Besorgniserregende Entwicklungen
Faule Kredite, undurchschaubare Formen der Geldanlage und dubiose Machenschaften einiger Banken haben in den letzten Wochen den Finanzmarkt weltweit erschüttert und die Wirtschaft in eine tiefe Krise gestürzt. Wer da sein Geld nicht vorsichtig genug angelegt hatte, ist über Nacht ordentlich geschröpft worden. Ursache waren weitreichende Fehleinschätzungen von Fachleuten, welche ohne Überprüfung weltweit nachgebetet wurden, bis die Immobilienblase platzte. Wer in diesem Bereich nicht ordentlich draufzahlen will, muss sich erstens gut auskennen und zweitens ständig auf der Hut sein.
Was da im Banken- und Finanzsektor passierte, kann herhalten für einen Vergleich mit vielen anderen Lebensbereichen:
Eine florierende Wirtschaft hat uns Wohlstand gebracht und viele Menschen wirtschaftsgläubig gemacht. Die wenigsten jedoch sind in der Lage, die tieferen Zusammenhänge zu durchschauen, geschweige denn sie zu beeinflussen oder gar zu steuern?
Eine Vielzahl technischer Errungenschaften haben interessante neue Möglichkeiten eröffnet – denken Sie nur an Autos, Mobiltelefone, Computer oder an die Medizin - und viele Menschen fortschrittsgläubig gemacht. Wer kann die langfristigen Folgen z. B. für die Umwelt abschätzen und Fehlentwicklungen verhindern?
Auch weltpolitisch sind Entwicklungen im Gange, die viele Menschen mit Sorge beobachten. Andere verfolgen in Sorge die Vorgänge innerhalb und zwischen den großen Religionen und Kirchen. Wer kann das alles durchschauen und lenken?
Endzeitstimmung
Im Evangelium haben wir heute ein Textdokument aus dem 1. Jahrhundert des Christentums gelesen. Die Verfasser der apokalyptischen Literatur sahen die Entwicklungen ihrer Zeit auf eine große weltweite Katastrophe zusteuern. Sie waren und fühlten sich überfordert, hier in irgendeiner Form die Entwicklungen mitzugestalten. Sie setzten ihre ganze Hoffnung auf den Messias und vertrauten darauf, dass er kommen und eingreifen werde, wenn alles zugrunde gegangen ist. Ihre Hoffnung bestand darin, dass der Messias bei seinem Wiederkommen alle, die ein aufrechtes und lauteres Leben geführt haben, vor dem endgültigen Untergang bewahren werde.
Kaum etwas konnte der einzelne in dieser Situation tun außer die Hoffnung auf Christus setzen, die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und lernen, die Zusammenhänge zu durchschauen.
Inzwischen sind fast 2000 Jahre vergangen und die Welt steht immer noch. Das verleitet viele dazu, das ganze nicht wirklich ernst zu nehmen.
Andere wenden das, was sie an den großen Entwicklungen ablesen, auf das eigene Leben an. Das eigene Leben ist auf jeden Fall früher oder später zu Ende. Niemand weiß den Tag oder die Stunde. In jedem Fall gilt es, das Leben aufmerksam und bewusst zu gestalten - wachsam zu sein, wie das Evangelium sagt – und die Hoffnung auf Gott zu setzen, dem allein ein Überblick über all das, was sich rundherum ereignet, zuzutrauen ist.
Wach, nüchtern und kritisch bleiben
Den Christen wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder vorgeworfen, dass sie so sehr auf ein Jenseits schielen, dass sie das Mitgestalten dieser Welt und die Verantwortung für diese Welt nicht wirklich ernst nehmen. "Religion ist das Opium des Volkes", lautet die bekanntest und griffigste Zusammenfassung dieser These. Dagegen kann man zunächst einwenden, dass Opiate in der Palliativmedizin durchaus ihre Bedeutung und Berechtigung haben. M. a. W.: Das Leiden der Schöpfung und die Zukunftsängste sind für viele Menschen nur mit Hilfe der Religion zu ertragen.
Jede Religion kennt Praktiken wie Meditation, Gebet, Musik, Tanz u. a. m., die in einen ekstatischen Bewusstseinszustand führen, der das Leben in dieser Welt aus einem abgehobenen Blickwinkel wahrnehmen lässt. Dies kann zum Wegschauen, zum Verdrängen oder zur Flucht aus der Welt führen. Dies kann aber auch dazu führen, dass Gläubige sich in neuer Weise dem Geschehen in der Welt zuwenden und ihre Verantwortung für die Welt wahrnehmen. "Kampf und Kontemplation" lautete das Motte des Gründers der Brüdergemeinschaft von Taizé, Roger Schutz.
Im Evangelium mahnt uns Jesus heute zur Wachsamkeit. Als Wartende sollen wir weder vor uns hindösen noch in Rauschzustände flüchten. Wir sollen kritisch auf das schauen, was sich in der Welt ereignet, und überlegen, was das zu bedeuten hat.
Advent
Mit diesem Sonntag beginnen wir den Advent. Wir warten auf die Ankunft des Messias in unserer Gegenwart, in unserer kleinen persönlichen Welt, aber auch in der großen, deren Entwicklungen uns Sorge oder gar Angst bereiten. Wie die Christen damals dürfen auch wir Hoffnung haben. Nicht weil schon nichts passieren wird, oder weil die Welt trotz aller Ängste noch nicht untergegangen ist, sondern weil wir Gott vertrauen, dass er seine geliebten Töchter und Söhne nicht untergehen lässt.
Die Mahnung, wachsam und kritisch zu sein, gilt auch uns. Auch wir sollen ein lauteres und aufrechtes Leben führen, wie es Menschen ansteht, die nicht der Verzweiflung ausgeliefert sind.
Zu vielen guten Adventbräuchen haben sich eine Menge Bräuche gesellt, die mit dem Warten auf die Ankunft des Herrn nichts zu tun haben, die zu Besinnungslosigkeit und in den Rausch in den verschiedensten Bedeutungen des Wortes führen. Wählen wir aus, was uns gut tut.