Judas und die anderen Zwölf
Ein mittlerweile verstorbener Mitbruder begrüßte mich jedes Mal, wenn ich in seiner Kommunität zu Gast war, mit dem Ausruf "Der Mammon-Minister" ist wieder da! Diesen Titel bekam ich von ihm verpasst, weil ich für die Finanzen der Ordensprovinz verantwortlich bin. Ein anderer Mitbruder erklärt des Öfteren, wenn ich einem Gast vorgestellt werde, dass es bei uns üblich sei, einen der Brüder dem Götzen Mammon zu opfern, damit sich die anderen ungestört dem gottgeweihten Leben widmen könnten.
Offenbar erlitt schon Judas ein ähnliches Schicksal. Er durfte/musste sich um die Kasse kümmern, damit die anderen - Jesus eingeschlossen - unbekümmert leben konnten. Spätere Generationen haben dann in diese Konstellation alles Negative hineinprojiziert, das man denen gerne umhängt, die das Geld verwalten. Irgendwie stinkt Geld halt doch. Aber vielleicht gehört es auch zum Schicksal jener, die viel mit Geld zu tun haben, dass sie manche Lebensbereiche mit realistischerem Auge sehen als jene, die sich um das liebe Geld nicht sorgen müssen.
Manchem Mitbruder im Ordensstand wünsche ich von Zeit zu Zeit, dass er sich zumindest eine Zeitlang um seinen Lebensunterhalt selbst kümmern müsste, wie dies die meisten Menschen außerhalb der Klostermauern Tag für Tag zu bewältigen haben. Umgekehrt muss ich ihnen das Recht zugestehen, dass sie ohne die Sorge, was sie essen oder anziehen sollen, leben, denn dazu sind sie ja in den Orden eingetreten. Diese Lebensform soll sie ja freier für das Lob Gottes und den Dienst am Ordenszweck machen.
Manche Menschen verführt diese Sorglosigkeit jedoch zu einer gewissen Realitätsferne oder gar in den Zustand des nicht Erwachsenwerdens. Das gilt nicht nur für Ordensleute. Es soll Menschen geben, die aus ähnlichen Motiven weit bis ins Erwachsenenalter hinein das "Hotel Mamma" einem eigenständigen Leben vorziehen.
Jesus und das Reich Gottes
Im Evangelium warnt uns Jesus vor dem Dienst am Mammon. Er preist in wunderschönen Bildern die Sorglosigkeit der Kinder Gottes und mahnt uns, das Reich Gottes an die höchste Stelle unserer Interessen zu stellen. Mir tut es immer wieder gut, mir vor Augen zu halten, wie großartig ich in der Hand Gottes geborgen bin. Vor allem dann, wenn die Sachzwänge des guten Verwaltens und Wirtschaftens mich vor sich herzutreiben beginnen und mich für andere Lebensbereiche blind machen.
Jesus und sein Einsatz für das Reich Gottes ist mir ein Vorbild und hindert mich daran, die Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven der Kirche und des Ordens in erster Linie von den wirtschaftlichen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten her zu denken und zu planen. Der Blick auf Jesus stärkt mich in meiner Einstellung: Eine gute Sache findet auch seine Geldgeber; damals wie heute.
Unterscheidungen und Entscheidungen
Das entpflichtet mich aber nicht davon, mit dem mir anvertrauten Vermögen sorgsam umzugehen. Die kritische Grenze scheint mir die Unterscheidung zwischen Sorgsamkeit und ängstlicher Sorge zu sein. Jesus möchte uns aus dem lähmenden Bannkreis ängstlichen Besorgtseins herausführen.
Ein zweite Unterscheidung ist mir auch noch wichtig geworden. Die Sorge um eine florierende Wirtschaft ist in meinen Augen auch eine christliche Tugend. Sie tut nachhaltiger Gutes als manche Hilfsprogramme. Nicht jeder Gewinn ist vom Teufel und Unternehmern ist nicht von vornherein mit Misstrauen zu begegnen, wie dies manche Sozialromantiker fordern.
Daneben gilt jedoch auch, dass das Bemühen, die Wirtschaft in Gang zu halten, allzu leicht zu einem Tanz um das Goldene Kalb wird und Erfolg zum allein seligmachenden Lebensinhalt. Jeder Mensch kommt an einen Punkt, an dem er entscheiden muss, in wessen Dienst er sich stellt: In den Dienst am Reich Gottes oder in den Dienst am Mammon.
Das Modell Paulus
Mir ist nicht nur Jesus zum Vorbild geworden in seinem Eifer für das Reich Gottes und in seiner Sorglosigkeit hinsichtlich seines Lebensunterhaltes. Ich schaue mit Hochachtung auf den Apostel Paulus, der als Wanderprediger Unglaubliches zuwege gebracht und dennoch Wert darauf gelegt hat, seinen Lebensunterhalt als Handwerker selbst zu verdienen.
Die Diskussionen um das liebe Geld, über die Finanzierung des alltäglichen Lebens und wichtiger Projekte nehmen in den Pfarren, Diözesen und Orden einen breiten Raum ein. Wir werden uns dies nicht ersparen können. Die Frage nach den Finanzen soll und darf aber nicht die höchste Priorität haben. Als Erstes muss es uns um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen.