Lesung aus dem Buch Exodus:
In jenen Tagen kam Ámalek
und suchte in Réfidim den Kampf mit Israel.
Da sagte Mose zu Jósua:
Wähl uns Männer aus
und zieh in den Kampf gegen Ámalek!
Ich selbst werde mich morgen mit dem Gottesstab in meiner Hand
auf den Gipfel des Hügels stellen.
Jósua tat, was ihm Mose aufgetragen hatte,
und kämpfte gegen Ámalek,
während Mose, Aaron und Hur auf den Gipfel des Hügels stiegen.
Solange Mose seine Hand erhoben hielt,
war Israel stärker;
sooft er aber die Hand sinken ließ,
war Ámalek stärker.
Als dem Mose die Hände schwer wurden,
holten sie einen Steinbrocken, schoben den unter ihn
und er setzte sich darauf.
Aaron und Hur stützten seine Arme,
der eine rechts,
der andere links,
sodass seine Hände erhoben blieben,
bis die Sonne unterging.
So schwächte Jósua Ámalek und sein Heer
mit scharfem Schwert.
Die Lesung führt zwei Linien zusammen: Eine Linie bewahrt die Erinnerung an kriegerische Auseinandersetzungen auf, die zur sog. Landnahme gehören. Amalek (=Amalekiter) sucht den Kampf mit Israel, wird aber von Josua "mit scharfem Schwert" besiegt. Als Feldherr Israels wird Josua genannt. Die andere Linie stellt Mose heraus, der das Volk Israel aus dem Sklavenhaus Ägyptens in das gelobte Land führte. Er wird Josua gegenüber als weisungsbefugt vorgestellt. Mit dem "Gottesstab" (einem Symbol für Jahwes Macht) steht er auf dem Hügel und begleitet das Kampfgeschehen mit dem alten Segensgestus, den ausgestreckten Armen. Der Sieg, der auf dem Feld erfochten wird, wird von Jahwe gewährt. Aaron, der am Anfang der priesterlichen Tradition steht, stützt mit Hur Mose. Die Überlieferung passt zu dem Bild, in dem Mose als Fürbitter dargestellt wird.
Indem in der Lesung zwei Linien zusammengeführt werden, relativiert sich der Sieg Israels, damit auch die kriegerische Auseinandersetzung insgesamt. Alle Blicke werden auf Mose gerichtet, der zwar auf der Höhe steht, dem Geschehen entrückt, aber mit seinen ausgestreckten Armen auf Jahwe verweist. Hier deutet sich eine Distanzierung von Machtpolitik an, die auch Israel zu keiner Zeit fremd geblieben ist. Das Land, in das Israel kommt, ist nicht nur verheißen, sondern verweist auf den Geber: Jahwe. Der Sieg Josuas begründet keinen eigenen Machtanspruch.
Ausgestreckte Arme als Segens- und Gebetsgesten gehören zu alten orientalischen Darstellungen. Trotz der Linienführung endet die Lesung mit einem militärischen Sieg - und einer blutigen Niederlage für Amalek. Problematisch ist, dass das "scharfe Schwert" hier als gesegnet erscheint. Die Distanzierung von Gewalt geht innerhalb des überlieferten Textes nicht weit genug. Liturgisch ist zu fragen, ob die Lesung mit "Dank sei Gott" abgeschlossen werden kann.
Das Volk der Amalekiter stammt nach der Tradition von Amalek, dem Enkel Esaus, ab: So gilt das Volk der Amalekiter infolge der Erbgeschichte Esau-Jakob (Gen 27,18ff) als Inbegriff der Erb-Feinde Israels schlichtweg. Ihm tritt Josua ("Gott rettet") gegenüber und gewinnt den Kampf. Diese Perikope ist eine Art Credo des Volkes Israel: Gott geht mit seinem Volk durch jeden Kampf.
Diese Perikope ist der Abschluss einer der vielen Krisengeschichten des Volkes auf seinem Zug durch die Wüste. Zuvor ist zu lesen, dass das Volk in Rephidim dürstet und von Mose Wasser bekommt. Den Anschluss bildet die persönliche Glaubenserfahrung des Jitro durch dessen Schwiegersohn Mose.
Die Mose-Schar erlebt auf ihrem Weg durch die Wüste immer wieder, dass sie im Vertrauen auf Gott beten und handeln muß, z.B. Josua zieht in den Kampf, während Mose mit Gott im Gebet verharrt.
Der Auszug, das Weggehen aus Ägypten, ist gelungen. Der Weg durch die Wüste ist mühsam und hart. Das Volk ist immer wieder von Hunger und Durst bedroht. Das Murren zeigt die Unzufriedenheit des Volkes. Das Murren richtet sich geben ihre Anführer Mose, Aaron und Mirjam. Doch ist es ein Murren gegen Gott, denn er hat das Volk geführt, Manna geschenkt, das Wasser sprudeln lassen ...
Die Rettung liegt immer im Vertrauen auf Jahwe, auf seine Hilfe. Immer wieder die Frage: Ist Gott noch bei uns oder hat Gott uns verlassen.
Direkt im Anschluß - wie als Bestätigung - kommt die Bedrohung durch die Amalekiter, die Erzfeinde Israels.
Bei diesen Kämpfen geht es um Wasserplätze und Weideplätze, aber auch um Konflikte zwischen der nomadischen Gesellschaft der Amalekiter und der eher bäuerlich-städtischen Kultur Israels. Mose hebt betend-beschwörend die Hände mit dem Stab, während Josua kämpft.
Thoms Staubli betont: "Der Bibeltext macht deutlich, dass das Beten nicht weniger anstrengend ist als das Kämpfen..." (Begleiter durch das Erste Testament, Düsseldorf 1997, S. 176).
Gott selbst steht auf der Seite seines Volkes und begleitet es durch die zahlreichen Bedrohungen. Der Kampf gegen die Amalekiter ist wie eine Antwort auf die Frage der Israeliten: "Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?"
Manfred Wussow (2004)
Martin Stewen (2001)
Marita Meister (1998)