und Unsicherheiten selber gegeben hat: Liebe macht unerschrocken, läßt ins Freie treten und Unbekanntes wagen. Liebe kann zu Beginn wie ein Urknall sein, der die durch Jahre aufgerichteten Schranken eingezäunter Anschauungen und gedämpfter Gefühle mit plötzlichem Druck von innen nach außen niederfegt und rundherum in wellenförmig pulsierender Ausbreitung den offenen Horizont erschließt. Lassen wir uns in ihre erste Spontanbewegung hineinziehen und tragen wir sie bewußt weiter, führt sie trotz gelegentlicher Rückzugsgefechte nach und nach zu einer neuen Grundhaltung, zur erotischen Einstellung. Mit dieser sind wir instinktiv immer daran, einen Vorhang zu lüften, eine Wand zu durchstoßen, eine Mauer zu durchbohren, unwandelbare Vorstellungen in bloße Perspektiven zu wandeln, sakrosankte Normen spielerisch von allen Seiten her zu betasten, bis sie unter unseren Händen zerbröckeln und an ihrer Stelle neue, der Situation gemäßere, aber ebenso vorläufige Normen entstehen. Liebe schafft unvorhergesehene, neue Verbindungen. Entscheidungen, die wir innerhalb unserer alten Grenzen sorgfältig berechnet und geplant hatten, kann sie leicht und schnell aufheben.
Das lateinische Wort »norma«, das zum deutschen Wort »Norm« geführt hat, bedeutet »Winkelmaß, Regel, Richtschnur, Vorschrift«. Norm ist also das kollektiv Vorgesehene und Vorgeschriebene, das von vielen einzelnen uniform Erwartete. Sie will das Gegebene bewahren, während Liebe das Gegebene sprengt. Liebe ist anormal, insofern sie potentiell alles Normative außer Kraft setzt, was nicht heißt, daß wir Gesetze überschreiten müßten, um lieben zu können. Wer den instinktiven Drang der Liebe in seinem Sinn bejaht, gelangt zur Emanzipation und Befreiung in allen Bereichen. Die Normen haben ihre absolute Macht über ihn verloren. Lieben und Befreien meinen dasselbe.
Aus: Peter Schellenbaum, Die Wunde der Ungeliebten. Blockierung und Verlebendigung der Liebe. Kösel Verlag, München 1989.
Kommt, Kinder, laßt uns gehen
Kommt, Kinder, laßt uns gehen,
der Abend kommt herbei;
es ist gefährlich stehen
in dieser Wüstenei.
Kommt, stärket euren Mut,
zur Ewigkeit zu wandern
von einer Kraft zur andern;
es ist das Ende gut,
es ist das Ende gut.
Es soll uns nicht gereuen
der schmale Pilgerpfad;
wir kennen ja den Treuen,
der uns gerufen hat.
Kommt, folgt und trauet dem;
ein jeder sein Gesichte
mit ganzer Wendung richte
fest nach Jerusalem,
fest nach Jerusalem.
Geht's der Natur entgegen,
so geht's gerad und fein;
die Fleisch und Sinnen pflegen,
noch schlechte Pilger sein.
Verlaßt die Kreatur
und was euch sonst will binden;
laßt gar euch selbst dahinten,
es geht durchs Sterben nur,
es geht durchs Sterben nur.
Man muß wie Pilger wandeln,
frei, bloß und wahrlich leer;
viel sammeln, halten, handeln
macht unsern Gang nur schwer.
Wer will, der trag sich tot;
wir reisen abgeschieden,
mit wenigem zufrieden;
wir brauchen's nur zur Not,
wir brauchen's nur zur Not.
Sollt wo ein Schwacher fallen,
so greif der Stärkre zu;
man trag, man helfe allen,
man pflanze Lieb und Ruh.
Kommt, bindet fester an;
ein jeder sei der Kleinste,
doch auch wohl gern der Reinste
auf unsrer Liebesbahn,
auf unsrer Liebesbahn.
Drauf wollen wir's denn wagen,
es ist wohl wagenswert,
und gründlich dem absagen,
was aufhält und beschwert.
Welt, du bist uns zu klein;
wir gehn durch Jesu Leiten
hin in die Ewigkeiten:
es soll nur Jesus sein,
es soll nur Jesus sein.
Gerhard Tersteegen (1738) in: EG 393.
Wandercharismatiker
Der ethische Radikalismus der synoptischen Tradition war Wanderradikalismus, der sich nur unter extremen und marginalen Lebensbedingungen praktizieren ließ. Nur wer aus den alltäglichen Bindungen der Welt entlassen war, wer Haus und Hof, Frau und Kinder verlassen hatte, wer die Toten ihre Toten begraben ließ und die Lilien und Vögel zum Vorbild nahm, konnte dies Ethos glaubwürdig praktizieren und tradieren. Nur in einer Bewegung von Außenseitern hatte es eine Chance. Kein Wunder, daß uns immer wieder Außenseiten in der Tradition begegnen: Kranke und Behinderte, Prostituierte und Tagenichts, Steuereintreiber und verlorene Söhne. Zu dieser Außenseiterrolle urchristlicher Wandercharismatiker paßt ihre eschatologische Naherwartung: Enderwartung und Lebenspraxis stimmten hier überein..
Gerd Theißen, Sozilologie der Jesusbewegung, ThEx 194, München: Chr. Kaiser 1977.
Nicht mit leeren Händen
Die Träger des Wortes Jesu empfangen ein letztes verheißendes Wort für ihr Werk. Sie sind Christi Mitarbeiter und Gehilfen geworden, sie sollen Christus gleich sein in allen Stücken, so sollen sie auch für die Menschen, zu denen sie gehen, "wie Christus" sein. Mit ihnen betritt Jesus Christus selbst das Haus, das sie aufnimmt. Sie sind Träger seiner Gegenwart. Sie bringen den Menschen das kostbarste Geschenk, Jesus Christus, und mit ihm Gott, den Vater, und das heißt ja Vergebung, Heil, Leben, Seligkeit. Das ist der Lohn und die Frucht ihrer Arbeit und ihres Leidens. Jeder Dienst, den man ihnen tun wird, ist an Jesus Christus selbst getan. Das ist in gleicher Weise Gnade für die Gemeinde und für die Boten. Die Gemeinde wird den Boten um so williger Gutes erweisen, sie ehren und ihnen dienen; denn mit ihnen ist ja der Herr selbst bei ihnen eingekehrt. Die Jünger aber dürfen wissen, daß ihr Eintritt in ein Haus nicht vergeblich und leer bleibt, sondern daß sie eine unvergleichliche Gabe bringen. Es ist ein Gesetz im Reiche Gottes, daß jeder der Gabe teilhaftig wird, die er willig als von Gott gekommen empfängt. Wer den Propheten aufnimmt im Wissen darum, was er tut, der wird seiner Sache, seiner Gabe und seines Lohnes teilhaftig. Wer einen Gerechten aufnimmt, der wird den Lohn eines Gerechten empfangen, denn er hat an seiner Gerechtigkeit teilgenommen. Wer aber einem dieser Geringsten, dieser Ärmsten, denen kein Ehrenname zukommt, dieser Boten Jesu Christi nur einen Becher Wasser reicht, der hat Jesus Christus selbst gedient, und der Lohn Jesu Christi wird ihm zufallen.
Dietrich Bonhoeffer, Nicht mit leeren Händen. Aus Matthäus 10,40-42, in: Bonhoeffer Brevier, zusammengestellt und herausgegeben von Otto Dudzus. München: Chr. Kaiser Verlag 1968.
Bezogenheit auf das Ganze
[...] die Offenheit, die Bezogenheit auf das Ganze hin, liegt im Wesen des Geistes. Und gerade darin, daß er nicht nur ist, sondern über sich hinausgreift, kommt er zu sich selbst. Im Sich-Überschreiten hat er sich; indem er beim Andern ist, wird er erst er selbst, kommt er zu sich selbst. Oder noch einmal anders ausgedrückt: Das Beim-Andern-Sein ist seine Form, bei sich selbst zu sein. Man wird an ein theologisches Grundaxiom erinnert, das auf eine eigentümliche Weise hier anwendbar wird, an das Wort Christi »Nur wer sich selbst verliert, kann sich finden« (vgl. Matth. 10,36). Dieses dort heilsmäßig ausgesprochene Grundgesetz menschlicher Existenz charakterisiert der Sache nach das Wesen des Geistes, der nur, indem er von sich selber weggeht, indem er zum anderen seiner selbst geht, zu sich selbst kommt und seine eigene Fülle vollzieht.
Joseph Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München, Freiburg/Br.: Erich Wewel Verlag 1973.
Abenteuernaturen
Die Evangelien überliefern übereinstimmend das bittere Wort Jesu, daß, wer sein Lebensprinzip einzig darauf gründe, sein Leben retten und bewahren zu wollen, es mit tödlicher Sicherheit verlieren müsse (Joh12,25; Mt 10,39; Lk 17,33); er wird dann am Ende völlig leer dastehen, und es ist überhaupt nichts bei seinem Leben herausgekommen. Offensichtlich liebte Jesus gegenüber den ängstlichen Verweigerern die göttlichen Abenteuernaturen, die vertrauensvoll Wagemutigen, die, kaum daß sie etwas in der Hand haben, hingehen und etwas unternehmen, indem sie sich sagen: »Wozu lebe ich? Doch nicht, damit es ebenso sicher wie nutzlos brach liegenbleibt!«
Gewiß, man kann scheitern, und man kann das Scheitern fürchten. Aber wer nur das Scheitern fürchtet, scheitert sicherlich, denn er kommt nicht dazu, überhaupt auch nur irgendetwas zu tun. Man kann sich verspekulieren, und man kann etwas falsch machen, das ist wahr; aber wer in seinem Leben nur alles richtig machen will, macht niemals etwas richtig, und wer grundsätzlich sich davor schützen möchte, daß ihm am Ende eine Chance entgeht oder er auf das falsche Pferd gesetzt hat, wird nie zu einem Gewinn kommen.
Eugen Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese. Band II, Zürich und Düsseldorf: Walter Verlag. 2001.
Antonia Keßelring (2002)
Regina Wagner (1999)
Feri Schermann (1996)