Wir erleben gegenwärtig einen neuen Umgang mit Wissen und Wahrheit: "message control", "alternative Fakten" und eine Vielzahl von Experten ringen um den Einfluss im öffentlichen Leben. Wem können wir glauben? Was zählt der Glaube in diesem Kampf um die Wahrheit? Der von Jesus zugesagt Heilige Geist gibt uns Gelassenheit und Zuversicht.
Spiele mit der Wahrheit
"Ich weiß, dass ich nichts weiß", lautete die tiefe Erkenntnis des griechischen Philosophen Sokrates. Mit den Fragen, die er seinen Diskussionspartnern stellte, führte er sie zur Erkenntnis, wie wenig sie wirklich wissen. In unserer gegenwärtigen Welt wimmelt es nur so von Experten, offiziell berufenen und selbsternannten. Sie schreiben Gutachten für Regierungen, geben Interviews im Fernsehen, diskutieren am Stammtisch oder im Internet. Die "neuesten Erkenntnisse" werden in sozialen Medien verbreitet und von vielen ohne weitere Überprüfung für bare Münze gehalten. Dem stehen Menschen gegenüber, die sich skeptisch geben und allem misstrauen, was von offiziellen Einrichtungen verlautbart wird.
"Was ist Wahrheit?" fragte Pilatus im Prozess Jesu und machte damit deutlich, dass auch schon zu seiner Zeit Wahrheiten gemacht wurden und die Antwort von der jeweiligen Sichtweise abhing. Die Taktik, durch "message control", durch geschickt platzierte Informationskampagnen und oft auch durch Manipulation der Medien "alternative Fakten" zu schaffen, wird bei Politikern immer beliebter.
Glaubensexperten?
Im Umgang mit Glaubensfragen beobachten wir eine vergleichbare Entwicklung. Dank Religionsfreiheit und der Freiheit eines jeden und einer jeden, sich den Glauben selbst zurechtzulegen und als Privatsache zu betrachten, wissen viele nicht mehr, was sie glauben sollen, andere glänzen mit Besserwisserei und fühlen sich, sobald sie ein Buch gelesen haben, als Experten. Die großen Glaubensgemeinschaften haben durch Fehlverhalten und Missbrauch ihrer einstigen Autorität an Ansehen und Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Ich bin froh darüber, dass man heute alles hinterfragen kann, ohne irgendwelche Sanktionen fürchten zu müssen, stehe aber immer noch vor nicht ganz einfachen Fragen: Was ist nun wirklich Wahrheit? Wem kann ich glauben? Woran kann ich mich halten?
Jesus und die Wahrheit
Im Evangelium preist Jesus seine Jünger glücklich, weil sie sehen und hören, was Propheten und Könige vor ihnen gerne gesehen und gehört hätten, aber nicht sehen und hören konnten. Die Menschen, die Jesus als Jüngerinnen und Jünger nachfolgten, waren meist einfache Leute ohne besondere Schulbildung. Kaum einer von ihnen zählte zu den Weisen und Klugen ihrer Zeit. Sie sind mit dem allgemeinen Wissen ihrer Zeit aufgewachsen und haben nach Menschen Ausschau gehalten, an denen sie sich orientieren konnten. Einer von diesen war Johannes der Täufer, ein anderer Jesus von Nazareth. Durch Jesus haben sie gelernt, die alten Überlieferungen zu hinterfragen und tiefer zu verstehen. In seinen Predigten und durch sein Beispiel erschloss er ihnen den Sinn und den Geist der alten Schriften und Gebräuche.
Die Weisheit des Glaubens
Auch wir heute sind selig zu preisen. Wir haben die Freiheit, die vielen Glaubenssätze und Glaubensmeinungen zu hinterfragen und sie an dem zu messen und zu beurteilen, was uns glaubwürdige Zeugen vorleben. Wir sind darüber hinaus in der glücklichen Lage, fundierte Wissenschaftler und echte Experten zu haben, die für uns die alten Überlieferungen analysieren, bereithalten und weitergeben.
Nach seiner Auferstehung hat Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern den Heiligen Geist zugesprochen. Damit traut er ihnen zu, dass sie aus seinem Geist heraus jeweils die richtigen Antworten finden auf die Fragen, die uns das Leben stellt.
Das bedeutet jedoch nicht einen Freibrief für jede beliebige Meinung und Auffassung. Jesus selbst hat das Fundament der alten Glaubensüberlieferungen nicht verlassen. Er hat sie nach ihrem Geist und Sinn hinterfragt. Mit deren Weisheit ist er seinen eigenen Weg gegangen. Das verlief nicht ohne Auseinandersetzungen mit anderen Positionen und Auffassungen. Oft wird der tiefere Gehalt der alten Überlieferungen erst durch die Auseinandersetzungen sichtbar.
Mit dem reichen Schatz der Glaubensüberlieferung sind auch wir befähigt, unser Leben aus dem Geist Gottes heraus zu gestalten und in der Vielfalt der Meinungen den richtigen Weg zu finden. Dabei brauchen wir Auseinandersetzungen weder zu fürchten noch zu scheuen. Durch aufrichtiges Diskutieren und Hinterfragen trennt sich oft erst der Spreu vom Weizen, werden zweifelhafte Motive wie Machtausübung, Rechthaberei oder persönliche Eitelkeiten sichtbar. Der von Jesus zugesagte Heilige Geist gibt uns Zuversicht, dass wir auf diesem Weg besser verstehen, zu welcher Hoffnung wir berufen sind, und welchen Reichtum uns die Herrlichkeit seines Erbes schenkt. Was Jesus den "Kleinen und Unmündigen" zugesprochen hat versuchte der Apostel Paulus den Christen in Ephesus bewusst zu machen. Auf dieses Erbe und die Zusage Jesu können wir uns auch heute verlassen. Das ist unser Glaube.