»Hoffnung« - ein Schlüsselwort
Ist es nicht merkwürdig? Da gibt die Synode der deutschen Bistümer vor fast 40 Jahren dem wichtigsten Synodendokument den Titel „Unsere Hoffnung“ und versucht darin deutlich zu machen: „Der Gott unseres Glaubens ist der Grund unserer Hoffnung, nicht der Lückenbüßer für unsere Enttäuschungen.“ Also nicht die Befriedigung meiner Wünsche, Bedürfnisse und Begierden bildet die Grundlage meiner Hoffnung und unterstützt diese, vielmehr sind der Gott unseres Glauben, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Vater, der Sohn und der Geist das Fundament, auf dem unsere Hoffnung ruht und an dem sich unsere Hoffnung festmacht, das Fundament, das alle Wünsche und Bedürfnisse übersteigt.
Doch wenn ich heute 40 Jahre nach dieser Reformsynode der deutschen Kirche das Wort Hoffnung in einer Internet Suchmaschine eingebe, dann erhalte ich als Antwort gleich den Text einer Anzeige mit folgendem Wortlaut: „Hoffnung in großer Auswahl: Top-Marken zu Schnäppchenpreisen!“. Ist es nicht merkwürdig, hat die Kirche überhaupt noch eine Stimme in unserer Gesellschaft, oder bestimmen längst andere Kräfte, wie kirchlich belegte Schlüsselworte definiert und verstanden werden sollen mit keinem geringen Einfluss auch auf das Glaubensverständnis und die Glaubenspraxis des Einzelnen. Wie können wir von Hoffnung sprechen, ohne aneinander vorbei zu reden?
Worauf Menschen hoffen
Umgangssprachlich hoffen wir darauf, dass es mit dem neuen Haus, dem neuen Wagen oder der Lohnerhöhung klappt. Kinder und Jugendliche hoffen, zu Weihnachten ein Smartphon, ein Tablet, oder eine Wi geschenkt zu bekommen. All das sind Wünsche, Bedürfnisse und Begierden, aber keine Hoffnungen, so lese ich es aus dem Synodenpapier.
Aber hoffen wir dann, wenn sich unsere Hoffnung auf Nichtdingliches bezieht, wenn sie auf ein erfüllteres Leben, auf einen Zustand größerer Lebendigkeit, auf Befreiung, oder theologisch gesprochen auf Erlösung ausgerichtet ist? „Tatsächlich könnte diese Art der Erwartung Hoffnung sein, doch, sie wird zur Nicht-Hoffnung, wenn es sich nur um ein passives-auf-den-Besitz ausgerichtetes Warten handelt, dann wird die Hoffnung zum Deckmantel der Resignation, zu einer puren Ideologie“, so beschrieb es der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm in den siebziger Jahren.
Über diese Art des Umgangs mit der Hoffnung, sagt eines unserer Sprichworte: Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Wenn Hoffnung und Resignation aber so eng beieinander liegen, wie können wir dann heute von der Hoffnung sprechen, von der es im ersten Petrusbrief heißt: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ (1 Petr 3,15).
Sich nach Gott ausstrecken
In unserem Wort „Hoffen“, steckt das niederdeutsche Wort „Hopen“, Hüpfen. Nicht passives Warten, sondern Hüpfen, sich ausstrecken, im richtigen Augenblick ergreifen wollen, ja regelrecht auf der Lauer liegen, um Neues möglich werden zu lassen. Mit diesem Verständnis von Hoffnung, eröffnet sich mir eine neue Dimension der Hoffnung und ich verstehe, wenn der Psalmist sagt: „Und nun Herr, worauf soll ich hoffen? Auf dich allein will ich harren.“ (Ps 39,8). Hoffnung in diesem biblischen Sinn heißt, sich ausstrecken, auf der Lauer liegen, die Wirklichkeit Gottes in unserem Leben ergreifen wollen. Das hat nichts mehr mit Passivität zu tun, mit Resignation und ideologischem Überbau, hier begegnen wir einer ganz aktiven Haltung des Vertrauens, der Sehnsucht nach dem ganz Anderen, dem Neuen in unserem Leben.
Eine kleine Geschichte macht den Unterschied zwischen Resignation und aktiver Hoffnung deutlich: „Bei der großen Flut sitzt ein Mann auf dem Dach seines Hauses und betet: Gott, du hast verheißen die Menschen zu retten, das ist meine Hoffnung, an der ich festhalte. Ein Hubschrauber kommt vorbei, um den Mann zu bergen, doch der lehnt ab, er hoffe auf Gottes Rettung. Die Flut steigt, kurz bevor das Wasser den Dachfirst erreicht, kommen Menschen mit einem Schlauchboot und bitten ihn einzusteigen. Doch der Mann lehnt es mit denselben Worten ab. Schließlich wird er von einer Welle erfasst und ertrinkt. Im Himmel entrüstet er sich: ich habe meine ganze Hoffnung auf deine Rettung gesetzt, doch du hast mich ertrinken lassen. Da antwortete Gott: Du Kleingläubiger, habe ich Dir nicht einen Hubschrauber und zuletzt ein Schlauchboot geschickt und Du warst nicht bereit meine Verheißung zu ergreifen.
Aktive Hoffnung, sich ausstrecken nach der Verheißung Gottes. Diese Art der Hoffnung verhindert nicht, dass wir in Lebenskrisen geraten können, verhindert nicht dass wir an Grenzen stoßen und verhindert auch nicht, dass wir unter der Ausbeutung von Mensch und Natur leiden, entzieht uns aber auch nicht der Verantwortung gegen Unmenschlichkeit und Unrecht aufzustehen.
Gott streckt sich uns entgegen
Immer wieder stoße ich bei Gesprächen auf folgende oder ähnliche Äußerungen: „An Gott glaubt doch fast jeder, denn irgend so ein höheres Wesen muss es ja geben, der ist aber weit weg im Himmel, hier auf der Erde müssen wir selbst schauen, wie wir klar kommen.“ Ein tragfähiges Fundament für unsere Hoffnung scheint mir solch eine Einstellung nicht zu sein. Will unsere Hoffnung nicht nur Selbstbetrug sein, braucht sie ein verlässliches Gegenüber, nicht nur irgend so ein höheres Wesen, sondern einen Gott, der an mir, der an jedem Einzelnen und seiner Geschichte Interesse hat, der mit uns in Beziehung tritt und der in der Lage ist, meinem und Deinem Leben Sinn und Ausrichtung zu schenken.
Einem solchen Gott begegne ich beim Propheten Jeremia, denn so heißt es dort: „Denn ich, ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe, – Spruch des Herrn –, Pläne des Heils und nicht des Unheils, denn ich will euch eine Zukunft und Hoffnung geben.“ (Jer 29,11). Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen, Gott lässt sich ein auf Dich und mich und er hat einen Plan für Dein und mein Leben, einen Plan des Heils, der Dir eine Zukunft schenkt, eine Verheißung, eine Zusage, an der Du Deine Hoffnung fest machen kannst.
Aber ist das nicht gerade der Knackpunkt, der uns zu schaffen macht? Woher weiß ich denn, dass die Verheißungen Gottes an sein Volk auch heute noch gültig sind und gerade auch für mich gelten sollen. Paulus kann uns da Mut machen, für ihn steht diese Frage gar nicht zur Debatte, vor König Agrippa führt er aus: „Und jetzt stehe ich vor Gericht wegen der Hoffnung auf die Verheißung, die von Gott an unsere Väter ergangen ist. Unser Zwölfstämmevolk hofft, sie zu erlangen, und deshalb dient es Gott unablässig.“ (Apg 26,6-7a).
Erben der Verheißung aufgrund des Glaubens und der Ausdauer
Der Preis für dieses Zeugnis der Hoffnung ist hoch, das Wagnis dieses Gehorsams ist groß, es führt in ein Leben zwischen vielen Fronten. Wer Jesus nachfolgt, wer die Armut seines Gehorsams nicht scheut, wer den Kelch nicht von sich weist, muss damit rechnen, zwischen alle Fronten zugeraten, so formulierte es die Synode in Würzburg. Doch Paulus ermutigt uns im Brief an die Hebräer: „Wir wünschen aber, dass jeder von euch im Blick auf den Reichtum unserer Hoffnung bis zum Ende den gleichen Eifer zeigt, damit ihr nicht müde werdet, sondern Nachahmer derer seid, die aufgrund ihres Glaubens und ihrer Ausdauer Erben der Verheißung sind.“ (Hebr 6,11-12).
Martin Stewen (2010)
Hans Hütter (1998)