Menschen-Schöpfung
Auf dem Weg zu meiner Arbeitsstelle, bleiben meine Blicke jeden Morgen an einem Werbeplakat hängen, auf dem in großen Buchstaben zu lesen ist: "Am Anfang waren Himmel und Erde, den ganzen Rest haben wir gemacht!" Himmel und Erde der Rohling, aus dem unserer Hände Werk die uns umgebende Wirklichkeit geschaffen hat? Der Mensch als Schöpfer fast aller Dinge? Man könnte meinen, wir leben wirklich in einer second hand Schöpfung, in einer Schöpfung aus zweiter, aus Menschenhand. Wenn wir uns umschauen, dann sehen wir das Werk unserer Hände: Straßen, Häuser, Autos, Flugzeuge, unsere Nahrung entnehmen wir aus Dosen, Gläsern und tiefgefrorenen Portionspackungen, unser Wohlbefinden wird durch die Fieberkurven der Börsen gesteuert und selbst wenn wir in ferne Länder reisen, wohnen wir in Hotelanlagen, die uns den vertrauten Luxus bieten, damit wir uns daheim fühlen können.
Doch beim Propheten Jeremia hören wir: "Verflucht der Mann, der auf Menschen vertraut und dessen Herz sich abwendet vom Herrn". Haben wir bei aller Freude über die menschliche Kreativität, unsere Schaffenskraft, etwas aus dem Auge und dem Herzen verloren? Sehen wir vor lauter Bäumen, den Wald nicht mehr? Ein etwas längerer Winter mit mehr Schneefällen als üblich, versetzt uns schon in Unruhe. Und Naturkatastrophen, wie jetzt auf Haiti, hinterlassen in uns eine tiefe Betroffenheit, nicht nur wegen des unsäglichen Leids und der unzähligen Toten, die uns die Medien mit einer Bilderflut in unsere Wohnzimmer liefern, auch weil wir durch diese Ereignisse an die Grenzen unserer Schöpfermacht erinnert werden.
Auf Gott angewiesene Geschöpfe
Erde und Himmel - doch mehr als ein Rohling, der Mensch - nicht sein eigener Schöpfer, vielmehr selbst Geschöpf, verwiesen und angewiesen auf Gott seinen Schöpfer. Wird es nicht Zeit, umzukehren, unseren Blick und unser Herz dem zuzuwenden, dem wir unser Leben und unser Sein in dieser Schöpfung verdanken. Der Prophet Jeremia lädt uns zu dieser Umkehr ein, wenn er sagt: "Gesegnet der Mann, der auf den Herrn sich verlässt. Er ist wie ein Baum, der am Bach seine Wurzeln ausstreckt".
Seine Wurzeln ausstrecken nach dem Wasser des Lebens, auf Gott seine Hoffnung setzen, unser Leben an ihm festmachen, sich auf Gott verlassen, wie kann das gehen in einer Welt, die uns immer wieder eher das Gegenteil nahelegt, als uns auf diesem Weg behilflich zu sein?
Jesus selbst zeigt uns im Evangelium durch sein Beispiel Wege auf, die uns weiterhelfen können, so heißt es einige Verse vor dem gerade gehörten Abschnitt aus dem Evangelium: "In diesen Tagen ging er auf einen Berg, um zu beten. Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott". Jesus zieht sich vor einer wichtigen Entscheidung, der Wahl der 12 Apostel, zurück, um zu beten. Ein Ortswechsel, allein sein mit Gott und Gebet, drei Hinweise, die uns helfen können, unsere Wurzeln auszustrecken nach dem Wasser des Lebens.
Die Wurzeln nach Gott ausstrecken
Ortswechsel: Müssen wir auf einen Berg? Nein, Jesus macht sein Verbundensein mit dem Vater nicht von einem Ort abhängig, aber er zieht sich immer wieder zurück, um sich dieser Verbindung zu vergewissern und in ihr zu bleiben. Wir brauchen Rückzugsorte, das kann eine Kirche sein, eine ruhige Ecke in der Wohnung, eine Pause zwischen zwei Terminen, das Warten an der Bushaltestelle, ein Pilgerweg genauso, wie bewusst gewählte Exerzitien.
Doch noch etwas muss hinzukommen zu dem Ortswechsel, wir müssen uns der Gegenwart Gottes in unserem Leben öffnen. Und hier liegt die größte Schwierigkeit. Wir haben aus Gott einen moralinsauren Richtergott gemacht, der sich von uns abwendet, wenn wir nicht den christlichen Normen entsprechen. Doch dieser Gott hat nichts mit dem barmherzigen Vater Jesu zu tun. Jesu Gott und Vater wendet sich nicht ab vom Menschen. Es ist unsere Illusion, die Illusion der Sünde, der wir aufsitzen, wenn wir glauben, Gott habe sich abgewandt, weil wir ihm den Rücken zukehren. Er ist für dich und mich da und sehnt sich nach unserer Hinwendung zu ihm, unserem Aufmerken. Es ist uninteressant in welchem Schlamassel du steckst, auf welche Abwege du geraten bist, Gott ist treu und sehnt sich nach dir.
So kann uns Jesus in seiner Feldrede zurufen: "Selig seid ihr Armen, ihr Hungernden, ihr Weinenden und ihr aus der Gemeinschaft ausgeschlossenen". Freut euch, verlasst euch auf Gott, vertraut ihm, er wird euer Leben wenden, er will, dass ihr das Leben in Fülle habt.
Sich der Gegenwart Gottes in unserem Leben öffnen, d.h. aber auch mein Leben vor Gott ins Wort bringen, heißt Gebet, heißt sich als Tochter oder Sohn in die Arme des Vaters, der Mutter zu bergen.
Beten - sicherlich das Vater unser, als Gebet Jesu für seine Jünger mit der Erinnerung, dass Glaube versöhnte Gemeinschaft braucht und schafft. Auch die Psalmen, die Gebetsrufe des wandernden Gottesvolkes und all die Hymnen, Lieder und Gebete aus der kirchlichen Tradition und Liturgie.
Beten - das sind auch die kleinen Stoßgebete, das immer wieder Aufmerken und Innehalten in der Hektik des Tages: das "Gott sei Dank", oder "Herr, hilf mir", das "Jesses Maria" oder der stille Seufzer mit Blick zum Himmel.
Beten - das kann aber auch zum tiefen Schweigen in der Gegenwart Gottes werden, wenn alle Bilder verlöschen, alle Worte verstummen und selbst die Gedanken Frieden finden.
Dann sind es nicht mehr unsere Wurzeln, die sich nach dem lebendigen Wasser ausstrecken, es ist das lebendige Wasser selbst, das in uns zur Quelle werden will.
Darum heißt es beim Propheten Jeremias: "Gesegnet der Mann, dessen Hoffnung der Herr ist, auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine Früchte".