Hinführung:
Trostlos ist die Lage in Israel und seiner Hauptstadt Jerusalem nach der Rückkehr aus dem Exil im ausgehenden 6. Jahrhundert v.Chr. In dieser hoffnungslosen Situation bringt der Prophet eine neue, hoffnungsvolle Perspektive ein.
Lesung aus dem Buch Jesaja.
Um Zions willen werde ich nicht schweigen,
um Jerusalems willen nicht still sein,
bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit
und sein Heil wie eine brennende Fackel.
Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit
und alle Könige deine Herrlichkeit.
Man ruft dich mit einem neuen Namen,
den der Mund des HERRN für dich bestimmt.
Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des HERRN,
zu einem königlichen Kopfschmuck in der Hand deines Gottes.
Nicht länger nennt man dich "Verlassene"
und dein Land nicht mehr "Verwüstung",
sondern du wirst heißen: "Ich habe Gefallen an dir"
und dein Land wird Vermählte genannt.
Denn der HERR hat an dir Gefallen
und dein Land wird vermählt.
Wie der junge Mann die Jungfrau in Besitz nimmt,
so nehmen deine Söhne dich in Besitz.
Wie der Bräutigam sich freut über die Braut,
so freut sich dein Gott über dich.
Eine neue Perspektive wird im alttestamentlichen Lesungstext vom heutigen Sonntag präsentiert. Im ausgehenden 6. Jh. v.Chr., nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil, ist die Situation im Land noch ziemlich trostlos. Statt blühender Wiesen gibt es verlassene Häuser, statt des erhofften Aufschwungs Arbeitslosigkeit und Hunger.
Der Prophet weiß sich aber gerade in dieser Situation gedrängt, eine neue, hoff nungsvolle Perspektive zu verkünden (V. 1). Es platzt richtiggehend aus ihm heraus. Das zukünftige Heil erlebt er als so gewiss, dass es laut ausgerufen werden muss. Er lenkt den Blick in einer entscheidenden Perspektivenänderung vom noch vorherr schenden Unheil auf die innere, so heilvolle Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, die alles in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Neues Strahlen
Gottes Beziehung zur Stadt, sein Aufstrahlen über Zion, ist Grund für ein Auf- und Ausstrahlen. Recht und Heil leuchten weit über die Stadtgrenze hinaus. Der Glanz der Gerechtigkeit Gottes, der von der Stadt ausgeht, wird von der ganzen Menschheit, die mit „Völker“ bzw. „Könige“ hinsichtlich ihrer Weite und ihrer sozialen Schichtung beschrieben wird, gesehen (VV. 1f).
Neuer Name
Der neue Name verdeutlicht die grundlegend neue Situation. Die Namensgebung wird dabei nicht allein von Menschen vorgenommen, sondern von Gott selbst be stimmt. Die Gewissheit der neuen Gegebenheit erfährt dadurch Verstärkung (V. 2).
Die neuen Namen für Jerusalem und das Land werden mit zwei Begriffen konkretisiert, die das neue Leben charakterisieren und einen Kontrast zur früheren Situation darstellen. Aus der „Verlassenen“ und der „Verwüstung“ werden „Ich habe Gefallen an dir“ und die „Vermählte“ (V. 4) – eine wahre Kostbarkeit (V. 3). Zunächst bleibt offen, um wen es sich beim Gemahl der Vermählten handelt, ehe „der Herr“ (V. 5) als dieser ausgewiesen wird.
Neue Beziehung
Die neuen Namen sind Resultat der innigen Liebesbeziehung, für die Bilder einer Hochzeit herangezogen werden. Gott liebt seine Stadt wie ein Bräutigam die Braut und wendet sich ihr neu und mit Freude zu (V. 5). Es gibt kaum beziehungsreichere und beziehungsintensivere Bilder für das Verhältnis JHWHs zu Israel.
Weiterführen der neuen Perspektive
Eine neue Perspektive wird auch im heutigen Tagesevangelium angeboten. Im ersten Zeichen, das Jesus nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums bei der Hochzeit in Kana wirkt, wird aus Wasser Wein, aus dem Alltäglichen die Fülle. Inspiriert durch die alttestamentliche Lesung und das Evangelium vom Tag sind gläubige Menschen auch heute eingeladen, die Fülle innerer Befreiung und Freiheit – auch unter manchmal widrigen Umständen – zu sehen.
Ingrid Penner
© Diözese Linz. Team Bibelwerk Linz und Glaubenskommunikation.
Recht und Gerechtigkeit prägen diesen Abschnitt aus "Tritojesaja", dem dritten Teil des Jesajabuches. Der Prophet spricht mit jener Leidenschaft, die den Propheten des Herrn zueigen ist. Angelpunkt, um den es sich in der Lesungsperikope dreht, ist die Gottesstadt, Jerusalem mit dem Berg des Herrn, dem Zion. An ihr wird die Gerechtigkeit Gottes der Welt offenbar.
Der Begriff der Gerechtigkeit ist im Ersten Testament vielschichtig. Gerecht ist einerseits der, der so handelt, dass das Wohl einer Gemeinschaft gesichert ist. Die göttliche Gerechtigkeit ist im Alten Orient oft mit dem Tun des Menschen verbunden. Der Mensch, der gerecht lebt, darf sich der Gerechtigkeit und der Nähe Gottes sicher sein.
Letztlich aber geht die Gerechtigkeit von Gott aus. Von ihm kommt die Fähigkeit, sich der Gemeinschaft gegenüber treu und loyal zu verhalten. Gottes Gerechtigkeit ist Quelle von Recht und Ordnung und damit von erfülltem Leben in Israel. Diese Sicht von Gerechtigkeit wird auch in unserem Abschnitt deutlich gemacht.
Als Grund dafür, dass in Jerusalem das Licht der Gerechtigkeit erstrahlt, wird genannt: Gott ist mit dieser Stadt. Jerusalem wird Ort der Gegenwart Gottes. Das Verhältnis zwischen dem Herrn und seiner Stadt wird in wunderbaren Worten mit der Beziehung zwischen Bräutigam und Braut verglichen.
Die aus dem babylonischen Exil heimgekehrten Judäer befanden sich in einer schwierigen Situation. Die Menschen hatten den Glauben an Gott und das Vertrauen auf das versprochene Heil verloren. Die Sammlung des Tritojesaja ("Dritter Jesaja") versucht, anhand verschiedenartiger Texte dem Volk Hoffnung zu geben. In den Kapiteln 60 - 62 wird das leuchtende Bild der Gottesstadt Jerusalem aufgezeigt. In der Form der Volksklage, die den Hörern bekannt war, versucht der Prophet aufzuzeigen, daß Gott sein Volk liebt und nur daraus sich Glück und Heil erwarten lassen.
Die vorliegende Perikope entstammt dem sog. Tritojesaja, jenem dritten angehängten Teil des Jesaja-Buches, dessen Autorenschaft in eine nachexilische Zeit gehört. In dieser Zeit, die als Rettung und Neuanfang wahrgenommen wurde, zielt die Verkündigung der Propheten auf einen Gott, der sich seines Volkes doch noch erbarmt - trotz aller Not und allen Leides. Die Verbindung zwischen Gott und den Menschen wird gesehen wie ein Ehebund, der charakterisiert ist durch Rechte und Pflichten.
Bibelwerk der Diözese Linz (2025)
Gabi Ceric (2001)
Lopez Weißmann (1998)
Martin Stewen (2013)