Frei von Unkraut?
„Es ist nicht alles Gold, was glänzt!“ „Wir wollen doch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!“ Das sind Sprüche, die eines sagen: Überall gibt es neben dem, was gut ist, auch Schlechtes, Böses. Es gibt nichts, was ausnahmslos gut ist und auch nichts, was einfach nur schlecht ist. Den Idealzustand findet man nirgendwo. Vor allem eine Gefahr besteht immer: Man will das, was nicht gut ist, bekämpfen. Doch man muss auch aufpassen, damit nicht auch das Gute, das Nützliche, das Schöne zu zerstören.
Das war ja auch im Evangelium zu hören. Der Landwirt dachte gar nicht daran, das Unkraut zu vernichten. Viel zu groß war die Gefahr, mit dem Unkraut auch den Weizen zu vernichten. Nun bin ich selbst kein Landwirt. Wir leben in einem Zeitalter, indem wir durch chemische Mittel unsere Weizenfelder frei von Unkraut halten können. Die Folge davon ist: es wachsen auch kein Klatschmohn und keine Kornrade, keine Ackerrinde und keine Kornblume mit. Menschen empfinden diese Weizenfelder als steril und nicht mehr schön.
Viel Unkraut...
Das alles lässt sich übertragen auf viele Bereiche unseres Lebens und auch unseres Glaubens. Schauen wir unsere Kirche an. Sie ist in die Kritik geraten. Skandale um Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hat es gegeben. Viele nehmen Anstoß, wenn viel Geld in überteuerten Wohnungen investiert wird. Tausende haben sich auch deswegen von der Kirche abgewendet. Doch darf auch nicht übersehen werden, wieviel Gutes auch heute noch geschieht, gerade, weil es die Kirche gibt. Vor ein paar Wochen lud eine Pfarrgemeinde alle ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein zu einem Dankeschön Fest. Fast 300 Menschen sind da zusammengekommen. Bei diesem Fest wurde klar, wie wertvoll der ehrenamtliche Dienst nicht nur für die Kirche war, sondern auch für die gesamte Gemeinde. Es kamen viele Menschen zusammen. An diesem Beispiel zeigt sich auch: die Kirche ist noch nicht verschwunden.
... und viel Gutes
Als Gegenargument könnte man sagen: Viel Gutes geschieht auch außerhalb der Kirche. Viel Gutes, viel Hilfe, besonders für die Schwächsten der Gesellschaft, hat seinen Ursprung in der Botschaft Christi, hat seinen Ursprung im Glauben. Männer und Frauen haben Nöte ihrer Zeit erkannt.
Ich schaue weiter in die Kirche hinein. Ich denke da an die Vorbereitung auf die Erstkommunion. Eine Vorbereitung auf die erste Heilige Kommunion kann und wird auch nicht so stattfinden wie vor 100 Jahren. Die Wege müssen sich immer anpassen an das Lebensgefühl der Menschen und auch an die Kinder. Diese wachsen in einer ganz anderen Zeit auf. Es gibt zahlreiche Versuche dafür zu sorgen, dass die Erstkommunionvorbereitung kindgerecht und zeitgemäß läuft. Die Kinder sollten nach Möglichkeit durch modern gestaltete Gottesdienste angesprochen werden. Wieviel Mühe wird da aufgewendet! Es besteht aber auch die Gefahr, dass gerade die Erstkommunionfeier zu einer reinen weltlichen Feier verkommt, bei denen die Geschenke und das Familienfest im Vordergrund stehen. Ich stelle mir manches Mal die Frage, ob es überhaupt noch Sinn hat, Kinder zur ersten Heiligen Kommunion zu führen, wenn zu erwarten ist, dass die meisten nach ein paar Wochen nicht mehr zu sehen sind. Doch ich frage mich auch, ob es verantwortbar wäre, damit aufzuhören. Denn immer noch ist die Vorbereitung auf die erste Heilige Kommunion eine Chance für die Kirche mit den Eltern und auch mit den Kindern in Kontakt zu kommen. Wer weiß, ob nicht mehr in den Kindern und Jugendlichen grundgelegt wird, als man meint.
Dasselbe frage ich mich bei Taufgesprächen, bei Hochzeiten und auch bei Beerdigungen. Klar kann es dazu kommen, das Eigentliche, nämlich den Glauben an Gott, aus dem Blick zu verlieren. Doch die Gelegenheit, Eltern, Menschen zu begegnen und ein Zeuge des Glaubens zu sein, das ist doch sehr wichtig. Als Gemeinschaft der Glaubenden, als Kirche, sollten wir uns nicht von den Menschen und auch nicht vom Leben der Welt zurückziehen. Die Welt braucht auch weiterhin unser Glaubenszeugnis. Der Glaube vieler Menschen kann sein wie ein Sauerteig. Das Reich Gottes, so sagt es Jesus wächst aus kleinsten Anfängen, aber Gott lässt das Reich Gottes wachsen.
Nicht vorschnell urteilen
Dann gibt es in der Kirche auch Christen /innen, die eher konservativ sind. Oft stehen sie im Verdacht, rückständig zu sein, die Kirche wieder in vergangene Jahrhunderte zurück befördern zu wollen. Man mag zu einzelnen Strömungen stehen wie man mag, vielleicht zeigen diese Christen, dass es nicht gut ist, jede moderne Strömung mitzumachen. Vielleicht zeigen sie, dass es nicht darauf ankommt, sich anzubiedern. Die Kirche soll die Zeichen der Zeit erkennen, aber auch nicht einen Ausverkauf des Glaubens gestalten.
Es steht uns Menschen einfach nicht zu, über andere zu verurteilen. Jesus heißt sicher nicht gut, was schlecht läuft in der Kirche. Was gut ist, was schlecht ist, was vom Bösen ist, welche Menschen gut oder schlecht sind, das können wir nicht beurteilen. Dieses Urteil sollten wir getrost Gott überlassen.
Urteilen über andere? Ich glaube da sollten wir das Bild vom Acker, auf uns selbst übertragen. Auch bei uns selbst gibt es Gutes, aber auch Schlechtes, Negatives. Kein Mensch ist nur gut oder nur schlecht. Jede Stärke kann zugleich auch eine Schwäche werden. Wer immer Harmonie und Frieden stiftet, sollte aufpassen, nicht zu gleichgültig zu werden. Auseinandersetzungen können auch notwendig sein.
Demütig und barmherzig
Kein Mensch kann seine Schwächen ablegen. Doch wir dürfen sie zu Gott bringen. Gott nimmt uns darin an. Oft empfinden wir unser Beten als schwach und oberflächlich. Doch der Geist nimmt sich unsere Schwachheit gerade im Beten an. Gott will das Gute, das, was uns und seinem Reich dient. Jesus spricht in diesem Gleichnis von einer unendlichen Geduld Gottes mit uns. Es ist schwer, unsere Fehler, unsere Sünden abzulegen.
Doch haben sie nicht auch ihr Gutes? Zeigen sie nicht, dass das Himmelreich zuerst ein Werk Gottes ist und wir nur die Werkzeuge. Sie lassen uns, wenn wir sie erkennen, demütig werden in einem positiven Sinn des Wortes. Sie lassen uns auch barmherziger werden gegenüber den Fehlern anderer. Darum brauchen wir nicht krampfhaft dagegen anzukämpfen. Vielmehr dürfen wir sie Gott hinhalten. Gott baut sein Reich nicht auf mit Menschen, die vollkommen sind, die keine Fehler und Sünden zu haben scheinen. Wenn ich mir vor Augen halte, wo ich hinter dem zurückbleibe, wer ich bin, dort höre ich auf, andere zu verurteilen, über meine Mitmenschen zu urteilen, ob sie, so wie sie sind, sein dürfen oder nicht.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt! Dennoch: schütten wir das Kind nicht mit dem Bade aus. Das ist eben eine andere Beschreibung für das, was Jesus sagt. Gott kennt uns, er kennt seine Kirche, er kennt die Herzen. Er kann entscheiden, wer oder was Unkraut ist, wer oder was Weizen ist. Achten wir einander, verurteilen wir nicht, denn bei keinem von uns ist alles gut oder alles schlecht. Amen.