Maria - nichts für die Suchmaschine
Geben Sie mal im Internet in eine Suchmaschine den Begriff 'Powerfrau' ein - die Ergebnisliste wird endlos. Was unter 'Powerfrauen' im Netz gespeichert wird, reicht von Frauengruppen, Schönheitsfarmen, Hilfsprojekten von Frauen für Frauen, Selbstverteidigungskursen für Frauen bis hin zu Jobsharingangeboten unter Frauen und ähnlichem.
Man sieht an der Aufzählung deutlich, dass das Internet nicht primär von aktiven Christinnen gestaltet wird. Denn auf eine Powerfrau stößt man nicht: Vergebens sucht man das junge hebräische Mädchen, das unter miserablen Lebensumständen in eine merkwürdig anmutende Schwangerschaft gerät, die sie fast die Beziehung zu ihrem Verlobten kostet. Das sich als junge Mutter auf die Flucht machen muss, um das Leben ihres Kindes zu schützen; das als Frau in einem Alter, in dem man damals Großmutter war, den Sohn zu seiner Hinrichtung begleiten muss. Diese eine Frau, die all das in unerschütterlichem Glauben an ihren Gott bis zu ihrem eigenen Tod überstand, man findet sie nicht unter dem Stichwort 'Powerfrau': Maria - die Mutter des Gottessohnes.
Nun ist das Internet eine junge Erfindung - die wesentlich ältere Tradition der Kirche lässt hingegen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie mit Maria eine Powerfrau ehrt.
Marä Himmelfahrt und die Ökumene
Am 15. August feiert die Kirche das Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, das zurückgeht auf die Bestimmung Papst Pius' XII. aus dem Jahr 1950. Dieses Mariendogma hat der Kirche nicht nur eine weitere Lehraussage bereitet, sondern auch ein trennendes Element zu anderen christlichen Konfessionen: Etwa für die christkatholische Kirche ist dieses Dogma befremdlich und wird in seiner Engführung nicht akzeptiert. Die orthodoxen Kirchen sprechen lieber von der Entschlafung Mariens und umgehen die Diskussion um die Wesenhaftigkeit Mariens nach ihrer Auferweckung von Toten.
Aber abgesehen von solchen theologischen Einzelfragen sind sich die Christen aller Konfessionen einig, dass Maria als Mutter Jesu im Heilsplan Gottes eine besondere Rolle spielt und ihr damit eine entsprechende Aufmerksamkeit zukommen muss. Für unsere Kirche heißt das, dass sie Einzelstationen des Lebens Mariens zu Festereignissen erhebt - und somit schauen wir am heutigen Tag auf das Sterben Mariens und ihr Weiterleben bei Gott.
Das Magnificat - Lebensprogramm Mariens
Vom Leben und Wirken Mariens kennen wir nur einige Ausschnitte, wenige Ereignisberichte. Aus biblischen Zusammenhängen ist über ihr Sterben gar nichts bekannt. So ist es auch nicht verwunderlich, an diesen Festtag einen Text zu hören, der von ganz Anderem erzählt. Das Evangelium berichtet von der eindrücklichen Begegnung Mariens mit ihrer Verwandten Elisabeth. Im Zentrum steht der Lobgesang der Maria, das Magnificat.
Dieser Text formuliert wie kein anderer den Charakter dieser Frau - gleich, wie immer diese Zeilen auch entstanden sein mögen. Sie sieht sich demütig in ihrer Aufgabe vor Gott - von Stolz über ihre Stellung im Heilsplan Gottes keine Spur. Diese dürfte ihr auch zum Zeitpunkt ihres Besuches bei Elisabeth noch recht suspekt gewesen sein - alles war so verwirrend: dieser Engel, diese Schwangerschaft... Und dann eine ähnliche Szene bei Elisabeth. Dort aber lichtet sich das Dunkel ein wenig, denn Elisabeth erkennt, was vor sich geht, und grüßt Maria gerade zu enthusiastisch - gottbegeistert.
Der nun folgende Lobgesang der Maria hat in der Verkündigung eine vielfältige und bunte Anwendungsgeschichte erfahren. Zunächst haben unzählige Musiker, Kompenenten und Dichter in diesem Text eine Herausforderung gesucht. Auch politische Vereinnahmungen hat der Text erlebt. So hat gerade die lateinamerikanische Befreiungstheologie diesem Revolutionslied des kleinen hebräischen Mädchens viele Ideen entliehen und daraus einen Teil ihres Konzeptes erstellt. All diese Beispiele zeigen: Zum Lobgesang Mariens sind sehr viele Zugänge möglich - jede und jeder, der diesen Text für sich meditiert, wird eine eigene Zuneigung spüren.
Auf dem Boden bleiben
Eines aber wird in diesen Zeilen auch über die Massen deutlich. Von der süßlich-kitschigen Maria, die so manche Frömmigkeitstradition aus ihr gemacht hat, ist so gar nichts zu spüren. Die junge Frau, die die Worte des Magnificat gesprochen hat, versinnbildlicht die Kraft Gottes, die Stärke seines Reiches. Die Frau, der Gott zur Aufgabe gesetzt hat, ihn in diese Welt hineinzutragen, ist ganz und gar Powerfrau. Und das ist sie zugleich in Bescheidenheit und Diskretion - ihr Weg ist nicht der große Auftritt, sondern vielmehr das Wirken am Ort, den sie für sich erkannt hat. So ist sie Vorbild für alle Menschen, die sich ebenso bescheiden und diskret in die Nachfolge ihres Sohnes gestellt haben und Gottes Wirken in dieser Welt zum Beispiel im Gebet des Rosenkranzes erbitten.
Maria ist nicht jene Frau, die so manche Wallfahrtsstätten für nachhaltigen Kommerz instrumentalisiert haben; sie ist nicht Mutterersatz für Menschen, die mit gestörten Familienverhältnissen nicht aufräumen können; sie ist nicht Teil der göttlichen Dreifaltigkeit und schon gar nicht eine Art Mit-Erlöserin. Wer diese junge Frau aus den einfachen Verhältnissen des judäischen Hinterlandes derart verkitscht, verzerrt das wahre Marienbild und beraubt sie ihrer eigentlichen Faszination.
Wenn wir heute Mariä Himmelfahrt feiern, dann ehren wir mit Maria jene Frau, die Gott leibhaft in diese Welt getragen hat, die den Weg Jesu ohne Zögern und Zweifel mitgegangen ist und die uns heute einlädt, ihr nachzutun. Am heutigen Fest ehren wir eine prophetische Powerfrau, die über ihren Tod hinaus uns Menschen heute zum Glauben herausfordert.