Wie glaubwürdig ist die Rede Jesu vom Reich Gottes? Er stellt seine Glaubwürdigkeit unter Beweis durch ungewöhnliche Taten. An ihnen sollen die Menschen seine göttliche Vollmacht erkennen. Diese möchten sie zu einem Vertrauen in die Person Jesu führen, das Grundlage des Glaubens ist.
Jesus lehrt...
Was der Evangelist Markus mit dem heutigen Evangelium den Gläubigen seiner Gemeinde und uns nahebringen will, lässt sich schon ein gutes Stück daraus erkennen, an welcher Stelle der Evangelist den Bericht vom Seesturm und seiner Bewältigung durch Jesus in sein Evangelium eingefügt hat.
Markus beginnt sein Evangelium mit dem Bericht vom Auftreten und ersten Wirken Jesu in Galiläa. Die ersten Jünger werden von Jesus berufen und einige Heilungen finden statt. Die Menschen fangen an, sich aufzumachen, um Jesus näher kennenzulernen und persönlich zu erleben. Schon nach diesem kurzen öffentlichen Auftreten, so der Bericht des Markus, werden Jesu Verwandten nervös. Anstatt auf Jesus stolz zu sein, hegen sie den Verdacht: Er ist von Sinnen. Was er tut und wie er sich verhält, erscheint ihnen nicht mehr normal. Die anderen Evangelisten berichten von den Aktivitäten der Verwandten Jesu, ihn zurückzuholen, ebenfalls, allerdings an viel späterer Stelle. Markus wird dem, wie es geschichtlich abgelaufen ist, vielleicht sogar am nächsten kommen. Neben den Verwandten treten auch schon gleich zu Anfang die Schriftgelehrten gegen Jesus auf mit dem Vorwurf: Er bediene sich der Kräfte des Teufels.
Jesus reagiert in dieser Situation in zwei Richtungen, um sich als den kundzutun, als den er sich gesandt weiß. Ohne lange Auseinandersetzung mit der Verwandtschaft wendet er sich an die ihn Umgebenden, um sie mit Hilfe von Gleichnissen über das Reich Gottes zu belehren. Dazu ist er in die Welt gekommen. Ähnlich verfährt er mit den Schriftgelehrten. Jesus unternimmt nicht den geringsten Versuch, z.B. durch ein theologisches Fachgespräch den Schriftgelehrten zu beweisen, dass er ihnen mindestens ebenbürtig ist und daher weiß, wovon er redet und was er tut.
... und wirkt Wunder
Nachdem Markus Jesus so vorgestellt hat als einen, der mit Vollmacht zu lehren weiß, fügt er vier Wunderberichte an, die Jesu Vollmacht auch im Handeln zeigen. Was die Lehre Jesu vom Reich Gottes betraf, konnten Menschen immerhin noch sagen oder denken: Wer will oder kann schon beweisen, dass die Reden dieses Mannes aus Nazareth über das Reich Gottes wahr sind? Die Vollmacht Jesu im Handeln dagegen ließ sich durch das Wirken seiner Wunder nicht bestreiten. Die Wunder sprechen ihre eigene Sprache und sind von jedem überprüfbar. Wer sich nicht trotzig verschließt, wird mindestens hier nachdenklich und sich intensiver mit Jesus befassen.
Die vier Wunderberichte, die Markus an Jesu Reich-Gottes-Gleichnisse anschließt, betreffen
- den Sieg Jesu über den Sturm, von dem wir im Evangelium gehört haben,
- die Heilung des Besessenen von Gerasa (Jesus vermag sogar den Dämonen zu gebieten)
- die Heilung der blutflüssigen Frau, der kein Mensch helfen konnte, obwohl sie alle Krankenheiler aufgesucht hatte,
- die Totenerweckung der Tochter des Jairus (selbst dem Tod kann Jesus das Leben wieder entreißen).
Diese vier Wunder übertreffen alles, wozu Menschen in der Lage sind. Sie sind Hinweis auf das göttliche Wesen in der Gestalt des Menschen Jesus aus Nazareth. Was Jesus mit seinen Wundern erreichen wollte, ist der Glaube an ihn als den von Gott gesandten Erlöser und das Vertrauen in seine Hilfe und seinen Beistand.
Glauben ist eine Herausforderung
Nun ist es mit dem Glauben nicht immer einfach. Wir haben von Kind auf eine Menge über Gott und Jesus gelernt. Es ist als Wissen sogar leicht abrufbar in uns gespeichert. Und dennoch melden sich öfters Fragen in uns wie z.B.: Warum verhindert Gott dies und das nicht? Warum geht es Menschen, die sich um Gott oder den Glauben nicht scheren, oft wesentlich besser als denen, die sich im Glauben mühen? Markus hat dieses Gefühl menschlicher Enttäuschung eingefangen mit dem Bild des schlafenden Jesus auf dem Kissen. Die Jünger sprechen aus, was wir oft denken: Herr, kümmert es dich nicht, dass ich zugrunde gehe? Ganz sicher hat diese Situation so nie sattgefunden. Denn bei dem beschriebenen Sturm ist ein seelenruhiges Schlafen auf einem Kissen bei dieser aufgewühlten See nicht möglich. Markus gebraucht dieses Bild, um unsere menschlichen Gefühle wiederzugeben und uns zu zeigen, dass schon den Christen der Urgemeinde und selbst den Aposteln der Glauben an Christus nicht einfach gefallen ist.
Gleichzeitig möchte uns Markus herausfordern, über unseren Glauben nachzudenken. Der Glaube an die Existenz Gottes und seine Liebe zu uns wird nicht automatisch von Gott mit der Zusicherung beantwortet, dass alles Leid und alle Stürme des Lebens künftig von uns ferngehalten werden. Das Leben mit seinem Leid und gelegentlichen Stürmen bleibt. Aber Beistand zur Bewältigung unserer Nöte und Bewahrung vor dem Untergang oder Scheitern des Lebens können wir erbitten.
Das Menschenmögliche selbst tun
Das möchte uns Markus vor Augen führen mit der Beschreibung, wie Jesus auf den Notruf der Jünger reagiert hat. Die Apostel mühen sich erst einmal selbst. Das gehört zu uns Menschen, dass wir das uns Mögliche beitragen. Jesus hätte ja bei dem ersten Aufwallen des Sturms sich erheben und dem aufpeitschenden Wind gebieten können. Er hätte es gekonnt; aber er tut es nicht. Er lässt erst einmal die erfahrenen Seeleute ihr Handwerk ausüben, so wie wir zunächst gefordert sind, unseren Alltag in die Hand zu nehmen. Das ist der erste Schritt, den wir erkennen und akzeptieren sollen. Haben wir das Unsere getan, dann sollten wir es den Aposteln in ihrer Seenot gleichtun und uns deutlich an den Herrn wenden. Er hat die Kraft, uns zu helfen. Darauf weist der Evangelist hin mit dem Bericht über die erwähnten Wunder. Und Jesus ist auch bereit, uns zu helfen. Das sollen wir der Reaktion Jesus auf die Bitte der Jünger hin erkennen und glauben.
Vertrauen lernen
Der Evangelist Markus gibt sich alle Mühe, uns Jesus in seinem Wesen zu beschreiben. Über das, was Jesus in Bezug auf das Reich Gottes lehrte, lassen sich bis heute keine Beweise erbringen. Wir müssen Jesus glauben. Dies werden wir jedoch nur dann tun, wenn wir an seiner Lauterkeit nicht zweifeln und an seine Gottessohnschaft glauben. Das Vertrauen in Jesus und der Glaube an ihn sind allerdings berechtigt und sehr nahe liegend, wenn wir auf seine Wunder schauen. Sie sind handfest greifbar und können uns ein gutes Stück Sicherheit im Glauben verleihen. In ihnen wird immer wieder etwas von der göttlichen Kraft in Jesus sichtbar, die in seiner Auferstehung am deutlichsten für uns Menschen aufleuchtet.
Der Glaube an die Lauterkeit Jesu und seine Botschaft, die Tatsache seiner Wunderkraft werden uns weitere Schritte in den Glauben an ihn ermöglichen, auch wenn unser Leben mit Mühe, Leid und Anstrengung belastet bleibt. Um unseren Glauben zu vertiefen, gibt es letztlich nur den Weg, sich offen und ehrlich auf Jesus einzulassen, um an unterschiedlichsten Stellen unseres Lebens seine Hilfe und Nähe zu erfahren und zu spüren: Er ist da, er hat mir geholfen, sonst wäre alles nicht so gut und glimpflich ausgegangen.
Sich für diese Erfahrung zu öffnen, dafür möchte uns Markus mit seinem Evangelium gewinnen.
Hans Hütter (2000)
Reinhard Gruber (1997)