Mittendrin im Leben
Ende Juni feierte das Bistum Freiburg den Diözesantag. Er stand unter dem Gedanken: „Mittendrin im Leben – Berufen zur Nächstenliebe!“ Auch heute könnte dieser Gedanke eine gute Überschrift sein.
Mittendrin im Leben waren ja die vielen Menschen in diesem Gleichnis. „Mittendrin im Leben“ wird ein Mann überfallen, ausgeraubt und halbtot liegengelassen. Mitten in ihrem Leben und in ihrer Konzentration auf den Dienst waren der Priester und der Levit. Mitten im Leben war der Wirt, der die Betreuung fortsetzte. Und mittendrin war der Mann aus Samaria.
„Berufen zur Nächstenliebe“ waren sie alle. Und wie sind sie damit umgegangen? Der Priester und der Levit haben versagt. Sie kannten zwar aus dem Gesetz das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe. Vielleicht hatten sie es auch dem Volk noch vorgelesen. Hier den konkreten Ort und die konkrete Zeit zu sehen, das gelang ihnen nicht. Berufen zur Nächstenliebe war der Wirt. Von ihm lesen wir nichts weiter. Er verdiente an seinem Dienst an dem Opfer. Aber wie tat er den Dienst? War es gleichgültig? War es mit innerer Liebe?
Und natürlich war da auch der Held des Gleichnisses. Er lebte die Nächstenliebe. Er kümmerte sich weder um die Gefahr vor den Räubern noch um seine Termine. Er investierte Zeit und Geld in diesen fremden Menschen. Ihm war im Moment nichts anderes wichtig.
„Gehe hin und handle genauso!“ ist die Aufforderung Jesu an den Gesetzeslehrer und an die Beobachter dieser Szene. Was kann ich damit machen? Soll ich nun Sie alle auffordern, mehr Nächstenliebe zu zeigen? Soll ich Ihnen ein Ehrenamt im sozialen Bereich antragen? Soll ich alle unsere sozialen Einrichtungen und Brennpunkte aufzählen? Darauf hofft vielleicht der Eine und das fürchtet vielleicht der Andere.
Das Beispiel eines Heiligen
Ich will etwas anderes machen. Ich verweise Sie noch einmal auf den Wirt und auf einen Heiligen, der heute vor 399 Jahren starb, also am 14. Juli 1614. Es war Kamillus von Lellis, der Patron der Kranken und der Pflegenden.
Im ersten Drittel seines Lebens hatte er viele Erfahrungen mit einer „Pflege nebenbei“. Er wurde gepflegt und pflegte selbst. Aber da war kein Herz dabei. Keine Leidenschaft war zu spüren. Wir sagen vielleicht heute: Er hat seinen Dienst abgehakt.
Dann kam es für ihn zu einem Bekehrungserlebnis und zu einem Umdenken. Was will Gott wohl von ihm? Wieder begann seine Arbeit in der Pflege – aber mit einer inneren Motivation. Er wollte im Sinne Christi den Dienst an den Kranken tun.
Aus diesem Gefühl entstand der nächste Schritt. Er wurde ein Pflegender, wie ihn die Menschen brauchten. Er wurde für Andere zum Ansporn. Sie fragten ihn nach seiner Quelle. Die ersten 5 schlossen sich zusammen und begannen eine Wohn- und Gebetsgemeinschaft. So motivierten sie sich gegenseitig. Sie qualifizierten sich und wurden auch so bessere Pfleger. Aus diesem Kreis entstand ein Orden, der heute noch tätig ist. So kann aus dem Willen zur Motivation viel werden.
Motiviertes Handeln
Das Gleichnis sagt nichts darüber aus, wie es im Wirt aussah. Es beschreibt nur den Auftrag, den er bekommen hat. Es beschreibt auch die Bezahlung. Alles andere ist Interpretation. Aber wenn ich das weiterdenke? Wie geborgen kann sich der Verletzte gefühlt haben, wenn einer sich aus ganzem Herzen einsetzt?
Unsere Erfahrung ist voll davon. Wir loben manche Menschen dafür. „Da ist es mehr als ein Job!“ heißt es über jemanden. „Da geht sie ganz in ihrem Tun auf“ sagen wir über einen anderen Menschen. Es sind die Menschen, die uns auffallen. Sie sind anders als der Durchschnitt. Darin tun sie uns gut. Und wenn es geht, suchen wir ihre Hilfe.
„Geh und handle genauso!“ Wer sind für Sie die Menschen, mit denen Sie zu tun haben? Kann es zu Begegnung mit dem kommen, was das Gegenüber ausmacht? Ahnen Sie etwas von dem kleinen Mehrwert, der entstehen kann? Sieht es nicht in der Freizeit genauso aus? Was ist mit dem Menschen, der nach dem Weg fragt? Wie bekommt er die Antwort?
Das ist mitten in der Welt. Da darf Nächstenliebe sein. Und da kann sich die Welt ein wenig verändern.