1. Lesung vom 5. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B:
Ijob 7,1-4. 6-7
Lesung aus dem Buch Ijob:
Ijob ergriff das Wort und sprach:
Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde?
Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners?
Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt,
wie ein Tagelöhner, der auf den Lohn wartet.
So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe,
und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu.
Lege ich mich nieder, sage ich:
Wann darf ich aufstehn?
Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert.
Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage,
der Faden geht aus, sie schwinden dahin.
Denk daran, daß mein Leben nur ein Hauch ist.
Nie mehr schaut mein Auge Glück.
Die Auswahl dieser Lesung entspricht dem Aspekt der Heilung aus dem Evangelium. Wie kann man mit Krankheit umgehen? Ijob demonstriert in dieser Stelle Gelassenheit. Krankheit und Schwäche gehören zum Leben. Warum sich also aufregen?
Dabei ist die ausgewählte Stelle nur eine Variante der Rede Ijobs in den Kapiteln 6+7. Nachdem Elifas keine brauchbaren Antworten gegeben hat, spielt Ijob selbst weitere Gedanken durch, die sich auch nicht als tragfähig erweisen.
So wie Petrus sich nicht mit dem Kranksein der Schwiegermutter abgibt und Jesus ruft, wird auf Ijobs Versuch Bildad in Ijob 8 weitere Erklärungen versuchen.
Die Lesung ist Teil des ersten Redeganges des großen Dulder Hiob. Nach seiner Klage im Monolog, in der er all das Leid beschreibt, das ihm als frommen Mann widerfahren ist, versucht Hiob, im Gespräch mit seinen Freunden eine Antwort auf die Ursache und Zweck des Leidens zu finden. Seine Freunde geben ihm folgende Möglichkeiten zur Antwort:
- Leid ist Folge menschlicher Schuld.
- Leid gehört zur Natur des Menschen.
- Leid ist eine Form göttlicher Zurechterweisung und Erziehung.
- Leid ist eine Prüfung des Frommen.
Die letzte Antwort findet sich, wenn der Mensch von seiner Anthropozentrik Abschied nimmt und sich auf Gott und sein Wirken in der Schöpfung ausrichtet. In der Theozentrik und Kosmozentrik ist der Mensch im Leid nicht mehr auf sich zurückgeworfen, sondern öffnet sich der Horizont auf das Gesamt der Schöpfung, in der Gott erfahrbar wird – auch im Leid.
Das Buch Hiob zeigt nicht einen Weg auf, das Leid zu verstehen, sondern hilft dem Leidenden, das Leid zu bestehen. Dementsprechend wird auch die Dynamik des Buches dieser Absicht und Aussage unterstellt sein.
In unserem Abschnitt der Lesung stehen wir noch am Beginn dieses Weges. Noch ist die Klage über die natürlichen Grenzen unseres menschlichen Seins durch Alter und Krankheit im Ohr. Die Frage nach dem Sinn des Lebens wird gestellt. Die stille Hoffnung auf Lohn und Glück, die zwischen den Zeilen steht, sucht ihren Ausdruck. Das Buch Hiob lädt die Leser ein, sich mit ihrer ganzen Befindlichkeit in die Gestalt des Hiob hineinzuversetzen und mit ihm den Weg zu gehen, als ein Mensch, der nach einer Antwort sucht und sich nicht mit den Fragen zufrieden gibt.
Norbert Riebartsch (2009)
Gabi Ceric (2000)