Der vielfältige Himmel
Himmel ist für viele Menschen ein durchaus geläufiger Begriff. Wenn vom "siebenten Himmel" (der Liebe) gesprochen bzw. gesungen wird, dann scheint es in diesem Himmel mehrere Abstufungen zu geben; die siebente Stufe ist dann offensichtlich die höchste erreichbare. Dann heißt es wieder in einem Schlagertext, dass wir alle, alle in den Himmel kommen, "weil wir so brav sind". - Besonders musikalisch Geprägte wollen es genau wissen, dass der "Himmel voller Geigen" hängt. Sie bedenken dabei vielleicht nicht, dass einseitige Konzentration auf Streichinstrumente (Geigen) auf die Dauer Überdruss erzeugen kann.
Aber wir gebrauchen das Wort "Himmel" auch im Gegensatz zur "Erde": "Himmel und Erde"; wir sprechen von einem heiteren oder bewölkten Himmel und meinen damit meteorologische Veränderungen. Wenn wir nach oben blicken, so sagen wir, wir schauen zum Himmel. Das Gegenstück, die Hölle, ist für viele irgendwie unten angesiedelt.
Ratlosigkeit scheint also angesichts des "Himmels" durchaus verständlich. Auch die Männer von Galiläa, von denen die erste Lesung des heutigen Festtages spricht, schauen "unverwandt" zum Himmel, weil Jesus ihren Blicken entzogen wurde und sie wissen sich dieses Ereignis nicht zu deuten, genau so wie die sonstigen Erscheinungen des auferstandenen Jesus zunächst Staunen, Erschrecken, Ratlosigkeit hervorgerufen haben.
Himmelfahrt - Entfernung und bleibende Gegenwart
Mit der Himmelfahrt Jesu verbindet sich bei vielen Menschen die Vorstellung von einer Ortsveränderung. - "Christ fuhr gen Himmel" - so heißt es in einem Lied. Es gab früher auch realistische Darbietungen, wonach eine Statue des Auferstandenen im Kirchenraum in die Höhe gezogen wurde, so dass der Auferstandene auf diese Weise buchstäblich den Blicken der Kirchenbesucher entschwand. "Eine Wolke entzog ihn ihren Blicken", heißt es in der 1. Lesung des heutigen Tages.
Nach den Aussagen der Hl. Schrift ist Jesu Himmelfahrt von Gegensätzlichkeiten gekennzeichnet. Einerseits ist da die reale Erfahrung eines Abschieds, eines "Entzugs" der leiblichen Gegenwart Jesu. Der Auferstandene ist nicht mehr in derselben Weise da, wie er vor seinem Tod und seiner Auferstehung anwesend war. Er erscheint gelegentlich bestimmten Menschen, Einzelnen oder Gruppen, aber er geht wieder weg; er kommt bei verschlossenen Türen, und die ihn gesehen haben, mit denen er nach seiner Auferstehung sogar gegessen hat (vgl. Lk 24, 42), deren leiblicher Gegenwart ist er auf einmal entzogen. Es ist durchaus begreiflich, dass die Jünger ihn festhalten wollen. "Herr, bleibe bei uns…" - das mögen schon viele gesprochen haben und immer noch sprechen, nicht nur die beiden Jünger auf dem Gang nach Emmaus.
Andererseits aber ist dieser Weggang Jesu, seine Himmelfahrt von einer Verheißung begleitet: In der Apostelgeschichte wird von zwei Männern in weißen Kleidern berichtet, die den zum Himmel starrenden Jüngern verheißen, dass dieser Jesus wiederkommen werde, wie "ihr ihn habt auffahren gesehen" (Apg 1, 11). Und im Evangelium des heutigen Festtages verspricht Jesus "Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt". Es finden ein Entzug der leiblichen Gegenwart und zugleich eine Verheißung einer anderen Form der Anwesenheit statt. Verständlich, dass zunächst das Gefühl des Alleingelassenseins überwiegt, das die Jünger unverwandt zum Himmel blicken lässt, weil sie es nicht wahrhaben wollen, dass sie nunmehr anscheinend allein, auf sich gestellt sind.
Kirche unterwegs - pilgernde Kirche
Die Zeugen der Himmelfahrt des Herrn sollen nicht gleichsam sehnsüchtig nach dem Himmel starren, sondern werden auf die Erde verwiesen. "Ihr Männer von Galiläa…." Jesus hat den Zurückgebliebenen einen Auftrag gegeben, alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Allen Menschen vom Weg der Hoffnung, vom Weg des Lebens zu künden, der ihnen durch Jesus eröffnet wurde. Sie sollen Boten, Künder dieser Hoffnung werden. Sie sollen reden von einem, der wiederkommen wird, der aber noch nicht endgültig da ist.
Darin liegt aber wohl auch das Problem von uns allen, die wir Kirche sind: Dass wir immer unterwegs und noch nicht angekommen sind. Ecclesia peregrinans (pilgernde Kirche), das ist eine der Aussagen, mit denen das Zweite Vatikanische Konzil eine treffende Charakterisierung der Kirche gibt. Das ist zugleich das Kreuz, das Ungenügen, unter dem Kirche immer stehen, unter dem sie immer auch zu leiden haben wird.
Spähen nach der Morgenröte
Ein Bischof hat vor einiger Zeit die Situation der Kirche als ganze und der Gläubigen selbst beschrieben: Sie sollten Späher nach der Morgenröte sein. Damit wird eine sehr ansprechende Beschreibung dessen gegeben, was jeder Christ eigentlich sein soll. Der Bischof hat gesagt, dass wir Späher nach der Morgenröte sein sollen, nicht nur für die große Weltpolitik, für die Kirche im Allgemeinen, sondern auch für den Weg eines jeden Einzelnen. Späher nach Christus, der Sonne, die sich im Dunkel zeigt. - Ausschau halten nach dem ersten Morgengrauen und die Menschen auf Hoffnung verweisen. Christus - sol invictus, Christus die unbesiegbare Sonne, die das Dunkel mannigfacher Nächte vertreibt.
"Ihr Männer von Galiläa - was steht ihr da und schaut zum Himmel?" Wir sind einerseits auf die Erde verwiesen, aber ebenso brauchen wir immer wieder auch den Aufblick zu dem, der aufgefahren ist und der wiederkommen wird. Wir spähen aus nach den verschiedenen Formen und Erscheinungsweisen von Morgenröte, die sich am Horizont unseres Lebens zeigt: Für uns selbst, aber auch für die vielen, deren Blick getrübt ist und denen erst die Schuppen von den Augen fallen müssen. Wir suchen den, halten Ausschau nach ihm, der, wenngleich verborgen, dennoch im Wirken des Heiligen Geistes bei uns ist, alle Tage unseres Lebens.