Zur Einleitung des Gottesdienstes:
Als Christen sind wir alle dazu aufgerufen, unseren Glauben überzeugend zu verkünden. Gleichzeitig sollen wir in der heutigen Zeit "ein Segen" für die Menschen sein. Deshalb darf es uns als Christen nicht egal sein, was mit dieser Welt und den Menschen geschieht. Es darf uns Christen nicht gleichgültig sein, dass Menschen unterdrückt werden und in Armut leben.
Wir alle müssen uns engagieren, dass unsere Gesellschaft sich nicht weiter spaltet in Arbeitsbesitzende und Arbeitslose, Privilegierte und Chancenlose, Gewinner und Verlierer. Wir dürfen uns als Christen nicht sorglos zurückziehen angesichts der vielen gesellschaftlichen Ungleichheiten.
Deshalb möchten wir in diesem Gottesdienst an Nikolaus Groß erinnern, den die KAB als Blutzeugen ihres Verbandes bezeichnet. Nikolaus Groß hat seinen Widerstand gegen die Schreckensherrschaft der Nazis und sein alltägliches Leben mit seinem Glauben an Gott verbunden und diesen Glauben bis zum Tode bezeugt. An seinem Beispiel ist erkennbar, was es heißt, von Gott gesegnet und selber ein Segen zu sein. "Indem wir die Zeichen unserer Zeit erkennen und uns für eine menschenwürdige und gerechte Gesellschaft einsetzen, werden wir zu einem Segen für die Menschen."
Nikolaus Groß, geboren am 30. September 1898 in Niederwenigern, war verheiratet und Vater von sieben Kindern. Er arbeitete in einem Blechwalzwerk und dann als Bergmann unter Tage. Seit 1920 betätigte er sich im "Gewerkverein christlicher Bergarbeiter" und übernahm 1927 die Schriftleitung der "Westdeutschen Arbeiter-Zeitung” (später "Ketteler-Wacht"), des Verbandsorgans der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB).
Sein einfühlsames soziales Engagement und seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus waren getragen von einem tiefen Glauben und einem unerschütterlichen Gottvertrauen. Im Gebet fand er die Kraft für seine Tätigkeit und für die unermüdliche Sorge um seine Familie in schweren Zeiten. Wegen seiner Kontakte zu Widerstandskreisen wurde er am 12. August 1944 ins Konzentrationslager Ravensbrück, später in die Strafanstalt Berlin-Tegel eingeliefert und nach einem Prozess vor dem Volksgerichtshof 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. - Am 7. Oktober 2001 wurde er von Papst Johannes Paul II. in Rom selig gesprochen. - Sein Todestag ist der 23. Januar 1945.
Predigtgedanken zum Glaubenszeugnis des sel. Nikolaus Groß:
schön, harmonisch und ungefährlich?
Wenn der Apostel Paulus im Korintherbrief von den verschiedenen Gnadengaben spricht, von den verschiedenen Diensten und den verschiedenen Kräften, die alle von ein und demselben Geist bewirkt und zugeteilt werden, wie dieser Geist es will, so hört sich das schön, harmonisch und ungefährlich an. Haben wir doch diese Gnadengaben Gottes in unserem Verständnis auf den Radius unserer eigenen Talente reduziert. Sicherlich ist es ehrenwert und ein Liebesdienst den Dienst des Lektors auszuüben, die eigenen Talente in der Pfarrcaritas, beim Pfarrfest, im Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand einzusetzen, doch lassen wir uns nicht täuschen, das sind nicht die Gnadengaben von denen Paulus hier spricht. Diese Gnadengaben werden vom Menschen auf einer anderen Ebene wahr- und angenommen, auf der Ebene des Gewissens.
Das Zweite Vatikanische Konzil erklärt in seiner pastoralen Konstitution "Gaudium et spes" über die Kirche in der Welt von heute: "Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem innersten zu hören ist." Und das Konzil führt weiter aus: "Im inneren seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muss und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft."
Dem Gewissen folgen
Und schon verlassen wir das harmonische und ungefährliche Sprechen von den Gnadengaben Gottes, denn wer seinem Gewissen folgt, der wird herausgefordert, er muss einen Standpunkt einnehmen, für seine erkannte Wahrheit eintreten aus Liebe zu Gott und den Menschen, auch wenn er dafür angefeindet wird, Konsequenzen befürchten muss, oder gar sein Leben auf dem Spiel steht. Ein Dilemma der Kirche! Ist es doch ihre Aufgabe, den Menschen bei der Suche nach der Wahrheit zu helfen und sie zu unterstützen ihrem Gewissen zu folgen, doch reagiert sie häufig mit Ge- und Verboten aus Angst vor der Freiheit der Kinder Gottes, die in den Menschen aufleuchtet, die bereit sind ihrem Gewissen zu folgen.
Vielleicht wurde Elisabeth Groß deshalb von der Berliner Nuntiatur mit dem Hinweis abgewiesen: "dass wer sich in eine solche Situation begebe, mit den Folgen rechnen müsse." Es war der 18. Januar 1945, das Todesurteil über Nikolaus Groß war gesprochen, Elisabeth hatte sich gerade von ihrem Mann im Beisein eines SS-Mannes verabschieden können, als sie mit einem Gnadengesuch und der Bitte, ein gutes Wort für ihren Mann einzulegen bei der Nuntiatur vorsprach. Als zwölf Tage später der Kölner Erzbischof Frings ein Gnadengesuch abschickte, wusste er nicht, dass es schon zu spät kam.
In der Kölner Druckerei Luthe entsteht gegen Ende des zweiten Weltkrieges, als die Domstadt fast in Schutt und Asche liegt, ein schlichter Totenzettel: "Zur frommen Erinnerung an den Schriftleiter Nikolaus Groß, der am 23. Januar 1945, im Alter von 46 Jahren, sein Leben in die Hand des Schöpfers zurückgab." Die Umstände des Todes des siebenfachen Familienvaters müssen verschwiegen werden. Groß ist wegen seiner Beteiligung am Widerstand gegen Hitler in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden - durch den Strang.
Der Sohn des Druckers, Hubert Luthe, wurde zweiter Bischof der jungen Diözese Essen, er hat mit dafür gesorgt, dass der ermordete Gewerkschafter und KAB'ler Nikolaus Groß am 7. Oktober 2001 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen wurde. Der Hirtenbrief Bischof Dr. Luthes zur Seligsprechung enthielt drei Anfragen, an die ich heute anknüpfen möchte.
Nikolaus Groß:
Ein Mann des Gebetes - gehalten im Glauben
Vielleicht ist es für sie Überraschend, wenn ich zuerst davon spreche, dass Nikolaus Groß ein Mann des Gebetes war. Wäre es nicht wichtiger, seine berufliche Laufbahn in den Blick zu nehmen? Bei Nikolaus Groß steht sein aktiver Einsatz in den Bereichen des öffentlichen Lebens außer Frage. Aber es wird sofort deutlich, dass er alles andere als ein geistloser Aktivist war. Seine beruflichen und gesellschaftlichen Aktivitäten waren nicht getrennt von seinem Glauben und seinem geistlichen Leben.
Der damalige Gefängnispfarrer Peter Buchholz erinnert sich: "Einer der Edelsten und Besten, dem ich in Tegel begegnete und den ich in der Folge mehrere Male in der Woche regelmäßig besuchen konnte, war Nikolaus Groß. Wie oft habe ich ihn knieend vor seinem Zellenschemel gefunden, wenn ich unvermittelt seine Tür aufschloss." Sein Glaube und seine Frömmigkeit bedeuten keinen Rückzug aus der Welt, sie waren prägender Bestandteil seiner Arbeit und seines ganzen Lebens.
Hier die erste Anfrage an uns: Wie steht es um unseren Glauben? In wieweit ist er noch prägender Bestandteil unseres gesamten Lebens und welchen Stellenwert hat das Gebet in unserem Leben und unserem Engagement als KAB?
Nikolaus Groß:
Ehemann und Familienvater - ein Leben aus Liebe
Die Briefe aus dem Gefängnis lassen Nikolaus Groß nicht nur als einen Menschen mit starkem Gottvertrauen erkennen. Sie zeigen uns auch, wie sein Denken und Handeln durchgehend von seiner Liebe zu seiner Frau und seinen Kindern bestimmt war. Bis in die letzten Tage vor seinem Tod gilt also seine Liebe denen, für die er in seinem ganzen Leben Verantwortung übernommen hatte. Seine Liebe zu seiner Familie ist nicht getrennt von seiner tiefen Verwurzelung im Glauben und seiner lebendigen Verbindung mit Gott. Auch sein gesellschaftliches Engagement steht nicht isoliert daneben. Dass bei Nikolaus Groß die verschiedenen Dimensionen des Lebens gerade nicht auseinanderfallen, zeigt vielleicht etwas, was vielen Menschen heute so schwer fällt und was für ein geglücktes Leben doch notwendig ist.
Hier die zweite Anfrage an uns: Wie und wo gelingt es uns berufliche Verpflichtung - Sorge für die uns anvertrauten und gesellschaftliches Engagement zu verbinden. Sind unsere Bildungsveranstaltungen und Abende in den KAB-Ortsgruppen in der Lage ein solches ganzheitliches Bild menschlicher Entwicklung zu fördern und den Einzelnen in dieser Entwicklung zu unterstützen?
Nikolaus Groß:
Ein Mann des Gewissens - sein Ende der Galgen
Nikolaus Groß wusste, auf welch gefährlichen Weg er sich mit diesem Engagement begeben hatte. Doch ließ ihm seine Verantwortung vor Gott und den Menschen keine andere Wahl. Der Paderborner Diözesanpräses der KAB Caspar Schulte bestätigte auf eindrucksvolle Weise die sittliche Größe und Entschiedenheit der Männer des Widerstands aus den Kreisen der KAB. Er schreibt: "Sie stolperten nicht in den Tod hinein. Sie gingen ihren Weg auch in der Bereitschaft, einen qualvollen Tod um der Freiheit willen auf sich zu nehmen. Ich sagte Nikolaus Groß am Tag vor dem Attentat auf Hitler: "Herr Groß, denken Sie daran, dass sie sieben Kinder haben. Ich habe keine Familie, für die ich verantwortlich bin. Es geht um ihr Leben." Darauf gab mit Groß das wirklich große Wort als Antwort: "Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wir wollen wir dann vor Gott und unserem Volk einmal bestehen."
In diesem knappen Satz wird deutlich, wie bedingungslos Nikolaus Groß sich dem verpflichtet fühlt, was ihm sein Gewissen sagt.
Und hier jetzt die letzte Anfrage an uns: Gibt es Fragen in unserem Leben, in denen wir die Stimme unseres Gewissens hören und was kann uns helfen, dieser Stimme Gottes in uns zu folgen?
Ich möchte aber nicht mit Anfragen meine Predigt beenden, sondern mit einer Zusage aus dem Korintherbrief: "einem jeden teilt er, der eine Geist Gottes, seine besondere Gabe zu." Mit anderen Worten: Werde der, der Du in deinem innersten Wesen bist, dann sind auch für dich die Krüge eines erfüllten Lebens bis zum Rand gefüllt.
Martin Stewen (2011)
Gabi Ceric (2001)
Lopez Weißmann (1998)