Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 29. Mär. 2024 - Karfreitag (A/B/C)
02. Mär. 2025
8. Sonntag im Jahreskreis (C)
23. Feb. 2025
7. Sonntag im Jahreskreis (C)
16. Feb. 2025
6. Sonntag im Jahreskreis (C)
09. Feb. 2025
5. Sonntag im Jahreskreis (C)
02. Feb. 2025
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
26. Jan. 2025
3. Sonntag im Jahreskreis (C)
19. Jan. 2025
2. Sonntag im Jahreskreis (C)
12. Jan. 2025
Taufe des Herrn (C)
06. Jan. 2025
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
05. Jan. 2025
2. Sonntag nach Weihnachten (A/B/C)
01. Jan. 2025
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2024
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
29. Dez. 2024
Fest der hl. Familie (C)
26. Dez. 2024
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
22. Dez. 2024
4. Adventsonntag (C)
15. Dez. 2024
3. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
2. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
01. Dez. 2024
1. Adventsonntag (C)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Okt. 2024
29. Sonntag im Jahreskreis (B)
13. Okt. 2024
28. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Okt. 2024
27. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Sep. 2024
26. Sonntag im Jahreskreis (B)
22. Sep. 2024
25. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Sep. 2024
24. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Sep. 2024
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
08. Sep. 2024
8. September: Mariä Geburt (Fest)
08. Sep. 2024
23. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
22. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
Erntedank - Schöpfungszeit (Sonst.)
25. Aug. 2024
21. Sonntag im Jahreskreis (B)
18. Aug. 2024
20. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Aug. 2024
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
11. Aug. 2024
19. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Aug. 2024
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
04. Aug. 2024
18. Sonntag im Jahreskreis (B)
28. Jul. 2024
17. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jul. 2024
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
21. Jul. 2024
16. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jul. 2024
15. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jul. 2024
14. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Jun. 2024
13. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Jun. 2024
29. Juni: hl. Petrus und Paulus (Fest)
27. Jun. 2024
27. Juni: Fest der Mutter von der Immerw. Hilfe (Fest)
24. Jun. 2024
24. Juni: hl. Johannes des Täufers (Fest)
23. Jun. 2024
12. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Jun. 2024
20. Juni: Weltflüchtlingstag (Sonst.)
16. Jun. 2024
11. Sonntag im Jahreskreis (B)
09. Jun. 2024
10. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jun. 2024
Heiligstes Herz Jesu (B)
02. Jun. 2024
9. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Mai. 2024
Fronleichnam (B)
26. Mai. 2024
Dreifaltigkeitssonntag (B)
20. Mai. 2024
Pfingstmontag - Maria, Mutter der Kirche (B)
19. Mai. 2024
Pfingstsonntag (A/B/C)
18. Mai. 2024
Pfingsten, am Vorabend (A/B/C)
12. Mai. 2024
7. Sonntag der Osterzeit (B)
09. Mai. 2024
Christi Himmelfahrt (B)
06. Mai. 2024
Bitttage (A/B/C)
05. Mai. 2024
6. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Mai. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
30. Apr. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
28. Apr. 2024
5. Sonntag der Osterzeit (B)
21. Apr. 2024
4. Sonntag der Osterzeit (B)
14. Apr. 2024
3. Sonntag der Osterzeit (B)
08. Apr. 2024
25. März: Verkündigung des Herrn (Fest)
07. Apr. 2024
2. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Apr. 2024
Ostermontag (A/B/C)
31. Mär. 2024
Ostersonntag (A/B/C)
30. Mär. 2024
Osternacht (B)
29. Mär. 2024
Karfreitag (A/B/C)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Jes 52,13 - 53,12
Lesung aus dem Buch Jesaja.
Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben,
er wird sich erheben
und erhaben und sehr hoch sein.
Wie sich viele über dich entsetzt haben -
so entstellt sah er aus,
nicht mehr wie ein Mensch,
seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen - ,
so wird er viele Nationen entsühnen,
Könige schließen vor ihm ihren Mund.
Denn was man ihnen noch nie erzählt hat,
das sehen sie nun;
was sie niemals hörten,
das erfahren sie jetzt.
Wer hat geglaubt, was wir gehört haben?
Der Arm des HERRN - wem wurde er offenbar?
Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross,
wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden.
Er hatte keine schöne und edle Gestalt,
sodass wir ihn anschauen mochten.
Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm.
Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden,
ein Mann voller Schmerzen,
mit Krankheit vertraut.
Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt,
war er verachtet;
wir schätzten ihn nicht.
Aber er hat unsere Krankheit getragen
und unsere Schmerzen auf sich geladen.
Wir meinten, er sei von Gott geschlagen,
von ihm getroffen und gebeugt.
Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen,
wegen unserer Sünden zermalmt.
Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm,
durch seine Wunden sind wir geheilt.
Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe,
jeder ging für sich seinen Weg.
Doch der HERR ließ auf ihn treffen
die Schuld von uns allen.
Er wurde bedrängt und misshandelt,
aber er tat seinen Mund nicht auf.
Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt,
und wie ein Schaf vor seinen Scherern verstummt,
so tat auch er seinen Mund nicht auf.
Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft,
doch wen kümmerte sein Geschick?
Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten
und wegen der Vergehen meines Volkes zu Tode getroffen.
Bei den Frevlern gab man ihm sein Grab
und bei den Reichen seine Ruhestätte, '
obwohl er kein Unrecht getan hat
und kein trügerisches Wort in seinem Mund war.
Doch der HERR hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten.
Wenn du, Gott, sein Leben als Schuldopfer einsetzt,
wird er Nachkommen sehen und lange leben.
Was dem HERRN gefällt, wird durch seine Hand gelingen.
Nachdem er vieles ertrug,
erblickt er das Licht.
Er sättigt sich an Erkenntnis.
Mein Knecht, der gerechte,
macht die Vielen gerecht;
er lädt ihre Schuld auf sich.
Deshalb gebe ich ihm Anteil unter den Großen
und mit Mächtigen teilt er die Beute,
weil er sein Leben dem Tod preisgab
und sich unter die Abtrünnigen rechnen ließ.
Er hob die Sünden der Vielen auf
und trat für die Abtrünnigen ein.
Das 4. Knecht-Gottes-Lied, das von Deuterojesaja überliefert wird, stellt eine Figur vor, die sich historischen Zuordnungen entzieht. Mitten im Exil, dass das Volk Gottes in Babylon erleidet und durchsteht, wird der Knecht Gottes vorgestellt: Seine Gestalt ist von Leiden gezeichnet, aber es ist fremdes Leiden, das er – stellvertretend – auf sich nimmt. „Unsere Sünden“ sind es, die er trägt. In diesem Lied wird auch der Ungehorsam des Volkes Gottes auf dem zerschundenen Körper des Knechtes sichtbar gemacht. Nur: wer ihn sieht, erschrickt vor ihm, wendet sich angewidert und hilflos ab – sieht selbst aber nicht, welche Rolle er in dieser Geschichte spielt. In diesem Lied verlieren die Augen ihre Unschuld. Sie, die die Welt an Schönheit und Erfolg messen, werden einer Schuld ansichtig, in die Menschen tief verwickelt sind.
Aber das Lied weiß auch von einer großen Zuversicht: Jahwe findet Gefallen an seinem Knecht, macht ihn groß und rettet ihn. Von ihm heißt es: „Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht.“ Nicht nur das Leiden, sondern auch die Auferstehung (wie wir übersetzen dürfen) ist bei ihm stellvertretend zu erblicken.
Einer der ältesten Hymnen greift die Linien, die im 4. Knecht-Gottes-Lied auf vielfältige Weise verwoben sind, auf: Es ist der Christus-Hymnus, den Paulus in seinem Brief an die Gemeinde zu Philippi überliefert (2:5 ff.). Wenn auch der Knecht Gottes, der im Buch des 2. Jesaja Israel neu zu seiner Berufung verhilft, für uns nicht fassbar ist, so bekommt er doch in Jesus und seinem Geschick ein Gesicht:
Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen.
Der erste Vers der alttestamentlichen Lesung stellt einen neuen Einsatz mit der Gottesrede und der Aufforderung zum Sehen dar. Jahwe lenkt den Blick auf seinen Knecht. Dazwischengeschoben ist der Bericht eines anderen über das Leiden jenes Knechtes. Die Gottesrede selbst setzt mit "Mein Knecht" wieder ein. Eingerahmt von der Zusage Gottes werden die Verachtung und die Schmerzen des Gottesknechtes breit entfaltet. Dann macht sich ein Wechsel in der Darstellungsweise bemerkbar: Weg von der Vordergründigkeit werden nun die Hintergründe des Leidens durchschaut: Aus dem blossen "Meinen" wird die Gewissheit "Für uns": wegen unserer Krankheit und unserer Schmerzen, wegen unserer Sünden, zu unserem Heil, die Schuld von uns. Dann wird betont, dass der Gottesknecht all das Leid zu dem wortlos auf sich genommen hat. Seine Gefühle, sein Leid spielen keine Rolle. Es geht allein darum, den Plan Gottes zu erfüllen. Die Zwischenrede findet sein Ende in der Gewissheit, dass dieser getreue Knecht seinen Lohn erhalten wird. Zusammengefasst: Von der Vordergründigkeit der Oberflächlichkeit des Betrachters durch das Hintergründige des Warum auf die Verheißung einer licht- und heilvollen Zukunft.
Als alttestamentliche Lesung des Karfreitagsgottesdienstes ist das sog. vierte Lied vom Gottesknecht aus dem Jesaja-Buch vorgesehen. Die vier Gottesknechtslieder dürfte der Verfasser des zweiten Teiles des Jesajabuches bereits als zusammengehörige Überlieferungseinheit vorgefunden und an vier Stellen in sein Werk eingefügt haben. Als Verfasser des zweiten Teiles des Jesajabuches wird ein Schüler des "ersten" Jesaja in Betracht gezogen. Er lebte vermutlich im babylonischen Exil und suchte in seinen prohetischen Texten dem Volk in der Gefangenschaft Hoffnung zu geben.
Ähnlich unklar wie die Person des "zweiten" Jesaja ist die Gestalt des Gottesknechtes, von dem die vier Gesänge erzählen. Ist mit dem Gottesknecht das in der Verbannung lebende Volk Israel selbst gemeint? Ist es der zweite Jesaja selbst? In diesem Falle hätten seine Jünger den vierten Gesang verfaßt. Dies läßt sich heute nicht mehr feststellen.
Ebenso interessant wie die Person des Gottesknechtes ist die Theologie, die in diesen Liedern, vor allem im vierten dargeboten wird. Das Lied erzählt von einem Knecht, der im Ansehen der Menschen so weit abgesunken und erniedrigt ist, daß er als verachtet und auch von Gott verlassen gelten mußte. Seine Krankheit, seine Schmerzen, sein schlechtes Aussehen konnten damals nur als von Gott Verlassensein und als Strafe Gottes verstanden werden.
Doch da kommt die Wende: Er hat die Erniedrigung nicht als Strafe für seine eigene Schuld erlitten, sondern er hat "unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen". Sein Leiden ist nicht als Strafe zu betrachten sondern als Sühne für die Schuld anderer, für unsere Schuld. Sein Leiden wird geschildert in der Art, wie in den Klagepsalmen Leidende ihr unverdientes und Unverstandenes Leid vor Gott zur Sprache bringen.
Die zweite überraschende Wende setzt ein, wenn gesagt wird: Der geschlagene Knecht findet Gefallen bei Gott. Sein Leben wird durch Nachkommenschaft und lange Dauer gesegnet.
Die Gottesknechtslieder dienten den Christen der ersten Generation als Verstehenshilfe für das unverstehbare Schicksal Jesu. Sie sahen in ihm den Gottesknecht, der trotz aller Redlichkeit die Schmach des Verbrechertodes zu erleiden hatte. Sie verstehen sein Leiden als Sühneleiden und als Weg zur Erhöhung durch Gott.
Antwortpsalm - Ps 31,2. 6. 12-13. 15-17. 25
Kv: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. - Kv
(GL 308,1)
HERR, bei dir habe ich mich geborgen. /
Lass mich nicht zuschanden werden in Ewigkeit;
rette mich in deiner Gerechtigkeit!
In deine Hand lege ich voll Vertrauen meinen Geist;
du hast mich erlöst, HERR, du Gott der Treue. - Kv
Vor all meinen Bedrängern wurde ich zum Spott, /
zum Spott sogar für meine Nachbarn.
Meinen Freunden wurde ich zum Schrecken,
wer mich auf der Straße sieht, der flieht vor mir.
Ich bin dem Gedächtnis entschwunden wie ein Toter,
bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäß.- Kv
Ich aber, HERR, ich habe dir vertraut,
ich habe gesagt: Mein Gott bist du.
In deiner Hand steht meine Zeit;
entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger! - Kv
Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht,
hilf mir in deiner Huld!
Euer Herz sei stark und unverzagt,
ihr alle, die ihr den HERRN erwartet.- Kv
2. Lesung - Hebr 4,14-16. 5,7-9
Lesung aus dem Hebräerbrief.
Schwestern und Brüder!
Da wir nun einen erhabenen Hohepriester haben,
der die Himmel durchschritten hat,
Jesus, den Sohn Gottes,
lasst uns an dem Bekenntnis festhalten.
Wir haben ja nicht einen Hohepriester,
der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen,
sondern einen, der in allem wie wir
versucht worden ist,
aber nicht gesündigt hat.
Lasst uns also voll Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade,
damit wir Erbarmen und Gnade finden
und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit!
Christus hat in den Tagen seines irdischen Lebens
mit lautem Schreien und unter Tränen
Gebete und Bitten vor den gebracht,
der ihn aus dem Tod retten konnte,
und er ist erhört worden aufgrund seiner Gottesfurcht.
Obwohl er der Sohn war,
hat er durch das, was er gelitten hat, den Gehorsam gelernt;
zur Vollendung gelangt,
ist er für alle, die ihm gehorchen,
der Urheber des ewigen Heils geworden.
Manfred Wussow (2006)
Gabi Ceric (1999)
Hans Hütter (1998)
Der Hebräerbrief deutet das Leben Jesu in den Bildern und der Sprache jüdischer Überlieferungen: Durchschritt der Hohepriester den Tempel, um am Versöhnungstag allein das Allerheiligste zu betreten, wird Jesus hier vorgestellt als der, der den Himmel durchschritten hat. Er ist hier zu Hause. Für den Hebräerbrief folgt daraus, an dem Bekenntnis festzuhalten: Er ist der Sohn Gottes.
Der Gedankengang, der im Himmel beginnt, nähert sich menschlichen Erfahrungen. Von Schwachheiten ist die Rede und von der Versuchung. Ohne sie zu spezifizieren oder konkretisieren, wird der Hohepriester – Jesus – als der vor Augen gestellt, der „mitfühlen“ oder, eine andere Übersetzung, „mitleiden“ kann. Nur: gesündigt hat er nicht. Der Hebräerbrief setzt die Geschichten voraus, die in den Evangelien erzählt werden. Da ist von der vertrauten Nähe Jesu zu Menschen die Rede, aber auch von seiner Stellung und Würde. Im Hebräerbrief formuliert: ohne Sünde.
Eine Szene, die zur Leidensgeschichte Jesu gehört, wird im Hebräerbrief besonders herausgehoben: Der sog. Gebetskampf Jesu in Gethsemane. Mit „lautem Schreien und unter Tränen“ hat Jesus mit seinem Vater gerungen. Aber was in der synoptischen Überlieferung zu dem Ja Jesu führt, den Kelch zu trinken, ist im Hebräerbrief zu dem Ja Gottes geworden, ihn aus seiner Angst zu befreien. Schon innerhalb der neutestamentlichen Überlieferung hat die Gethsemane-Erfahrung Jesu vielfältige Aneignungen hervorgebracht. Nach dem Hebräerbrief ist die Bitte Jesu, dass der Kelch an ihm vorübergehen möge, in der Auferstehung in Erfüllung gegangen.
Am Schluss ist es fast eine Kurzformel, die das Leben Jesu zusammenfasst: Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden.
Zu beachten ist: Jesus und die Seinen sind im Gehorsam miteinander verbunden.
In dieser Lesung vernehmen wir, dass Jesus, der Sohn Gottes, unser Hoherpriester ist. Damit trägt Jesus Christus einen Titel, der im weiteren entfaltet wird. Nicht nur "Kyrios", "Christus", sondern auch "Hoherpriester". Der Verfasser stellt Jesus Christus damit in die Reihe der Hohenpriester vor ihm, vor allem Aaron, dessen Amtseinsetzung zitiert wird. Während die Propheten jeweils von Gott berufen werden, wird die Würde des Hohenpriesters innerhalb der Familie weitergegeben. Dieses Spezifikum lässt uns aufhorchen, denn es verweist uns auf den Ursprung Jesu: Er ist Sohn Gottes. Dadurch wird Christus zum erhabendsten aller Hohenpriester – zugleich aber auch einer, der sich von den Menschen und seiner Gemeinde nicht entfernt, sondern den Menschen gleichgeworden ist. Diese Nähe ist Grund zum Bekenntnis und zur Zuversicht.
Die zweite Lesung des Karfreitags ist dem Hebräerbrief entnommen und möchte das unfaßbare Leiden Jesu theologisch deuten.
Der Hebräerbrief entstand in einem Umfeld, das zutiefst mit der jüdischen Schrifttradiotion und dem jüdischen Tempelkult verbunden war und daraus lebte. Mit den Mitteln der überlieferten jüdischen Theologie versucht der Verfasser, das Christusereignis zu verstehen und in Worte zu fassen. Dabei ist er fest überzeugt, daß die jüdische Tradition in Jesus Christus ihr Ziel gefunden hat.
Der Jerusalemer Tempelkult verstand sich als irdisches Abbild des realen Kultes vor dem Thron Gottes im Himmel. Die Rolle, die der Hohepriester im Tempelkult wahrnahm, nimmt in Wirklichkeit Jesus Christus im Himmel wahr. Für den Verfasser des Hebräerbriefes ist Jesus Christus der Hohepriester, der die Himmel durchschritten hat und zugleich unter Schreien und Tränen menschliche Existenz erfahren hat. Er ist Gott und Mensch zugleich. Wie der irdische Hohepriester die Gebete und Bitten des Volkes stellvertretend vor Gott bringt, bringt sie Christus im Himmel vor den Thron Gottes. Dies ist Anlaß, am Bekenntnis, daß Jesus der Sohn Gottes ist, festzuhalten und sich ihm in Gehorsam unterzuordnen.
Ruf vor der Leidensgeschichte - Phil 2,8b-9
Herr Jesus, dir sei Ruhm und Ehre! - Kv
Christus war für uns gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott erhöht
und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen.
Herr Jesus, dir sei Ruhm und Ehre!
Leidensgeschichte - Joh 18,1 - 19,42
Das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus nach Johannes.
Die Verhaftung Jesu
E Jesus ging mit seinen Jüngern hinaus,
auf die andere Seite des Baches Kidron.
Dort war ein Garten;
in den ging er mit seinen Jüngern hinein.
Auch Judas, der ihn auslieferte, kannte den Ort,
weil Jesus dort oft
mit seinen Jüngern zusammengekommen war.
Judas holte die Soldaten
und die Gerichtsdiener der Hohepriester und der Pharisäer
und kam dorthin mit Fackeln, Laternen und Waffen.
Jesus, der alles wusste,
was mit ihm geschehen sollte,
ging hinaus
und fragte sie:
+ Wen sucht ihr?
E Sie antworteten ihm:
S Jesus von Nazaret.
E Er sagte zu ihnen:
+ Ich bin es.
E Auch Judas, der ihn auslieferte, stand bei ihnen.
Als er zu ihnen sagte: Ich bin es!,
wichen sie zurück und stürzten zu Boden.
Er fragte sie noch einmal:
+ Wen sucht ihr?
E Sie sagten:
S Jesus von Nazaret.
E Jesus antwortete:
+ Ich habe euch gesagt, dass ich es bin.
Wenn ihr also mich sucht,
dann lasst diese gehen!
E So sollte sich das Wort erfüllen, das er gesagt hatte:
Ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast.
Simon Petrus, der ein Schwert bei sich hatte, zog es,
traf damit den Diener des Hohepriesters
und hieb ihm das rechte Ohr ab;
der Diener aber hieß Malchus.
Da sagte Jesus zu Petrus:
+ Steck das Schwert in die Scheide!
Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat -
soll ich ihn nicht trinken?
Jesus vor Hannas
E Die Soldaten,
der Hauptmann
und die Gerichtsdiener der Juden nahmen Jesus fest,
fesselten ihn
und führten ihn zuerst zu Hannas;
er war nämlich der Schwiegervater des Kajaphas,
der in jenem Jahr Hohepriester war.
Kajaphas aber war es, der den Juden den Rat gegeben hatte:
S Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das Volk stirbt.
E Simon Petrus und ein anderer Jünger folgten Jesus.
Dieser Jünger war mit dem Hohepriester bekannt
und ging mit Jesus in den Hof des Hohepriesters.
Petrus aber blieb draußen am Tor stehen.
Da kam der andere Jünger,
der Bekannte des Hohepriesters, heraus;
er sprach mit der Pförtnerin und führte Petrus hinein.
Da sagte die Pförtnerin zu Petrus:
S Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen?
E Er sagte:
Ich bin es nicht.
E Die Knechte und die Diener
hatten sich ein Kohlenfeuer angezündet
und standen dabei, um sich zu wärmen;
denn es war kalt.
Auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich.
E Der Hohepriester
befragte Jesus über seine Jünger und über seine Lehre.
Jesus antwortete ihm:
+ Ich habe offen vor aller Welt gesprochen.
Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt,
wo alle Juden zusammenkommen.
Nichts habe ich im Geheimen gesprochen.
Warum fragst du mich?
Frag doch die, die gehört haben,
was ich zu ihnen gesagt habe;
siehe, sie wissen, was ich geredet habe.
E Als er dies sagte,
schlug einer von den Dienern, der dabeistand, Jesus ins Gesicht
und sagte:
S Antwortest du so dem Hohepriester?
E Jesus entgegnete ihm:
+ Wenn es nicht recht war, was ich gesagt habe,
dann weise es nach;
wenn es aber recht war,
warum schlägst du mich?
E Da schickte ihn Hannas
gefesselt zum Hohepriester Kajaphas.
Simon Petrus aber stand da und wärmte sich.
Da sagten sie zu ihm:
S Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern?
E Er leugnete und sagte:
S Ich bin es nicht.
E Einer von den Knechten des Hohepriesters,
ein Verwandter dessen,
dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sagte:
S Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen?
E Wieder leugnete Petrus
und gleich darauf krähte ein Hahn.
Jesus vor Pilatus
E Von Kajaphas brachten sie Jesus zum Prätorium;
es war früh am Morgen.
Sie selbst gingen nicht in das Gebäude hinein,
um nicht unrein zu werden,
sondern das Paschalamm essen zu können.
Deshalb kam Pilatus zu ihnen heraus
und fragte:
S Welche Anklage erhebt ihr gegen diesen Menschen?
E Sie antworteten ihm:
S Wenn er kein Übeltäter wäre,
hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert.
E Pilatus sagte zu ihnen:
S Nehmt ihr ihn doch
und richtet ihn nach eurem Gesetz!
E Die Juden antworteten ihm:
S Uns ist es nicht gestattet, jemanden hinzurichten.
E So sollte sich das Wort Jesu erfüllen,
mit dem er angedeutet hatte, welchen Tod er sterben werde.
E Da ging Pilatus wieder in das Prätorium hinein,
ließ Jesus rufen
und fragte ihn:
S Bist du der König der Juden?
E Jesus antwortete:
+ Sagst du das von dir aus
oder haben es dir andere über mich gesagt?
E Pilatus entgegnete:
S Bin ich denn ein Jude?
Dein Volk und die Hohepriester
haben dich an mich ausgeliefert.
Was hast du getan?
E Jesus antwortete:
+ Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.
Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre,
würden meine Leute kämpfen,
damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde.
Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.
E Da sagte Pilatus zu ihm:
S Also bist du doch ein König?
E Jesus antwortete:
+ Du sagst es,
ich bin ein König.
Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen,
dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
Jeder, der aus der Wahrheit ist,
hört auf meine Stimme.
E Pilatus sagte zu ihm:
S Was ist Wahrheit?
E Nachdem er das gesagt hatte,
ging er wieder zu den Juden hinaus
und sagte zu ihnen:
S Ich finde keine Schuld an ihm.
Ihr seid aber gewohnt,
dass ich euch zum Paschafest einen freilasse.
Wollt ihr also, dass ich euch den König der Juden freilasse?
E Da schrien sie wieder:
Nicht diesen, sondern Barabbas!
E Barabbas aber war ein Räuber.
E Darauf nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln.
Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen;
den setzten sie ihm auf das Haupt
und legten ihm einen purpurroten Mantel um.
Sie traten an ihn heran und sagten:
S Sei gegrüßt, König der Juden!
E Und sie schlugen ihm ins Gesicht.
E Pilatus ging wieder hinaus
und sagte zu ihnen:
S Seht, ich bringe ihn zu euch heraus;
ihr sollt wissen,
dass ich keine Schuld an ihm finde.
E Jesus kam heraus;
er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel.
Pilatus sagte zu ihnen:
S Seht, der Mensch!
E Als die Hohepriester und die Diener ihn sahen,
schrien sie:
S Kreuzige ihn,
kreuzige ihn!
E Pilatus sagte zu ihnen:
S Nehmt ihr ihn und kreuzigt ihn!
Denn ich finde keine Schuld an ihm.
E Die Juden entgegneten ihm:
S Wir haben ein Gesetz
und nach dem Gesetz muss er sterben,
weil er sich zum Sohn Gottes gemacht hat.
E Als Pilatus das hörte,
fürchtete er sich noch mehr.
Er ging wieder in das Prätorium hinein
und fragte Jesus:
S Woher bist du?
E Jesus aber gab ihm keine Antwort.
Da sagte Pilatus zu ihm:
S Du sprichst nicht mit mir?
Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen,
und Macht, dich zu kreuzigen?
E Jesus antwortete ihm:
+ Du hättest keine Macht über mich,
wenn es dir nicht von oben gegeben wäre;
darum hat auch der eine größere Sünde,
der mich dir ausgeliefert hat.
E Daraufhin wollte Pilatus ihn freilassen,
aber die Juden schrien:
S Wenn du diesen freilässt, bist du kein Freund des Kaisers;
jeder, der sich zum König macht,
lehnt sich gegen den Kaiser auf.
E Auf diese Worte hin ließ Pilatus Jesus herausführen
und er setzte sich auf den Richterstuhl
an dem Platz, der Lithostrotos,
auf Hebräisch Gabbata, heißt.
Es war Rüsttag des Paschafestes,
ungefähr die sechste Stunde.
Pilatus sagte zu den Juden:
S Seht, euer König!
E Sie aber schrien:
S Hinweg, hinweg,
kreuzige ihn!
E Pilatus sagte zu ihnen:
S Euren König soll ich kreuzigen?
E Die Hohepriester antworteten:
S Wir haben keinen König außer dem Kaiser.
E Da lieferte er ihnen Jesus aus,
damit er gekreuzigt würde.
Kreuzigung, Tod und Begräbnis Jesu
E Sie übernahmen Jesus.
Und er selbst trug das Kreuz
und ging hinaus zur sogenannten Schädelstätte,
die auf Hebräisch Golgota heißt.
Dort kreuzigten sie ihn
und mit ihm zwei andere,
auf jeder Seite einen,
in der Mitte aber Jesus.
E Pilatus ließ auch eine Tafel anfertigen
und oben am Kreuz befestigen;
die Inschrift lautete:
Jesus von Nazaret,
der König der Juden.
Diese Tafel lasen viele Juden,
weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde,
nahe bei der Stadt lag.
Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst.
Da sagten die Hohepriester der Juden zu Pilatus:
S Schreib nicht: Der König der Juden,
sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden.
E Pilatus antwortete:
S Was ich geschrieben habe,
habe ich geschrieben.
E Nachdem die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten,
nahmen sie seine Kleider
und machten vier Teile daraus,
für jeden Soldaten einen Teil,
und dazu das Untergewand.
Das Untergewand war aber ohne Naht von oben ganz durchgewoben.
Da sagten sie zueinander:
S Wir wollen es nicht zerteilen,
sondern darum losen, wem es gehören soll.
E So sollte sich das Schriftwort erfüllen:
Sie verteilten meine Kleider unter sich
und warfen das Los um mein Gewand.
Dies taten die Soldaten.
E Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter
und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas,
und Maria von Magdala.
Als Jesus die Mutter sah
und bei ihr den Jünger, den er liebte,
sagte er zur Mutter:
+ Frau, siehe, dein Sohn!
E Dann sagte er zu dem Jünger:
+ Siehe, deine Mutter!
E Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
(Hier stehen alle auf.)
E Danach, da Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war,
sagte er, damit sich die Schrift erfüllte:
+ Mich dürstet.
E Ein Gefäß voll Essig stand da.
Sie steckten einen Schwamm voll Essig auf einen Ysopzweig
und hielten ihn an seinen Mund.
Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er:
+ Es ist vollbracht!
E Und er neigte das Haupt
und übergab den Geist.
(Hier knieen alle zu einer kurzen Gbetsstille nieder.)
E Weil Rüsttag war
und die Körper während des Sabbats
nicht am Kreuz bleiben sollten
- dieser Sabbat war nämlich ein großer Feiertag - ,
baten die Juden Pilatus,
man möge ihnen die Beine zerschlagen
und sie dann abnehmen.
Also kamen die Soldaten
und zerschlugen dem ersten die Beine,
dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt worden war.
Als sie aber zu Jesus kamen
und sahen, dass er schon tot war,
zerschlugen sie ihm die Beine nicht,
sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite
und sogleich floss Blut und Wasser heraus.
Und der es gesehen hat, hat es bezeugt
und sein Zeugnis ist wahr.
Und er weiß, dass er Wahres sagt,
damit auch ihr glaubt.
Denn das ist geschehen,
damit sich das Schriftwort erfüllte:
Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen.
Und ein anderes Schriftwort sagt:
Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben.
E Josef aus Arimathäa war ein Jünger Jesu,
aber aus Furcht vor den Juden nur im Verborgenen.
Er bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen,
und Pilatus erlaubte es.
Also kam er und nahm den Leichnam ab.
E Es kam auch Nikodemus,
der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte.
Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe,
etwa hundert Pfund.
Sie nahmen den Leichnam Jesu
und umwickelten ihn mit Leinenbinden,
zusammen mit den wohlriechenden Salben,
wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist.
E An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten
und in dem Garten war ein neues Grab,
in dem noch niemand bestattet worden war.
Wegen des Rüsttages der Juden
und weil das Grab in der Nähe lag,
setzten sie Jesus dort bei.
Manfred Wussow (2006)
Hans Hütter (1998)
Die Passionsgeschichte, die am Karfreitag vorgetragen wird, ist dem Johannes-Evangelium entnommen. Es ist eine dramatische Geschichte mit vielen Auseinandersetzungen, Dialogen und Perspektivwechseln.
Schlüsselszenen sind:
Die Gefangennahme Jesu
Das Verhör vor dem Hohen Rat
Die Verleugnung des Petrus
Die Verhandlung vor Pilatus
Geißelung und Verspottung
Das Todesurteil
die Kreuzigung und Jesu Tod
Die Grablegung.
Schon bei der Gefangennahme, aber besonders in der Verhandlung vor Pilatus, ist Jesus der Herr, der das letzte Wort hat: Er lässt sich gefangen nehmen, verhören und verurteilen. Menschen sind zwar Akteure in dieser Geschichte, haben aber – im wahrsten Sinn dieses Wortes – „nichts“ zu sagen. Vor den religiösen und politischen Instanzen, die über Tod und Leben befinden, klärt sich der Wahrheitsanspruch Jesu. Es wird alles darauf ankommen, die Geschichte so vorzutragen, dass die Linien scharf hervortreten.
Am Beispiel des Petrus wird in der Passionsgeschichte, wie sie Johannes überliefert, Gewalt einerseits (18,10 f.) und Versagen andererseits (18,15-18) zusammen gesehen: Der mit dem Schwert kämpfen will, verliert mit seinem Mund. Wenn davon zu reden ist, das Petrus Jesus verleugnet, ist auch davon zu reden, wie denn die Wahrheit Jesu bezeugt werden kann.
Auf eine Wunde, die die Passionsgeschichte besonders in der johanneischen Fassung geschlagen hat, ist behutsam zu achten: Die Juden erscheinen in dieser Geschichte als die, die die Hauptschuld an Jesu Tod haben. Pilatus wird von ihnen seiner Karriere geopfert und vereinnahmt. Aber eine antijudaistische Interpretation des Evangeliums, bedauerlicherweise über lange Strecken der Auslegungsgeschichte geübt, wird dem Anspruch Jesu nicht gerecht, Herr des Verfahrens zu sein. Die Juden stehen hier stellvertretend für die Menschen, die sich der Wahrheit Jesu verschließen. Der schärfste Widerspruch wird von Jesus vor Pilatus formuliert: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Dieses Wort wird von Jesus ausgelegt: Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.
Was dieses „Hören“ angeht: Besonders in den Ich-bin-Worten Jesu ist festgehalten, wer er in Wahrheit ist: Brot, Weg, Tür, Licht, Leben usw. Und immer ausschließlich: DAS Brot, DER Weg, DIE Tür. Diese Ich-bin-Worte Jesu sind der rote Faden, der das Johannes-Evangelium durchzieht. Schon im Prolog heißt es: In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat´s nicht ergriffen (1,4 f.).
In der Karfreitagsliturgie wird die Leidensgeschichte nach dem Evangelisten Johannes vorgetragen. Dieser griff auf eine von den anderen Evangelisten unabhängige Überlieferung zurück, setzte jedoch eigene theologische Akzente. Ihm geht es um mehr als die historische Beschreibung der Vorgänge um den Tod Jesu.
So beschreibt Johannes nicht wie seine Evangelistenkollegen, wie schwer es Jesus fiel, sich in das einzufügen, was auf ihn zukam. Er, "der alles wußte, was mit ihm geschehen sollte", tritt selbstbewußt und überlegen den Soldaten und Dienern der Hohenpriester gegenüber und läßt sich festnehmen. Er ist der Sohn Gottes, der den Weg durch das Leiden hindurch zur Erhöhung und Verherrlichung geht.
Im Verhör durch Hannas und Pilatus führt der Evangelist Johannes aus, was er bereits im Prolog zu seinem Evangelium hervorkehrt: "Das wahre Licht kam in die Welt [...] aber die Welt erkannt ihn nicht"; und "Er kam in sein Eigentum, aber die seinen nahmen ihn nicht auf". Im Prozeß Jesu ist dem Evangelisten wichtig, zu zeigen, daß Jesus der wahre "König der Juden" ist, von seinem Volk jedoch nicht als der Messias erkannt wird. Sie stellen ihn vor das staatliche Gericht. Pilatus ist zu feige, um der Wahrheit Rechnung zu tragen. Er läßt Jesus hinrichten, obwohl er erkannt hat, daß Jesus keinen politischen Anspruch stellt.
Ein anderes Motiv, das die Passion des Johannes durchzieht, ist das des wahren Paschalammes. Johannes legt den Zeitablauf im Gegensatz zu den anderen drei Evangelien so fest, daß Jesus zu der Zeit am Kreuz stirbt, als im Tempel die Paschalämmer geschlachtet werden. Er ist das wahre Paschalamm, das für uns geschlachtet wurde... Er betont, daß ihm die Beine nicht zerschlagen wurden und daß seine Seite mit einer Lanze geöffnet wurde, sodaß Blut und Wasser daraus flossen. In den Bestimmungen für die Paschafeier (Ex 12:46) heißt es, daß dem Lamm kein Bein zerbrochen werden dürfe. Das Blut des Paschalammes schützte in Ägypten die Häuser der Israeliten vor dem Würgengel, der die Erstgeborenen der Ägypter schlug.
Johannes beton auf Schritt und Tritt, wie souverän Jesus das Todesleiden durchgegangen ist. In allem sollte sich die Schrift erfüllen. Vom Kreuz aus vertraut er seine Mutter dem Jünger, den er liebte an, und diesen ihr. Mit den Worten "Es ist vollbracht!" neigt er sein Haupt und gibt er seinen Geist auf.
Durch Leiden Gehorsam lernen
Liebe erträgt Leiden
„Ich mag dich leiden!“ oder "Ich kann dich gut leiden", sagen wir zu Menschen, die wir mögen, die wir lieben, in deren Nähe wir gerne sind, mit denen wir gerne zusammen sind. Es sind Menschen, an die wir gerne denken. Wir freuen uns, wenn wir sie sehen. Wir sind rundherum glücklich, diese Menschen zu kennen. Dabei können wir oft uns nicht erklären, warum wir gerade diese Menschen "gut leiden" können, andere nicht. Wie passt denn bei all diesen Beschreibungen das Wort „leiden?“
Wenn ich einen Menschen wirklich liebe, dann bin ich bereit, mit diesem Menschen zu leiden. Dann bin ich bereit, auch an dem zu leiden, wo dieser Mensch schwach ist. Es gibt keine Liebe zwischen Menschen, in der Menschen einander nicht auch verletzen, in der es keine Leiden gibt. Gerade dann, wenn ich einen Menschen gerne habe, empfinde ich Kränkungen besonders schlimm, trifft mich ein böses Wort härter, als bei Menschen, die mir weniger nahestehen. Wenn jemand, den ich liebe, leidet, dann leide ich um so mehr mit, dann wünsche ich mir um so mehr, dass das Leiden beendet wird. In Freundschaften und Ehen, ja in guten Beziehungen gibt es Phasen und Stunden der Enttäuschungen und des Leidens. Eine „Liebe ohne Leiden“ wie sie der Sänger Udo Jürgens im Duett mit seiner Tochter Jenny einmal gewünscht hat, gibt es nicht, so schön und fromm dieser Wunsch auch ist.
Jesus litt mit den Menschen, obwohl er Gott war
Wir feiern Karfreitag. Wir denken daran, dass das Leben von Jesus von Beginn an bis hin zu seinem Tode von Leiden, von Schmerzen und Trauer, bestimmt war. Auch nach seiner Auferstehung ist Jesus vor allem an seinen Wundmalen zu erkennen.
Es gibt eine Legende vom Heiligen Martin. Diesem sei in seinem Traum einmal der Satan in der Gestalt von Jesus Christus erschienen. Doch trug der Satan in Gestalt von Christus keine Wunden. Der Heilige Martin sagte zum Satan. „Du kannst nicht Christus sein, denn du trägst die Wundmale nicht an dir.“
Die Lesung aus dem Brief an die Hebräer stellt uns Jesus als Leidenden vor. Jesus kann mitfühlen mit unserer Schwäche. Wie wir erlebte er Versuchungen, Anfechtungen. Doch in allem blieb Jesus ohne Sünde. Jesus hat "mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor Gott gebracht" (Hebr 5,7). Durch Leiden hat er den Gehorsam gelernt. Jesus ist auf diese Weise der Urheber des Heils geworden. Das Leben von Jesus ist mit Leiden verbunden.
Jesus wurde nicht Mensch, um alles Leiden der Welt aufzuheben. Doch in allen Menschen, die leiden - sei es, dass Leiden selbst verschuldet ist, sei es, dass es auf jemanden zu kam - können wir Jesus begegnen. Wir fragen: „Wo ist Gott, wo ist Jesus bei all den Menschen, die leiden?“ Warum lässt Gott Kriege zu? Woher die Ungerechtigkeiten? Warum müssen Kinder sterben? Jede Antwort kann bestenfalls stammelnd ein Versuch sein, etwas zu erklären. Doch Jesus selbst hat das Leiden auf sich genommen. Jesus geht mit uns Menschen durch Leiden und Trauer, durch Schmerzen und Angst hindurch.
Er hat Verrat erlebt, er hat erlebt, wie er verspottet wird. Jesu musste leiden, weil die Wege Gottes oft andere Wege sind als die Wege der Menschen. Darum geht Jesus einen Weg, der von Liebe bestimmt ist, von der Absage an jede Gewalt. Jesus geht, wenn wir den Passionsbericht des Johannes betrachten, seinen Weg bewusst. Jesus leidet an die Menschen, die ihn verfolgen, die ihn dann auch schlussendlich umbringen. „Es ist vollbracht!“, hören wir in der Passion. Jesus hat das vollbracht, wozu er bestimmt war. Durch sein Sterben am Kreuz wurde Jesus „Urheber des ewigen Heils.“ (Hebr 5,9).
Am Leiden reifen
Jesus nahm dieses Leiden auf sich, weil er, weil Gott uns Menschen leiden kann. Gott liebt uns so tief liebt, dass er bereit ist, an unseren Schwächen, an unseren Sünden, die so oft seine Liebe und seine Gebote missachten, weil Gott bereit ist, an der Welt, die momentan so krank scheint, zu leiden. Gott ist da, wo Menschen ihr Leiden beklagen und bejammern. Einfach hinnehmen brauchen wir das Leiden nicht, weder das eigene noch das anderer Menschen. Es gilt, mitzufühlen, mitzuleiden. Wir können am Leiden, das uns widerfährt, zerbrechen. Wir können aber auch innerlich reifen. Wir können dankbarer werden für alles, was uns geschenkt wurde. Wir können entdecken, dass Gott uns Kraft gibt, Leiden zu tragen.
Ich bin mir bewusst, meine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leidens ist unvollkommen. Sind auch wir bereit darunter zu leiden, dass wir die Wege Gottes oft nicht verstehen? Lernen auch wir durch unser Leiden Gehorsam gegenüber Gott (Hebr 5,8).
Aus dem Hosianna wird ein Cruci figere
Ein Versuch, Gott zu verstehen
Wir stehen am Beginn der großen Heiligen Woche, dem Zentrum unseres Glaubens. Gott steigt durch seinen Sohn herab in diese Welt bis zum Tod, besonderer Beginn einer Erniedrigung. Die Menschen damals und heute spüren ihre Erlösungsbedürftigkeit. Sie haben Sehnsucht nach Erlösung. Das zeigt sich auch kulturell in den Passionsspielen. In der Cantate von Johann Sebastian Bach (1685-1750) hören wir in der schönen Melodie: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erden auferwecken.“ Der Mensch ist auf Transzendenz ausgerichtet.
Dieser Palmsonntag ist ein sehr eigenartiger Tag: Freude, Hoffnung, am Karfreitag aber: Cruci figere! (= Ans Kreuz mit ihm!). Die Stimmung der Menschen, vor allem der Massen ist immer sehr schwankend. Das können Sie besonders gut ablesen am beinahe jeder Woche veröffentlichen Umfrageergebnis der Politiker und ihrer Parteien. Erkenntnisprozesse sind sehr langwierig, bereiten vielen Menschen große Schwierigkeiten. Das zeigt bereits die erste Lesung. In diesem Gottesknechtlied geht es um das Verständnis der Heilsbotschaft. Das dauert sehr lange bis die Menschen etwas kapieren, zugegeben auch oft schwierig, besonders was den Auferstehungsglauben betrifft.
In der ersten Lesung (aus dem dritten Gottesknechtslied des Propheten Jesaja) geht es um das Verständnis der Heilsbotschaft. Von Schülern ist da die Rede. Eltern und Lehrer wissen viel von den Schwierigkeiten, den jungen Menschen etwas beizubringen. Das ist bei Erwachsenen oft nicht viel besser. Der Widerstand kann enorm sein. Israel leistet auch Widerstand, indem es sich von JHWH immer wieder abgewendet hat und stürzt so ins Chaos. Misstrauen, Opposition, Gleichgültigkeit sind im Menschen oft besser ausgeprägt als Vertrauen. Dem lernwilligen Gesandten, auch Israel und allen, die Vertrauen aufbauen, damals und heute, spricht Gott seine Heilsbotschaft zu.
Sein Leben war das eines Menschen
Das Leben zu dieser Zeit war emotionell sehr aufgeladen, besonders Volksmassen sind sehr wankelmütig. Das bekommt auch Jesus zu spüren. Er geht bis zum Äußersten. Das zeigt die zweite Lesung: „Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen.“ (Phil 2,7). Dass Jesus Gott und wahrer Mensch ist, haben erst die christologischen Konzilien des 4. Und 5. Jhdts. geklärt. Auch da gab es etlichen Widerstand. Jesus macht bis zu seinem Tod all das durch, was auch wir im Lauf unseres Lebens ertragen und aushalten müssen. Er hat das Leiden nie gewollt, sondern den Willen seines Vaters erfüllt. „Ich und der Vater sind eins“. (Joh 10,30).
Am Beginn des Evangeliums hören wir, dass Jesus einen Esel suchen lässt, also ein Lasttier, kein Pferd als Zeichen für Triumph. Gott will sich suchen und finden lassen, auch ein Lernprozess für uns, um den Weg der Erniedrigung zu gehen. Wie sieht dieser Weg aus? Die Menschen breiten Kleider aus, vielleicht, um den Weg zu schmücken oder etwas zu ebnen, sie reißen Zweige als Schmuck ab. Wahrscheinlich kennen Sie die Redewendung „Rosen auf den Weg streuen“, jemanden hofieren, unterstützen, bevorzugt behandeln, Rose als Blume besonderer Liebe. Vielleicht hatten die Menschen damals für die Begegnung keine Rosen zur Hand. Dann rufen sie „Hosianna!“, das heißt: So hilf doch!, angelehnt an Ps 118,25: „Ach Herr, gib doch Rettung, gib doch Gelingen.“ Rettung wovor? Damals vor den Römern oder geht es um etwas anderes? Mit Beginn des Leidensweges setzt Jesus zwei große Zeichen: Liebe und Freiheit für uns alle, aber ohne Gewalt. Es geht aber dann doch mit roher Gewalt zu: Jesus wird geschlagen, verspottet, ausgepeitscht. Aus dem Hosianna wird ein Cruci figere! Im alltäglichen Umgang miteinander erleben wir Ähnliches: Zuerst Vorschusslorbeeren, viel Lob und dann Intrigen, Mobbing, weg mit ihm oder mit ihr, weg vom verantwortungsvollen Posten, vom Arbeitsplatz, Ausgrenzung, Erniedrigung, Niedertracht.
Fassen wir zusammen: Aus dem Hosianna wird ein Cruci figere, Vorgänge, die bis heute auch medial sichtbar werden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in der Erkenntnis Gottes einen großen Schritt vorwärts machen, vor allem dann, wenn Sie sich Zeit nehmen, die Heilige Woche mitzufeiern
Kreuzesnachfolge
Leiden im Krieg und am Krieg
Der Karfreitag 2023 ist ein besonderer Karfreitag, an dem wir uns an den Tod Jesu Christi am Kreuz erinnern.
Über ein Jahr dauert nun schon dieser brutale Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Unzählige Menschen, Soldaten, aber auch unschuldige Zivilisten, Kinder und Frauen haben dabei ihr Leben verloren. Folter und grausame Verbrechen werden immer mehr aufgedeckt. Und kein Ende in Sicht. Immer mehr Waffen werden geliefert, auch von Deutschland. Für uns als Christen ist dies alles schwer zu ertragen. Waffen schmieden zu Pflugscharen… Wäre das eine Lösung? Kann man so einem Aggressor entgegentreten? Hat die Ukraine nicht das Recht auf Selbstverteidigung und Souveränität?
All diese Fragen und noch viel mehr gehen mir durch den Kopf gerade am Karfreitag, wo wir Christen an das Leiden und Sterben Jesu Christi denken. Und auch da stelle ich mir persönlich immer wieder die Frage: gab es keinen anderen Weg, uns Menschen von unserer Sünde und Schuld zu erlösen, als durch diesen brutalen Verbrechertod am Kreuz? Es gehört wohl zu Gottes Heilsplan, dass sein Sohn Jesus Christus dies alles erleiden musste. In seinem Leiden und Sterben ist Jesus Christus all den Menschen nahe, die Verfolgung, Folter und Ermordung erleiden. Das rechtfertigt keinesfalls die täglichen Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt. Aber auch diese menschlichen Leiden sind in dem Leiden Jesu enthalten. Gott hat seinen eigenen Sohn nicht geschont, nicht verschont. Dadurch ist Jesus besonders denen nahe, die unter Unrecht und Verfolgung leiden. Unsere Aufgabe als Christen ist es, dieses Unrecht immer wieder anzuklagen und uns für Recht und Gerechtigkeit einzusetzen.
Individuelles Leid
Neben diesem Leid auf der Welt, gibt es aber auch das individuelle Leid, wie ich es bezeichnen möchte. Ich kenne viele Menschen, die ein schweres Kreuz zu tragen haben. Menschen, die schwerkranke Angehörige zu Hause pflegen. Eltern, welche sich aufopferungsvoll um ein körperlich oder geistig behindertes Kind kümmern. Menschen, die sich in den Alten- und Pflegeheimen liebevoll um die Bewohner/innen kümmern, obwohl sie überlastet sind. Diese Aufzählung ließ sich beliebig fortsetzen. Menschen des Alltags, welche ihr eigenes Kreuz aber auch das Kreuz anderer Menschen täglich auf sich nehmen. Diese Menschen haben Jesu Wort: „wer mein Jünger sein will, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“, verstanden und leben es in ihrem Alltag.
Kreuzesnachfolge
Für mich als 70-jährigen Christ ist die Kreuzesnachfolge Bestandteil meines Lebens und meines christlichen Glaubens. Gerade an Karfreitag wird mir bewusst, dass Jesus diesen Weg durch Kreuz und Leid hindurch zur Auferstehung gegangen ist. Das gibt mir Mut und Kraft, meinen Lebensweg weiter zu gehen, auch in schweren Zeiten.
(c) Wilhelm Kraft, wilhelm-kraft@web.de
Gemeinsam unter dem Kreuz
Unaussprechliches Leid
Soeben sind wir den Leidensweg Jesu nachgegangen, so wie ihn der Evangelist Johannes aufgeschrieben hat. Auf dem Kreuzweg Jesu begegnen wir unaussprechlichem Leid. Dem Leid eines Unschuldigen, des Unschuldigen schlechthin: dem Leid des Gottessohnes.
Uns allen ist durch die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine in den letzten Wochen immer wieder Leid von Unschuldigen vor Augen geführt worden. Ich denke da vor allem an das Leid der Menschen in Mariopul, an die Flüchtenden, welche ihre Heimat verloren haben, aber auch an die jungen Soldaten, die nicht wussten, was man mit ihnen vorhatte.
Aber wir brauchen nicht weit zu gehen. Auch in unserer Pfarrei gibt es viele Beispiele von Leid, welches menschliches Verstehen übersteigt. Viele leben unter uns, die unter teils unheilbaren Krankheiten leiden. Manche von uns betrauern verstorbene Angehörige. Angesichts des Leides drohen viele zu verzweifeln. Und auch angesichts des Kreuzes kann man zu verzweifeln drohen.
Hilfsbereitschaft und Anteilnahme
Aber die Botschaft des Karfreitags ist nicht nur eine Botschaft des Leides. Es ist auch eine Botschaft, welche froh machen kann, wenn wir den Blick nach vorne richten: Ja, das Leid ist schrecklich. Aber durch Kreuz und Leiden Jesu Christi sind wir nicht verloren gegangen, nein, wir sind gerettet, erlöst worden. Durch seine Wunden wurden wir geheilt. Und wir sehen: Da wo das Kreuz aufragt, wo das Leid nicht mehr zu umgehen ist, entspringt manchmal auch viel Gutes.
Viele Menschen in unserer Pfarrei pflegen oder besuchen aufopferungsvoll Angehörige; oft seit Jahren.
Viele Menschen werden angerührt durch das Leid in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis und bieten Hilfe an, zeigen in kleinen Gesten menschliche Nähe.
Und so viele Kerzen brennen in unserer Kirche oder in den Wohnungen für Kranke, vom Leid Geprüfte, Trauernde, Verstorbene.
Und groß ist die Hilfsbereitschaft, mit der wir den Kriegsflüchtlingen begegnen.
Ja, auch in unserer Gesellschaft gibt es viel Gleichgültigkeit dem Leid der anderen gegenüber. Leidende werden gerne an den Rand und aus dem Blickfeld abgeschoben. Für die vielen Zeichen echter Liebe, Nächstenliebe in unserer Pfarrei und in der Gesellschaft dürfen wir deshalb umso dankbarer sein.
Eine neue Gemeinschaft
In der Passion hören wir: "Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, Dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, Deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich."
Was unter dem Kreuz Jesu geschah, geschieht immer wieder auch hier oder anderswo. Das Kreuz verbindet zu einer neuen Gemeinschaft, ja zu einer neuen Familie. Das gemeinsame Stehen unter dem Kreuz – es ist oft so schrecklich, nichts tun zu können, hilflos dabei zu stehen, wie Maria und Johannes – das gemeinsame Stehen unter dem Kreuz bringt Menschen oft näher zusammen, lässt zusammenrücken, einander den Rücken stärken.
Wenn wir nach den großen Fürbitten das Kreuz enthüllen, werden wir gleichsam wie Maria und Johannes unter dem Kreuz stehen und auf Jesus schauen. Und er wird uns dann einander anvertrauen, damit wir einander stärken, füreinander einstehen – gerade auch im Leid. Wenn wir auf den Gekreuzigten blicken, sehen wir den, der für uns gelitten hat, der für uns gestorben ist, der für uns auferstand und der für uns Speise zum Leben geworden ist in der Eucharistie. So werden wir zu einer tieferen Gemeinschaft in Christus vereint. Für das Heil der Welt.
Eine Botschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe
Im Zeichen des Kreuzes
Am Karfreitag steht das Kreuz im Mittelpunkt: In den Texten der Liturgie und auch in unserem Tun. Wir treten vor das Kreuz, um Jesus, der daran sein Leben für uns hingab, zu verehren. Das Kreuz – ein Zeichen, welches uns immer wieder begegnet, in Kirchen, an Wegen, auf Feldern, in unseren Häusern und Wohnungen.
Nicht wenige Menschen tragen ein Kettchen mit einem Kreuz als Anhänger, oder es hängt am Innenspiegel so manchen Autos. Das Kreuz, es stellt uns unsere menschliche Begrenztheit vor Augen. Immer wieder wird unser Leben "durchkreuzt", da verändert sich urplötzlich das Leben, der gewohnte Ablauf:
- eine Krankheit, die mich zwingt, meine Lebensgewohnheiten zu ändern,
- die Sorge um den Arbeitsplatz
- das Scheitern von Beziehungen
- die drohenden Umweltkatastrophen
- die Kriege, die immer mehr werden
- die Konfrontation mit dem Tod
"Der oder die hat ein schweres Kreuz zu tragen" - so drücken wir solche und andere notvolle Situationen von Menschen aus. Mit dem Kreuz wird uns vor Augen gestellt, wie brutal und gewaltvoll Menschen sein können, was sie einander antun können.
Schauen wir auf das Kreuz, so sehen wir einen Menschen - geschunden, zerschlagen, er verzichtet auf sein Recht. Schauen wir auf das Kreuz, so sehen wir einen Menschen, der sich uns mit ausgebreiteten Armen zuneigt. Jesus hat durchlebt, was auch wir immer wieder erfahren müssen, womit wir in unserm Leben nicht zurechtkommen, woran wir leiden. Jesus kennt die Passionsgeschichten der Menschen und der Welt. ER ist den Weg bis zum Ende, bis zum Äußersten gegangen.
Seine Freunde hätten gerne gesehen, dass er sich mit Gewalt und Macht gegen diesen Weg wehrt. Jesus am Kreuz - er breitet die Arme aus, will uns mit unseren Leiden und Gebrechen in seine Arme schließen und uns sagen: "Du bist nicht allein, ich weiß um dich und ich bin mit deiner Not vertraut."
Weil Jesus selber durch all das menschliche Leid hindurchgegangen ist, hat er sich solidarisch gezeigt mit uns, die wir unser Kreuz durch unser Leben tragen, so wie es in einem westfälischen Sprichwort heißt: Jedet Hüsken häs sin Krüsken (Jedes Haus trägt sein Kreuz).
Aber das Kreuz muss uns nicht in die Knie zwingen. Das Kreuz ist zum Zeichen des Lebens geworden, zum Zeichen, dass Tod und Elend überwunden wurden durch Jesus Christus. Darum können wir singen: »Seht das Holz des Kreuzes, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt.« Jetzt, in der Stunde, wo wir an Jesu Tod denken, stehen wir nicht vor dem Nichts.
Die Botschaft vom Kreuz ist die Botschaft des Glaubens:
"Du bist nicht allein, glaube mir. Leg deine Zweifel, all deine Not an mein Kreuz."
Die Botschaft vom Kreuz ist die Botschaft der Hoffnung:
"Schau auf mich, ich richte dich wieder auf, ich will Leben für dich - Leben in Fülle."
Die Botschaft vom Kreuz ist die Botschaft der Liebe:
"Ich gebe mich hin für dich, damit du am Leid nicht zerbrichst.
"Deinen Tod, o Herr, verkünden wir!"
Gedenkminute
Wir haben unsere Karfreitagsliturgie mit einer stillen Gedenkminute begonnen. Wer auf zum Kreuz schaut, bleibt davon nicht unberührt. Was damals an Jesus von Nazareth geschehen ist, erschüttert jeden, der die Botschaft des Kreuzes an sich heranlässt. Das Schauen auf das Kreuz erinnert aber auch an das grausame Morden, das die Menschheit begleitet, seit es Menschen gibt. Österreich beklagt in diesem Jahr einen traurigen Rekord an Frauenmorden. Fast immer sind es Beziehungstaten. Krieg Terror, Völkermord sind täglich Themen aller Medien. Wir nehmen dies oft nicht mehr wahr, weil es selbstverständlich geworden ist.
In den 60er und 70er-Jahren warben Mitglieder der Katholischen Arbeiterjugend und anderer Bewegungen am Karfreitag an den Fabrikstoren für eine Gedenkminute zur Todesstunde Jesu. Heute ist dieser Brauch kaum wo erhalten geblieben. Wir können das auch symbolisch deuten: Die Welt bleibt nicht stehen wegen eines Toten. Sie dreht sich weiter. Sie nimmt bestenfalls Notiz von vielen Toten. Nur in besonders krassen Fällen werden da und dort Gedenkminuten gehalten.
Das Rad dreht sich weiter
In Österreich wurde in den vergangenen Wochen die Frage diskutiert, ob der Karfreitag Feiertag für alle werden solle. Bei allen Schwierigkeiten, eine für alle befriedigende und gerechte Lösung zu finden, hat die von der Politik vorgestellte Lösung, dass jeder das Recht in Anspruch nehmen könne, sich aus religiösen Gründen einen Urlaubstag zu nehmen, auch symbolische Bedeutung: Für die kleine Zahl an evangelischen oder altkatholischen Christen können wir keine Ausnahme machen. Die Interessen der Mehrheit und der Wirtschaft können darauf nicht Rücksicht nehmen. - Auch dieses Rad dreht sich weiter…
Wozu innehalten? Was gibt es am Karfreitag zu feiern? Die religiösen Deutungen des Kreuzestodes Christi lassen sich nicht auf einen einheitlichen Nenner bringen. Schon gar nicht in einer pluralen und multikulturellen Gesellschaft. Wie dieser Tag gefeiert und ausgestaltet wird, muss den einzelnen Religionsgemeinschaften und jedem Einzelnen überlassen bleiben.
Karfreitag als Bedenktag
Eines aber können, sollen, müssen wir Christen aber der Mehrheitsgesellschaft in Erinnerung rufen: Was damals in Jerusalem geschehen ist, wiederholt sich auf vielfältige Weise immer wieder. Was im Laufe der Geschichte so selbstverständlich geworden ist, dass scheinbare Sieger über Opfer hinweggehen, darf um der Menschlichkeit willen nicht als selbstverständlich hingenommen werden. Der Karfreitag ruft in Erinnerung, dass wir in ein unmenschliches und grausames System hineinverwoben sind, das wir nicht als unveränderbar akzeptieren dürfen.
Wir schöpfen zwar unsere Hoffnung aus dem Glauben an die Auferstehung und an die Liebe Gottes, die Hass und Tod überwinden können, wir dürfen aber nicht müde werden, auf Hass, Unrecht und Gewalt, die Menschen zu Tode bringen, aufmerksam zu machen. Wir Christen feiern den Karfreitag als Bedenktag, um alle Welt aufzufordern, sich zu besinnen und innezuhalten.
"Deinen Tod, o Herr, verknden wir!" Alle Welt soll es hören und bedenken: Nur wenn sie innehält und sich die Todesnot der Menschen zu Herzen gehen lässt, wird sie auch bereit werden, gegen Hass, Unrecht und Gewalt an der Schöpfung etwas zu tun.
Märtyrer der Liebe und Wahrheit
Jesus Christus bezeugt bis zum Tod, dass seine Worte Gottesworte, dass seine Taten Gottestaten sind, die aus der Liebe entspringen. Er wurde durch sein Leiden und Sterben zum Märtyrer der Liebe und Wahrheit. Warum hat man Jesus angeklagt? Warum wollte man ihn mundtot machen? Was hat er verbrochen, dass man ein „solch scharf Urteil hat gesprochen?“ (GL 290) Es fällt einem auf, dass schon im Hintergrund der Krippe das Kreuz steht. König Herodes wollte den „neugeborenen König der Juden“ (Mt 2,2) suchen, „um ihn zu töten“ (Mt 2,13). Der greise Simeon sagte über Jesus zu Maria: „Dieser ist gesetzt, dass in Israel viele durch ihn zum Fall kommen und viele aufgerichtet werden. Er ist ein Zeichen, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34).
Man wirft Jesus vor dass er sich der Betrüger, Zöllner und Sünder annimmt. Er isst sogar mit ihnen. Darüber murrten eine Reihe von Schriftgelehrten und Pharisäern (Lk 5,29f). Außerdem schenkt er Sündern eine neue Zukunft, weil er ihnen die Schuld vergibt. Da dachten die Schriftgelehrten und Pharisäer bei sich: „Wer ist dieser, der Gotteslästerungen ausstößt? Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“ (Lk 5,21) Jesus sagt: „Ich und der Vater sind eins. Da hoben die Juden Steine auf, um ihn zu steinigen“ (Joh 10,30f). Denn er stellt sich Gott gleich (Joh 5,18). Er kann nicht von Gott kommen, da er sich im Kreis von Sündern aufhält. Doch „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden“ (1 Tim 2,4).
Als aber Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog, wurde die Situation brisant. Das Volk jubelte ihm zu. Es sah in ihm den neuen Herrscher. Doch Jesus wollte kein König dieser Welt sein. Er wusste, was auf ihn zukam. „Die Karriere nach unten war kein Unfall, sondern ein Programm. Jesus selbst hat es so gewollt“ (Richard Geier). Er will auch bei den Menschen sein, die keinen Ausweg mehr sehen.
Im Johannesevangelium steht der Satz: „Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden“ (Joh 12,31). Doch das Gericht traf nicht die Menschen, sondern Jesus. Christus nahm freiwillig unsere Schuld auf sich. Beim letzten Abendmahl deutete Jesus sein Sterben als Hingabe an Gott und an die Menschen (1Kor11,24f; Mt 26,26). Jesus ist der gute Hirt, der sich für uns geopfert hat. Er ist „das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Wer daher „an Jesus glaubt, wird nicht gerichtet“ (Joh3,18). Jetzt wird wahr, dass Jesus alle Menschen an sich ziehen wird. (Joh 12,31f). Alle werden erkennen, dass Jesus Gottes Sohn ist, der keinen Menschen fallen lässt. „Er erlöst nicht durch Gewalt, sondern durch Liebe“ (Papst Benedikt XVI). Seit Ostern steht das Kreuz für die Überwindung des Todes und für neues Leben. Jesus ist einer, der durch seine Auferstehung alles Dagewesene übersteigt. So wurde er das Zeichen Gottes in der Welt, in der das Ewige in die Zeit eingetreten ist.
Die Botschaft vom Kreuz
Im Mittelpunkt: Das Kreuz
Am Karfreitag steht das Kreuz im Mittelpunkt: In den Texten der Liturgie und auch in unserem Tun. Gleich treten wir vor das Kreuz, um Jesus, der daran sein Leben für uns hingab, zu verehren. Das Kreuz – ein Zeichen, welches uns immer wieder begegnet, in Kirchen, an Wegen, auf Feldern, in unseren Häusern und Wohnungen. Nicht wenige Menschen tragen ein Kettchen mit einem Kreuz als Anhänger, das Kreuz hängt am Innenspiegel so manchen Autos.
Das Kreuz, es stellt uns unsere menschliche Begrenztheit vor Augen. Immer wieder wird unser Leben "durchkreuzt", da verändert sich urplötzlich das Leben, der gewohnte Ablauf:
- eine Krankheit, die mich zwingt, meine Lebensgewohnheiten zu ändern,
- die Sorge um den Arbeitsplatz
- das Scheitern von Beziehungen
- die drohenden Umweltkatastrophen
- die Kriege, die immer mehr werden
- die Konfrontation mit dem Tod.
"Der oder die hat ein schweres Kreuz zu tragen" - so drücken wir solche und andere notvolle Situationen von Menschen aus. Mit dem Kreuz wird uns vor Augen gestellt, wie brutal und gewaltvoll Menschen sein können, was sie einander antun können.
Schauen wir auf Jesu Kreuz, so sehen wir einen Menschen - geschunden, zerschlagen, er verzichtet auf sein Recht.
Schauen wir auf das Kreuz, so sehen wir einen Menschen, der sich uns mit ausgebreiteten Armen zuneigt. Jesus hat durchlebt, was auch wir immer wieder erfahren müssen, womit wir in unserm Leben nicht zurechtkommen, woran wir leiden. Jesus kennt die Passionsgeschichten der Menschen und der Welt. Er ist den Weg bis zum Ende, bis zum Äußersten gegangen. Seine Freunde hätten gerne gesehen, dass er sich mit Gewalt und Macht gegen diesen Weg wehrt. Jesus am Kreuz - er breitet die Arme aus, will uns mit unseren Leiden und Gebrechen in seine Arme schließen und uns sagen: "Du bist nicht allein, ich weiß um dich und ich bin mit deiner Not vertraut."
Solidarisch mit den Menschen
Weil Jesus selber durch all das menschliche Leid hindurchgegangen ist, hat er sich solidarisch gezeigt mit uns, die wir unser Kreuz durch unser Leben tragen, so wie es in einem westfälischen Sprichwort heisst: "Jedet Hüsken häs sin Krüsken." Aber das Kreuz muss uns nicht in die Knie zwingen. Das Kreuz ist zum Zeichen des Lebens geworden, Zeichen, dass Tod und Elend überwunden wurden durch Jesus Christus. Darum können wir singen: '"Seht das Holz des Kreuzes, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt."
Jetzt, in der Stunde, wo wir an Jesu Tod denken, stehen wir nicht vor dem Nichts.
Denn die Botschaft vom Kreuz ist die Botschaft des Glaubens: "Du bist nicht allein, glaube mir. Leg deine Zweifel, all deine Not an mein Kreuz."
Die Botschaft vom Kreuz ist die Botschaft der Hoffnung: "Schau auf mich, ich richte dich wieder auf, ich will Leben für dich - Leben in Fülle."
Die Botschaft vom Kreuz ist die Botschaft der Liebe: "Ich gebe mich hin für dich, damit du am Leid nicht zerbrichst.
Ein heilbringender Tod
Ein Buch von Richard Rohr trägt den Titel „Der nackte Gott“. Dieser Titel regt zum Nachdenken an. Wahrscheinlich dürfte Jesus nackt gekreuzigt worden sein. Der große Theologe Thomas von Aquin schreibt: „Am Kreuz hängt Jesus nackt, lächerlich gemacht, bespuckt, geschlagen, mit Dornen gekrönt“. Nichts haben die Feinde unserem Herrn und Meister gelassen, nicht einmal die geringste Ehre und Würde, die jedem Menschen zusteht. Nichts ließ man ihm, aber unser Herr überließ uns alles, sogar seinen Leib, damit er für uns zum Brot werden kann. Er wurde ausgepresst wie eine Traube, damit wir in der Eucharistiefeier sein Blut trinken können.
Jesus, „dem die Gottesgestalt zu eigen war, erachtete sein gottgleiches Sein nicht für ein Gut, das er mit Gewalt festhalten sollte. Vielmehr entäußerte er sich, nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist. Er erniedrigte sich selbst, ja bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8). Aber der Vater fasste Jesus bei der Hand, zog ihn aus der größten Not, aus dem tiefsten Abgrund heraus. „Er hat ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über alle Namen ist, damit im Namen Jesu jedes Knie sich beuge im Himmel, auf Erden und unter der Erde, und jede Zunge soll bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,9-11).
Christi Tod war kein Tod eines gewöhnlichen Menschen. Das war ein heilbringender Tod, denn der Messias starb für alle Menschen, auch für seine Feinde. Ein Exerzitienmeister fragte einmal seine Zuhörer: „Wäre Jesus der Erlöser, wenn er mit Hass auf seine Feinde gestorben wäre?“ Nein. Dann hätte sich die Spirale der Gewalt weitergedreht. Jesus ist lieber Opfer als Täter. Denn Liebe baut auf, Hass aber zerstört. Daher liebt Jesus bedingungslos. Seine Liebe ist immer größer als die Schuld. Das Heil geht daher von Jesus aus, von seinem Leben und Sterben. Die Liebe Gottes, die in Jesus offenbar wurde hat die Eucharistie und die Sakramente gebracht.
In der Osternacht könnte einer die Gänsehaut bekommen, wenn die Kirche im Exsultet singt: „O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin! O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat.“ Die Höhe, Breite und Tiefe dieser göttlichen Liebe kann keiner erfassen. Denn „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3,16).
Im Kreuz ist Heil
Das Kreuz, ein umstrittenes Symbol
Ein wichtiger Teil des Karfreitagsgottesdienstes ist die Enthüllung und Verehrung des Kreuzes. Alle Mitfeiernden sind eingeladen, ihre Verehrung des Kreuzes durch eine Kniebeuge oder eine andere persönliche Geste zum Ausdruck zu bringen.
Unter Nichtchristen ist das Symbol des Kreuzes umstritten. Immer wieder fordern einige, Kreuze aus öffentlichen Räumen wie Schulen oder Kindergärten zu entfernen. Sie sehen darin ein Mittel der Indoktrination. Zum anderen werden historische Argumente angeführt. Das Kreuz wurde im Laufe der Geschichte immer wieder als Kampf- und Siegeszeichen missbraucht. Im Zeichen des Kreuzes wurden Kriege geführt. Einige fürchten, durch das Kreuz könnten Gewaltanwendung und Leid verherrlicht werden. Menschen, die das Kreuz verehren, könnten sich nicht entschieden genug für die Bekämpfung des Leids einsetzen.
Soll man schon Kinder mit diesem Bild von Gewalt vertraut machen? Sollten wir zu ihnen nicht besser gleich von der Auferstehung als Sieg über Hass und Tod sprechen?
Die zwei Gesichter des Kreuzes
Religions- und kunstgeschichtlich lässt sich das Kreuz nicht einfach aus unserem Leben wegretuschieren. Es hat zu lange eine bedeutsame Rolle in der Welt der Zeichen und Symbole gespielt. Ich trete dafür ein, dass dieses Zeichen auch in Zukunft nicht aus der Öffentlichkeit verschwindet, dass wir jedoch behutsam damit umgehen. Wir dürfen es nicht zu einem Kampfsymbol machen, weil dies seine tiefere Symbolik verdunkelt.
Ja, es zeigt das hässliche Gesicht der Gewalt und alles, was wir Menschen einander an Bösem antun können. Auch in der Gegenwart werden Menschen verfolgt, aufs grausamste gefoltert und umgebracht. Das darf nicht totgeschwiegen werden. Es wäre verlogen, den Menschen eine heile Welt vorzugaukeln. Wenn wir das den Menschen vor Augen führen, heißt das nicht, dass wir damit Gewalt propagieren. Im Gegenteil: wir Christen schauen auf den Gekreuzigten, weil wir in dem Weg, den Jesus gegangen ist, auch das Heilmittel erkennen, das Gewalt, Hass und Ungerechtigkeit überwinden kann: Eine Liebe, die bis ans Äußerste geht und die stärker ist als der Tod. Jesus war so tief in Gott verwurzelt, dass er Folter und Tod freiwillig auf sich nehmen konnte.
Am Karfreitag schauen wir auf zum Kreuz und wir prägen uns ein, was allein Hass und Gewalt überwinden kann. Der Blick aufs Kreuz lädt uns darüber hinaus ein, uns wie Jesus in Gott zu verwurzeln, damit auch wir die Kraft haben, alles Dunkle durchzustehen, womit uns unser persönliches Lebensschicksal konfrontieren könnte.
Liebe bis zur Vollendung
Jesus geht freiwillig seinen Kreuzweg
Jesus wird gefangen genommen, verurteilt und hingerichtet. Er muss leiden und sterben. Jesus glaubt an seinen Vater, dessen Willen er erfüllt. Er glaubt, dass er immer von ihm unendlich geliebt wird, auch im Leiden und Tod. Am Ölberg ringt er: „Nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine!" Jesus betet um Glauben und Kraft gegen das, was kommt, das grausame Sterben am Kreuz. Er betet die Psalmen, besonders die Klage- und Bittpsalmen seines Volkes. Jesus ruft zum Vater um Hilfe und wird erhört: ein Engel kommt und stärkt ihn. Dann geht er den Kreuzweg, er bricht öfter zusammen. Er wird gekreuzigt. Er spürt die ganze Schuld der Menschen, die sich auf ihn legt und die er freiwillig auf sich nimmt. Er will in das größte Elend der Menschen hineingehen. So begibt er sich in die äußerste Gottesfinsternis. Er hat nur mehr den nackten Glauben. Er kann auch seinen Vater nicht mehr fühlen. In seiner Verlassenheit betet er den Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Er, der Gottessohn ist von Gott verlassen, weil alle Sünde, alles Leid von uns auf ihm lastet. Er wird für uns „zur Sünde“, wie Paulus sagt. Jesus glaubt im blinden Vertrauen weiter, er liebt, er zündet in dem äußersten Dunkel der Menschen das Licht der Liebe an. Er vertraut weiter: „Vater, in Deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ Vorher schenkt er noch dem gläubigen Schächer das Paradies, vergibt seinen Feinden, er stirbt.
„Gott lässt das Leid zu, weil er uns darin nahe sein möchte“
Glauben auch wir, dass Gott die Liebe ist, in jeder Situation, auch im Leid? - Auch für mein Leben gilt, wie für das Leben Jesu: Gottes Liebe begleitet alle Stufen meines Lebens. Gottes Liebe lässt mich in Schmerz, Unglück und Leid nicht fallen. Er trägt mich. Er spricht zu mir in meinen Schmerzen: „Fürchte Dich nicht, ich bin da für dich!“ Paul Claudel, der katholische französische Dichter, sagte: „Gott lässt das Leid zu, weil er uns darin nahe sein möchte“. Wir halten das Leid für eine Katastrophe, wir sehen oft nicht die Nähe Gottes. Wir sehen nicht, wie er mir entgegengeht und mir zuruft mit ermutigender Stimme: „Fürchte Dich nicht, ich bin es!“ Denken wir nicht: Es hat uns erwischt, das Leid hat uns erwischt? Nein, Er begegnet mir, der schon alles in Liebe getragen und gewandelt hat am Kreuz. Er sagt: „Fürchte Dich nicht! Ich bin es! Ich habe Dich erlöst!“ Als die hl. Katharina von Siena Jesus fragte. „Mein Gott, wo warst Du, als mein Herz in Finsternis und Todesschatten fiel?“ antwortete Jesus: „Meine Tochter, hast Du es nicht gespürt, ich war in Deinem Herzen.“
Er kommt und ist da, wenn wir leiden. Die heilige Theresia von Lisieux, sagte, als sie ihre Todeskrankheit spürte, 1897: „Als ich meiner tödlichen Krankheit gewahr wurde, als ich Blut spuckte, war dies für mich wie die frohe Ankunft meines Bräutigams“. Was kann ich also tun? Sich nicht fürchten und den Bräutigam erkennen, das ist Jesus, der uns unendlich liebt. Konkret: Wenn mir seine Liebe im Schmerz entgegenkommt, ihm sagen: „ich entscheide mich für Dich, Ich liebe Dich! Du hast Dich schon für mich entschieden!“ Der Gekreuzigte antwortet uns und sendet uns den heiligen Geist, der uns erfüllt, Licht verbreitet. Denn Jesus hat versprochen: „Wenn ich am Kreuz erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“.
Meditation zum Karfreitag
Ein Thema beschäftigt jeden Menschen: das Kreuz. Es ist für mich zu einem Buch geworden, das nie ausgelesen werden kann. Für den einen ist das Kreuz Christi Torheit, für den anderen Gottes Kraft (1 Kor 1,18). Jesus sagt: „Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme das Kreuz auf sich und folge mir nach“ ( Mt 16,24). Jesus nachfolgen heißt auch für andere leiden.
Als die Sünde groß wurde, ist die Liebe Gottes noch größer geworden. Am Karfreitag aber wurde das größte Verbrechen begangen, die Kreuzigung des Messias. Jesus aber betete: „Vater vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Er ging durch die Mühle des Leidens, um für uns Brot zu werden. Er nahm das Leiden auf sich, um als höchster Priester alle Sünden zu tilgen. Das ist seine schenkende Liebe, die alles für uns tut. Der Hohepriester Christi ist für uns gestorben, damit wir in der Eucharistie die Nahrung für das ewige Leben empfangen können. Die Länge, Breite und Höhe dieser Liebe ist daher mit dem Verstand nicht fassbar. Das wollen die Fastenkrippen andeuten. Daher ist die Eucharistiefeier die Quelle und der Höhepunkt unseres Glaubens. Das heißt: Wir werden schon jetzt in die dreifaltige Liebe Gottes hineingenommen. Wer daher in Gott ist, für den hat die Auferstehung schon begonnen.
Karfreitag und Ostern bilden eine Einheit
Über einen Satz denke ich immer wieder nach. Als Jesus seinen Leidensweg antrat, sagte er sinngemäß: „Jetzt wird Gott verherrlicht“ (Joh.13,31). Warum? Der Karfreitag zeigt, wie weit Gottes Liebe zu uns geht. Er lässt wie ein Pelikan sein Herz öffnen, „damit keiner verloren gehe, sondern das ewige Leben habe“ (Joh 3,16). Die Liebe Gottes geht wirklich bis zum Äußersten. Sie lässt sich ans Kreuz nageln, damit wir wissen, dass uns nichts von der Lieben Gottes trennen kann. Daher sagt Paulus: „Nichts will ich mehr kennen außer Jesus Christus, den Gekreuzigten“ (1Kor. 2,3). Im Hohen Lied der Liebe heißt es: „Stark wie der Tod ist die Liebe. Ihre Gluten sind Feuersgluten. Mächtige Wasser sind nicht in der Lage, die Liebe auszulöschen“ (Hohelied 6,8).
Die Liebe Gottes vergilt das Böse mit Gutem, geht über das Zeitliche hinaus. Daher verkünden Tod und Auferstehung Jesu den Triumph der Liebe Gottes. Alle Menschen werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben. Und wir erkennen darin die größte Offenbarung Gottes, das Wunder der Liebe. So wurde aus der Unheilsgeschichte der Menschen eine Heilsgeschichte, aus dem Kreuz eine Monstranz. Das ist der Triumph der Liebe.
Papst Benedikt XVI. sagte zu Beginn seines Pontifikates 2005: „Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet.“
„Der Lohn der Liebe, ist die Liebe selbst“
„Liebe verlangt nicht nach Belohnung, sondern hat ihren Sinn in sich.“
(Josef Imbach)
Die Chance der Versöhnung
Wer in seinem Leben erlebt und begriffen hat, dass Liebe in sich ihren Sinn hat, dessen Leben wird eine besondere „Gestalt“ annehmen. Wenn sie Leid oder Böses erfahren haben, werden diese Menschen nicht in Hass und Rache als Antwort stecken bleiben.
Ihren inneren Prozess der Versöhnung werden immer wieder Unverständnis und Verachtung der Mitmenschen blockieren. Aber in ihrem freien Entschluss, sich vom widerfahrenen Bösen zu lösen und so die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, werden sie nicht abgebracht.
Das Recht auf Rache, Vergeltung oder Strafe wurde in den Gottesbildern des strafenden, zürnenden Gottes jahrhundertelang legitimiert. Diese Gottesbilder sind in Worte „gemalte“ Gedanken von Menschen, die ihre Verbohrtheit und Unfähigkeit zur Liebe mit der Wirklichkeit Gottes gleich gesetzt haben. Diese destruktiven Gottesbilder sind nicht mit jenem Gott der Bibel, der befreit, rettet und verzeiht, ident. Sein Wesen kann mit „Der, der da ist, der mit uns geht, auch im Leid“ beschrieben werden.
Versöhnung mit einer Person, mit einer Gemeinschaft führt zur Befreiung aus Knechtschaft und Unterdrückung, führt zu neuen Wegen im Zusammenleben mit anderen. Damit ist keine Verherrlichung oder Resignation gegenüber Leid, Tod und dem Bösen in der Welt gemeint. Versöhnung ist eine Chance aus Schuld zu befreien, zu „lösen“, sowohl die Gemeinschaft, als auch den Einzelnen. Diese Erfahrung will der Verfasser des Liedes dem Volk verkünden:
Das letzte Wort hat die Hoffnung
„Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunde sind wir geheilt.“
Die Gottesknechtlieder geben uns einen tiefen Einblick in jene Zeitspanne, die Völker benötigen, um ihr eigenes Versagen zu erkennen und die eigene Schuld einzugestehen.
Diese Erfahrung wird im vierten Gottesknechtlied zur Sprache gebracht, wenn es heißt:
„Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus … Jetzt aber setzt er viele Völker in Staunen, Könige müssen vor ihm verstummen. Denn was man ihnen noch nie erzählt hat, das sehen sie nun: Was sie niemals hörten, erfahren sie jetzt.“
Doch nicht Leid und Tod haben zum Schluss das letzte Wort, sondern die Hoffnung. Diese gründet in der Einsicht, dass Neubeginn durch versöhnendes Handeln möglich ist.
In der heutigen „Feier vom Leiden und Sterben Christi“ wird aufgrund dieser Erfahrung, Leid und Tod mit Hoffnung auf Auferweckung in Jesus, dem Christus, gesehen und verkündet. Auf Jesus ist alle Hoffnung in den Evangelien gesetzt: auf ihn, dem Gerechten unter den Gerechten. Er ist „seinem“ Gott, der rettet und verzeiht, treu geblieben bis in den Tod am Kreuz.
Diese Einmaligkeit seiner Gottesbeziehung ist tief verwurzelt in der Liebe: „Der Lohn der Liebe, ist die Liebe selbst.“ (Josef Imbach). Christen sehen im Leben Jesu die Antwort Gottes auf die Fragen der Menschheit: „Der Plan des Herrn, wird durch ihn gelingen.“
Dieser Vers aus dem vierten Gottesknechtlied, lässt auch uns hoffen. Gemeinsame Solidarität wendet die Not derer, die durch Ungerechtigkeit an den Rand der Gesellschaft gedrückt wurden. Dieses Verhalten führt zu einer neuen Sichtweise und zur Versöhnung. So wird für den Einzelnen die Gemeinschaft zur Trägerin von Hoffnung und Auferstehung mitten im Leben.
Welche Impulse können durch uns gesetzt werden, damit die heutige Gesellschaft dies erkennt?
Wie kann die heutige Gesellschaft erkennen, dass durch gelebte Solidarität mit Schwachen und Ausgebeuteten, mit Flüchtlingen und Notleidenden auf dieser Welt, sie (selbst) zur Trägerin von Hoffnung und Auferstehung mitten im Leben werden kann?
Wie kann die heutige Gesellschaft erkennen, dass durch gelebte Solidarität mit Schwachen und Ausgebeuteten, mit Flüchtlingen und Notleidenden auf dieser Welt, sie (selbst) zur Trägerin von Hoffnung und Auferstehung mitten im Leben werden kann?
Verneigung vor den Verachteten und Sündenböcken
Begegnung mit Menschen, die ihr Ansehen verloren haben
In den heutigen Lesungen der Bibel begegnen wir Menschen, die ihr Ansehen verloren haben: Jesus, als König verspottet (gegeißelt, mit Dornenkrone), geschlagen, ausgeliefert; Dem „Gottesknecht“ - einem geschundenen, gemiedenen, von Krankheiten gezeichneten Menschen, dem Beter aus dem Psalm - kummervoll, kraftlos, vergessen, verfolgt:
Menschen, die uns auch heute begegnen: Menschen ohne Heimat und Zugehörigkeit. Dem Tod geweihte, „austherapierte“ Menschen, die einen nur zu sehr mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontieren. Menschen, die zu sehr vom Schönheitsideal abweichen. Menschen, die für die Fehler und Sünden anderer büßen müssen. Menschen, die ausbaden müssen, was andere aus Gedankenlosigkeit angerichtet haben. Menschen, die ungerechten Gerichten und Systemen ausgeliefert sind. Menschen, die um des Profits willen ausgenutzt und gefoltert werden.
BettlerInnen, Flüchtlinge, psychisch labile Menschen, Menschen in tiefen Lebenskrisen, Trauernde, Klimaflüchtlinge, Hungernde, Menschen mit Beeinträchtigung, politisch Verfolgte, Mobbingopfer, Geiseln, Kranke, KindersoldatInnen, LohnsklavInnen, Opfer des Menschenhandels, Süchtige, Einsame, Getötete.
So rückt der Karfreitag Menschen ins Zentrum, die sich unserem Blick längst entzogen haben. Möglicherweise fällt der Spot uns selber auf, die wir auch unglücklich mit uns selber sind. Es scheint, als ob es Gott nicht gut meint mit uns Menschen.
Gott spricht zu uns durch die Gescheiterten
Der Karfreitag ist kein Tag des triumphierenden Gottes. Höchstens der Tag eines Menschen, der seinen Weg bis zum Ende geht. Es ist ein Tag des leidenden, aus der Gemeinschaft ausgestoßenen, verleumdeten und verkannten Gottes.
Durch diese gescheiterten Menschen spricht Gott, sie selbst sind es, die das Heil verkünden. Aus einer Ecke, aus der man das nie erwartet: Gott rettet, wenn einer für andere einsteht, wenn jemand nicht nur für sich selber kämpft. Gott rettet die Schwachen und Beladenen, nicht in erster Linie die Superhelden und Schönheitsköniginnen.
Sündenböcke
Aber oft reicht es nicht, dass ein Mensch es schlechter als andere erwischt hat im Leben. Nein, sein „Versagen“, seine Schuld, sein Vom-Pech-verfolgt-sein hilft den anderen, alles Versagen, Unglück und Leid der Welt auf diesen einen abzuladen und ihn für schuldig an so vielem zu erklären. Jede einfache Erklärung der Missstände dieser Welt, ob durch Meinungen im Internet, Leserbriefe, politische Parteien oder Medien verbreitet, benennt die „Schuldigen“ und braucht diese Sündenböcke, die nun als Ursache für alles Unglück herhalten müssen: Flüchtende aus anderen Ländern sind selbst schuld an der Ausländerfeindlichkeit und der Arbeitslosigkeit, Kranke am Schwächeln des Sozialstaates, ChristInnen an der Überbevölkerung der Welt, die egoistischen Jungen am Aussterben Europas, Arbeitslose und Arme daran, dass die Gelder für die Mindestsicherung nicht ausreichen, mangelhaft deutsch sprechende Kinder an ihren schlechten Jobchancen und vieles mehr.
Wer zu den Schwachen, den Sündenbock-KandidatInnen gehört, dem oder der wird mehr und mehr aufgeladen (wofür sie angeblich verantwortlich zu machen sind - alles Übel der Welt) - und dann in die sprichwörtliche Wüste geschickt. Dann ist „das Volk“ wieder für eine kurze Zeit zufrieden und hat „Schuldige“ für die eigene Misere gefunden. Bis sich das ganze wiederholt und wiederholt.
Beim „Gottesknecht“, den Jesaja besingt, und bei Jesus Christus ist mit dem Sündenbock, der stellvertretend für alle verachtet wird, die Sünden aufgeladen bekommt und stirbt, nicht alles vorbei. Nein, Gott stellt sein Ansehen wieder her, er ruft ihn ins Leben zurück. Er wird zum Heil, auch für die, die ihn opfern wollten.
Das ist nicht nur unerhört und nicht vorhersehbar, das ist eine Revolution. Die Schwachen, die Beschädigten, die Ausgestoßenen - sie werden zum Heilszeichen und Licht der Menschen.
Das ist der Kern unseres Glaubens, gerade an einem Tag der Ausweglosigkeit wie dem Karfreitag.
© Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer
Mit Christus hat uns Gott alles geschenkt
Menschgewordene Barmherzigkeit
Nach der Kirchenlehrerin Theresa vom Kinde Jesu ist Gott barmherzig, weil er vollkommen gerecht ist. Gott schaut nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf das Herz. Er sieht ebenso unsere Schwächen und Begrenztheiten. Weil wir so klein sind, ist er Mensch geworden, um uns auf Augenhöhe zu begegnen. Jesus Christus „entäußerte sich seiner Gottheit“ (Phil 2,7), um uns ganz nahe zu sein. Weil wir so armselig sind, nahm er unsere Schuld auf sich, wie es auch Eltern für ihre Kinder tun. Daher heißt es im Exultet der Osternacht: „O unfassbare Liebe des Vaters: um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin. O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen...“ Denn durch Jesus Christus wurde die Schöpfung noch wunderbarer erneuert. Daher sagt Klemens Maria Hofbauer „Nur Mut! Gott lenkt alles.“
Der Tod Jesu war eine Folge der Sünde, aber er lag auch im Heilsplan Gottes. Gott wollte sein Herz für alle Menschen (auch für seine Feinde) öffnen, damit alle mit dem Blut Jesu reingewaschen werden. Der Titel des Interviewbüchleins von Papst Franziskus heißt daher „Der Name Gottes ist Barmherzigkeit.“ Jesus selbst sagt: „Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, werdet ihr erkennen, dass ich es bin“, die menschgewordene Barmherzigkeit. Jesus Christus holt uns heraus aus der Sünde und führt uns hinaus in seine Weite.
Die Liebe Gottes ist größer als die Sünde
Wir können nur staunen über die Großzügigkeit Gottes. Christus hat unsere Schuld übernommen, damit wir nicht ins Gericht kommen und in Frieden leben können. Der Karfreitag besagt, dass die Liebe Gottes größer als die Sünde ist. An diesem Tag wurde das Böse besiegt durch eine Liebe, die alles Menschliche übersteigt. Aus diesem Grund feiern heute unsere evangelischen Mitchristen den höchsten Feiertag. Denn Gott liebt uns unabhängig von unserer Leistung. Diese unfassbare Liebe Gottes wird bis heute gewürdigt in den Tiroler Karfreitagsprozessionen (Arzl i. Pitztal, Thaur usw. Siehe: „Tirol“, Heft 81, S.75-82, Innsbruck 2012/13).
So ist unsere Beschränktheit eingebettet in die Überfülle der Liebe Gottes. Der Mensch ist ein Wesen, dem sich Gott ganz hingibt. Das ist eine Wahrheit, die uns Größe verleiht. Daher richten wir unseren Blick nicht auf unsere Kleinheit und Begrenztheit, sondern auf die Fülle in Gott, die allen offen steht. Mit Christus hat uns Gott alles geschenkt.
Das ist die Botschaft des Karfreitags: Die unfassbare Liebe des Vaters führt uns zur Quelle der Barmherzigkeit, zum geöffneten Herzen Jesu. Dieser barmherzigen Liebe vertrauen wir unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an.
Das Kreuz damals - Kreuz heute
Das Kreuz, ein Schmuckstück
Man dachte schon, es sei nur noch ein Accessoire – ein ‚Anhängsel‘ - wie man so sagt - das Kreuz. Viele tragen es gern um den Hals, auf der Brust – wertvoll oder schlicht und einfach je nach Geschmack, auch irgendwo am Körper eintätowiert. Man dachte, es sei nur noch ein Kunstwerk, das Kreuz. Es steht auf dem Altar, hängt meist große von der Kirchendecke herab. In Gerichtssälen, in Schulen, Krankenhäusern, in öffentlichen Gebäuden wird es immer seltener, dass ein Kreuz an der Wand hängt.
In Wohnzimmern ist es noch vielfach zu sehen – manche haben Hemmungen, es zu entsorgen, obwohl sie es lieber nicht mehr sehen würden. Ein Kreuzzeichen, das geht ja noch, aber wenn da auch noch einer dranhängt, was soll das in einem Raum, in dem es doch gemütlich sein soll!
Man denkt, in Museen ist sowas am richtigen Ort. Dort soll‘s aufbewahrt werden, was einmal bedeutsam war, wunderbare Sachen, kostbar, gut sichtbar aufgestellt. Dort schaut man sich so was gern mal an. Vielleicht kommen auch noch Gedanken, was das bedeutet hat. Vielleicht kommt es dem einen oder andern: ein Zeichen, dass das Leiden von Menschen bei Gott aufgehoben ist, dass er es mitträgt.
Für viele ist das Kreuz aber nur noch ein Symbol aus einer alten, grausamen Zeit, das die Christen in unserer Zeit zu einem Friedenszeichen umgedeutet haben.
Über Nacht aktuell
Und - wie über Nacht - wird dieses Zeichen in seiner ganzen Härte und Grausamkeit, aber auch mit seiner Hingabe und Liebe zu Gott aktuell. Nicht nur Einzelfälle – laufend werden heute Menschen – Christen – ans Kreuz geschlagen - sterben am Kreuz für ihren Glauben. Nicht, wie oft erzählt wird, dass die alten Märtyrer den Tod am Kreuz selber herbeigesehnt hätten, wie ihr Meister und Herr am Kreuz zu sterben zu dürfen! Nein es sind Menschen, die gerne leben, die einfach in Frieden leben wollen. Sie müssen rechnen, dass sie vertrieben werden, ausgeplündert, dass sie ans Kreuz geschlagen werden. Und der Grund ist, weil sie an diesen Christus glauben. Sie schwören ihm nicht ab, treten nicht aufs Kreuz und beugen sich nicht diesem brutalen muslimischen Terror im vorderen Orient, in Afrika und in Indonesien. Man kreuzigt sie, wie man damals Jesus gekreuzigt hat, an den sie glauben. In 50 Staaten der Welt gibt es grausame Christenverfolgung – heute!
Überhaupt die meisten, die heute um ihres Glaubens willen verfolgt werden, das sind Christen, Brüder und Schwestern von uns. Und so was in unserer hochmodernen, zivilisierten Gesellschaft, in der die Freiheit, besonders auch die Religionsfreiheit so hoch geschätzt wird! Und wir, die christlichen Länder, stehen dem hilflos gegenüber, weil Jesus es uns versagt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Sein Weg mit uns Menschen ist ein ganz anderer.
Ein mitleidender Gott
Damals, vor 2000 Jahren, als so viele Christen den Märtyrertod gestorben sind, da wurde das zu einer Aufbruchssituation. Auffallend viele wollten getauft werden. Der Gott der Christen hat viele Menschen, die vom Leben enttäuscht waren, angezogen und umdenken lassen. Es war für sie was Besonderes, einen Gott zu verehren, der kein Krieger ist, kein Eroberer, kein Menschenverächter, sondern ein Gott des Lebens, der Liebe, der selber leiden konnte und für die Menschen Leiden auf sich nahm, Kreuze der Menschen mittrug mit seinem eigenen Kreuz. Genau das wurde damals zur Kraft und Stärke der Christen, Leiden mitzutragen, weil auch ihr Gott ein mitleidender, ein barmherziger war. Das hat den Christen einen verrückten Auf-trieb gegeben. Es war diese Kraft: Gewalt nicht mit Gewalt zu vergelten. Diese Kraft ließ sie alle Verfolgungen überstehen. Sie sind herausgegangen gestärkt mit den Vertrauen: „Das Blut der Märtyrer ist Samen für viele neue Christen.“
Unsere Chance heute?
Es kann sein, dass wir Christen heute vor einer neuen, ähnlichen Bewährungsprobe stehen, nicht nur die, die verfolgt werden, sondern auch wir alle. Es wird keinen Sinn bringen, mit Gewalt, mit Bomben und Granaten diese Feinde der Christenverfolgung auszurotten und in die Hölle zu schicken. Sicher aber würde auf diese Weise etwas zur Hölle für die Zivilbevölkerung und die kleinen unschuldigen Leute, wenn wir so handelten. Ihnen wird in erster Linie der Boden für ein normales Leben entzogen.
Unsere Chance kann es auch nicht sein, uns abzuschotten, Grenzen dicht zu machen, damit wir ja nicht in unserer Ruhe gestört werden. Für mich ist das Feigheit.
Unsere Chance als Menschen und vor allem als Christen wird es sein: mitleiden mit diesen Menschen, wo es nur geht, unsere Häuser öffnen, alles unternehmen, ihr Leid erträglicher zu machen. Ich finde es so gut, dass wir eine starke Vorkämpferin haben in der Überzeugung »wir schaffen das«. Es ist auch großartig, wie viele Menschen hier mitarbeiten, mittragen, ihr Leben einsetzen. Wir müssen aber auch Mitleid haben mit denen, die sich abschotten und solche echt christlichen Gedanken für idiotisch halten; denn sie sind erst recht arm dran. Ihre Schutzzäune werden nicht ewig halten und das Chaos danach wird noch größer werden.
Gelebte Barmherzigkeit
Uns muss es um die gehen, die alles, ihre ganze Zukunft verloren haben, keine Chance, ihren christlichen Glauben zu leben, aber bereit sind, hier neu anzufangen. Solches Mitleiden mit anderen kann uns zur Chance werden, zu einem Neuaufbruch für unseren christlichen Glauben und für die Menschen in Europa, wie damals das Leiden der Märtyrer zum Neuaufbruch des christlichen Abendlandes geworden ist, weil sie dem für die Menschen leidenden Christus gefolgt ist.
Ich denke, keine Zeit – auch nicht die unsere, in der es uns so gut geht – kommt um das Leiden herum. Das Kreuz steht überall mitten drin. Sind wir froh, dass wir auch heute unseren Glauben an Jesus Christus haben, der allem Leiden eine neue Zukunft zu geben vermag. Sind wir dankbar, dass wir einen Papst haben, der so klar und entschieden die Barmherzigkeit in unsere Mitte stellt. Gelebte Barmherzigkeit hat unwahrscheinliche Kraft zu neuem Leben. „Im Kreuz ist Heil – im Kreuz ist Leben“, das ist der Kernsatz des Karfreitags.
Die Hoffnungsgeschichte Jesu
Leidensgeschichten
Die Leidensgeschichte Jesu ist lang.
Wir haben sie heute wieder gehört.
Viele Menschen kommen in ihr vor.
Als Täter, als Opfer.
Die Schatten sind lang.
Selbst heilige Institutionen verlieren ihre Unschuld.
Lang sind auch die vielen Leidensgeschichten,
die Menschen erzählen. Heute erzählen.
Von Schmerzen, Ängsten, Verlorenheit,
von Unrecht und geraubtem Leben,
von Mutlosigkeit und Resignation.
Jürgen Henkys hat ein niederländisches Lied ins Deutsche übersetzt.
Dieses Lied hilft, angesichts des Leidens nicht zu verstummen –
und über Hoffnungen zu reden.
Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Mit dem Holz ist das Kreuz gemeint. Jesus trägt es.
Schwer liegt es über seiner Schulter,
drückt ihn auf die Erde,
macht jeden Schritt zur Qual.
Aber das Kreuz wird zu einem Lebensbaum,
zu dem Lebensbaum, den wir im Paradies kannten.
Das war ganz am Anfang.
Am Anfang gab es keine Schuld, keine Angst, keinen Tod.
Jetzt rufen wir den Herrn an:
Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt,
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Die Sehnsucht, Frieden zu finden, ist groß.
An vielen Stellen dieser Welt ist der Frieden weit weg.
Menschen fliehen.
Sie fliehen in Niemandsländer, über Meere –
Und kommen doch nicht an.
Sie stoßen auf Bedenken, Ängste und Ordnungen.
Sie stoßen auf die Friedlosigkeit in vielen Herzen.
Frieden heißt: dass alles heil wird, ganz, rein.
Jetzt rufen wir den Herrn an.
Jesus erlitt Unrecht.
Er verliert in allen Instanzen.
Am Ende wird nicht nur ein Todesurteil gesprochen,
es gibt die schrecklichen Schreie:
Kreuzige ihn! Hinweg mit ihm!
Viele Menschen werden von Menschen ausgeschlossen,
fallen gelassen, ihrem Schicksal überlassen.
Die Erde hat schon viel Blut trinken müssen.
Die Erde ist zerrissen.
Jetzt klagt sie – jetzt klagt sie an.
Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Was ist vollbracht?
Was ist zu vollbringen?
Was kann der Himmel geben, was der Erde fehlt?
Was kann der Himmel geben, was den Menschen wehrt?
Es ist die Liebe, die es mit dem Tod aufnimmt,
die dem Tod das Leben entwindet.
Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.
Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Mit beiden Beinen stehen wir auf der Erde.
Wir nennen sie Mutter. Wir lieben sie.
Aber sie gehört uns nicht. Sie entzieht sich uns.
Sie wehrt sich gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Verschwendung,
sie verzeiht nichts.
Die Erde spricht uns – schuldig.
In Katastrophen hören wir ihr Urteil.
Wir ducken uns – wir müssten uns erheben!
Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu.
Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du?
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Ich kenne Zweifel. Ich fürchte Zweifel.
Dass mit Gewaltlosigkeit der Gewalt beizukommen ist,
mit Liebe dem Hass,
mit Vertrauen dem Misstrauen.
Ich habe Angst.
Dass die Welt noch zu retten ist.
Das Lied verfolgt von Strophe zu Strophe den Weg Jesu,
zeichnet aber die Wege nach,
die Menschen
wieder
immer noch
auch morgen
gehen.
Wir durchschreiten Dunkelheit,
werden an Schuld erinnert,
wir sehnen uns nach Frieden und
erzählen von Hoffnungen.
Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Das Lied endet versöhnlich,
es ist aus dem Schatten herausgetreten.
Der Baum des Lebens trägt reiche Frucht.
Die Äste biegen sich.
Diese Ernte ist dem Tod abgenommen,
sie wird ihm nicht überlassen,
sie wird ihm auch nicht nachgeworfen.
Wir sehen ein Wunder, - das Wunder der Liebe.
Mit meinem kleinen Glauben,
meiner angefochtenen Hoffnung,
meiner zerbrechlichen Liebe
hänge ich auch an diesem Ast.
Der Lebensbaum – das Kreuz – muss nicht in den Himmel wachsen.
Aber die Wurzeln – sie halten die Erde fest.
Die Hoffnungsgeschichte Jesu wird lang.
Wir haben noch nicht alles gehört.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Ich war im Gefängnis - Wer ist zu mir gekommen?
Scherben
Geknickt - gebrochen - aussichtslos - eingesperrt - die Tür ist ins Schloss gefallen - den Erwartungen nicht standgehalten - der Druck war einfach zu groß - zerschmettert und am Boden zerstört - nichts geht mehr - alles aus - Karfreitag für immer!
Diese oder ähnliche Gedanken gehen so manchen Menschen durch den Kopf, wenn sie plötzlich keinen Ausweg mehr sehen, sich erschlagen fühlen. Einen solchen Stillstand der Seele fühlen manchmal auch Menschen, die im Gefängnis landen.
Vorher ist alles wie auf Schienen gelaufen, wie in Trance ist die Zeit vorbeigezogen - und dann, als das Gehirn plötzlich wieder "klick" machte, fand der Mensch sich hinter Schloss und Riegel wieder. Erst jetzt arbeitet der Geist und das viel mehr als erwünscht, während der Körper wie leblos auf dem Bett liegt. Tot, schon lange vor dem Sterben. Ja, Sterben scheint fast noch ein Ausweg zu sein in dieser aussichtslosen Situation.
Nicht nur Menschen, die plötzlich im Gefängnis landen, haben solche Gedanken, auch Menschen, die vor den Scherben ihres Lebens stehen, weil scheinbar oder tatsächlich alle Lebensträume zerbrochen sind, weil das Band der Liebe gerissen ist, weil ein Mensch, der für das eigene Leben eine große Bedeutung hatte, unerwartet oder vielleicht sogar unter großen Schmerzen, verstorben ist.
Solche Gedanken plagen Menschen, die plötzlich in Lebenskrisen fallen, weil sie den Arbeitsplatz verlieren, oder weil sie von einer unheilbaren Krankheit erfahren. So düstere Gedanken zerfressen Menschen, die in eine Depression fallen oder auch Menschen, die in eine wirtschaftliche Katastrophe stürzen.
Tot mitten im Leben
All diese Menschen erleben einen qualvollen Absturz, manchmal einen Tod mitten im Leben. Neben diesem "Sterben" ist da auch noch der tatsächliche Tod. Menschen sterben, weil andere ihnen nicht das zum Leben Notwendige geben. Menschen sterben, weil andere es absichtlich herbeiführen durch Terror, Krieg und Mord. Menschen sterben, weil sie für machtpolitische Ziele geopfert werden, manchmal erst nach grausamer Folter.
Menschen sterben, weil sie auf der Suche nach dem vermeintlichen Glück zuviel nehmen von dem, was ihnen ein Leben wie im Traum verspricht und dafür im Alptraum der Abhängigkeit des Konsums und der Sucht enden. Und dann gibt es noch einige, die den absoluten "Kick" im Leben suchen und dieses Abenteuer mit dem Leben bezahlen.
Karfreitag erinnert uns alle an das Sterben und an den Tod, an das schreckliche Ende Jesu am Kreuz. Und doch ist dieses Sterben nicht vergleichbar mit dem Tod jener Menschen, von denen ich gerade gesprochen habe. Nicht nur, weil kein Sterben mit dem eines anderen vergleichbar wäre, mangelt es hier an Parallelen, sondern weil das Sterben Jesu einen anderen Zugang zum Tod eröffnet.
Ein Gott, der ganz bei uns Menschen sein will
Jesus hat den Tod auf sich genommen, weil er sich radikal auf die Seite der Armen, der Schwachen, der Wehrlosen und der Habenichtse gestellt hat. Er hat es gewagt, sich für das Leben einzusetzen, auch wenn er sich gegen die Mächtigen der organisierten Religion und der Politik stellen musste. Sein Sterben war ein Akt der Solidarität und des Mitgehens mit den Menschen bis in die dunkelsten Stunden des menschlichen Daseins. Mit diesem Sterben Jesu hat Gott uns gezeigt, dass ihm unser Leben und unsere menschlichen Schicksalsschläge nicht fern sind. Gott ist wie in keiner anderen Religion wie der christlichen, deutlich erkennbar ein Gott, der ganz bei uns Menschen sein will, gerade auch in den schweren Stunden unseres irdischen Daseins. Gott hat sich in die Tiefen unseres Menschseins hineinbegeben, um uns damit zu zeigen, dass wir selbst in den schwersten Stunden nicht völlig allein und verlassen sind. Gott hat sich gezeigt, nicht als Triumphator, nicht als mächtiger Herrscher, sondern als Kamerad und Leidensgenosse gerade jener Menschen, die sich in Lebenskrisen und dem Tode nahen Umbrüchen festgerannt haben.
Wir selbst sind das Grab
Die Karfreitagspassion aus dem Johannesevangelium endet mit der Grablegung, so wie auch die Kreuzwegstationen mit derselben enden. Tomáš Halík, ein großer zeitgenössischer tschechischer Priester, Religionsphilosoph und Soziologe hat gesagt, dass wir selbst das Grab sind. In uns soll die Auferstehung stattfinden.
"Dass das zentrale Symbol des Christentums das Kreuz ist und nicht eine Versinnbildlichung der Auferstehung, ist wohl nicht bloß dadurch gegeben, dass das Auferstehungsereignis und der auferstandene Jesus für eine bildliche Darstellung ein schwierigeres Thema wäre. Auch die Kreuze an den Wänden der Gotteshäuser und in unseren Wohnungen fordern uns auf: Jetzt geh und erzähle mit deinem Leben die Geschichte zu Ende! Die letzte Station des Kreuzweges ist das Bild der Grablegung, aber dieser kontemplative Weg soll in unserem weiteren Lebensweg fortgesetzt werden. Uns ist gesagt: Jetzt wurdest du zum "Zeugen der Auferstehung" auserwählt - du bist es, der bezeugen soll, auf welche Art und Weise Jesus in dieser Welt und in dieser Zeit lebendig ist!" (Tomáš Halík, Geduld mit Gott. Die Geschichte von Zachäus heute. Herder, Freiburg Basel Wien, 62013, Seite 171.)
Die Auferstehung hebt das Leid und den Tod in unserer irdischen Welt nicht auf, aber sie fordert uns auf, mit unserem Leben zu bezeugen, wie Gott in dieser Welt als ein lebendig machender Gott spürbar und erlebbar werden kann; sie fordert uns heraus, diese Botschaft vom Leben spendenden Gott zu den Menschen zu tragen.
Autor: Samy Schrittwieser, Referent für das Ständige Diakonat und Gefangenenseelsorger, Linz.
Karfreitag in Tirol
Thomas Laubach schreibt: "Einer, der sich ganz auf Gott verließ, hängt am Kreuz, von Gott verlassen... Einer, der die Liebe neu begann, hängt am Kreuz, vom Hass getroffen". Wofür hat Christus gelebt? Zur Ehre seines Vaters und zum Heil der Menschen. Doch am Ende seines irdischen Lebens stand Jesus nach außen ohne Erfolg da. Die Welt hat seinen Dienst nicht angenommen. Der Sohn Gottes wird aus seiner Schöpfung vertrieben, stumm gemacht, außerhalb seiner Stadt gekreuzigt. Die wahren Werte werden auf den Kopf gestellt. Wie kann man da das Kreuz verehren? Wir verehren nicht das Kreuz, sondern den Gekreuzigten. Wir verherrlichen nicht das Leid, sondern die Liebe des menschgewordenen Gottes, die auch vor der tiefsten Erniedrigung nicht zurückschreckte, um sein Herz für uns zu öffnen.
Die Karfreitagsprozessionen in Tirol (Arzl i. Pitztal, Kastelruth, Nauders, Schluderns im Vinschgau und Thaur) bringen das Staunen zum Ausdruck, dass sich Gottes Sohn ganz für die Menschen einsetzte und dabei sein Leben für das Heil der Welt riskiert hat. Diese Liebe ging bis zur Hingabe des Lebens, bis zum Tod am Kreuz. In der Heiligen Schrift heißt es: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn hingegeben hat, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrundegehe, sondern unendliches Leben habe" (Joh 3,16). Diese Ganzhingabe Christi setzt der Auferstandene in jeder Eucharistiefeier fort. Jesus starb wie ein Weizenkorn, um Frucht zu bringen. Er musste durch die Leidensmühle gehen, um für uns Brot zu werden, um uns die Länge, Breite und Höhe der unendlichen Liebe Gottes zu offenbaren. Da die Liebe keine Gewalt ausübt, musste Jesus leiden, um den Panzer des Egoismus der Menschen aufzubrechen. Christus hat so sehr geliebt, "dass der Nacht Granit aufsprang" (Nelly Sachs). Daher breitete er noch am Kreuz seine Hände aus, um alle Menschen zu umarmen. Die Liebe Jesu zu uns ist größer als alle Schuld. Die Erlöserliebe kennt kein Maß, geht ins Unendliche, verwandelt die Welt und die Menschen. Die Liebe Gottes übersteigt alles, was ein Mensch zu ergründen oder zu erahnen vermag. Jesus selbst sagt: "Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen" (Joh 12,32). Die Karfreitagsprozessionen führen daher zur Quelle der Barmherzigkeit, zur Quelle der Hoffnung, zur Quelle der Liebe Gottes.
Literatur: Petra Streng "Tiroler Karfreitagsprozession", in: Tirol, Heft 81(2012/13),75-82
Leiden ein wichtiger Bestandteil des Lebens
Not hat viele Gesichter
Ich gebe es zu: wenn ich die Nachrichten im Fernseher schaue, dann gehe ich ziemlich schnell zur Tagesordnung über. Das ist jetzt kein Schuldeingeständnis. Bitte verstehen Sie es auch nicht als eine zur Schau getragene Bescheidenheit. Zu vieles beschäftigt uns. Es warten noch einige Verpflichtungen, Aufgaben, die es dringend zu erledigen gilt. Da kann ich nicht jedes Leid an mir heran lassen. Während ich diese Gedanken niederschreibe, liegt neben mir auch mein Handy. Denn zur Zeit habe ich Rufbereitschaft als Notfallseelsorger. Wenn also in diesem Moment ein Anruf aus der Leitstelle kommt, dann muss ich aus verschiedensten Gründen los. Das Leid in der Welt, die Not hat viele Gesichter.
Doch ein besonders hässliches Gesicht zeigt mir das Leid in der vergangenen Zeit immer wieder. Immer häufiger hören wir, wie Kinder getötet werden. Sie werden mit in den Tod genommen. Erschüttert hat mich das Geschehen in Becknang, wo Kinder ums Leben kamen. Diese sind die unschuldigsten, die Menschen, die am meisten Schutz brauchen, die am meisten angewiesen sind auf unsere Hilfe. Jesus hat Kinder als Vorbild vor Augen gestellt, wenn er sie segnet, wenn er ein Kind in die Mitte stellt und sagt: wer so ein Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf. Wer so werden kann, wie ein Kind, der kommt in das Himmelreich. Die Menschen sind dann am zornigsten und sehr betroffen. Doch gerade bei diesen Fällen spüren wir unsere Machtlosigkeit. Ich spüre die Sinnlosigkeit von Gewalt. Das Leben kennt Leid und Sterben, es kennt Ungerechtigkeiten, gerade gegen Schwächsten.
Karfreitag – eine Absage
Der Karfreitag ist eine Absage gegen die Spaßgesellschaft. Lasst uns essen und trinken, morgen sind wir tot. Lasst uns fröhlich sein und feiern. Diese Haltung ist uns nur erlaubt, wenn wir bereit sind, zur rechten Zeit uns wieder den Problemen, den Ängsten und Sorgen dieser Welt zu widmen. Wir müssen bereit sein, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, alle Ungerechtigkeit in dieser Welt zu lindern.
Der Karfreitag ist auch eine Absage gegen die Leistungsgesellschaft. Wir Menschen wollen aufsteigen. Da heißt es stark zu sein, besser, möglichst perfekt zu sein. Der Mensch definiert sich über seine Siege. Dabei sein ist alles - der olympische Gedanke. Aber schöner ist es doch zu siegen. Was nimmt der Mensch nicht da alles auf sich, welche Wege, auf denen sich der Menschselbst zerstört, geht er.
Der Karfreitag ist eine Absage gegenüber einer Mentalität, die wegschaut, die einfach zur Tagesordnung übergeht. Warum? Aus dem einfachen Grunde, weil Gott nicht wegschaut. Weil der Mensch mehr ist als seine Leistung. Weil das Leben nicht einfach in oberflächlichem Spaß besteht. Es ist sicher schön, wenn die eigene Mannschaft oben steht in der Tabelle, wenn sie einen Pokal gewinnt. Doch wie leicht können da wichtigere Frage, Angelegenheiten untergehen.
Dem Leid nicht ausweichen
Gott hat in Jesus Christus das Leid der Welt getragen. Dem Leiden in der Welt und auch dem Leiden im eigenem Leben dürfen wir nicht ausweichen. Der Glaube an Jesus bringt uns nicht ein bequemes und angenehmes Leben, sondern er ist eine Herausforderung, sich einzusetzen. Er ist eine Herausforderung, auch das anzunehmen, was in unseren Augen nicht schön ist. Gott nimmt alles an. Wir dürfen das glauben, weil es in der Bibel geschrieben steht. Die Texte aus den beiden Lesungen machen und Mut und Hoffnung. Sie wollen Kraft geben, Mut das Leiden zu bejahen. Sicher: eine Antwort nach dem Warum geben auch diese Lesungen nicht. Aber sie zeigen: das Leid der Menschen ist Gott eben nicht gleichgültig. Gott ist gerade bei den Leidenden, er ist in den Leidenden zu finden, bei den Menschen am untersten Rand. Gott geht nicht einfach zur Tagesordnung über, sondern er bleibt bei den Menschen.
Um unserer Sünden willen?
Schauen wir uns Jesaja an. Gegensätze prallen aufeinander. Der Knecht hat Erfolg, hoch erhaben. Doch seine Gestalt ist hässlich, doch viele hören auf ihn. Ein Mann voller Schmerzen. Doch alles erträgt er um unserer Sünden willen. Alles, was dieser Mensch erleidet, geschieht wegen unserer Verbrechen.
Ich bin doch kein Verbrecher. Überhaupt ist der Begriff "Sünde" überholt. Das gibt es doch gar nicht. Das ganze Leid, besonders das der getöteten Kinder zeigt uns da was anderes. Es gibt sie: die Sünde, den Egoismus, die Habgier. Nicht alles ist mit Krankheit zu erklären. Jesus ist nicht gestorben, weil die Menschen alle gut sind, nein, es gibt viel Lüge, viel Betrug, viel Verrat unter den Menschen, viel an Ungerechtigkeiten. Der leidende Gottesknecht wir ausgegrenzt. Doch am Ende wird er siegen, weil Gott zu ihm steht. Dieser Knecht trägt die Sünden der vielen. Für uns Christen ist damit eindeutig Jesus gemeint, der unsere Schuld trug. Für jüdische Ohren ist das eine Verheißung, eine Versprechung: Gott nimmt das Leid nicht aus der Welt, doch lässt er seinen Knecht auch nicht im Stich. Er wendet es zum Heile hin.
Der Weg der Liebe
Genau das ist die Botschaft des Karfreitages. Gerne klammern viele das Leiden eben aus. Ein liebender Gott kann nicht mit Leiden in Verbindung gebracht werden. Wäre Gott nicht viel stärker gewesen als alle Menschen, die Jesus auslieferten, die heute noch auf Kosten anderer Menschen leben. Das schon. Doch wir wollen lieber den starken Gott. Gerne klammern wir das Leiden aus. In den vergangenen Tagen habe eine Lebensbeschreibung des Heiligen Franz von Assisi gelesen. Darin heißt es sinngemäß: "Bleibt zu betonen, dass es nicht nur die angenehmen Dinge sind, denen er sich als Bruder anbietet, wie etwa den wärmenden Sonnenstrahlen. Er dichtet seinen Sonnengesang während eines Augenleidens. Er fügt die Strophe vom Bruder Feuer hinzu, als ihn eine schmerzhafte Operation mit einem glühenden Eisen erwartete... und er nennt in den letzten Stunden seines Lebens den Tod seinen Bruder." Franz von Assisi war nicht nur der fröhliche Heilige, sondern er kannte dunkle Stunden. Sie verdrängte er nicht.
Wenn wir das Leiden Jesu herunterspielen, dann klammern wir einen wichtigen Teil aus. Jesus hat das Leiden gekannt. Auch ihn führte es zu einem tiefen Verhältnis zu Gott. Der Brief an die Hebräer beschreibt Jesus als einen, der uns verstehen kann. Freiwillig ist er Mensch geworden. Jesus hat Ängste gekannt. Er hat zu Gott gefleht: Vater, wenn es möglich ist, dann lass diesen Kelch an mir vorüber ziehen, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst..."
Jesus ist seinen Weg nicht gegangen, weil Gott das gebraucht hätte. Er hat seine Antwort gegeben. Es war der Weg der Liebe. In der Passionsgeschichte spüre ich immer wieder. Wenn Jesus auch als Angeklagter vor Pilatus steht, wenn er zu verlieren scheint, so ist er doch, der das Geschehen beherrscht. Im Leiden Jesu haben Menschen Kraft gefunden, weil sich Jesus mit den Leidenden, mit den Unterdrückten eins gemacht hat. Es waren die religiösen Führer, die sich in Frage gestellt fühlten, die Religion als Macht missbrauchten, die meinten, Gott im Griff zu haben. Er hat es auf sich genommen, das Leiden, um zu zeigen: diese Welt, diese Zeit sie hat ihren Sinn, auch dann, wenn wir es noch nicht verstehen.
Eines tut Gott nicht - einfach zur Tagesordnung übergehen. Er geht unseren Weg mit, als Jahwe, der Ich bin der Ich bin da, als der Immanuel, der Gott mit uns. Klammern wir als das Leiden, das einfach dazu gehört, nicht aus.
Der paradoxe Karfreitag
Musste Jesus leiden?
Am Karfreitag hören wir immer wieder Sätze wie "Im Kreuz ist Heil", "im Kreuz ist Segen", "im Kreuz ist Auferstehung"... Das ist paradox. So gesehen ist der Tod nicht das Ende, sondern eine Verwandlung, eine Geburt zu neuem Leben. Unglaublich: Das Scheitern muss sein, um höher zu kommen. Der Karfreitag ist nicht das Ende, sondern der Durchbruch zum ewigen Ostern. So entsteht das neue Jerusalem schon auf Erden.
Ich kann es nicht fassen, dass es in der Heiligen Schrift heißt, dass Jesus leiden musste. Immer wieder frage ich mich, warum muss das sein? Christus musste durch die Mühle des Leidens gehen, um für uns zum Brot zu werden. Er wollte uns schon auf Erden die Arznei der Unsterblichkeit reichen, das Brot, das dem ewigen Leben dient.
Jesus Christus offenbarte im Leiden, wie weit die Liebe des Vaters zu uns Menschen geht. Er zeigt uns, dass sie ins Unendliche reicht. Das kann kein Verstand ergründen, kein Herz erfassen. Unglaublich: Gott ist bereit seinen Sohn hinzugeben, um den Knecht zu erlösen. "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn den Menschen gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern das ewige Leben habe" (Joh 3,16). Christus war bereit zu unseren Gunsten sein irdisches Leben aufzugeben. Größer kann eine Liebe nicht mehr sein.
Warum haben manche Menschen maßlose Angst vor Gott? Sie haben doch das Wort Gottes. Doch das Wort Gottes wird durch Menschen vermittelt. Die Vermittlung kann auch falsch und eigennützig sein. So kann das Wort Gottes auch um seine Kraft gebracht werden, wenn uns ein falsches Gottesbild vermittelt wird.
Das menschliche Antlitz Gott
Der Karfreitag zeigt uns, wie menschlich Gott ist. Christus zeigt uns sein Kreuz, damit wir erkennen, wie Gott wirklich ist. Gott mag uns sogar noch, wenn wir seinem Sohn Leiden zufügen. Er ist wie ein idealer Vater, dem wir immer vertrauen können. Wir brauchen keine Angst vor ihm haben. Er ist unser abba, unser bester Papa. Er will unsere Umkehr, nicht unsere Strafe. Er will unser Heil, nicht unser Unglück. Gott will uns nicht durch Gewalt, sondern durch den größten Erweis seiner Liebe zur Umkehr bewegen. Er liebt die Menschen, auch wenn sie seine Feinde sind (vgl. Röm 5,10). Gott nimmt sogar durch das Lamm Gottes die Schuld der Menschen hinweg. So macht er uns auch noch liebenswert.
Wir können nicht oft genug betrachten: Die Großtaten Gottes, die sein Erbarmen bewirkt. Daher haben die Tage vom Leiden, Tod und Auferstehung Jesu eine zentrale Bedeutung: für mich, für dich, für alle Menschen. Und Gott erneuert seine Hingabe an uns durch Jesus Christus bei jeder Eucharistiefeier. Was für eine Antwort werden wir Gott geben? Wir können Gott nur danken und seine Liebe weitergeben, damit alle Menschen erkennen, wie gut Gott ist.
Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Hoffnung, im Kreuz ist Leben
Der grausame Tod
Durch die Medien ist diese Welt klein geworden. So kann jeder Mensch von Leiden und Sterben erfahren, auch dann, wenn es Hunderte, ja Tausende Kilometer entfernt geschieht. So habe ich wie viele Menschen ganz erschüttert Anteil genommen an dem schweren Busunglück in der Schweiz. 22 belgische Kinder und 6 Erwachsene verloren ihr Leben. Etliche wurden schwer verletzt. Nein, das Leben wird für sie nicht wie vorher sein. Selbst dann, wenn menschliches Versagen zugrunde läge, was würde es bringen. Menschliche Schuld erzeugt viel Leid, viel Sterben.
Wesentlich grausamer zeigte sich die menschliche Schuld kurze Zeit später in Frankreich. Drei Kinder mussten sterben und ein Familienvater. Unsere Welt ist von Leid und Sterben durchdrungen. "Die Welt ist einfach ungerecht!" So hat es ein Lehrer immer wieder gesagt. Fast schon möchte man resignieren. Es ist ja doch nichts zu machen. Wir müssen mit allem Leid, allem Schweren wohl leben. Es spielt keine Rolle, ob wir Menschen uns das Leid selbst verschulden oder ob es eine Naturkatastrophe ist.
Dabei dürfen wir ja nicht vergessen, dass unsere Natur aus dem Gleichgewicht kommt, wegen viel Egoismus, viel Ausbeuterei, weil eine Haltung um sich greift: nach mir die Sintflut. Vom Kopf her ist es klar: eigentlich sollten wir anders leben, wenn auf dieser Welt auch noch unsere Kinder und Kindeskinder menschenwürdige wohnen können. Doch da schiebt sich leider zu sehr die egoistische Haltung von uns. Ich glaube: jeder, der diesen Gottesdienst jetzt mitfeiert, kann eine ganze Reihe von Erfahrungen und eigene Beispiele bringen.
Wo ist bei alle dem Gott?
Ganz gleich, was sie ergänzen würden, so möchte ich mit Ihnen allen fragen: wo ist bei alle dem Gott, dieser barmherzige Gott, dieser liebende Gott? Nein, der Karfreitag löst nicht unsere Frage: warum lässt so ein barmherziger Gott das alles zu? Wie kann ein barmherziger Gott seinen eigenen Sohn so leiden lassen? Warum hat er zu unserer Erlösung nicht einen anderen Weg gewählt. Mir kommen diese Fragen immer wieder in den Sinn. Sie zeigen mir eines: der Glaube ist nicht nur einfach. Ich kann leicht an einen liebenden Gott glauben, der ganz besonders die armen, die entrechteten Menschen ansieht, an einen, der die Welt aus Liebe erschaffen hat. Ich kann an einen Gott leicht glauben, wenn ich höre, dass er mich beschützt, in allem seine Hand über mich hält. Aber bei den Fragen nach den Ungerechtigkeiten, die er zulässt, nach dem vielen Leid, das Leid der sexuell missbrauchten Kinder, nach dem Leid der misshandelten Menschen, da komme ich an meine Grenzen, da fühle ich mich herausgefordert. Da ist auch mein Glaube herausgefordert. Nicht in dem Sinn, dass ich eine Antwort geben und finden müsste, die noch niemand gefunden hat.
Ich fühle mich herausgefordert, immer wieder und von neuem meinen Gott auf andere Weise kennen zu lernen. Ich merke, dass ich mein Gottesbild niemals absolut setzen darf. Ich spüre einfach: es gibt keinen Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen. Das wäre auch zu einfach. So und darf ich mich nicht mit vordergründigen Antworten zufrieden geben.
Gott hat sich auf die Seite der Menschen gestellt
Was kann einem Menschen noch in tiefstem Leid ein lieber Gott nutzen. Eine Antwort kann ich auf diese Fragen - wie gesagt - nicht geben. Dennoch glaube ich daran, dass viele Menschen Trost und Hoffnung darin finden, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist. Ich merke das auch ganz deutlich, wie die Menschen im Glauben Kraft und Trost finden. Gott hat in Jesus uns Menschen angenommen. Er hat sich - nicht nur in Worten, sondern auch in Taten - auf die Seite der Menschen gestellt, die leiden, auf die Seite der Menschen, deren Leben durch die Schuld anderer oder aber auch durch eigene Schuld behindert wurde.
Er hat sich auf die Seite der Menschen gestellt, die verachtet wurden. Das hören wir in der ersten Lesung. Es kann betroffen machen, wenn da ein Mensch beschrieben wird, der so hässlich ist, voller Schmerzen, seien es körperliche Schmerzen, verachtet und verspottet war dieser Mensch. So ein Mensch gilt als von Gott verachtet. Ehrlich: meinen wir das nicht auch von manchen unserer Mitmenschen? Oder anders gefragt: machen wir uns in unserem Leben immer wieder Gedanken, dass jeder Mensch, auch den, den wir nicht mögen, ein geliebtes Kind Gottes ist. Die Lesung hört nicht auf, über den Gottesknecht Schlechtes zu schreiben. Wegen unserer Sünden muss er alles erleiden, zu unserem Heil nimmt er die Strafe auf sich. Auch hier kann ich fragen: wie oft wälze ich meine Schuld auf andere, mache andere Mitmenschen für mein Missgeschick verantwortlich? Missgeschicke haben immer andere Menschen in meinem Leben verursacht, Erfolge, die schreibe ich mir selber zu! Sicher darf ich nicht das Leid, das Menschen anderen zufügen, herunterspielen. Aber ich muss, ganz gleich, was ich erlebt habe, immer bereit sein, meinen Anteil zu sehen und die Verantwortung zu übernehmen. Nur dann ist eine Versöhnung mit anderen, mit sich selbst, mit anderen und auch mit Gott möglich!
Der leidende Gottesknecht
Bereitwillig nimmt der Gottesknecht das Leiden, die Schuld seiner Zeitgenossen auf sich. Wenn er hier mit einem Lamm verglichen wird, dann zeigt das die tiefe Absicht, die Gott verfolgt: es geht um Frieden, ums Shalom. Gewalt wird nicht mit Gegengewalt beantwortet. Der Mensch hat durch seinen Ungehorsam diesen Shalom, diesen Frieden, diese Einheit mit Gott verloren. Es sind in dieser Welt gerade die Gerechten, gerade die Menschen, die in dieser Einheit mit Gott leben, diejenigen, die am meisten leiden müssen, die am meisten an die Wand gedrückt werden. Darum ist ja auch gerade die Bergpredigt der Text, der am meisten umstritten ist, der von vielen zwar als schön und gut angesehen wird, aber eben nicht als lebbar, als unrealistisch angesehen wird.
Ich frage mich jetzt: warum lässt das der leidende Gottesknecht das so mit sich geschehen? Vielleicht (ich weiß es ja nicht!), um nicht selbst schuldig zu werden. Vielleicht um einen anderen Weg zu gehen, das Leid, die Schuld der anderen zu überwinden. Bei all den vielen "vielleicht" erscheint doch eines ganz sicher, woher der Mensch die Kraft nimmt. Er nimmt die Kraft aus der Gewissheit, dass Gott auf seine Seite steht. Gott steht hinter ihm. Nach den vielen Leiden, die vielfältige Ursachen haben, sehen wir nun in Gott, in seinem Sohn Jesus, das Licht.
Sich von Gott getragen wissen
Wir haben Jesus erlebt in der Passionsgeschichte. Vieles trifft auf Jesus zu. Jesus erlebt Verrat, Verleugnung, er erlebt Einsamkeit. Letztlich sind nur noch sein Lieblingsjünger bei ihm, ein paar Frauen und seine Mutter. Doch zeigt sich in der ganzen Passion auch, wie souverän Jesus ist. Er hat es nicht gesucht das Leid. Es ist ein Weg, den Jesus gegangen ist, aus Liebe, um Menschen zu zeigen: Gott steht auf eurer Seite. Für mich zeigen die Lesung und das Evangelium, wie es Menschen geht, die ganz auf Gott vertrauen.
Ich weiß nicht, ob ich die Souveränität hätte, ob ich so auf Gott vertrauen könnte, wenn mich einmal wirklich tiefes Leid trifft. Aber ich darf glauben, dass mein Gott, an dem ich glaube, meine Schuld auf sich genommen hat. Ich darf nicht lustig sündigen, aber ich darf mich in meiner Schwäche getragen wissen. Ich darf mit Gott auf Schuld und Leid in meinem Leben antworten. Vielleicht(ja mehr kann ich nicht sagen!) ist es ja der Glaube an diesen menschlichen Gott, der mir hilft, der allen Menschen hilft mit der vielen Schuld zurechtzukommen. Darum können wir sagen: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Hoffnung, im Kreuz ist Leben.
Die Liebe ist stärker als der Tod
Jesus ist nicht vorbei...
"Man sagt: Tote lässt man ruhen.
Wir sagen: Nein, Tote lässt man auferstehen,
ihre guten Ideen, ihre Taten, ihr Leben:
Tote lässt man auferstehen.
Man sagt: Vorbei ist vorbei.
Nein, wir sagen: Vorbei ist nicht vorbei:
Jetzt fängt die Sache erst an.
Jesus ist nicht vorbei...
Jetzt, heute, fängt die Sache mit Jesus an."
(Wilhelm Willms).
Aber: Daran können viele nicht mehr glauben, vor allem, wenn ihnen ein lieber Mensch genommen wird. Sehr groß und sehr tief sitzt der Schmerz darüber. Der Tod ist uns lebenslanger, unfreiwilliger Begleiter, der uns mahnt, mit der Zeit, mit der Kraft und unseren Begabungen verantwortungsvoll umzugehen.
Für einen sehr großen Teil von uns ist der Tod im wahrsten Sinn des Wortes der Todfeind, der uns Todesangst macht. Die Erfahrung lehrt, dass Geburt und Tod die einzige Gewissheit in unserem Leben darstellen. "Mors certa, hors incerta", also: Der Tod ist sicher, unsicher hingegen die Zeit, die Stunde unseres Todes.
Der Tod ist wohl die radikalste Form des Abschieds und auch des "Los-Lassen-Müssens". Jeden Tag werden wir mit ihm konfrontiert, ohne dass es uns wirklich bewusst wird. Das Ende eines Tages, die mitternächtliche Stunde bringt einen neuen Tag hervor. Jedes Ende eines Lebens- und Zeitabschnittes hat einen Neubeginn. Es ist so wie mit dem Weizenkorn, das in die Erde eingesenkt wird, um neues Leben zu schaffen.
Wann ist ein Mensch wirklich tot? Vielleicht schon mitten im Leben, wenn die Auferstehung für ihn sinnlos, nur Märchen, billige Vertröstung ist, wenn er nicht mehr nachdenkt, zurück, - vor- und weiterdenkt über seinen eigenen Tod hinaus, wenn er nicht nach dem Sinn des Lebens fragt, nach seiner Zukunft.
Vielleicht ist er schon mitten im Leben herztot, wenn er nicht mehr mitfühlt, nachfühlt und vorfühlt in die Auferstehungshoffnung mit dem Blick auf Christus.
Die christlichen Kirchen verkünden heute, dass die Liebe stärker ist als der Tod, und sie berufen sich dabei auf die Auferstehung: nicht als Wiederkehr eines Toten in die vergängliche Schöpfung, sondern als Auferstehen in eine Welt, in der es kein Leid, keine Not und auch keinen Tod mehr gibt.
So ist also der Tod derjenige, der uns das Ticket überreicht in die ewige Heimat, in das Haus des Vaters, der für uns eine Wohnung bereithält. Der Tod als Übergang in jenen Frieden, der die große Sehnsucht nach Gott stillt.
Die sieben Worte Jesu am Kreuz
Das erste Wort Jesu:
"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
Lk 23, 34
Dieses Wort ist ein Wort der Ent-schuldigung, ein Wort der Vergebung. Es gilt denen, die sein Leben auslöschen. Für Jesus gibt es keine Feinde. Er vergibt ihnen, indem er sich für sie hingibt.
Wenn wir auf uns schauen, dann sehen wir den Unterschied zum Verhalten Jesu. Er hat niemandem Unrecht getan. Wir hingegen sind auf die Vergebung durch Gott und unsere Mitmenschen angewiesen. Umso mehr sollten wir uns von der vergebenden Liebe Jesu anstecken lassen, uns von ihm die Kraft schenken lassen, denen zu verzeihen, die uns Unrecht getan haben. Dann können wir mit Jesus, aus seinem Geiste, beten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was die tun.
Das zweite Wort Jesu:
"Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein."
Lk 23, 43
Jesus sagt dies zu einem Verbrecher. Dieser hat Jesus vorher nicht gekannt. Er sieht ihn jetzt. Ihn, der wie er am Kreuz hängt. Diesem Verbrecher spricht Jesus Hoffnung zu. Solche Hoffnung weckt er in allen, die schuldig geworden sind und deswegen verachtet werden. Von seinem Vater sagt Jesus in der Bergpredigt, dass er seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse, regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (Mt 5, 45).
Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein, im Reich Gottes. Reich Gottes, ist das nicht der Ort, wo Gott schon hier und jetzt mit uns lebt? Da, wo wir, getragen von der grenzenlosen Liebe Gottes zu allen Menschen, offen werden für andere, auch für diejenigen, die wir so schnell als hoffnungslos einstufen.
Das dritte Wort Jesu:
"Frau, siehe deinen Sohn, und du, siehe deine Mutter!"
Joh 19, 26f.
Dies sagt Jesus zu seiner Mutter und zu Johannes. Ein Erbe hat er nicht zu verteilen. Jesus will Menschen einander anheim geben, sie zueinander führen. Für ihn gehören alle Menschen zur Familie Gottes; auch da, wo sie nur schwer zueinander finden.
Siehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter! Jesus weist uns den Weg, Grenzen der Familie, des Volkes, der Rasse, der Religion zu durchbrechen. Auf Menschen, die uns fremd sind, zuzugehen. Ihnen, wo es uns möglich ist, hilfreich zur Seite zu stehen. Werner Bergengruen erzählt davon, wie er 1919 in Russland auf seiner Flucht einer alten Bäuerin begegnete, die zu ihm sagte: "Ich habe einen Sohn in deutscher Gefangenschaft, von dem ich nichts weiß. Ich werde nun denken: Du bist jetzt mein Sohn. Sie umarmte mich und beschenkte mich reichlich."
Jesus sagt: Siehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter!
Das vierte Wort Jesu:
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Mk 15, 34
In seiner Todesnot spricht Jesus in einem Aufschrei die Worte des Psalms 22: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Es ist kein Schrei der Verzweiflung, doch ein Schrei abgrundtiefer Verlassenheit. Ein Schrei, in dem sich alle wiederfinden können, die unter dem Schweigen, der scheinbaren Abwesenheit Gottes leiden und daran zu zerbrechen drohen.
Mein Gott, warum hast du mich verlassen - so darf auch ich schreien, wenn ich nicht mehr durchsehe, wenn mir der Sinn meines Lebens fraglich erscheint. Doch ich rufe nicht ins Leere. Ich rufe Gott an. Ich frage ihn, ob er mich verlassen hat. Gott versteht, wenn ich angesichts unermesslichen menschlichen Leides zu ihm aufschreie: Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Das fünfte Wort Jesu:
"Mich dürstet!"
Joh 19, 28
Jesus bittet am Kreuz, dass man ihm zu trinken gibt. Seine Kehle ist ausgedörrt. Er leidet Durst. Mit seinem Verlangen nach Wasser erkennen wir ihn als einen von uns, der alles mit uns geteilt hat.
Weil Jesus sich in seinem Leidens- und Todesweg so sehr mit uns solidarisiert hat, mit unseren Ängsten und Nöten, finden in seinem "Mich dürstet!" auch all die Menschen eine Sprache, die an Durst und Hunger leiden. In leiblicher, mehr noch in seelischer Hinsicht.
Jesus dürstet danach, dass der Durst unseres Herzens gestillt wird. Der Durst, die Sehnsucht, angenommen und geliebt zu sein. Die Sehnsucht nach erfülltem Leben. Das Verlangen, friedlich und gewaltlos miteinander umzugehen. "Wer zu mir kommt," - das ist die Verheißung Jesu - "der wird nicht mehr hungern, und wer an mich glaubt, der wird nie mehr Durst haben" (Joh 6, 35).
Das sechste Wort Jesu:
"Es ist vollbracht."
Joh 19, 30
Die Geschichte Jesu ist keine Siegergeschichte, keine Erfolgsgeschichte: so wie wir Menschen sie gemeinhin verstehen und erstreben. Menschlich gesehen ist Jesus gescheitert. Seine Liebe brachte ihm den Tod. Jesus sagt nicht: Ich habe gesiegt, sondern immer noch in Qualen am Kreuz hängend: Es ist vollbracht! Vollbracht ist seine Liebe, mit der er bis zum Äußersten gegangen ist. Sein Leben hat in der Hingabe an die Menschen, im Tod für uns, letzten Sinn erfahren. Seitdem ist Tod Leben, ist Niederlage Sieg.
Möchte nicht auch ich einmal sagen können: Es ist vollbracht? Mein Leben hat sich nicht erschöpft im Etwas leisten wollen, im Etwas besitzen wollen. Mein Leben ist sinnvoll geworden, indem ich mich auf den Weg Jesu eingelassen, indem ich versucht habe, aus seiner Liebe zu leben und andere daran teilhaben zu lassen.
Das siebte Wort Jesu am Kreuz:
"Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist."
Lk 23, 46
In diesem letzten Wort am Kreuz gibt Jesus seinen Geist, sein Leben, sich selbst in die Hände seines Vaters zurück. Es ist nicht mehr der Gott, zu dem Jesus schreit, weil er ihn scheinbar verlassen hat. Es ist der Vater, der ihn vor dem Untergang rettet, ihn bestätigt als Messias, als seinen Sohn. In Jesus ist Gott aus sich herausgegangen, hat in ihm Knechtsgestalt angenommen, hat sich den Menschen ausgeliefert, um sie zu erlösen von allem Bösen, sie zu befreien zum Guten, zur Liebe.
Wenn ich mich auf dieses erlösende und befreiende Tun Gottes einlasse, wenn ich Jesus nachzufolgen suche, in den Umständen meines Lebens und im Maße meiner Möglichkeiten, wenn ich auch das, was mir im Leiden widerfährt, im Vertrauen in Gottes Führung und Fügung annehme, dann werde ich am Ende meines Lebens mit Jesus sprechen können: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mein Leben gebe ich dir zurück. Ich lege mich in deine Hände.
"Sein Tod soll mich prägen"
Ein Gott mitten unter den Menschen
Die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu ist uns als ältester Bestandteil der drei synoptischen Evangelien überliefert worden (zuerst im Markusevangelium). Darin wird bezeugt, wie Gott, Mensch geworden in Jesus, sich in die Abgründe unserer dem Tod verfallenen menschlichen Existenz hinein gegeben, sich den Menschen ausgeliefert hat. Er ist kein Gott über uns, sondern mitten unter den Menschen, mitten in ihrem Leid. Im Brief an die Gemeinde von Philippi schreibt Paulus: "Er, Christus, war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen. Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" (Phil. 2, 6-8).
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!"
In seinem Tod musste Jesus die scheinbare Abwesenheit Gottes in tiefster Bitternis durchleiden. Der Glaube an seine Sendung, das Reich Gottes in Israel aufzurichten, geriet ins Wanken. In der Stunde, in der er sich ganz von Gott verlassen fühlte, schrie er zu ihm: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk 15, 34). Warum hast du mich im Stich gelassen? Als Jesus starb, schrie er laut auf und hauchte sein Leben aus (Mk 15, 37). Verzweiflung war dieser Aufschrei nicht. Jesus suchte Hilfe bei seinem Gott. Den Psalm 22, an dessen Anfang das Wort steht: "Eloi, Eloi, lema sabachthani" - "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen", hat Jesus sicherlich oft in seinem Leben gebetet. Vielleicht kamen ihm in seiner Todesstunde andere Worte aus diesem Psalm über die Lippen. So das "Eli atta" - "Mein Gott bist du!" (Vers 11).
Das erfindet kein Mythos
Die meisten religiösen Mythen und Göttersagen sind Apotheosen, Vergötterungen. In ihnen werden die Menschen völlig ihrem Schicksal überlassen. In der Menschwerdung Gottes hingegen steigt kein Gott vom Olymp herab, gewissermaßen als Mensch verkleidet. So als ob Jesus nur scheinbar Todesangst durchlitten hätte. Als ob er die entsetzlichen Qualen der Geißelung, der Dornenkrönung des Kreuztragens, des Gekreuzigt Werdens nicht durch gestanden hätte. Als ob er sich nicht von Gott verlassen gefühlt hätte. Ein altes theologisches Wort, ein Theologumenon, besagt, dass nur das erlöst werden kann, was angenommen ist. Von außen oder von oben hätte Gott uns nicht erlösen können.
Was Jesus erlitten hat, kann kein Mensch sich ausgedacht haben. Vor einigen Jahrzehnten hat der sich als Atheist verstehende Ernst Bloch einmal gesagt: "Am Anfang der Stall und am Ende der Galgen - das erfindet keine Legende." Man könnte auch sagen: Das erfindet kein Mythos.
Errettung aus dem Tod.
Der Hebräerbrief spricht davon, dass Jesus mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte. Dann heißt es weiter: "Und er ist erhört worden und aus seiner Angst befreit worden" (Hebr 5, 7). Eine seltsam anmutende Gebetserhörung. Wie ist Jesus denn befreit worden? Er stieg ja nicht vom Kreuz herab. Doch, menschlichen Augen verborgen, wurde er von Gott aus dem Totenreich befreit. Sein letztes im Lukasevangelium überliefertes Wort war: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist" (Lk 23, 46). Und gemäß dem Johannesevangelium sprach Jesus: "Es ist vollbracht" (Joh 19, 30).
Aus nachösterlicher Sicht konnten die Jünger auf dem Weg nach Emmaus nur erahnen, was Jesus ihnen sagte: "Musste nicht Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen" (Lk 24, 26). Jesus musste auf diese unergründliche Weise sterben, damit uns, ebenso unergründlich für unseren Verstand, durch ihn unvergängliches Leben geschenkt wird. Dies glaube ich, mag ich auch manchmal in meinem Glauben angefochten sein.
Mit Paulus möchte ich sprechen können: "Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden. Sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen" (Phil 3, 10).
Gott lässt uns nicht allein im Leid
Begegnung mit dem Leid
Viele von Ihnen haben wahrscheinlich schon einmal einen schwer kranken Menschen im Krankenhaus besucht. Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Haben Sie sich vielleicht vorher gefragt: "Was soll ich bloß sagen?" oder sich gedacht: "Hoffentlich jammert der andere nicht zu viel, oder fängt gar zu weinen an? Dann weiß ich nicht mehr, was ich tun soll."
Wie geht es Ihnen bei einem Begräbnis. Mit welchem Gefühl gehen Sie zu den Trauerfamilien hin und wünschen ihnen Beileid? Können Sie in die traurigen Gesichter sehen, den Schmerz aushalten der sie anblickt, oder in solchen Situationen Worte des Trostes finden, die nicht bloß oberflächlich sind?
Hilflosigkeit - Ohnmacht
Ich denke, wir alle fühlen uns oft sprachlos, hilflos und auch ohnmächtig angesichts leidender Menschen.
Als Krankenhausseelsorger wurde ich einmal auf die Intensivstation gerufen. Am Telefon erhielt ich die Information, ein 27-jähriger Mann liege im Sterben. 2 Jahre zuvor habe der Mann eine Herztransplantation bekommen, alles sei bisher gut verlaufen. Aber nun versuche der Körper das fremde Herz abzustoßen, und trotz starker Medikamente wäre es nicht gelungen, die Abstoßungsreaktion zu stoppen. Es gäbe nun keine medizinische Hilfe mehr. Die Ehefrau sei bei ihm und völlig aufgelöst. Sie schreie und weine, und ließe sich von niemandem beruhigen.
Als ich auf die Station kam, da stellte mich die Krankenschwester vor. Und noch bevor ich ein Wort sagen konnte, da schrie mich die Frau an: "Wo ist denn da dein lieber Gott? Was hat mein Mann verbrochen, dass ich einen so herzensguten Ehemann und unser Kind seinen liebevollen Vater verliert! Das ist einfach nicht gerecht. Nein, das ist einfach nicht gerecht!"
Ich konnte ihr in diesem Augenblick kein tröstendes Wort sagen, keine befreiende Antwort auf ihre Not geben. Ich schwieg. Erst nach einiger Zeit sagte ich zu ihr: "Sie haben recht, das Leben ist nicht gerecht."
Leid ist nie gerecht
Es ist nicht gerecht, wenn ganze Dörfer durch Dürrekatastrophen verhungern. Es ist nicht gerecht, wenn Menschen durch Terror oder Krieg aus ihrer Heimat fliehen müssen und ihre Existenz bedroht ist. Es ist nicht gerecht, wenn Eltern ihr Kind bei der Geburt verlieren und erleben müssen, dass ihr Kind das Leben nicht entdecken konnte. Es ist nicht gerecht, wenn ein geliebter Mensch durch einen Unfall mitten aus dem Leben gerissen wird. Ja, es ist nicht gerecht, wenn ein Lebensabend nur mehr aus Schmerzen und Hilflosigkeit besteht.
Die bedrängende Frage: "Warum?"
Oft begegnen wir dieser "Ungerechtigkeit" in unserer Umgebung und überall auf der Welt und wir werden von der Frage bedrängt: "Warum?" "Warum lässt Gott das zu? Warum gerade ich? Warum trifft es diese Menschen, die doch niemandem etwas zu leide getan haben? Warum passiert das alles, das hat doch keinen Sinn?"
Diese Frage "Warum?" bedrängt uns, will eine Antwort haben, weil der Wunsch da ist, das Schreckliche irgendwie zu verstehen, das Unbegreifliche doch menschlich begreifbar und damit annehmbarer zu machen. Dieser Wunsch war zu allen Zeiten da.
Suchen nach Antworten
Im Ringen um ein Verstehen haben sich im Laufe der Zeit die verschiedensten Erklärungsversuche der Menschen - auch aus dem Glauben heraus - ergeben. Antworten, die diesen Menschen hilfreich wurden, sowohl im Glauben als auch im Leben.
Es ist aber wichtig nicht zu übersehen, dass wir heute diese von anderen gefundenen Erklärungen nicht einfach auf unser eigenes Leben übertragen, nicht einfach übernehmen können.
Dennoch können sie eine Anregung, eine Hilfe sein, den eigenen, ganz persönlichen Zugang zum Umgang mit dem Leidvollen im eigenen Leben zu finden. Oder manchmal können sie die Kraft geben zum Annehmen eines unbegreifbaren Schicksalsschlages.
Leid als "Strafe" Gottes?
Ein Erklärungsversuch, der uns in der Bibel an manchen Stellen begegnet, und der auch in vielen Menschen verankert ist, lautet: "Dein Leid ist eine Strafe Gottes".
Die Krankheit oder der Schicksalsschlag wird als eine Strafe gesehen für ein Versagen oder ein gebrochenes Versprechen, für eine böse Tat oder ein moralisch sündhaftes Leben.
Als die Krankheit AIDS bekannt wurde, konnte man anfangs des Öfteren hören (auch von Vertretern der Kirche): Das ist eine Strafe Gottes für die Homosexualität.
Man merkte aber schnell, dass diese Erklärung zu kurz greift, als sich nicht nur Homosexuelle sondern auch Kinder durch Bluttransfusionen mit dieser Krankheit ansteckten. "Unschuldige" Ärzte oder Krankenschwestern wurden bei Operationen oder Untersuchungen infiziert. Wofür wurden sie bestraft?
Leid als Strafe
Es kann aber sein, dass ich selber etwas bei mir als Strafe empfinde, weil ich einen Zusammenhang zwischen meinen Taten und dem Leid entdecke.
Wenn ich mit dem Auto zu schnell unterwegs oder alkoholisiert war, und nun nach einem Unfall querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitze, dann kann ich sehr wohl das Gefühl haben, mein Leichtsinn wurde bestraft.
Ich denke wir spüren, es wäre nicht gerecht, nun mein Gefühl der Strafe Gott in die Schuhe zu schieben.
Leid als Hinweis von Gott
Im Krankenhaus habe ich erlebt, dass Patienten sagten: "Ich glaube, Gott hat mir diesen Zusammenbruch, diesen Herzinfarkt oder dieses Magengeschwür geschickt, damit ich gezwungen bin, mich mit meinem bisherigen Leben auseinander zu setzen. Ich habe mir schon lange nicht mehr die Zeit genommen, meine Handlungen, meine Beziehungen anzuschauen. Alles andere war mir wichtiger. Jetzt aber habe ich viel Zeit bekommen und ich entdecke neu, wie sehr mich meine Frau liebt und wie großartig meine Kinder sind, welch gute Arbeitskollegen und Nachbarn ich habe, ..."
In solchen Aussage wird zwar das Unglück, der Schicksalsschlag auch mit Gott in Zusammenhang gebracht, aber gleichzeitig ist das Gefühl des Betroffenen spürbar, es gibt einen wichtigen positiven Hintergrund, einen Sinn für dieses Geschehen. Gott will mir etwas für mich Wertvolles, Wichtiges sagen oder zeigen.
Eine solche Antwort kann jemand aber nur für sich selbst finden, kann nicht von außen gegeben werden nach dem Motto: "Du musst nur genau hinschauen, dann entdeckst du schon, welch guten Sinn Gott in dein Leid gepackt hat."
Das Leid "aufopfern"
Eine andere Art und Weise, mit Leid umzugehen, ist die Aussage: "Ich muss mein Leid aufopfern." Oft wird diese Aussage mit einem Satz in einem Paulusbrief verbunden: "Was am Leiden Christi noch fehlt, das ergänze ich mit meinem Leiden."
Ich muss gestehen, mit diesem Satz des Paulus tue ich mir schwer. Hat denn Jesus zu wenig gelitten für uns? Sind wir durch Jesu Leiden nur zur Hälfte oder Zweidrittel erlöst worden und den Rest müssen wir selber machen? Haben wir einen solch schwachen Sohn Gottes, dass wir mit unserem Leid mithelfen müssen für die Erlösung? Können und müssen wir uns also ein Stück selber erlösen?
Für mich bedeutet das Wort: "das Leid aufzuopfern", ich darf nicht nur die schönen und die guten Erfahrungen des Lebens als meine Gaben zum Altar bringen, als Opfer vor Gott, sondern ich darf auch mit dem Schweren, mit dem was mich nieder drückt, mit meinen Schmerzen und meinem Kreuz zu Jesus, zu Gott kommen und dieses Leid als meine Gabe in seine offene Hand - in sein Kreuz - hineinlegen. Dabei kann ich die Gewissheit haben, Gott schickt mich nicht zurück oder wendet sich von mir ab. Er wird auch mein Leid verwandeln. Ein Hoffnungszeichen im Leid ist deshalb für viele Menschen das Kreuz.
Dem leidenden Menschen begegnen
Für mich gibt es das wunderbare Bild der Veronika mit dem Schweißtuch. Sie konnte Jesus nicht das Kreuz abnehmen, sie konnte nicht für ihn den Leidensweg übernehmen. Aber sie reichte ihm ihr Schweißtuch und verschaffte ihm dadurch Linderung und Trost. Jesus durfte erfahren: "Du bist nicht allein!"
Krankenhäuser, Pflegeheime, Rotes Kreuz, Entwicklungshilfe, Projekte gegen den Hunger, Nachbarschaftshilfe, ein offenes Ohr, ein stiller Händedruck ... - all das sind für mich die Schweißtücher Veronikas der heutigen Zeit.
Da sein
Damals auf der Intensivstation konnte ich der jungen Frau keine Antwort geben, warum Gott diesen Weg für ihre Familie zulässt, warum er ihnen diese schwere Bürde auflegt, warum das Leben manchmal augenscheinlich so ungerecht ist. Ich konnte ihr nicht sagen, welcher Sinn in diesem schrecklichen Geschehen liegen könnte.
Was ich ihr aber geben konnte, war meine Anwesenheit, mein Zuhören, meine Solidarität in der Hilflosigkeit und die Gewissheit, ich lasse sie in dieser schwierigen Zeit nicht allein. In den zwei Tagen des Sterbens hat sie viele Gespräche geführt, mit den Angehörigen und Freunden, und auch mit mir. Nachdem ihr Mann gestorben war, sagte sie zu mir: "Gott wird mir und meinem Kind schon irgendwie weiter helfen!"
Schicksal, Leid, Tod - all dem gegenüber steht das Kreuz Jesu Christi mit der Botschaft Gottes: "Du bist nicht allein."
Jesus hat durch Leiden den Gehorsam gelernt
Stille - Totenstille
Es ist still geworden. Jesus hat seinen Weg vollendet. Wir stehen heute unter dem Kreuz und an seinem Grab. Das ist eine radikale Anfrage an uns Christen: Was machen wir mit dieser Botschaft vom Leiden und Sterben Jesu?
Ich spüre, dass wir da vor einem doppelten Geheimnis stehen: zum Einen trifft uns der Tod Jesu. Zum Anderen stellt er uns aber auch unsere eigene Einstellung zum Sterben in Frage. Was bleibt, wenn ein Mensch so sterben muss? Wie grausam kann das Leben sein?
Angesichts des Leides und Todes von vielen, das uns in den letzten Wochen über die Medien vermittelt wurde und auch angesichts eigener Erfahrungen mit Leid und Tod in unserer engeren Umgebung kann es leicht sein, dass wir verstummen. Da weiß man nicht mehr, was man sagen soll. Der Tod erschüttert uns bis ins Innerste. Er schnürt uns die Kehle zu. Wir sind doch gewohnt zu handeln, zu reden, unser Leben zu gestalten. Solange wir nur etwas tun und bewegen können, solange hoffen wir. Wir suchen nach Auswegen und ertragen sogar Umwege, nur um wieder neue Perspektiven zu entdecken. Es ist gut und schön und gottgewollt, dass wir unser Leben und unsere Welt zum Besseren hin gestalten. Dafür lohnt sich unser Einsatz im Geiste Gottes. Aber was geschieht, wenn wirklich alles zu Ende geht. Wenn Kreativität und Schaffen nicht mehr möglich sind? Was geschieht, wenn uns alle Handlungsmöglichkeiten genommen sind und nur noch eines sicher ist, todsicher, nämlich das Ende?
Den Schmerz Gott entgegen schreien
Genau hier zeigt uns die Textstelle aus dem Brief an die Hebräer, die wir heute in der Lesung gehört haben, dass Gott uns einen Bruder gegeben hat, der auch das kennt. Jesus reiht sich nicht in die Zahl der Hohenpriester, die fremdes Blut geopfert haben. Jesus weiß nicht nur theoretisch, dass es Leid gibt. Nein! Er weiß genau wie sich Schmerz und Tod anfühlen. Er weiß nicht nur, dass es weh tut, sondern auch wo und wie sehr es weh tut. Er reiht sich in die große Zahl der Psalmenbeter des Alten Testaments ein. Jesus brachte mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor Gott. Genau so steht es im Brief an die Hebräer. Erinnern wir uns da nicht an die vielen Klagepsalmen, in denen Menschen all ihre Not hinausgerufen haben. Sie hatten keine Angst, dass Gott ihnen deshalb böse sein könnte. In unendlich vielen Bildern schildern sie Gott ihr Leid und beten es sich von der Seele. Genauso tut es Jesus und wird uns darin zum Vorbild.
Trauen wir selbst Gott zu, dass er unser Klagen und Schreien aushält? Wenden wir uns an ihn mit all dem Schmerz, der uns selbst manchmal trifft, oder klagen wir lieber über Gott, dass er dies zulassen kann?
Jesus hat sich mit lautem Schreien und unter Tränen an Gott gewendet.
Katharsis - Reinigung und Umkehr
Wenn jemand lange geweint und geklagt hat, dann tritt manchmal eine ganz tiefe Ruhe ein. Wenn diese Katharsis, diese Reinigung erfolgte und Gott alles übergeben wurde, was unlösbar, unerträglich und unverständlich ist und bleibt, dann kann der Mensch still werden. Dann kann er wieder hören lernen; hören auf die ganz leisen Worte, die in seinem Herzen aufsteigen. Wer in solchen Stunden des Leidens Gehorsam lernt, den will Gott von der Angst befreien. Wer alles Gott übergeben hat, der kann dann still werden in ihm. Jesus ist auf diesem Weg zur Vollendung gelangt. Er ist aber durch diesen Weg, den er uns vorgelebt hat, auch für uns zum Urheber des ewigen Heiles geworden.
Radikales Umdenken
Der Weg zum Vater führt über das Kreuz. Der Querbalken zeigt uns die Spannung an in der wir stehen. Wir wollen etwas tun, wir wollen handeln. Doch dazu ist es manchmal schon zu spät. Der Längsbalken weist uns den Weg nach oben. Er zeigt uns, dass Gott sich in allem finden lässt. Er ruft uns auf, in den schwersten Stunden Gott unser Leid entgegen zu schreien. Er ruft uns auf, im Leiden Gehorsam zu lernen. Keinen blinden Gehorsam! Nein, vielmehr das feste Vertrauen zu lernen, dass Gott alle Wege mitgeht! Im Leiden können wir das Wichtigste lernen: Wer loslässt, wird gehalten; wer verzeiht, dem wird verziehen; wer auf Gewalt verzichtet, erfährt Barmherzigkeit; wer sein Leben hingibt, der gewinnt es. Diese Dynamik Gottes widerspricht dem Denken des Menschen. Dazu ist diese radikale Umkehr nötig, zu der Jesus schon am Beginn seines Wirkens aufruft. Oft ist es das Leid, das uns hellhörig und gehorsam genug macht, uns auf diesen Weg Jesu einzulassen.
Jesus, du hast alleine gelitten.
Du hast Gott dein Leid entgegengerufen.
Du bist deinen Weg gegangen
und hast dein Kreuz getragen.
Geschunden und gemartert verzeihst du deinen Missetätern.
Jesus, wir danken dir,
dass du uns Bruder geworden bist im Leiden und Sterben.
Wir danken dir,
dass du uns den Weg weist,
wie auch wir zur Vollendung gelangen können.
Wir werden wahrscheinlich auch keine Antwort bekommen auf die vielen "Warums".
Sie werden offen bleiben.
Aber lass dann in unseren hörenden und gehorchenden Herzen ein Ja aufsteigen:
Ja, Vater, in deine Hände lege ich mein Leben.
Das Kreuz ist der Schlüssel die Welt zu verstehen
Das Leiden und der Kreuzestod Jesu
Der Karfreitag führt uns das Leiden und den Kreuzestod Jesu Christi vor Augen.
Sie schlugen ihm ins Gesicht, sie setzten ihm eine Dornenkrone auf, sie nahmen ihm die Kleider, sie verhöhnten ihn, sie prügelten auf ihn ein, sie ließen ihn seine eigene Hinrichtungsstätte durch die Öffentlichkeit schleppen, sie ermordeten ihn und stellten seinen Leichnam zur Schau. Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch.
Vielleicht berühren uns solche Sätze in diesen Tagen besonders, wo wir täglich Bilder von leidenden Menschen sehen. Es gibt manches Golgatha, manche Schädelstätte in dieser Welt. So schauen wir am Karfreitag auf das Kreuz; und wir schauen nicht nur darauf, sondern wir verehren es, wir beugen unsere Knie davor.
An und für sich betrachtet ist dieses Kreuz etwas Schlimmes, ein Hinrichtungsinstrument ein Marterpfahl. Recht gemein konzipiert: so, dass es ein langsames, über Stunden sich hinziehendes Ausbluten gibt - so hing Christus 6 Stunden am Kreuz in der glühenden Mittagshitze, der gaffenden Menge ausgesetzt.
Der Schlüssel zur Interpretation der Welt
Welche Bedeutung hat dieses Kreuz nun für uns? - John Henry Newman schreibt: "Lasst uns fragen: Was ist der wirkliche Schlüssel, was ist die christliche Interpretation dieser Welt?
Was ist uns von Gott gegeben, wonach wir diese Welt einzuschätzen und zu messen haben? Es ist die Kreuzigung des Sohnes Gottes. Sein Kreuz gibt den richtigen Wert einem jeden Ding, das wir sehen, allen Glücksgütern, allen Vorteilen, jedem Rang, allen Würden, allen Vergnügungen. Sein Kreuz hat einen Sinn gegeben dem veränderlichen wechselnden Lauf, den Prüfungen, den Versuchungen, den Leiden dieser irdischen Dinge. Das Kreuz des Herrn hat zusammengebracht und zusammenhängend gemacht alles, was sich zu widerstreiten schien".
Das Kreuz auf Golgatha ist also der große Schlüssel zum Verständnis der Welt und des menschlichen Lebens. Nur im Licht des Kreuzes sieht man die Welt und den Menschen richtig. Man sieht die Schlechtigkeit dieser Welt, und man sieht zugleich, was dem Dasein trotzdem Sinn gibt. Da ist ein Gott, der mit uns geht, selbst in den Tod hinein, selbst in die äußerste Erniedrigung und Entwürdigung.
Warum Leiden?
Seit jeher fragen die Menschen: Warum lässt Gott das Leid zu? Für viele ist es der entscheidende Grund, an Gott zu zweifeln oder ihn abzulehnen. So manch einer ist an Gott verzweifelt, wenn ihn das Leid selbst trifft.
So steht Jesus am Karfreitag der Bosheit der Menschen gegenüber. Und Gott lässt es geschehen. Jesus erfuhr die schlimmste Erniedrigung. Unschuldig. Er musste an den Freunden zweifeln, er wurde seiner Würde beraubt. Und: er fragte: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.
Geht es uns nicht auch oft so? - Früher oder später stößt jeder gegen den elenden Querbalken, der das Leben zu einem Kreuz macht. Jemand wird krank, verliert die Arbeit, verunglückt. Ein geliebter Mensch stirbt. Man wird alt. Man kann nicht mehr. Das Kreuz ist eine Realität in jedem Menschenleben. Aber immer weniger Menschen werden damit fertig. Sie akzeptieren es nicht mehr, sie halten es nicht mehr aus. Doch wir haben keine Wahl. Das Kreuz bringt uns zurück zu unserer Wahrheit, zu dem wahren Maß eines armen, schwachen, verletzlichen, kleinen Menschenlebens. Schauen wir auf das Kreuz des Karfreitags. Es wird uns nicht vom Leid befreien, aber es wird uns erlösen von der Sinnlosigkeit des Leidens.
Sich hinein fallen lassen in die Liebe Gottes
Im Blick auf das Kreuz lernen wir, dass wir bei dieser Warum-Frage nicht stehen bleiben dürfen. Das ließe uns verzweifeln, verbittern, das führt in die Sackgasse. Das Kreuz zeigt uns, dass es die Bosheit in der Welt wahrlich gibt. Dass es unerträgliches Leid gibt. Und dass wir oft vor Fragen stehen, auf die wir in diesem Leben keine Antwort finden können.
Das Kreuz sagt uns aber auch, dass wir Leid vermeiden sollen, wo es nur geht. Wir sollen jenen beistehen, die durch Schicksalsschläge getroffen, nicht mehr weiter wissen.
Wir sollen all unsere Kraft und Fantasie dazu aufwenden, das Kreuz in dieser Welt zu vermeiden. Wo es nur geht, sollen wir zeigen, dass Gott uns Leben in Fülle schenken möchte.
Wir dürfen Sinn finden in unseren schönen Erlebnissen, Freude finden an unseren schöpferischen Leistungen. Da, wo wir nichts mehr leisten können, wo Trennung, Verlust, Tod oder Krankheit uns die Regie aus der Hand nehmen, da sollen wir auf den Gekreuzigten schauen. Hier zeigt sich Liebe in ihrer letzten Konsequenz. Liebe, die denen verzeiht, die ihr Grausamstes angetan haben. Liebe, die bereit ist, auch im Scheitern und in der scheinbaren Niederlage einen Sinn zu sehen.
Das Kreuz ist der Schlüssel für das Verständnis dieser Welt: Es muntert uns auf, uns in Liebe in die Hände Gottes zu legen. Es muntert uns auf, im nichts mehr tun können, die heroischste Leistung unseres Lebens zu vollbringen. Sich hineinfallen zu lassen in die Liebe Gottes, da, wo wir aller Kräfte beraubt sind, das ist der Weg des Kreuzes.
Nicht trotziges Aufbegehren, nicht Verbitterung oder Hass sollen am Ende stehen. Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist! Meinen müden, zerbrochenen, fragenden, enttäuschten Geist. In deine Hände lasse ich mich fallen, so wie Jesus. Das ist die letzte Tat, zu der wir in Würde fähig sind: niemand entreißt uns das Leben - wir dürfen es selbst hingeben. Tag für Tag im Erfüllen unserer vielen Aufgaben und letztlich im Tod. Wer sein Leben hingibt als letzte Konsequenz der Liebe, wer sein Leben hingibt im Blick auf das Kreuz, hineinlegt in die Liebe des ewigen Vaters, der wird es gewinnen. Dem ist ein strahlender Ostermorgen verheißen.
Mit Christus sich dem Leid stellen
Wir stehen unter dem Eindruck der Passionsgeschichte Jesu. Einer, der im Guten uns weit übertrifft, erleidet schlimmste Qualen. Einer, der das Beste gewollt hat, erntet bitteren Hass. Weil er seinen göttlichen Anspruch nicht aufgegeben hat und seinem Auftrag treu geblieben ist, wurde er zum Tode verurteilt.
Unvermögen, Missverständnis, aber auch Neid und Angst, die eigene Machtposition aufgeben zu müssen, haben zu dieser Tragik beigetragen und verlängern bis heute die Blutspuren des Unrechts.
Ich greife hier nur ein Beispiel aus einer langen Reihe heraus:
In einem Brief des vietnamesischen Märtyrers Paul Le-Bao-Thin (+ 1857) ist zu lesen: "Dieser Kerker ist wirklich ein Bild der Hölle: Zu den grausamen Martern aller Art wie Fesseln, eiserne Ketten und Seile kommen hinzu Hass, Racheakte, Verleumdungen, Gemeinheiten, Flüche und schließlich Angst und Traurigkeit.
Wie dieses entsetzliche Schauspiel ertragen, bei dem ich jeden Tag Herrscher, Mandarine und ihre Höflinge sehen muss, die deinen heiligen Namen verfluchen? Sieh, mein Gott, dein Kreuz wird von den Heiden mit Füßen getreten.
Inmitten dieser Foltern, die gewöhnlich die anderen beugen und zerbrechen, weiß ich mich nicht allein, sondern du, Christus, bist in mir. Als Gekreuzigter bist du bis in die "Hölle" hinab gestiegen und so bist du auch mir nahe, der ich den Kerker als Bild der "Hölle" erlebe. Trotz allem ziehe ich es vor, zum Zeugnis deiner Liebe zu sterben."
(Auszugsweise entnommen der Enzyklika: SPE SALVI, Nr.37, Papst Benedikt XVI.)
Eine extreme Situation. Keiner von uns wird hoffentlich in eine ähnliche "Hölle" hinein geraten. Was aber dem Paul Le-Bao-Thin Kraft zum Durchstehen gegeben hat, darauf können auch wir zurückgreifen in unseren persönlichen Karfreitagsstunden.
Verwundung und Heilung
In unserer Zeit finden wir wenige Hilfen, wie wir Schweres und Leidvolles verkraften können. In der Öffentlichkeit, in den Medien ist viel von den Siegern, den Medaillengewinnern berichtet. Krasse Delikte und tragische Unglücksfälle werden in Wort und Bild allen vorgeführt. Aber Schritte zur Heilung bleiben aus. Kein Wunder, dass nur Wenige den Mut haben, solche Dunkelstellen aufzuarbeiten. Die Versuchung ist groß, nur zu überdecken.
Es ist zum Beispiel gefährlich, gegen eine Entzündung im Körper, gegen quälende Bauchschmerzen, Herzbeschwerden oder Nierenkoliken oder dergleichen nur einfach immer hohe und höhere Dosen von Schmerztabletten zu nehmen: Solche Maßnahmen verschleiern nur, was wirklich ist. Sie verhindern gerade dadurch notwendige Hilfe.
Und wie groß ist die Gefahr, dass wir im Seelischen ähnlich handeln: dass wir nicht wahrnehmen wollen, was nicht sein darf.
"Wenn ich nicht untergegangen wäre, wäre ich untergegangen", schrieb Kierkegaard. Was hier so paradox formuliert wird und aufhorchen lässt, will uns Mut machen, vor den eigenen Ängsten und Dunkelstellen nicht zu fliehen.
Ohne Kampf kein Sieg. Krise und Ringen bringen kreative Möglichkeiten in den Blick und fördern unplanbare Lösungen und Auswege. Biographien, ökonomische und sozialpolitische Beobachtungen, auch die Ergebnisse des neuen Forschungsbereichs "Chaostheorie" bestätigen diese Grunderfahrungen, die im "stirb und werde" der Philosophen und in religiöser Sprache mit "Kreuz und Auferstehung" gemeint sind.
Das Kreuz - ein Zeichen der Hoffnung
In der österreichischen Benediktinerabtei Zwettl ist das Altarkreuz von dichten grünen Efeuranken umgeben. Christus verzichtet in seiner Feindesliebe auf Gegenwehr und Gewalt. Er nimmt lieber Leid auf sich als Leid zu verursachen. Trotz der Todesängste gibt er die Hoffnung nicht auf, dass durchgehaltene Liebe nicht untergeht. Mit dem Gekreuzigten ist der immergrüne Efeu eng verbunden.
Als Christen klammern wir den Karfreitag nicht aus. Wir wissen einen Besseren und Stärkeren auf unserer Seite. Wir dürfen fest damit rechnen, dass nach düsteren Karfreitagsstunden das unvergängliche österliche Leben folgen wird. Amen.
Seine Passion und unser zurzeit größtes Kreuz, der Missbrauch
Wir haben die Passion, den Leidensweg Jesu, gehört, sind mit ihm mitgegangen, tun uns aber schwer, einen solchen Weg mit unserem Leben heute in Verbindung zu bringen.
Versuchen wir zuerst das größte Kreuz, das wir zurzeit in der Kirche haben und nicht nur in der Kirche, sondern im ganzen Volk, nüchtern, aber betroffen anzuschauen. Und wagen wir es, dieses unser Kreuz heute mit dem Seinen zu verbinden. Lassen wir ihn mitgehen und gehen wir mit ihm mit.
Dieses unser größtes Kreuz heute ist der Missbrauch an Kindern und jungen Menschen durch Vertreter der Kirche, aber auch durch viele "Große" "Erwachsene" - in Anführungszeichen.
Missbrauch heute und wie geht es weiter?
Zur Situation heute muss ich einfach sagen: Es ist entsetzlich und beschämend, was da in Klöstern, in Internaten, von Priester und sonst in Schulen, Heimen usw. an jungen Menschen an Unrecht geschehen ist. Dabei belegen Zahlen, die in diesen Tagen veröffentlich worden sind, dass das, was Personen der Kirche betrifft, etwa 4% ausmacht von der Gesamtzahl der Missbrauchsopfer. Diese wird beziffert auf 14 000 bis 15 000 pro Jahr an angezeigten Verbrechen - von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. An die 90% passieren in Familien und in der Verwandtschaft.
Das mindert und entschuldigt keinen Deut die schreckliche Tat von Geistlichen und Vertretern der Kirche. Eigentlich hätten wir da eine besondere Vorreiterrolle und Vorbildaufgabe, die völlig verspielt worden ist und die Kirche heute nahe an einen Abgrund bringt. Mir geht’s hier darum, dass wir alle miteinander umdenken und uns die Kinder und Jugendlichen zu einem besonderen Anliegen miteinander machen.
Das Kind steht im Mittelpunkt
Der wichtigste Gesichtspunkt ist und bleibt hier das Kind. Alles andere ist unterzuordnen. Hier müssen wir gewaltig umdenken. Früher galt meistens dem Täter die erste Sorge, ihn schützen vor der Öffentlichkeit und die Kirche und das Kloster vor Schaden und Schande bewahren - natürlich auch die Familie.
Missbrauch ist körperliche, seelische und speziell sexuelle Gewalt an Kindern und Jungendlichen, die hilflose der Übermacht eines Erwachsenen ausgesetzt sind. Je kleiner das Kind ist, desto schlimmer!
Besonders schlimm ist sexueller Missbrauch: "Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine sexuelle Handlung eines Menschen an einem Kind, wobei der Erwachsene seine eigenen Bedürfnisse nach Intimität, Nähe, Macht und Kontrolle auf Kosten des Kindes auszuleben sucht." (Sgroi 1982)
Warum ist Missbrauch so schlimm?
Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen, das im Leben der Opfer für immer Spuren hinterlässt - ist schlimmstes Verbrechen an der Kinderseele. Es zerstört das Urvertrauen, das Vertrauen an Eltern, überhaupt an Erwachsene - und an Gott. Kinder erwarten, dass sie von den Großen und Starken beschützt werden. Sie glauben, dass Eltern, Lehrer, Priester, Trainer von Sportvereinen usw. das Richtige tun.
Eine Frau, die missbraucht worden ist (vom eigenen Vater) sagte: "Ich habe oft so kleine Pickel und dachte, meine Seele hat ganz braune Flecken, der Dreck kommt mir durch die Haut." (SZ 26.3.10 S.3).
Nach einem Missbrauch wissen Kinder nicht mehr, was richtig oder falsch ist. Sie verlieren die Orientierung. Sie fühlen sich schuldig - allein, kommen in Isolation; meist werden sie manipuliert "Wenn du davon erzählst, dann. . ." "Das muss unser Geheimnis bleiben!"
Kinder wollen den Tätern nicht schaden - es sind ja keine bösen Unbekannten, sondern Menschen, die eine wichtige Rolle für sie spielen: Der nette Geistliche, der coole Mesner bei den Ministranten, der flotte Trainer im Verein, der liebe Onkel usw.
Blick auf die Verursacher
Es sind meistens Männer - auch Frauen gibt’s - die Minderwertigkeitskomplexe haben, sich nicht trauen, mit erwachsenen Menschen Beziehungen aufzunehmen, und so sich an Kinder heranmachen, die sie nicht be- oder verurteilen werden.
Pädophilie - so heißt diese Neigung - wohl treffender Sucht, ist nicht therapierbar, nicht heilbar. Nur Versuche sind möglich, sie in geordnetere Bahnen zu lenken; so wie Alkoholsucht nicht heilbar ist, aber ausgetrocknet werden kann. Versetzung hilft nichts, z. B. von einem Geistlichen, Lehrer. Das ist Mitschuld an weiterem Missbrauch.
Seit etwa 1970 wird Pädophilie allgemein so eingeschätzt.
Man weiß nicht, was Menschen, die so was tun, selber schon durchgemacht haben, vielleicht auch schwer missbraucht worden sind. Das entschuldigt aber nichts.
Wenn man bei sich so eine Veranlagung wahrnimmt, muss man sich um Hilfe bemühen, um Schaden zu meiden. Diese verflixten Kettenreaktionen müssen durchbrechen werden, dass einer missbraucht wird und dann wieder jemand missbraucht.
Wenn bereits was vorgefallen ist, ist es notwendig, sich unbedingt jemandem anvertrauen und mit ihm überlegen, was zu machen ist.
Es ist auch nicht so, dass jeder Missbrauch an die Öffentlichkeit muss, also in die Presse, ins Fernsehen und nur dort aufgearbeitet werden kann. Die Öffentlichkeit, sprich die Presse; ist nicht der oberste Richter. Es kann auch etwas ohne Öffentlichkeit ausgetragen werden, aber es muss eben ausgetragen werden und der Betroffene, das Kind, der Jugendliche muss entsprechende Hilfe bekommen, so dass er sagen kann: Es genügt, ich kann positiv weitergehen.
Hüten wir uns vor falschen Schlussfolgerungen
Es wäre völlig falsch, jetzt Sexualität zu verteufeln, wie’s schon mal geschehen ist. Wer Sexualität positiv sieht, kann mit ihr auch verantwortlich umgehen! Sexualität ist etwas Schönes, Leben Förderndes in der Begegnung der Geschlechter und setzt die Liebe zu einem Partner/in voraus. Dieses positive Bild von der Sexualität dürfen wir uns nicht nehmen oder gar kaputt machen lassen, auch nicht schlecht reden lassen. Auch bezüglich Homosexualität ist in der Gesellschaft wie auch innerhalb der Kirche ein Umdenken und eine Neubewertung im Gange.
Wer negativ über Sexualität denkt, der steht viel eher in Gefahr, sie zu missbrauchen. Wer sich in einer ungesunden Atmosphäre sehr viel mit Missbrauch und abartigen Verhaltensweisen im Sexuellen beschäftigt - heute gibt es viele Möglichkeiten dazu, Fernsehen, Internet, Bücher usw. - muss damit rechnen, dass er irgendwie zum Handeln kommt. Oder noch deutlicher, er muss bei sich Verdacht schöpfen, dass er pädophil veranlagt ist.
Ich denke, bei diesem Thema können wir ein Wort Jesu nicht übergehen, das ziemlich sicher von ihm selber stammt. Beim Matthäus heißt es:
"Wer eines von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde" (Mt 18,6).
Das ist ein Satz, der zu hart ist für eine endgültige Verurteilung eines Menschen, für eine ewige Verdammung. Dies jedoch gilt für jeden von uns, für unser Handeln jetzt, hier und heute gilt. Das endgültige Urteil über einen Menschen, das steht nur Gott zu, von dem wir wissen, dass er ein barmherziger, versöhnender Vater ist.
Unsere Not vor den Gekreuzigten bringen
Legen wir solches Elend, solchen Missbrauch, herein gebrochen über Unmündige, Kinder und junge Menschen, hinein in seine Passion. Ihm dürfen wir aber nach allen menschlichen Maßnahmen - Justiz, Therapie - auch all die anvertrauen, die solches Unrecht verursacht haben.
Wenn hier wirklich Gottes Sohn - so glauben wir es doch! - in den Tod gegangen ist, dann wird er es auch fertig bringen, Gerechtigkeit und Versöhnung zu schaffen zwischen Missbrauchten und Verursachern. Setzen wir auf Ihn, der da für uns am Kreuz hängt!
Jesus hört auch im Leid nicht auf, Gott und die Menschen zu lieben
Einmal im Jahr?
Karfreitag - ein einziger Tag im Jahr, den einen Karfreitag ertragen wir, - und bald, Gott sei Dank, wird dieser Tag und auch die Fastenzeit vorbei sein - in dieser Haltung können wir diesen Tag heute begehen.
Doch diese Sicht täuscht. Karfreitag sehen wir jeden Abend, wenn wir die Nachrichten einschalten, Karfreitag verbirgt sich in den Todesnachrichten der Zeitung, Karfreitag ereignet sich hinter so mancher Wohnzimmertür, in den Herzen misshandelter Kinder, von Sorge gequälter Väter und Mütter, einsamer, kranker und missverstandener Menschen.
"Seht, da ist der Mensch",
stellt der Richter Pilatus fest, als er Jesus mit Dornenkrone und purpurnem Mantel vor die Menge führt. Ja, so sind wir Menschen, wenigstens manchmal, oder genauer gesagt dann, wenn wir alle uns von Gott zugesagte Würde vergessen haben: Möchtegernkönige, ohne Kraft, dem Spott und der Angst preisgegeben.
Denn so wurde Jesus von den Soldaten behandelt: Gefesselt, ins Gesicht geschlagen, die Dornenkrone und der Mantel sollen ihm weh tun, und seinen Anspruch, König zu sein, ins Lächerliche ziehen. Zuvor schon geschahen Dinge, die uns fassungslos machen, wenn sie im eigenen Leben geschehen: Verrat von Freunden Alleingelassenwerden, Einsamkeit, Undank. Von dem Volk, in dem er Heilungen gewirkt und Liebe geschenkt hat, wird er ausgeliefert und verspottet. Das Berauben der Kleider, Schläge, Schmerzen und Spott sind Bestandteile der Kreuzigung, die den Menschen völlig entwürdigen wollen.
"Was hast du getan",
fragt Pilatus. Was hat Jesus nur getan, dass dieses alles mit ihm geschieht? Auch wir klagen manchmal Gott an: Warum hast du das zugelassen, warum hast du das getan? Oder wir stellen uns auf die Seite der Menge und sagen: Haben wir uns nicht mehr von Gott versprochen? Auf diese Botschaft, die er uns sagt, haben wir keine Lust. Wir warten lieber auf einen anderen Messias.
Auf die Frage "Was hast du getan", antwortet Jesus mit den Worten "Mein Königtum ist nicht von dieser Welt."
Unsere Gesetze gelten nicht, wenn es gilt, dem Leid eine Begründung abzuringen. Das Leid geschieht nicht als Strafe für böses Verhalten. Im Gegenteil. Jesus wird gekreuzigt, weil die Liebe, die er schenkt, von den Menschen, abgelehnt wird. Als Pilatus die Leute fragt: Euren König soll ich kreuzigen?, antworten sie: Wir haben keinen König, außer dem Kaiser.
"Wir haben keinen König"
Ist das nicht der tiefste Grund für das meiste Leid auf der Welt? Dass wir keinen König, keine Gesetze anerkennen, außer den weltlichen Gesetzen? Dass wir die Nächstenliebe verraten, weil wir in unserer Eitelkeit gekränkt werden? Dass wir den Glauben aufgeben, weil uns Dinge widerfahren, die uns nicht schmecken, dass uns der lange Atem des Gebets ausgeht, wenn es schwierig wird?
So ist der Mensch. Ein Möchtegerngroßer, der doch nicht schafft, was er sich vorgenommen hat. Doch Jesus am Kreuz solidarisiert sich mit uns und ebnet uns einen Weg der Erlösung vom Leid: Trotz Spott und Verachtung bezeugt er wahre Größe. Er bezeugt die Wahrheit der größeren Liebe Gottes. Er lässt seine Jünger nicht dreinschlagen, und zieht sich doch auch nicht feige aus dem Geschehen zurück. Er lässt sich ans Kreuz schlagen, doch er verurteilt keinen Menschen, sagt zu keinem ein böses Wort. Noch am Kreuz sorgt er für den Jünger und seine Mutter.
Doch seine letzte und tiefste Sorge gilt dem seiner Sendung bis zum Ende treu zu bleiben. Seine letzten Worte sind: Es ist vollbracht.
Jesus hört auch im Leid nicht auf, Gott und die Menschen zu lieben
Das ist Karfreitag: Jesus hört im Leid nicht auf, Gott und die Menschen zu lieben.
Das Leid stellt auch uns vor diese letzte Entscheidung: Gehöre ich zum Königtum der Himmel oder bleibe ich bei irdischen, menschlichen Bewertungen des Lebens und der Welt hier? Glaube ich, dass jedes Kreuz eine Einladung zu Hoffnung und Liebe sind - oder verurteile ich die Bosheit der Menschen und wende mich ab?
Karfreitag ist die Einladung zur Hoffnung. Zur Hoffnung, dass wir Gott zutrauen, dass er der Gott des Lebens ist. Und keine Bosheit der Welt hindert ihn, Leben zu schaffen, Leben zu schenken.
Karfreitag ist heute. Lassen wir uns einladen, Christus zu verehren als den, der keinem menschlichen Leid ausgewichen ist, um dem Leid das Letzte Wort zu nehmen. Statt dessen ist das Letzte Wort der Glaube an den Gott des Lebens.
Gestorben für uns - gestorben für mich
Ich finde mich ein am Ölberg, an jenem Ort, von dem es heißt, dass Gott selbst dorthin vom Tempel ausgezogen ist, um auf das Treiben auf seinem Berg zu blicken. Jetzt sitze ich hier und schaue dem Treiben der Menschen zu. Damals war ich nicht dabei, als dieser Jesus von Nazareth, von wo ja ohnehin nichts Gutes kommen konnte, wie uns immer wieder gesagt, eingeredet worden ist, als dieser Jesus in seinem prophetischen Eifer voll Überzeugung verkündete, dass das Haus des Herrn für alle offen steht. Jetzt. Diese Botschaft hat auch mein Ohr erreicht und nicht nur das: sie hat mich im Herzen getroffen.
Ich war nicht dabei - und doch hat es mit mir zu tun. Denn der Nazarener meinte wohl auch mich, mich, die ich mich so lange danach sehnte, dazu zu gehören, im Hause des Herrn zu sein. Nicht um Opfer darzubringen, zu leisten. Opfer, die zum Himmel stinken, die mich aber nicht himmelwärts geschweige denn in den Himmel bringen. Auch das haben sie uns immer wieder gesagt, eingeredet.
Jetzt ist auch mir der Zugang zum Allerheiligsten offen. Jetzt brauche ich mir nicht mehr den Himmel verdienen. Denn jetzt steht der Himmel offen - auch mir.
Ja, aber. . . , sagen sie.
Ich blicke hinüber zum Tempelberg, auf Jerusalem, in die Stadt, in die vor wenigen Tagen auf einem Esel reitend Jesus eingezogen ist. Dem Menschen, das Volk Israel und auch die anderen zugerufen haben. "Seht der König. Auf ihn setzen wir unsere Hoffnung."
Als der Jubel verstummt war, habe ich ihn wieder gesehen. Erst vor wenigen Tagen.
Ich sah ihn hin- und hergehen. Immer wieder. Zwischen Betanien und Jerusalem.
Einfach hat er es sich nicht gemacht. Einfach hat es ihm Gott nicht gemacht.
Ihm nicht, und mir nicht.
Er sich nicht, und ich mir auch nicht.
Jetzt sitze ich da - auf der Mauer von jenem Ort, den sie später "Dominus flevit" nennen werden - und blicke hinüber. Die treuen und frommen Juden strömen immer noch in ihren Tempel, bringen ihre Opfer dar, rüsten sich für das große Fest. Es stinkt immer noch zum Himmel. Geändert hat sich nichts.
Mein Blick lässt von diesem Ort ab, schweift ab nach Golgotha. Ich lasse ihn dort ruhen.
Die Menschenmasse ist längst weggegangen, hat sich aus dem Staub gemacht. Gehen ihren Alltagsgeschäften nach. Bereiten das Fest vor. Wie jedes Jahr. Dasselbe heilige Spiel.
Da sehe ich ihn: diesen Jesus. Den sie niedergemacht haben, haben sie nun aufgerichtet.
Da begreife ich: Es war der Zeitpunkt gekommen, der Kairos, da er stehenblieb, sich hingestellt hat, den Ausweg zwar gesehen, aber nicht genommen, aufgegeben hat.
Er geht jetzt einen anderen Weg. Dort drüben. Den Weg der Hingabe. Am Kreuz.
Jetzt gibt es in der Tat keinen anderen Weg, keinen Ausweg mehr.
Aufgerichtet am Kreuz. Menschen haben Hand an ihn gelegt. Nägel in ihn hineingeschlagen. Seinen Körper festgemacht. Ihn dingfest gemacht. Damit er nicht stört die Obrigen und die Unsrigen, und die Ordnung, ihre und unsere. Ein Opfer muss her, haben sie gesagt. Wohlbedacht und abgewogen. Verantwortungsbewusst und einkalkuliert.
Und die Rechnung geht auf. Das Opfer stinkt mir erst recht zum Himmel.
Jesus, das Opfer für die vielen, ist es, der erhöht auf den Tempelberg und seinem Treiben blickt. Haben sie es immer noch nicht begriffen?
Da trifft sein Blick auf mich, die ich bin in Entfernung zu ihm - und doch auch so nah:
"Hast du es gesehen? Gespürt? Begriffen?"
Ja, ich sehe ihn - nicht in Gewändern des Heils, nackt und verwundet.
Eingespannt in menschliche Ordnungen und Maßstäben, ausgespannt zwischen Erde und Himmel.
Ja, ich spüre ihn - wie nahe er mir kommt mit seinem Mut und mit seinem Zweifel, mit seiner Lehre und mit seiner Leere, mit seiner Macht und mit seiner Ohnmacht, mit seiner Liebe.
Ja, ich begreife - er hat hinweggesehen über das scheinbar endlose, sinnlose, gottlose Treiben am Tempelberg, damit sein Blick mich erreichen kann. "Begreifst du mich?", fragt sein müder Blick, der Blick eines Menschen kurz vor dem Sterben, in dem sich Liebe und Zuneigung verdichten. "Begreifst du mich?"
Tränen steigen mir auf. In meinem Hals wird es eng. Die Zeit steht still.
Ich nicke mit dem Kopf. Und es ist so, als ob Jesus zu mir sagte: "Dann ist es gut."
Und tatsächlich, so wurde es mir berichtet: In jenem Moment riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Meine Tränen der Trauer, der Rührung und der Erlösung sind längst im Boden von "Dominus flevit" versickert. Rote Annemonen blühen.
Meditationsbild
Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen
Kreuzenthüllung
"Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt." - Mit diesem Ruf wird in der Feier des Karfreitags nach dem Wortgottesdienst und den Großen Fürbitten das Kreuz in den Kirchenraum getragen und schrittweise enthüllt. Für unsere Sinne, Augen und Ohren, ist dies sicherlich der Höhepunkt der Karfreitagsliturgie. Und die Eindrücke, die wir durch unsere Sinne vermittelt bekommen, berühren unser Herz.
Die Enthüllung des Kreuzes ist ein Ritus, der uns in mehrfacher Weise Tiefendimensionen erschließt - über die Liturgie hinaus. Schauen wir zunächst auf den Weg Jesu. Denn die Enthüllung des Kreuzes spricht uns, so scheint mir, zuerst von Jesu eigenem Leben. Gewiss: Anzeichen des Kreuzes gab es in diesem Leben von Anfang an. Schon das Holz der Krippe verweist in zeichenhafter Weise auf das Holz des Kreuzes. Erst recht, dass ihm bereits als Kind von Herodes nach dem Leben getrachtet wurde. Als Jesus dann als erwachsener Mann in der Öffentlichkeit auftrat, gab es ebenfalls Anzeichen des Kreuzes, will heißen: der Ablehnung, ja der Verfolgung.
Zugleich aber konnte Jesus viele, außergewöhnlich viele Menschen in seinen Bann ziehen. Ich denke an die vielen, die ihm bei der Bergpredigt zuhörten; an die vielen, die bei der Brotvermehrung dabei waren; an die vielen schließlich, die sich von ihm die Heilung körperlicher Gebrechen erwarteten. Und immerhin, der engere Kreis um ihn herum betrug zwölf, der weitere Kreis zweiundsiebzig hoch motivierte Jünger. In der Anfangszeit seines Wirkens war vom Kreuz kaum etwas sichtbar, doch dann enthüllte es sich allmählich.
Geschändete Liebe
Je länger, desto mehr verstärkten sich die Zeichen der Ablehnung. Und nicht nur das: auch seelische Qualen kamen hinzu, gerade eben wegen jener Ablehnung. Muss es für Jesus nicht bitter gewesen sein zu sehen, dass das Heilsangebot Gottes, das er verkündete, von gar manchen in der Familie seines Volkes nicht wahrgenommen wurde? Und ebenfalls bitter, dass seine Botschaft des Friedens und der Gerechtigkeit vielerorts verhallte, geradeso als wären seine Worte in den Wind gesprochen. Seine übergroße Liebe wurde mehr und mehr nicht mit Gegenliebe beantwortet, sondern mit Ignoranz, ja mit Feindseligkeit geschändet. Das Kreuz, an das er angenagelt wurde, ist schließlich das äußerste, das letzte Zeichen dieser geschändeten Liebe.
Wenn wir das Leben Jesu unter der Perspektive des allmählich sich enthüllenden Kreuzes, also der immer deutlicher werdenden Ablehnung, der größer werdenden seelischen Qual, des immer stärkeren Leidens sehen, dann wir können wohl eine Brücke schlagen zum Leben mancher, vielleicht vieler Menschen heute. In der einen oder anderen Weise kennen wahrscheinlich die meisten das Phänomen der geschändeten Liebe: dass nämlich das eigene Gutsein keine Antwort findet oder dass unser Bemühen um das Wohl anderer oder des Gemeinschaftsganzen abgelehnt, verächtlich gemacht oder ignoriert wird, schließlich dass Hass regiert, nicht Versöhnung, Neid und Missgunst, nicht Zusammenarbeit, Konkurrenz, nicht Freude am Tun und Sein des anderen. Solche Kreuze enthüllen sich in unserem Leben ebenfalls schrittweise. Sie sind nicht immer gleich von Anfang an sichtbar.
Alle Kreuze, alle Leiden der Welt enthüllen sich schrittweise. Wäre das Scheitern einer Ehe von Anfang an klar - niemand würde eine solche Ehe eingehen. Wären für Eltern die Mühen der Kindererziehung deutlich, wohl nicht wenige würden sich nicht dazu entschließen können, Kinder zu bekommen. Ähnlich ist es mit mancher Situation im Beruf, mit manchen Aufgaben, die wir für das Wohl einer Gemeinschaft oder Gemeinde übernehmen, ja selbst mit manchem Ideal, für das wir uns ganz persönlich entschieden haben, es zu verfolgen. Die Kreuze enthüllen sich schrittweise. Gar nicht zu reden von den Kreuzen der Krankheit, der Behinderung, der Verfolgung um des Glaubens willen, der Armut, des Alleinseins …
Im Kreuz ist Heil
Doch wenn wir auf diese Weise das Leben Jesu betrachten und dann auch unser eigenes, so rückt unweigerlich eine zweite Enthüllung in den Vordergrund. Nicht nur das Leiden kann im Leben schrittweise sichtbar und spürbar werden. Es kann im Leiden schrittweise auch etwas anderes sichtbar und spürbar werden, nämlich dass das Kreuz, wie es unser Glaube bekennt, ein Zeichen des Heils ist, so wie es der liturgische Ruf ausdrückt: "Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt."
Nicht immer ist diese Erfahrung sofort spürbar. So war es nicht bei Jesus, so wird es nicht bei uns sein. Wir sehen aber an ihm, dass das Leid zu einer Quelle wird. Aus seiner Seite floss Blut und Wasser. Ohne seine tiefe Verwundung keine Sakramente der Kirche, denn Blut und Wasser - das sind Taufe und Eucharistie. Ein größeres Heilsangebot hat er den Menschen nie gemacht. So sind wir als Christen zunächst einmal eingeladen und aufgefordert, unsere ganz persönlichen Kreuze mit dem seinen zu verbinden. Christen aller Zeit schöpften daraus tiefen Trost, ja Hoffnung und Zuversicht, auch wenn sich vielleicht äußerlich an ihrer Situation wenig änderte. Aber um einen Gott zu wissen, der in seinem eingeborenen Sohn mit-leidet, das kann uns in unserem Leiden ungeheuer stärken.
Zum Schluss müssten wir noch von einer weiteren Dimension der Kreuzesenthüllung sprechen: nämlich das wir uns bemühen sollten, anderen Menschen mehr und mehr das Kreuz als Zeichen des Heiles zu enthüllen. Doch in der Feier des Karfreitags wollen wir zunächst selbst Trost schöpfen aus dem Leiden Christi und ihm geben, was wir ihm schulden: Liebe, weil er uns geliebt hat bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter
Lieder:
GL 140: Kommt herbei, singt dem Herrn
GL 147: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
GL 283: Aus der Tiefe rufe ich zu dir: Herr, höre meine Klagen
GL 287: Christus war für uns gehorsam bis zum Tod
GL 289: O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn
GL 290: Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen
GL 291: Holz auf Jesu Schultern
GL 292: Fürwahr, er trug unsre Krankheit
GL 294: O du hochheilig Kreuze, daran mein Herr gehangen
GL 295: O Traurigkeit, o Herzeleid!
GL 297: Wir danken dir, herr Jesu Christ
GL 299: Der König siegt, sein Banner glänzt
GL 300: Heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott
GL 430: Von guten Mächten treu und still umgeben
GL 460: Wer leben will wie Gott auf dieser Erde
GL 497: Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir
GL Ö819: Laß mich deine Leiden singen
GL Ö820: Herr Jesus Christ, wir suchen dich
GL Ö822: O du mein Volk, was tat ich dir?
GL Ö823: Heilges Kreuz, sei hoch verehret
Psalmen und Kehrverse:
GL 293: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? - Mit Psalm 40 (GL 41,2) oder mit Psalm 51 (GL 639,2) - IV.
GL 296: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung - Mit Psalm 40 (GL 41,2) - IV.
GL 308,1: Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist - Mit Psalm 40 (GL 41,2) - IV.
GL 308,4: Sei uns gegrüßt, du heiliges Kreuz! - Mit Psalm 22 (GL 36,2) - II.
GL 308,5: Heiliger Gott! heiliger starker Gott! Heiliger, Unsterblicher, erbarme dich unser - Mit Psalm 40 (GL 41,2) - IV.
GL 518: Beim Herrn ist Barmherzigkeit und reiche Erlösung - Mit Psalm 46 (GL653,2) oder mit Psalm 57 (GL649,6) - VII.
GL 639: Beim Herrn ist Barmherzigkeit, bei ihm ist Erlösung in Fülle - Mit Psalm 130 oder mit Psalm 22 (GL 36,2) - II.
- Eröffnung1
Jörg Thiemann (2024)
Voll Ehrfurcht und Dankbarkeit
haben wir uns vor dir niedergeworfen.
Voller Ehrfurcht und Dankbarkeit
wollen wir in dieser Stunde Worte deines Leidens hören.
Voll Ehrfurcht und Dankbarkeit wollen wir
dich am Kreuz verehren,
während andere dich verhöhnten.
Wir stehen mit Johannes, deinem Apostel
und mit Maria bei dir.
Gleich ihnen wollen wir
unsere Herzen bereit machen für den Willen Gottes,
auch wenn er für uns durch Dunkel und Leiden geht. - Amen.
- Einleitung3
Johannes-Michael Bögge (2022)
Der Karfreitag rückt Tod und Trauer in den Blickpunkt. Tod und Trauer belasten viele Menschen. Der Tod Jesu Christi am Kreuz, an den wir heute erinnern, ist ein zentraler Inhalt unseres Glaubens. Wir fragen uns, wie der Tod eines unschuldigen Mannes, der bedingungslos für das Gute und die Liebe eintrat, einen nachvollziehbaren Sinn haben kann. Wenn es als Zeichen der Liebe Gottes zu uns Menschen betrachtet werden kann, dass er seinen Sohn dem Tod überließ, ist dies eine Möglichkeit, dem Mysterium des Karfreitags näher zu kommen. Gelingt es uns, uns darauf einzulassen?
Sozialreferat der Diözese Linz (2014)
(vor der Feier)
Mit der heutigen Feier vom Leiden und Sterben Jesu erreichen die vierzig Tage der Fastenzeit und die Karwoche ihren Höhepunkt. Wir gedenken der Verhaftung, Verurteilung, Folterung und Hinrichtung Jesu Christi.
Die Karfreitagsliturgie besteht aus dem Wortgottesdienst, der Kreuzverehrung und den großen Fürbitten. An diesem Tag feiert die Kirche nach ältester Überlieferung keine Messfeier. In diesem doppelten Fasten, - dem leiblichen und dem eucharistischen - kommt die Trauer über das Leiden Jesu und die Solidarität mit allen Leidenden dieser Welt zum Ausdruck.
Der Gottesdienst beginnt mit einem stillen Einzug. Die Priester (Pastoralassistentin und Predigerin) legen sich als Zeichen der Ehrfurcht vor dem Geheimnis unserer Erlösung vor dem Altar auf den Boden. Wir laden Sie zum stillen, persönlichen Gebet ein - im dankbaren Gedenken an Jesus Christus, der aus Liebe zu uns den Weg bis zum Tod am Kreuz gegangen ist.
Gabi Ceric (2009)
Vorwort:
Liturgie - Heiliges Spiel
Vom Leiden und Sterben Christi
Heiliges Spiel?
Nur Spiel? Nicht auch Wirklichkeit?
Leiden und Sterben
Gestern und Heute und Morgen
Wir halten inne
Hören zu
Merken auf
Nehmen wahr
Wie Menschen
Heute
Leiden und sterben
Wir hören auf die Geschichte Jesu
Wir schauen auf sein Leiden und Sterben
Nicht bloss als Zuschauer
Sondern als Teilnehmer
Wir nehmen teil an seinem Leiden und Sterben
Wir nehmen Anteil am Sterben und Leiden der Menschen in der Welt von heute
Und halten ihm, dem Gekreuzigten, es hin...
in dieser heiligen Stunde, in diesem heiligen Spiel.
Oder:
Eine tiefe Stille liegt über dem heutigen Tag.
Die Erde erbebt, der Tempelvorhang reisst mitten entzwei,
denn der Sohn Gottes steigt hinab in tiefe Finsternis
und verstummt in der eisigen Kälte des Todes.
Er steigt hinab zu unseren Ureltern Eva und Adam.
Dort sucht er uns alle,
weil wir im Schatten von Kummer und Angst,
von Krankheit und Unglück
und in der Furcht vor Krieg und Untergang leben.
Dort sucht er uns,
um mit uns zu leiden und uns zu ermutigen,
denn Gott lässt uns nicht im Stich.
Im Tod Jesu suchen wir Kraft,
denn letztlich ist auch seine Leidensgeschichte
ein Evangelium, eine Frohbotschaft.
(Verfasser unbekannt)
- Eröffnungsgebet2
Jörg Thiemann (2024) - Gebet zur Kreuzverehrung
Jesus, es ist vollbracht:
Der Wille deines Vaters,
dass du aus Liebe uns am Kreuz erlöst,
dass du am Kreuz das Böse und alle Gewalt
mit Gewaltlosigkeit und Liebe beantwortest,
er ist vollbracht.
Du hast für uns den Tod auf dich genommen,
du hast dein Haupt geneigt,
deinen Geist aufgegeben.
Nun liegt dein Geist, dein Leben, deine Liebe
in den schützenden Händen des Vaters.
Jesus, es ist vollbracht:
Du bist das Heil der Welt,
das Heil unserer Seelen,
unserer verwundeten Herzen.
Jesus, es ist vollbracht:
Wenn wir dich verehren,
wenn wir vor dir knien,
dann schenke uns dein Heil,
dann mache uns mutig und stark,
Gewalt und Hass mit Liebe und Vertrauen zu überwinden. - Amen…
Johannes-Michael Bögge (2022)
Gott, unser Vater,
wir haben uns versammelt am Tag der Erinnerung an das Leiden und Sterben deines Sohnes.
Wir wissen ihn in unserer Mitte.
Öffne unsere Herzen
und mache uns achtsam für das Geheimnis seines Todes für uns.
Darum bitten wir durch ihn,
Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn. - Amen.
- Fürbitten12
Jörg Thiemann (2024)
Lasst uns beten für die Kirche Gottes.
Sie ist so durchgeschüttelt ist von den vielen Krisen.
Krisen kamen von außerhalb an sie heran.
Krisen hat sie aber auch selbst verursacht.
Wir fragen:
Welche Zukunft hat sie in Deutschland,
in Europa,
auf der ganzen Welt?
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
schenke deiner Kirche wahre Demut,
die ihre Fehler und Schwächen ehrlich sieht.
Lass deine Kirche nahe bei den Menschen sein.
Hilf ihr, deinen Auftrag zu erfüllen,
auf die Fragen der Menschen Antworten zu finden,
deine Botschaft von der unbedingten Liebe weiter zutragen,
auf die Seite der armen, gescheiterten, kranken, behinderten und ausgestoßenen Menschen zu stehen.
Lasst uns beten für Papst Franziskus.
Sein Alter und seine Gesundheit bereiten vielen Menschen Sorgen.
Sein Alter und seine Gesundheit machen ihm zu schaffen.
Doch zeigt er unserer Kirche Wege in dieser Zeit.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
gib ihm Weisheit, die rechten Worte zu finden.
Erhalte ihm Tatkraft und Gesundheit.
Führe durch ihn die Kirche auf der ganzen Welt,
dass sie echte Zeugin sei. - Amen.
Lasst uns beten für alle,
die in der Kirche ein Amt bekleiden.
Sie tragen hohe Verantwortung.
Sie haben eine hohe Arbeitslast.
Es gibt aber die Versuchung dazu, Macht zu missbrauchen.
Oft aber sehen sie sich ungerechten Anfeindungen ausgesetzt.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
du bist es, der das Heil wirkt,
der seine Kirche den Weg führt.
Alle sind deine Werkzeuge.
Jesus hat den Jüngern die Füße gewaschen
und dabei den Apostel gesagt:
„Wie ich euch gedient habe,
so sollt auch ihr einander dienen.“
Hilf allen Amtsträgern und Amtsträgerinnen,
ihre Aufgabe und Verantwortung
als Dienst an den Mitmenschen
und an deinem Reich zu sehen
und wahrzunehmen. – Amen.
Lasst uns beten für alle,
die sich einsetzen im Glauben,
in ihren Gemeinden,
in den caritativen Einrichtungen,
die sich einsetzen als Katecheten und Katechetinnen
und auf vielerlei Weise ihren Glauben bezeugen,
in der Erziehung ihrer und anderer Kinder,
im tapferen Zeugnis für den Glauben
in den verschiedenen Lebensbereichen.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
alle getauften Christen und Christinnen
sind als Zeugen und Zeuginnen an ihrem Platz gestellt.
Du hast uns allen Fähigkeiten und Talente geschenkt.
Manchmal bedeutet es auch, für den Glauben auch zu leiden.
Gib allen die Kraft und den Mut,
gerade in dieser Zeit, in der der Glaube zu verdunsten droht
und an den Rand gedrängt wird,
dich zu bekennen als den Herrn unseres Lebens. – Amen.
Lasst uns beten für alle,
die zu dir gefunden haben
und sich taufen lassen wollen.
Immer wieder entdecken Menschen deine Worte und Taten
als den Weg zu einem sinnvollen Leben.
Sie brauchen das Vorbild echter Christen und Christinnen.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
lass alle, die neu zu dir finden,
im Glauben und in der Liebe zu dir wachsen und reifen.
Bewahre sie davor,
dass ihre junge Pflanze des Glaubens zertreten wird,
sondern hilf ihnen, dass sie gehegt und gepflegt wird
durch gute Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen.
Nimm sie auf in deiner Liebe
und segne ihre Liebe zu dir,
die sie als Antwort auf deinen Ruf gegeben haben,
denn du hast uns zuerst geliebt. – Amen.
Lasst uns beten für das Volk der Juden,
zu dem Gott zuerst gesprochen hat
und zu dem auch Jesus gehörte.
Sie werden auch heute wieder angefeindet und bekämpft.
Doch wir sind mit ihnen auf dem Weg.
Wir beten auch für die Muslime,
die ebenso Abraham als Stammvater verehren
und oft auch Gewalt erleben.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
bewahre uns davor, Menschen wegen ihrer Religion auszugrenzen.
Der Glaube Abrahams, der Glaube der Propheten,
ist auch der Glaube, in dem Jesus aufgewachsen ist.
Unser Glaube an Jesus
und auch der Glaube der Muslime
fußt auf den Glauben der Juden.
Lass in den Herzen aller,
die dich als den einen und wahren Gott verehren,
fruchtbar werden,
was du durch den Glauben zu unserem Heil schenken willst. – Amen.
Lasst uns beten für alle Menschen,
die anderen Religionen angehören.
Wir beten für alle, die dem Buddhismus und Hinduismus angehören,
wir beten für alle Menschen, die nach Wahrheit suchen:
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
es gibt viele Wege, zu dir zu finden.
Du sprichst die Menschen auf unterschiedliche Weise an.
In allen Religionen ist Wahrheit von dir enthalten.
Wir wollen das schätzen,
damit die Religionen zum Frieden in der Welt beitragen
und nicht für egoistische und kriegerische Zwecke missbraucht werden.
Segen auch unsere Bemühungen aufeinander zu hören
und voneinander zu lernen.
Hilf allen, die nicht an dich glauben,
nach ihrem Gewissen zu leben.
Lass sie die guten Wege für die Mitmenschen erkennen. – Amen.
Wir beten für alle,
die nicht an dich glauben können,
aber sich dennoch einsetzen für deine Welt,
für deine Schöpfung,
die du im Anfang so gut gedacht hast.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
hilf allen, die nicht an dich glauben,
nach ihrem Gewissen zu leben.
Lass sie ihr Gewissen bilden
und deine guten Wege für die Mitmenschen erkennen.
Denn du siehst das Herz aller Menschen.
Führe sie zu dir
durch das glaubwürdige Zeugnis der Menschen. – Amen.
Lasst uns beten für alle,
die in Staat und Gesellschaft Verantwortung tragen.
Ihnen allen ist eine große Aufgabe übertragen.
Doch auch sie sind in Gefahr,
vor allem an ihren eigenen Vorteil und an die eigene Macht zu denken.
Darum ist das Gespräch von Verantwortlichen und Bürgern wichtig.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
sende allen Männern und Frauen,
die unsere Gesellschaft führen und leiten,
echte Bereitschaft für das Wohl der ihnen anvertrauten Mitmenschen zu sorgen.
Sende ihnen in schwierigen Entscheidungen deinen Heiligen Geist.
Lass ihnen Frieden ein Anliegen sein,
damit die Menschen in Ruhe und Sicherheit ihr Leben gestalten können.
Mache sie bereit, den Glauben an dich zu fördern
und lass sie bewusst sein,
dass der Mensch nicht das Maaß ist,
sondern in deiner Verantwortung steht. - Amen.
Lasst uns beten für die Einheit der Kirche.
Die Gespaltenheit ist ein Ärgernis.
Menschen suchen aber Wege zueinander.
Sie beten gemeinsam, lesen gemeinsam in der Bibel.
Sie wissen: Wir glauben alle an denselben Gott.
Doch immer noch gibt es Unterschiede.
Beuget die Knie…
Allmächtiger Gott,
heile alle Wunden, welche die Spaltungen der Christenheit erzeugt haben.
Hilf uns, gemeinsam auf dich
und unser aller Ziel, in deiner Herrlichkeit zu leben, zuzugehen.
Schenke uns allen eine tiefe Achtung vor denen,
die anderen Wege gehen, weil sie anders geprägt sind.
Hilf uns voneinander zu lernen
und immer die Einheit zu suchen. - Amen.
Zitat (2023) - Zusätzliche Karfreitagsfürbitte 2023
Veröffentlicht vom Pastoralamt der ED Wien https://www.erzdioezese-wien.at/pages/inst/14431713/article/101385.html
in mehreren Varianten, auch mit Noten:
Lasst uns auch beten für die Menschen in der Ukraine
und in allen Kriegsgebieten der Erde;
für alle, die vor dem Schrecken der Gewalt geflohen
und ihrer Heimat beraubt sind;
für alle Frauen und Männer, die mit ihrem Leben einstehen
für die Abwehr des Bösen
und für den Schutz der Schwachen und Verfolgten.
(D.: Beuget die Knie. – Stille – D.: Erhebet euch.)
Allmächtiger, ewiger Gott, du hast Mitleid mit den Geringen und
Armen, die Unterdrücker aber stürzt du.
Wie du Israel aus der Knechtschaft Ägyptens geführt hast,
so rette in unseren Tagen alle Opfer von Krieg und Gewalt.
Wandle die Herzen derer, die Böses tun,
und lass den Frieden siegreich sein.
Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.
A.: Amen.
Hrsg.Österreichisches Liturgisches Institut (www.liturgie.at)
Text: Liborius Lumma, Musikalische Einrichtung und Notensatz: Rudolf Pacik
Messbuch (2021) - Fürbitte im Corona-Jahr 2021
Die Österreichische Bischofskonferenz hat für die Feier des Karfreitags für 2021 folgende Regelungen erlassen:
- Die Kreuzverehrung am Karfreitag wird auf die Verneigung oder eine Kniebeuge beschränkt.
Eine Berührung des Kreuzes, wie vielerorts üblich, ist nicht erlaubt. Am Karfreitag möge eine besondere Bitte aus Anlass der Corona Pandemie gehalten werden:
Karfreitagsfürbitte 2021 - Corona - herunterladen
Gastautor*in (2023)
Gekreuzigter Herr Jesus Christus,
am Karfreitag, deinem Todestag, bringen wir unsere Bitten und Anliegen vor dich:
Wir bitten für die Menschen in der Ukraine, welche seit über einem Jahr, unter den Folgen dieses brutalen Krieges leiden. Für die unzähligen Toten, auch Zivilisten; für die Menschen, die in Angst und Schrecken vor dem nächsten Angriff, Schutz suchen in U-Bahn Schächten, deren Häuser und Wohnungen zerstört wurden.
Hilf diesen wahnsinnigen Krieg zu stoppen und zu beenden.
Wir bitten für die Menschen in der Türkei und in Syrien, welche durch das Erdbeben, zehntausende Menschen, auch Familienangehörige, verloren haben. Für die Menschen, welche alles verloren haben: ihre Wohnungen, ihren persönlicher Besitz, ihre Existenz.
Lass uns diese Menschen mit unserer Hilfsbereitschaft unterstützen, dass Sie die Hoffnung nicht verlieren und den Wiederaufbau wagen.
Wir bitten für die Millionen Flüchtlinge auf der ganzen Welt. Menschen, welche aus ihrer Heimat flüchten mussten, Schutz suchen und nun in Flüchtlingslagern oft unter menschenunwürdigen Bedingungen ausharren müssen. Besonders auch für die Menschen, Frauen und Kinder, welche auf der Flucht über das Meer ihr Leben verloren haben.
Lass unsere Hilfsbereitschaft und Solidarität angesichts der hohen Flüchtlingszahlen nicht ermüden.
Wir bitten für alle Menschen, die ein schweres Kreuz zu tragen haben. Menschen, welche unter einer schweren Krankheit leiden, Menschen deren Beziehungen gescheitert sind und die deshalb enttäuscht und traurig sind. Menschen deren Lebensträume geplatzt sind und die in Depressionen und verhängnisvollen Abhängigkeiten versinken.
Hilf, dass sie Menschen finden, die sie auffangen, trösten und wieder aufrichten.
Diese und all die vielen unausgesprochen Bitten, bringen wir zu Dir Herr Jesus Christus und zu Gott unserem Vater. Bleibe bei uns und mit uns in diesen Zeiten, in denen die Karfreitage uns zu beherrschen scheinen.
Lass uns die Hoffnung auf Ostern nicht verlieren. – Amen.
(c) Wilhelm Kraft, wilhelm-kraft@web.de
Johannes-Michael Bögge (2022)
Wir beten zu Gott, (der unsere Heimat und unsere Zukunft ist und) dessen Gebote uns zum wahren Menschsein führen wollen:
Lasst uns beten für alle, die heute verfolgt, gequält und umgebracht werden aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer Meinung; die drangsaliert werden, weil sie anderen im Weg sind, weil sie fremd oder beharrlich oder klug oder besonders menschenfreundlich sind oder weil sie sich für Menschen, Tiere und die Natur einsetzen.
Schöpfer der Welt, stärke alle mit Zuversicht und Kraft, die unter Benachteiligung, Häme, Verleumdung, Verfolgung und Vertreibung leiden. Sei all jenen nahe, die auf sich allein gestellt sind und nimm all jene auf, die unschuldig getötet werden. Dir vertrauen wir alle an, die aufgrund ihrer Lebenswirklichkeit verzweifeln. - Durch Christus, unseren Herrn.
Lasst uns beten für alle Menschen, die an Gott glauben und ihr Leben auf ihn hin auszurichten versuchen:
Gott, in vielen Facetten und auf je individuelle Weise glauben Menschen an dich, vertrauen sich dir an, erhoffen von dir Beistand und eine Heimat über den Tod hinaus. Begleite deine Kinder, die du ins Leben gerufen hast, und lass sie im Miteinander deine Gegenwart erleben. - Durch Christus, unseren Herrn.
Lasst uns beten für das Volk, das Gott sich zuerst erwählt hat, für die Juden.
Herr, unser Gott, du stehst in Treue zu deinem einmal gegebenen Wort. Du hast dir das Volk Israel zuerst erwählt. Immer wieder hast du dich in den Wechselfällen seiner Geschichte deines Volkes angenommen. Sei gepriesen, der du lebst und wirkst in Ewigkeit.
Lasst uns beten für das gemeinsame Zeugnis aller Christen:
Gott, du Herr deiner Kirche, menschliche Unvollkommenheit hat die Gemeinschaft derer, die nach dir benannt sind, immer wieder gespalten, hat unsere Gemeinschaft durch Macht und falsche Zielsetzungen vom Weg der aufrichtigen Nachfolge abgebracht. Lass uns umkehren zu dir, damit dein Wort der Vergebung uns Heilung schenke und wir dich in gegenseitiger Achtung bezeugen. - Durch Christus, unseren Herrn.
Lasst uns beten für alle, die in der Kirche im Dienst der Verkündigung und Leitung stehen:
Herr, unser Gott, du wirkst durch Menschen. Erfülle alle mit den Gaben deines Geistes, die dein Wort verkünden, dein Lebensbeispiel verkörpern und deine Gemeinde leiten, damit wir alle das Ziel unseres Lebens erreichen in Christus, unserem Herrn.
Lasst uns beten für alle, die mit deinem Segen in ehelicher Gemeinschaft leben:
Gott, du bist Liebe. Du zeigst dich, wo Menschen einander Leben schenken und zum Leben ermutigen. Segne und ermutige die Familien und Paare, damit sie in der Vielfalt des Menschseins und im Vertrauen auf dein Mitgehen deine Gegenwart lebendig werden lassen. - Durch Christus, unseren Herrn.
Lasst uns beten für alle, die krank sind oder an körperlichen oder seelischen Einschränkungen ihres Lebens leiden:
Gott, du unser Schöpfer, in deinem Sohn Jesus Christus hast du unser Leben geteilt, hast Leid erfahren und Not durchlitten. Steh allen Kranken, Leidenden und Beeinträchtigten bei, damit sie nicht an dir verzweifeln. - Durch ihn, Christus, unseren Herrn.
Lasst uns beten für unsere Verstorbenen:
Gott, du Schöpfer allen Lebens. Du bewahrst uns nicht vor Abschieden und vor dem Sterben. In Christus dürfen wir hoffen, dass du uns allen durch den Tod hindurch die Erfüllung des Lebens schenkst in der vollendeten Gemeinschaft mit dir. Sei gepriesen durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Gott, höre die Stimmen derer, die sich nach deiner Nähe sehnen, und das Schweigen jener, die in Hoffnungslosigkeit verstummen. Erweise dich in unserer Mitte als Erlöser von allem, was Menschen quält. Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn. - Amen.
Gabi Ceric (2009)
Hinführung zu den großen Fürbitten
In der Karfreitagsliturgie betet die Kirche in den großen Fürbitten für all das, was auf unserer Welt, in der Gesellschaft und auch in der Kirche zerbrochen ist, wo Beziehungen geheilt und das Reich Gottes anbrechen möge. Die Kirche bittet nicht nur für sich selbst, sondern für alle Glaubenden und Suchenden, Mächtigen und Ohnmächtigen. Am Kreuz hat Christus die ganze Welt erlöst.
Grosse Fürbitten
aus dem Messbuch
Sozialreferat der Diözese Linz (2016)
Zelebrantln (Einleitung) mit 2 LektorInnen abwechselnd:
Z: Gott, vor dich bringen wir unser Elend und unsere Hoffnung. Höre uns an und wandle, was uns bedrängt.
Z: In den persönlichen Krisen unseres Lebens fühlen wir uns ausgelaugt, verlassen, wertlos und müde. Wir bringen gerade noch Kraft genug auf für das Allernötigste. Das Leben erscheint uns trist und aussichtslos.
L 1: Wir warten auf ein aufrichtendes Wort, auf eine Geste der Hilfe, auf Licht und Wärme. Wir hoffen auf Menschlichkeit und Freundlichkeit.
L 2: Bitten wir füreinander, dass wir uns Hilfe und Stütze sind, dass wir in finsteren Zeiten Lichter anzünden und einander Nahrung sind.
Stille
Z: Du gegenwärtiger Gott, du verlässt uns nicht. Lass uns spüren, dass du uns begleitest.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
Z: Wir erleben eine Welt der Unruhe, der Ungerechtigkeit und des Unfriedens. Die Erde ist verschmutzt, missbraucht und ausgebeutet, ebenso wie viele Menschen verwundet und gequält werden.
L 1: Politikerinnen und Verantwortliche füllen ihr Amt auf unterschiedlichste Weise aus: Manche opfern sich auf und verwenden ihre Kraft und Energie für das Wohl derer, denen sie verantwortlich sind. Andere schauen eher auf den eigenen Vorteil und Nutzen ihres Amtes.
Verachtung und unbarmherzige Kritik ist ihnen allen vertraut.
L 2: Bitten wir für alle in unserem Land, die in verantwortlicher Position tätig sind:
- für maßgebliche Politikerinnen und Politiker der EU
- für unseren Bundeskanzler N. N.
- für unseren Landeshauptmann N. N.
- für unsere/n Bürgermeister/in N. N.
Dass sie die geliehene Macht im Sinne der Erde und des Wohls der Menschen nutzen.
Stille
Z: Du gerechter Gott, du hast uns Menschen beauftragt, deine Erde zu bebauen und behüten. Lass uns in deinem Sinn unser Zusammenleben gestalten.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
Z: Wir feiern in unserer Kirche ein „Jahr der Barmherzigkeit“. Der Umgang Jesu mit den Menschen soll sich in unserer Glaubensgemeinschaft widerspiegeln. Doch wir hängen in Institutionen und Hierarchien fest, in Machtspielen und unbeugsamen Gesetzen.
L 1: Auch uns als Christinnen, als Menschen wie du und ich fehlt oft die Strahlkraft der Erlösten, als die wir uns begreifen können. Anderen Fehlern nachzutragen und auf eigene Rechte bzw. Vorteile zu bestehen fällt uns leichter, als großzügig auf unsere Mitmenschen zuzugehen.
L 2: Bitten wir um mehr Barmherzigkeit für unsere Kirche: für alle, die ein Leitungsamt innehaben, für alle, die sich auf Christus berufen:
- für unseren Papst Franziskus,
- für unseren Bischof N.,
- für unseren Pfarrer (Pfarrmoderator, Pfarrprovisor, Kuraten...) N. N.
- für unsere/n Pfarrassistenten/in, Pastoralassistenten/in N. N.
- für mich, für dich, für Sie.
Stille
Z: Du mitfühlender Gott, du hast dich uns als barmherziger Vater, als barmherzige Mutter erwiesen. Hilf uns, dass die Haltung der Barmherzigkeit auch zu unserer eigenen wird.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
Z: Viele Menschen dieser Welt glauben an dich, Jesus Christus. Dennoch feiern wir getrennt in verschiedenen Kirchen und Konfessionen. Im Streit um die „richtige Theologie“, um das richtige Verständnis deiner, Gott, im Zusammenhang mit politischen Einflussbereichen kam es zu Feindschaften bis hin zu Vertreibung und Kriegen und dazu, einander den „richtigen“ Glauben abzusprechen.
L1: Auch heute erleben immer noch Paare und Familien schmerzlich, dass sich ihre religiösen Heimaten voneinander abgrenzen und ein gemeinsames Feiern ihres Glaubens unter Vorbehalt stellen. Auch wenn die ökumenischen Bemühungen von vielen Seiten vorangetrieben werden und Freundschaften wachsen.
L2: Bitten wir für unsere christlichen Geschwisterkirchen:
- für die evangelischen Kirchen
- für die orthodoxen Kirchen
- für die anderen christlichen Kirchen in unserem Land und auf der Erde.
Stille
Z: Du unergründlicher Gott, du hast dich seit langer Zeit vielen Menschen gezeigt, in deinem Sohn Jesus Christus. Hilf uns, dass wir gemeinsam deine Botschaft des Heils leben und verkünden.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
Z: Religionen geben überall auf der Welt Menschen Halt, Orientierung und Sinn in ihrem Leben. Doch sie lassen sich auch in Dienst nehmen oder werden missbraucht für Feindschaften zwischen Menschen, Volksgruppen und Völkern.
L1: Auch bei uns werden Menschen über ihr Religionsbekenntnis abgestempelt - ohne sie nach ihren Sorgen und Hoffnungen, nach ihrem Glauben und ihrer Liebe zu fragen. Doch es braucht jeden Menschen guten Willens, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.
L2: Bitten wir um einen unverstellten Zugang zu einander
- Dass wir unseren gemeinsamen Ursprung, den wir Gott verdanken, bedenken.
- Dass die Religionen ihr gutes Potential zur Geltung bringen und den Frieden auf der Welt fördern.
- Dass wir einander im Ringen um die Wahrheit und den Sinn des Lebens an erkennen und unterstützen.
Stille
Z: Du ewiger Gott, in vielen Sprachen und Zeichen sprichst du seit jeher zu den Menschen. Hilf uns, als religiöse Menschen ein gutes Zusammenleben zu erreichen.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
Z: Schon kleine Kinder besitzen einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Doch wie unsere persönlichen Beziehungen, noch mehr unsere Gesellschaft und das Gefüge der Welt gestaltet sind, geht es sehr ungerecht zu.
L1: Wir in den reichen Ländern der Erde profitieren von Rohstoffen, Niedrigstlöhnen und Ausbeutung der Umwelt in ärmeren Ländern der Erde. Wir nehmen uns mehr aus und von der Natur, als jedem Menschen der Welt zusteht. Der Blick aufs Ganze fällt uns schwer, weil wir mit der Bewältigung des Alltags beschäftigt sind.
L2: Bitten wir um einen neuen Umgang mit der Welt und den Menschen
- Um einen neuen Sinn für Gerechtigkeit, der uns antreibt
- Um Genügsamkeit und Achtsamkeit im Umgang mit der Schöpfung
- Um Sorge und Rücksicht für die schwächeren Menschen auf der Welt
Stille
Z: Gott, du Vater und Mutter aller Geschöpfe, du hast unsere Erde erschaffen und sie reich ausgestattet, so dass sie alle Tiere und Menschen ernähren kann. Stärke unseren Willen, die Güter unserer Welt gerecht zu teilen und den Reichtum der Erde für die kommenden Generationen zu bewahren.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
Z: Die vielen bedrohlichen Nachrichten aus aller Welt verunsichern uns und nähren die Angst vor dem Morgen. Die Probleme der Welt erscheinen uns als nicht lösbar und machen uns mutlos.
L1: Auch vor Europa und Österreich machen Terror, Klimawandel und Armut nicht halt. Den Frieden gewöhnt, fordern uns Flüchtlinge zur Solidarität heraus und verunsichern uns. An das biblische „Fürchte dich nicht“ mögen wir nicht glauben.
L2: Bitten wir um eine neue Sicht auf die Schwierigkeiten unserer Zeit.
- Um Vertrauen, Gelassenheit und Zuversicht, dass das Gute möglich ist.
- Um Vertrauen in andere Menschen.
- Um Vertrauen in unsere Fähigkeit, den Dingen eine gute Wendung zu geben.
Stille
Z: Du tröstender Gott, du ermutigst seit jeher Menschen in schwierigen Situationen. Sprich auch zu uns dein „fürchtet euch nicht“.
Christus höre uns - Christus erhöre uns.
(c) Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer
Sozialreferat der Diözese Linz (2014)
Zelebrant:
Tag für Tag geben wir etwas auf, verlieren wir etwas, lassen wir los.
Tag für Tag stirbt ein Teil von uns, Stück für Stück.
Tag für Tag verzehrt sich unser Leben, kommt der Tod uns näher.
Dann sind wir dem Leben am allernächsten,
weil das Leben mit dem Tod erst beginnt.
L 1:
Manchmal sind wir wie tot, oft mitten im Leben,
verschlossen und eingesperrt.
(Währenddessen legt L 2 eine Eisenkette auf die Altarstufen)
L 2:
Zur Kette, der uns verschließt, legen wir eine Rose von Jericho -
auch sie ist vielleicht jahrelang verschlossen in sich selbst,
aber nur ein klein wenig Wasser sprengt sie auf,
öffnet sie und lässt sie aufblühen.
(L 1 bringt Rose von Jericho
und legt sie vor den Altar neben die Kette)
L 1:
Bitten wir füreinander,
bitten wir um das bisschen Wasser,
das unser Leben zum Erblühen bringt,
um Worte, die befreien und erlösen:
L 2:
Bitten wir für unsere Kirche:
für alle, die ein Leitungsamt innehaben
- für unseren Papst Franziskus,
- für unseren Bischof N.,
- für unseren Pfarrer (Pfarrmoderator, Pfarrprovisor, Kuraten…) N.
- für unsere/n Pfarrassistenten/in, Pastoralassistenten/in N.
Jeder von ihnen hat schon die Stunde des Scheiterns erfahren,
die Kette um die Brust gespürt.
STILLE
L 1:
Öffne du ihre Ohren, damit sie befreiende Worte hören können,
und öffne du ihren Mund, dass sie Boten des Lebens werden.
Christus, höre uns.
A. Christus, erhöre uns.
L 2:
Bitten wir für unser Land:
für alle, die in verantwortlicher Position tätig sind:
- für unseren Bundeskanzler Werner Faymann
- für unseren Landeshauptmann Josef Pühringer
- für unseren Bürgermeister N. N.
Jeder von ihnen kennt die Stunde des Zweifelns,
jeder von ihnen kennt das Ausgeliefertsein an die Massen.
STILLE
L 1:
Öffne du ihre Augen, damit sie auch das Unscheinbare sehen,
das im Gewühl der Menge untergeht.
Öffne du ihren Mund, dass sie gegen das Laute der Menge
sich für das Kleine stark machen.
Christus, höre uns.
A: Christus, erhöre uns.
L 2:
Bitten wir für unsere christlichen Geschwisterkirchen,
besonders für unsere evangelischen Schwestern und Brüder
- für Bischof Michael Bünker
- für Superintendent Gerold Lehner
- für Pfarrer/in N. N. (OrtspfarrerIn) .
Auch sie wissen um die Mühe mit deiner Botschaft
und die Schwäche des Menschen.
STILLE
L 1:
Öffne du ihre Hände und auch unsere,
damit wir die Gemeinschaft in Jesus spüren,
und öffne du ihren Mund,
dass sie gegen alles Trennende, das Aufblühen fördern,
lass sie Worte der Nähe und Berührung finden.
Christus, höre uns.
A: Christus, erhöre uns.
L 2:
Bitten wir für die Mächtigen dieser Welt,
für die, die Verantwortung tragen in Politik und Wirtschaft.
Ihr Reden und Handeln wirkt manchmal unmenschlich,
alt und zynisch.
Ihr Ziel scheint nur das Wachsen von Gewinn und Macht zu sein.
Trotzdem sind auch sie Menschen,
die empfänglich sind für Zuwendung und Mitleid.
STILLE
L 1:
Mach ihr Herz empfindsam für die Wunden, die sie anderen zufügen,
für all das Leid, das sie verursachen.
Schenke ihnen Gedanken des Friedens für ein gedeihliches Miteinander
und lass sie die Freude über den Gewinn erfahren, den sie teilen.
Christus, höre uns.
A: Christus, erhöre uns.
L 2:
Bitten wir für alle Gemarterten und Verfolgten,
für die Kranken und von Leiden Geplagten.
(Evtl. etwas Aktuelles einfügen)
Sie sind dir in deinem Leid und Tod so nahe.
STILLE
L 1:
Heile du ihre Wunden, lindere du ihre Schmerzen,
sprich du dein erlösendes Wort zu ihnen,
dass sie nicht an ihrem Schicksal zerbrechen
und dass wir jedem, der uns braucht,
mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Christus, höre uns.
A: Christus, erhöre uns.
L 2:
Ich will bitten für Menschen,
die in den Gefängnissen dieser Welt in Ketten liegen,
für Menschen, an denen die Todesstrafe vollstreckt wurde.
Bitten will ich auch für Menschen,
die am Rufmord zugrunde gegangen sind.
Für Menschen will ich beten,
die ihr Liebstes durch den Tod verloren haben
und noch immer voller Trauer sind.
STILLE
L 1:
Und Gott will ich um seinen Segen bitten,
dessen Liebe das letzte Wort hat über Leid und Tod,
dass er uns das Vertrauen schenke:
Neues Leben wird es geben.
Christus, höre uns.
A: Christus, erhöre uns.
Sozialreferat der Diözese Linz (2014)
Priester:
In den großen Fürbitten des Karfreitags bringen wir alle Not der Welt vor Gott. Besonders die Erfahrung wie sehr uns Angst verschließt und Auslöserin von Leid ist.
Mütterlich, väterlicher Gott:
Wir bringen unser Leben mit seinen Ängsten zu dir
und vertrauen es dir an, damit du uns öffnest uns heilst.
1.
LektorIn:
Wir wollen beten für die Menschen in den christlichen Kirchen:
Nimm von ihnen die Angst vor der modernen Welt
und vor der Verdunstung des Glaubens.
Stille
Gebetsruf: GL 358: (KantorIn/alle)
Lasset zum Herrn uns beten: Herr, erbarme dich...
Priester:
Guter Gott öffne ihre Herzen,
damit sie den Reichtum des christlichen Glaubens erkennen
und in versöhnter Verschiedenheit
Gottes Liebe und Barmherzigkeit in unserer Welt bezeugen.
2.
LektorIn:
Wir wollen beten für alle, die zu einem besonderen Dienst in der Kirche beauftragt sind:
für die Verantwortlichen in Caritas, Liturgie, Verkündigung und Gemeindeleitung,
für die Diakone, Priester, Bischöfe und den Papst.
Nimm von ihnen die Angst gering geschätzt
oder ausgenützt zu werden.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne ihre Herzen,
damit sie erkennen, dass sie nicht alles selber machen müssen,
sondern Zusammenarbeit Gemeinschaft und Freude hervor bringt.
3.
LektorIn:
Wir wollen beten für die Menschen,
die nicht an Jesus Christus glauben:
die Juden zu denen Gott zuerst gesprochen hat,
die Muslime, Hindus und Buddhisten
und alle, die nach der göttlichen Wirklichkeit suchen.
Nimm von ihnen die Angst vor anderen Überzeugungen im Glauben.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne ihre Herzen,
damit sie einander respektieren, n
ach der Wahrheit suchen
und ihrem Gewissen folgen.
4.
LektorIn:
Wir wollen beten für alle, die verfolgt, gedemütigt und ausgegrenzt werden:
wegen ihres Glaubens, ihrer Überzeugungen oder ihrer Herkunft.
Nimm ihnen die Angst ihre Überzeugungen zu verraten
und von Sinnlosigkeit überwältigt zu werden.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne ihre Herzen,
damit sie im Blick auf Jesu Leben, Leiden und Sterben Trost finden
und Kraft, uns auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen.
5.
LektorIn:
Wir wollen beten für die Politikerinnen und Lenker der Staaten.
Nimm ihnen die Angst vor Machtverlust und Kritik,
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne ihre Herzen,
damit sie respektvoll miteinander umgehen
und nachhaltig zum Wohl der Menschen handeln.
6.
LektorIn:
Wir wollen beten für die Völker der Erde:
Nimm ihnen die Angst ihre Eigenständigkeit zu verlieren
und zu kurz zu kommen.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne ihre Herzen,
damit sie gerecht, wertschätzend und tolerant miteinander umgehen
und die Güter der Erde gerecht verteilen.
7.
LektorIn:
Wir wollen beten für alle, die Not leiden:
Arme, Einsame, Missbrauchte, Opfer von Gewalt, Süchtige und Kranke.
Nimm ihnen ihre Angst durch die Erfahrung deiner Nähe.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne ihre Herzen,
damit sie ihre Not ausdrücken und um Hilfe bitten können.
8.
LektorIn:
Wir wollen beten für deine ganze Schöpfung
und alle, die verborgen und unschuldig leiden.
Nimm von uns die Angst hin zuschauen
und sie wahrzunehmen.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne unsere Herzen, damit Anteilnahme, Rücksicht und Hilfsbereitschaft unser Verhalten prägen.
9.
LektorIn:
Wir wollen beten für unsere Pfarrgemeinde:
für die Kinder, Jugendlichen, Partnerschaften, die Alleinstehenden und die alten Menschen.
Nimm ihnen die Angst, bei uns keinen Platz und kein Ansehen zu haben.
Stille
Gebetsruf
Priester:
Guter Gott, öffne unsere Herzen,
damit wir als Pfarrgemeinde dir nachfolgen als deine Jüngerinnen und Jünger.
Sozialreferat der Diözese Linz (2014)
Nach jeder Bitte bestärken wir einander im Glauben mit dem gesungenen Ruf: Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Großer, unbegreiflicher und barmherziger Gott,
wir bringen das Leid, die Schuld und die Not aller Menschen vor dein Angesicht.
Voll Vertrauen in dein Dasein bei den Leidenden wollen wir die Verantwortung zur Linderung der Not unserer Zeit übernehmen und bitten dich:
1.
Lektor/in:
für alle Völker der Erde und jene, die sie regieren:
Stärke ihre Anstrengungen, Frieden und Freiheit möglich zu machen.
Lass sie das Wohl aller Menschen im Auge behalten
und bewahre sie vor Machtgier, Korruption und Überheblichkeit.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns und willst, dass alle Menschen gut leben können.
Segne jede Bemühung die Gesellschaft so zu gestalten,
dass die Menschenrechte gewahrt und die Güter gerecht verteilt werden. - Amen.
2.
Lektor/in:
für alle Menschen, die in Not sind und leiden müssen,
für Kranke, Arme, Flüchtlinge, Hungernde, Einsame und Sterbende:
Lass sie Menschen begegnen, die sich für sie interessieren,
die tatkräftig zupacken und deine Nähe bei den Leidenden durch ihre Hilfsbereitschaft bezeugen.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns und gehst mit uns durch das Leid.
Segne alle Leidenden und jene Menschen, die sich einsetzen um ihnen beizustehen und Not zu lindern. Gib ihnen langen Atem, Geduld und Zuversicht, wenn der Erfolg ihres Bemühens auf sich warten lässt. - Amen.
3.
Lektor/in:
für alle Opfer von Verbrechen und Gewalt,
für von Schicksalsschlägen tragisch Getroffene
und jene, die gedemütigt, fertig gemacht und ausgegrenzt werden:
Lass Mut und Zivilcourage unter uns wachsen,
damit wir die Dinge beim Namen nennen,
Unrechtsbewusstsein fördern
und uns dort einmischen, wo es nötig ist.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns, du bist die Quelle und ein Liebhaber des Lebens.
Segne unser Bemühen, Unrecht nicht hin zu nehmen
und etwas zu riskieren, um für schwache und wehrlose Mitmenschen einzutreten.
Sei auch denen nahe, die niemand mehr wahr und ernst nimmt. – Amen.
4.
Lektor/in:
für die Suchenden und alle Menschen,
die nach dem Sinn ihres Lebens fragen:
Bewahre sie davor auf oberflächliche Versprechungen hineinzufallen
und falschen Verführern zu folgen.
Hilf ihnen ihre Sehnsucht nicht zu betäuben
und nicht selbstgenügsam zu resignieren.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns.
Wir Menschen leben, weil du uns liebst.
Segne die Bereitschaft aller Menschen guten Willens,
sich für ein gutes Leben für Alle einzusetzen
und in dieser Hingabe Sinn für ihr Leben zu finden. - Amen.
5.
Lektor/in:
für die Gläubigen aller Religionen der Welt,
dass sie sich bemühen einander mit Achtung und Toleranz zu begegnen.
Bestärke sie darin den eigenen Glauben zu leben und zu bezeugen
ohne durch Vorurteile oder Überheblichkeit andere Überzeugungen abzuwerten.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns und willst dich allen Menschen erfahrbar machen.
Segne die Mitglieder aller Religionen in ihrem Bemühen
um Glaubwürdigkeit und Respekt voreinander,
damit der Friede unter den Religionen
den Frieden unter den Völkern fördert. – Amen.
6.
Lektor/in:
für die christlichen Kirchen:
dass sie die Trennung als schmerzlichen Verlust spüren
und die Blockaden bei der Annäherung an die Schwesterkirchen beseitigen.
Hilf uns Rechthaberei, Abwertung und Ängste abzubauen,
damit wir das Verbindende vor das Trennende stellen können.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns und willst,
dass alle, die Jesus Christus nachfolgen, eine Gemeinschaft bilden.
Segne alle Bemühungen,
das Vertrauen in die gemeinsame Berufung zu stärken
und die Konfessionsgrenzen zu überwinden. – Amen.
7.
Lektor/in:
für unsere römisch katholische Kirche:
Lass trotz der tiefen Krise das Bewusstsein Volk Gottes zu sein wachsen.
Stärke alle Getauften und Amtsträger in ihrem Dienst an den Gemeinden.
Gib unseren Bemühungen und Reformen Erfolg, damit unsere Kirche ein brauchbares Werkzeug und ein glaubwürdiges Zeichen für deine erlösende Liebe in unserer Welt sein kann.
Gott ist da, wo Menschen leben...
Zelebrant:
Gott du bist bei uns im Wort und im Sakrament,
das wir jeden Sonntag hören und feiern.
Segne alle, die zu einem Dienst in der Kirche berufen sind:
Lehrkräfte, Seelsorgerinnen, Pfarrgemeinderäte, Pfarrassistentinnen, Diakone, Priester, Bischöfe und den Papst Franziskus.
Ermutige uns auf neuen Wege den Glauben zu bezeugen
und gemeinsam für die Ausbreitung des Reiches Gottes zu arbeiten. – Amen.
Jörg Thiemann (2013)
1. Für die heilige Kirche
Lasst uns beten, Schwestern und Brüder, für unsere heilige Kirche,
sie ist wie ein Schiff auf einem stürmischen Meer,
doch sie hat die Zusage Jesu:
die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen,
denn durch unsere Zeit führt sie zu Gott,
sie lobt und preist ihn allezeit.
Allmächtiger Gott,
du rufst alle, die an dich glauben zu einer Kirche zusammen.
Jesus ist der Herr deiner Kirche,
Möge deine Kirche Licht für alle Menschen werden,
das auf einen Leuchter gestellt ist.
2. Für den Papst
Lasst uns beten für unseren Papst Franziskus,
Gott sende ihm die sieben Gaben des Geistes,
dass er dein Volk so leite, wie es nach deinem Herzen ist,
dass er ein wahrer Fels sein kann, ein sicherer Halt
und ein Vorbild im Glauben und Gebet sei
Allmächtiger Gott,
du hast Papst Franziskus berufen, dein Stellvertreter zu sein.
Gib ihm Kraft für alle Aufgaben,
Mut, das zu ändern, was nicht deinem Willen entspricht
und Freude, wichtig zu sein in einer Welt voller Fragen und Ängsten.
3. Für alle Stände der Kirche
Lasst uns beten für unseren Bischof N.,
für alle Priester, Ordensleute, Diakone, Missionare,
für alle Eheleute,
für alle, die in der Kirche sich einsetzten,
weil ihnen der Glaube an dich wichtig ist.
Allmächtiger Gott,
dein Volk ist ein Leib, das aus vielen Gliedern besteht.
Lass uns erkennen, dass zum Aufbau deines Reiches
alle notwendig sind,
und mach alle bereit, ihre Aufgabe an ihrem Platz zu erfüllen,
mit deinen Gaben, die du ihnen geschenkt hast.
4. Für alle, die sich auf die Taufe vorbereiten
Lasst uns beten für alle, die sich vorbereiten,
das Sakrament der Taufe zu empfangen.
Führe und leite die Menschen zu dir,
welche die Liebe zu dir entdeckt haben,
welche mit dir eine Freundschaft leben möchten.
Lass sie dich erfahren,
der du uns Leben in Fülle schenken willst.
Allmächtiger Gott,
du bist der Vater aller Menschen.
Segne alle, die zu dir Ja sagen in der Taufe,
verzeihe ihnen alle Sünden und Schuld.
Lass sie dich immer tiefer erkennen und lieben
und mit dir ihren Lebensweg gehen. Amen.
5. Für die Einheit der Christen
Lasst uns beten für alle Schwestern und Brüder
in den anderen christlichen Kirchen und für alle, die sie leiten,
die auf der Suche nach Wahrheit sind,
die viele unserer Hoffnungen und unseren Glauben teilen
wenn auch auf anderen Wegen.
Allmächtiger Gott,
viele leiden unter der Spaltung,
die keine Zeichen für den Glauben ist.
Doch ist schon viel Einigkeit erreicht worden.
Lass uns nicht müde werden, einander zu verstehen
und aufeinander zugehen,
damit wir "eins" werden, so wie es Jesus gebetet hat. Amen.
6. Für die Juden
Lasst uns beten für die Juden, dein auserwähltes Volk.
An ihnen hast du zuerst gezeigt, was du mit uns vorhast.
Sie waren zwar oft untreu deinem Bund gegenüber,
doch du hast sie immer wieder zu dir geführt.
Jesus, dein Sohn, gehörte zu diesem Volk,
darum wollen wir in Liebe und Ehrfurcht deines heiligen Volkes gedenken.
Allmächtiger Gott,
du liebst dein heiliges und auserwähltes Volk.
Steh deinem Volk auch heute bei.
Führe es in Zeiten, in denen es unruhig für sie ist,
in Zeiten, wo sie verfolgt werden.
Segne all ihre Mühen in Gebet und Ehrfurcht,
dass sie dich als Sinn und Ziel erfahren. Amen.
7. Für alle, die nicht an Christus glauben
Lasst uns beten für alle, die nicht an Christus glauben;
viele Menschen suchen nach Wahrheit auf verschiedenen Wegen,
in verschiedenen Religionen.
Viele Menschen spüren eine tiefe Sehnsucht nach Wahrheit.
Allmächtiger Gott,
allen Menschen bist du Vater,
allen, die guten Willens sind.
Erfülle die Herzen auch dieser Menschen,
denn unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe bei dir findet.
Allen Christen aber schenke einen festen Glauben,
der in Wort und Tat überzeugt,
damit viele Menschen zu dem einen guten Hirten finden mögen. Amen
8. Für alle, die nicht an Gott glauben
Lasst uns beten für alle, die nicht an Gott glauben.
Guter Gott, viele Gründe lassen Menschen nicht an dich glauben,
oft auch durch die Schuld der Frommen.
Du aber kennst die Herzen aller Menschen.
Du wartest auf alle Menschen wie der barmherzige Vater auf seinen Sohn,
der sich sein Erbteil auszahlen hat lassen.
Allmächtiger Gott,
du bist der Vater aller Menschen,
auch für die, die dich nicht kennen,
die nicht glauben können, dass es dich gibt.
Lass diese Menschen nie aufhören,
nach Wahrheit zu suchen und zu fragen.
Denn du bist zu erkennen in der Schöpfung
und in den vielen guten Taten deiner Gläubigen.
Schenke ihnen den Glauben
und öffne auch ihre Herzen. Amen.
9. Für die Regierenden
Lasst uns beten für die Regierenden.
Gott, du befähigst Menschen, die weltlichen und vergänglichen Dinge zu regeln.
Überall beginnt dein Reich,
wo Gerechtigkeit und Friede das Handeln der Menschen leitet.
Allmächtiger Gott,
öffne die Herzen der Regierenden für die Menschen,
die ihnen anvertraut sind.
Schenke ihnen den Geist des Friedens,
damit Kriege verhindert werden.
Lass sie zum Wohl aller regieren
und nicht der Versuchung von Machtmissbrauch erliegen. Amen.
10. Für alle Not leidenden Menschen
Lasst uns beten für alle, die an Not leiden:
Einsamkeit, Krankheit, Behinderung, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Wut, Zorn.
Viele Gesichter kennt die Not.
Wir sind berufen Not zu lindern.
Allmächtiger Gott,
du hast die Schreie deines Volkes in Ägypten gehört.
Du hörst auch heute noch die vielen Hilferufe.
Du sendest uns zu diesen Menschen, die deiner Hilfe bedürfen.
Lass nicht zu, dass wir unsere Herzen,
unsere Ohren, unsere Augen und unsere Münder verschließen,
weil wir nur für uns selbst leben wollen. Amen.
Josef Stöckl (2010)
Für das Volk Gottes
Lektor:
Lasset uns beten, Brüder uns Schwestern, für das Volk Gottes.
Dass Gott ihm Frieden schenke,
dass der Glaube stets lebendig bleibe
und dass die Getauften immer mehr
zu wahrhaftigen Zeugen des Evangeliums werden.
Cantor:
Herr, erbarme dich, erbarme dich unser, erbarme dich unserer Zeit.
oder GL 931/6
oder anderes Kyrie eleison
Zelebrant:
Gott, unser Vater,
du hast in Christus allen Völkern dein Heil kundgetan.
Er geht mit uns durch alle Zeiten
als "Emanuel", als "Gott mit uns".
Nimm alle Angst von uns, behüte uns
und gib uns Mut, allezeit dich zu bekennen
Darum bitten wir durch Christus, unserm Herrn
Für alle anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften:
Lektor:
Lasset uns beten für alle Schwestern und Brüder,
die anderen Kirchen und Glaubensbekenntnisse angehören.
Dass Gott sie leite auf dem Weg der Wahrheit,
dass alle, welche die Taufe miteinander vereint,
Hass und Streit der Jahrhunderte hinter sich lassen
und zuversichtlich Schritte zueinander finden.
Cantor:
Zelebrant:
Gott, unser Vater,
Du allein kannst Spaltungen überwinden helfen
und uns zum Frieden und zur Einheit führen.
Erbarme dich deiner Christenheit,
die geheiligt ist durch die Taufe.
Darum bitten wir, durch Christus, unserm Herrn. Amen.
Für alle, die nicht an Gott glauben:
Lektor:
Lasset uns beten für alle, die nicht an Gott glauben,
für alle, die suchen und fragen nach dem tieferen Sinn des Lebens
und für alle, die sich auf die Taufe vorbereiten,
Dass Gott ihre Herzen für sein Wort öffne,
und uns Kraft gebe, dass wir ihnen geschwisterlich begegnen
und die Liebe Gottes zu all seinen Geschöpfen bezeugen.
Cantor:
Zelebrant:
Gott, unser Vater ,
du hast den Menschen geschaffen nach deinem Bild
dass er dich suche und in dir Ruhe findet.
Gib dich ihnen zu erkennen.
Schließ ihre Herzen auf
durch unsere Taten der Liebe.
Darum bitten wir durch Christus, unserm Herrn. Amen
Für alle, die Gewalt und Missbrauch erfahren haben.
Lektor:
Lasset uns beten für alle Kinder und Jugendlichen,
die Gewalt und Missbrauch erfahren mussten,
die schweren Schaden an Leib und Seele davongetragen haben.
Dass Gott ihnen Menschen begegnen lässt,
die ihnen helfen, den Weg ins Leben wieder zu finden.
Dass er aber auch diejenigen,
die so was Schlimmes verursacht haben
zur Erkenntnis ihrer Taten führt
und die notwendigen Folgen und Schritte auf sich nehmen lässt.
Cantor:
Zelebrant:
Gott, unser Vater,
Du bist die Liebe
und hast auch uns zur Liebe fähig gemacht.
Bewahre uns - vor allem die Kinder und Jugendlichen -
vor Gewalt, Missbrauch und Verlust des Vertrauens.
Die aber, die an ihnen Schlimmes verbrochen haben,
lass zur Umkehr finden, Schaden gut machen
und alles versuchen, dass Grenzen beachtet werden.
Darum bitten wir, durch Christus, unserm Herrn.
Für den Papst, die Bischöfe, Priester
und alle, die in der Seelsorge arbeiten.
Lektor:
Lasset uns beten für unseren Papst Benedikt,
für die Bischöfe, Priester, Ordensleute
und alle, die in der Kirche Verantwortung tragen.
dass sie ihre besondere Berufung erkennen
und ihr eigenes Leben
ganz nach der Botschaft des Evangeliums ausrichten.
Cantor:
Zelebrant:
Gott, unser Vater,
Du hast Jesus, deinen Sohn,
zum Hirten deines Volkes gemacht.
Lass alle, die du in besonderer Weise
in den Dienst des Evangeliums gerufen hast,
wachsen im Glauben
und gib ihnen eine große Ehrfurcht vor jedem Menschen,
die ihnen anvertraut sind,
besonders die Kleinen und Schwachen.
Darum bitten wir durch Christus, unserm Herrn. Amen
Für die Regierenden:
Lektor:
Lasset uns beten für die Regierenden,
für die Frauen und Männer
in Wissenschaft, Wirtschaft und in den Medien.
Dass Gott ihren Geist und ihr Herzen lenke,
in Verantwortung und zum Wohle der ganzen Welt zu handeln
Cantor:
Zelebrant:
Gott, unser Vater,
Du hast Menschen besondere Fähigkeiten gegeben.
Schau auf die, die uns regieren,
und auf alle, die großen Einfluss und viel Macht haben,
unsere Welt zu gestalten,
damit wir in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unserm Herrn. Amen
Für alle Not leidenden Menschen
Lektor:
Lasset uns beten für alle Not leidenden Menschen,.
dass Gott auf alle höre, die in ihrer Bedrängnis zu ihm rufen,
dass die Kranken Heilung erfahren,
die Hungrigen Speise erhalten,
die an Leib oder Seele Gefesselten Befreiung erleben
die Heimatlosen eine offene Tür finden,
und dass den Sterbenden das ewige Leben zuteil wird.
Cantor:
Zelebrant:
Gott, unser Vater,
Du Trost der Betrübten, du Kraft der Leidenden,
erbarme dich aller, die in ihrer Bedrängnis zu dir rufen.
Lass sie bei Dir Kraft schöpfen
und wende ihr Schicksal zum Guten.
Darum bitten wir durch Christus, unserm Herrn. Amen.
- Meditation1
Helene Renner (2021) - schreien, weinen, betteln
Schreien
um Hilfe
und niemand hört
Weinen
vor tiefem Schmerz
und keiner tröstet
Betteln
um heilsame Nähe
und keine Hand öffnet sich
Verlassen von Gott
und den Menschen
ausgeliefert
und doch
glauben
alles wird gut
- Schlussgebet1
Messbuch - SG Karfreitag: Schenke Wachstum im Glauben und die ewige Erlösung
Herr, unser Gott,
reicher Segen komme herab auf dein Volk,
das den Tod deines Sohnes gefeiert hat
und die Auferstehung erwartet.
Schenke ihm Verzeihung und Trost,
Wachstum im Glauben und die ewige Erlösung.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Karfreitag
- Gebet zum Abschluss1
Johannes-Michael Bögge (2022)
Gott,
in dieser Feier haben wir deines Sohnes gedacht.
Er hat uns verheißen, uns an sich zu ziehen, wenn er erhöht sein wird.
Er hat unser Leben bis in den Tod geteilt.
Schenke uns Anteil an seinem unvergänglichen Leben
– heute und bis in Ewigkeit. - Amen.
- Sonstiges6
Hans Hütter (2015)
Das Österreichische Liturgische Institut hat angeregt, die Fürbitten des Karfreitags um eine Fürbitte für die verfolgten Christen zu erweiteren.
Zur Website des Österreichischen liturgischen Institutes: www.liturgie.at
Ludwig Götz (2010)
Hinführung zur Kreuzverehrung:
Das Kreuz Christi steht heute im Mittelpunkt. Es ist zusammengesetzt aus zwei Linien. Die Senkrechte, ist die Hauptlinie. Dieser Balken weist nach oben, als wolle er eine Verbindung herstellen zwischen Himmel und Erde. Der zweite Balken, die Waagerechte, meint die Linie der Welt, unsere menschliche Sphäre. Damit verbunden sind unsere Angst und Schuld, unsere Zerrissenheit und Ohnmacht. Im Schnittpunkt kreuzen sich Weltlinie und Gotteslinie.
Christi Kreuzestod durchkreuzt unsere Kreuze und macht aus dem Fluchholz für Verbrecher ein Siegeszeichen. Der Hilflose ist zum Helfer der Menschheit geworden. Der am Kreuz Besiegte ist der wahre Sieger der Welt. Lasst uns den am Kreuz Erhöhten preisen, denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.
Oder:
Vor uns sehen wir das enthüllte Kreuz. Am aufragenden Pfahl hängt der gemarterte Körper. Unverständnis, Kälte und Feindseligkeit haben sich ausgetobt an einem, der auf Gewalt verzichtet hat.
Hier hat Jesus seinen Auftrag, den Menschen die Liebe Gottes nahe zu bringen, bis zum Letzten erfüllt.
Hier ließ ein Großer die Kleinen nicht für sich schuften und bluten, sondern hielt selber seinen Kopf hin für die anderen.
Hier ließ sich einer klein kriegen aus innerer Größe.
Hier ließ sich einer auf Kreuz legen, um den Teufelskreis des Bösen zu stoppen.
Hier hängt einer, der ließ sich am dritten Tag sehen, einer der sich wahrlich sehen lassen kann.
Lasst uns den am Kreuz Erhöhten preisen und anbeten,
denn durch das Holz des Kreuzes kam Freude in die Welt!
Jörg Thiemann (2013)
Litanei zur Kreuzverehrung
Dein Kreuz, o Herr, verehren wir,
wir - die armen Sünder,
wir - die wir deine Jüngerinnen und Jünger sind,
wir - die wir mit dir gehen,
wir - die wir jeden Sonntag in die Kirche gehen
wir - die wir nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen
wir - die wir nichts besser sind als die Menschen, die dich an das Kreuz schlugen
wir - die wir nichts besser sind als die Menschen, die nicht an dich glauben
wir - die oft nicht das tun, was sie mit schönen Worten reden.
Wir verehren dein Kreuz
wir - in unserer Einsamkeit
wir - in unseren Sorgen
wir - in unserer Krankheit
wir - in unseren Behinderungen
wir - in unseren Ängsten
wir - in unserer Feigheit
wir - in unserem Egoismus
wir - in unserer Rücksichtslosigkeit
wir - in unserem Unfrieden
Dein Kreuz, o Herr, verehren wir,
wir machen uns klein vor dich,
wir beugen unser Knie nur vor dich und vor nichts anderem
wir zeigen, dass wir unter dich stehen,
wir zeigen, dass wir nicht das Maß aller Dinge sind,
wir wollen deinen Willen tun
wir wollen dich lieben
wir wollen nicht sterben so wie du,
wir wissen in unserem Leid uns von dir gehalten.
Wir verehren dein Kreuz
Dein Kreuz, o Herr, verehren wir,
wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen;
uns, die wir sooft davonlaufen vor dem Zeugnis
uns, die immer eine Antwort auf alle Fragen bekommen möchten
uns, die wir das Leiden ausblenden möchten
uns, denen alles andere wichtiger ist als der Glaube
uns, die wir dir nur den vierten oder fünften Platz im Leben geben
uns willst du an dich ziehen - welch eine Liebe und Hoffnung, die du in uns setzt.
Wir verehren dein Kreuz
Wir verehren dein Kreuz,
das Zeichen unserer Erlösung,
das Zeichen unserer Hoffnung,
das Zeichen deiner Liebe und Hingabe, das sich in jeder Feier des Abendmahls - der Eucharistie - wiederholt.
Wir verehren dein Kreuz -
weil wir es brauchen
Amen.
Sozialreferat der Diözese Linz (2016)
Einleitung zur Kreuzverehrung
Mich verneigen vor den Geschundenen, öffentlich Gedemütigten, vor den Justizopfern, vor den Schwachen und den Verleumdeten. Das Gebrochene, das Verunstaltete anbeten - weil es uns daran erinnert, dass es Hoffnung gibt auch für uns, für mich. Weil mich meine Schönheit und Klugheit nicht retten muss, weil mein Licht aus Gottes Hand kommt. Weil Menschen, die für andere leiden und sterben, nicht umsonst sterben - sondern uns in ihrem Leiden halten und von Gott gehalten sind.
All das konzentriert sich im Tod Jesu am Kreuz, den wir heute „feiern“, oder besser gesagt begehen, dem wir heute einen Ort des Gedenkens und Dankens geben. Gott mag uns auch im Leid begegnen.
So lade ich Sie ein, in Dreier(Vierer)reihen zum Kreuz zu gehen, innezuhalten, eine Blume oder einen Zweig niederzulegen und ein Zeichen Ihrer Verehrung zu machen, das Ihnen entspricht. (Verneigung, Innehalten, Kniebeuge, Kreuzzeichen)
Gabi Ceric (2009)
Prostratio und Eröffnungsgebet:
Gedenke, Herr, der grossen Taten, die dein Erbarmen gewirkt hat.
Schütze und heilige deine Diener,
für die dein Sohn Jesus Christus sein Blut vergossen
und das österliche Geheimnis eingesetzt hat,
der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.
(MB Karfreitag)
Lesung Jes 52,13 -53,12
Antwortgesang
Lesung Hebr 4,14-16; 5,7-9
Gesang vor der Passion:
GL 532 (KG 31/1): "Lob dir Christus, König und Erlöser"
"Christus war für uns gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen,
der grösser ist als alle Namen."
Die Leidensgeschichte nach Johannes
Antwortlied:
GL 180 (KG 391): "Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen"
Kreuzenthüllung und Kreuzverehrung:
Kreuzenthüllung an drei Stationen: Eingang/Mitte/vor den Altarstufen.
3 x Ruf "Seht das Holz des Kreuzes"
Meditation zur Kreuzverehrung:
Ein Mensch hängt zwischen Himmel und Erde, '
Mittler zwischen Gott und den Menschen.
Welch große Liebe!
Welch großer Hass!
"Es ist vollbracht!"
Was ist vollbracht?
Der Wille des Vaters?
Das Opfer des Sohnes?
Das Leiden des Menschseins?
Das Werk der Liebe!
Ich kann am Karfreitag nicht Traurigkeit spielen
im Bewusstsein der Freude des Ostermorgens.
Ich kann nur diese Liebe in stiller Freude annehmen,
mich ihr entgegenstrecken - und danken.
(Hans Waltersdorfer)
Oder:
An das Kreuz haben sie ihn gehängt
- diesen Jesus
Er war der verachtetste Mensch
- dieser Jesus
Er war der einsamste Mensch
- dieser Jesus
Sichtbar für alle war es aufgerichtet
- das Kreuz
Ein Zeichen für totale Niederlage
- das Kreuz
Jesu Auferstehung machte es zum Siegeszeichen
- das Kreuz
Es wurde zum Zeichen für Glaube, Liebe, Hoffnung
- das Kreuz
Deshalb können wir
im Zeichen des Kreuzes glauben
an Gottes Barmherzigkeit zu uns.
Deshalb können wir
im Zeichen des Kreuzes glauben
an Gottes Liebe zu uns.
Deshalb können wir
im Zeichen des Kreuzes hoffen
auf die Auferstehung.
(Günter Weigel)
Oder:
Ecce Homo
Weniger als die Hoffnung auf ihn
Das ist der Mensch
Einarmig
Immer
Nur der gekreuzigte
Beide Arme
Weit offen
Der Hier-Bin-Ich
(Hilde Domin)
Oder:
Wird je ein Mensch erahnen können, was in Jesus Christus in dieser letzten Stunde vor sich geht? Wie tief ist der Riss zwischen Gott und Mensch? Unter qualvollen Schmerzen, die bis zum Wahnsinn und zur Ohnmacht treiben, stirbt Jesus. Und doch - unbegreiflich bleibt die liebende Kraft dieses Menschen, der zwischen Himmel und Erde mit dem Tod ringt.
Er vergibt denen, die ihn töten; er vergibt dem der neben ihm hängt und um Vergebung bittet; er übergibt seine Mutter an seinen liebsten Freund und damit an all seine Freunde; seinem Vater legt er sich in die gütigen Hände; liebend und tröstend schenkt er im Todeskampf anderen Kraft und Mut.
Und als dies alles vollbracht ist, bricht das tiefste Dunkel der Todesnacht über ihn herein. Der Durst - der Durst nach Leben schreit aus ihm heraus, und er versinkt in Gottesferne und Verlassenheit. Im grausamsten Dunkel der Grenze menschlichen Lebens schreit er nach Gott: Warum? Warum, Gott?
Und als er sein Haupt neigt, gibt Gott sich selbst und uns die Antwort: Es ist vollbracht. Er, wir, alles ist vollbracht. Seither ist menschliches Leben im Frieden Gottes geborgen.
(Br. Immanuel Jacobs)
Persönliche Kreuzverehrung
mit Blumen und Kerzen. . .
Gemeindelied
GL 189 (KG 389,3.+ 4. Str.): "Ich danke dir von Herzen"
Gabi Ceric (2009)
Grablegung
Einstimmung:
GL 470 (KG 132): "O Lamm Gottes unschuldig"
Lesung: (Röm 14,7-9)
Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer
Schwestern und Brüder,
keiner von uns lebt sich selber,
und keiner stirbt sich selber:
'Leben wir, so leben wir dem Herrn,
'sterben wir, so sterben wir dem Herrn.
Ob wir leben oder ob wir sterben,
wir gehören dem Herrn.
Denn Christus ist gestorben,
um Herr zu sein über Tote und Lebende.
Kurze Stille
Gebet:
Gott, Herr über Tod und Leben.
Noch erkennen wir unvollkommen,
was das Leiden und Sterben Christi für unser Leben bedeutet.
Lass uns offen sein für das Heil, das du uns schenken willst.
Lass uns im Glauben an die Auferstehung
die Grenzen unseres Todes überwinden.
Heute, morgen, alle Tage unseres Lebens
und darüber hinaus. Amen.
Gemeindelied:
GL 832 (KG 197): "Jesus, dir leb ich"
Paschamysterium
Die Sendung, deretwegen Jesus zu uns gekommen ist, erreicht ihre Erfüllung im Paschamysterium. Bevor er seinen „Geist aufgibt“, sagt er von der Höhe des Kreuzes aus, von der er alle an sich zieht (vgl. Joh. 12, 23): „Es ist vollbracht!“ (Joh. 19, 30). In dem Geheimnis seines Gehorsams bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2, 8) wurde der neue und ewige Bund verwirklicht. In seinem gekreuzigten Leib haben sich die Freiheit Gottes und die Freiheit des Menschen in einem unauflöslichen, immerwährenden Bündnis endgültig zusammengefunden. Auch die Sünde des Menschen ist durch den Sohn Gottes ein für allemal gesühnt worden (vgl. Hebr. 7, 27; 1 Joh. 2,2; 4, 10). „In seinem Tod“ vollzieht sich“ – wie ich an anderer Stelle bereits betonte – „jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten – Liebe in ihrer radikalsten Form.“ Im Paschamysterium ist unsere Befreiung vom Bösen und Tod tatsächlich Wirklichkeit geworden. Bei der Einsetzung des Altarsakramentes hatte Jesus selbst vom „neuen und ewigen Bund“ gesprochen, der in dem von ihm vergossenen Blut geschlossen wurde (Mt. 26, 28; Mk 14, 24; Lk. 22, 20). Dieses letzte Ziel seiner Sendung war bereits zu Beginn seines öffentlichen Lebens sehr deutlich. Als nämlich Johannes der Täufer am Ufer des Jordans Jesus auf sich zukommen sieht, ruft er aus: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg hinwegnimmt! (Joh. 1, 29). Es ist bezeichnend, dass ebendieses Wort in jeder Messfeier in dem Augenblick wiederkehrt, da der Priester zum Empfang der Kommunion einlädt: „Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt! Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!“ Jesus ist das wahre Osterlamm, das sich selbst freiwillig als Opfer für uns dargebracht und so den neuen und ewigen Bund verwirklicht hat. Die Eucharistie enthält in sich diese radikale Neuheit, die uns in jeder Messfeier neu dargeboten wird.“
Aus: Benedikt XVI, Sakrament der Liebe, mit einer Einführung von Karl Kardinal Lehmann, Leipzig 2007.
Das Kreuz wendet Tod und Leid zum Segen
Im Augenblick des Todes rief Jesus: „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19, 30) Das war ein Siegesruf: Die Sünde, die Ungerechtigkeit der Welt, der Satan und alle widergöttlichen Mächte waren geschlagen. Das drückt vor allem der Evangelist Johannes aus. Er sieht im Kreuz immer zugleich die Auferstehung. Es ist für ihn Zeichen einer neuen Freiheit für den ganzen Menschen.
Kannst du dir vorstellen, liebe Kerstin, was diese Gedanken der Heiligen Schrift für uns bedeuten? Die Welt ist noch immer voller Ungerechtigkeit, voller Not und Schmerz, und viele fragen: „Warum beseitigt Gottes Sohn das Leid der Welt nicht? Er tut Größeres: Er nimmt es selber auf sich, wendet es zum Heil. Und er fordert uns auf, ihm nachzufolgen, unser Kreuz im gleichen Sinn zu tragen. Er hat uns in der Taufe in sein Todesleiden genommen, damit wir auch an seinem Leben teilhaben. Er macht sein Kreuzesopfer in der Messe gegenwärtig, damit wir immer wieder neu mit ihm eins werden. Mit Jesus eins: so können Tod und Leid sinnvoll und hell werden...
Natürlich heißt das nicht, dass wir das Leid und die Ungerechtigkeit in der Welt einfach hinnehmen und die Betroffenen mit dem Kreuz „vertrösten“. Gottes Sohn ist am Kreuz ja gerade mit den Erniedrigten und Gequälten dieser Welt eins geworden und hat ihnen seine Liebe gezeigt. Deshalb müssen wir im Zeichen des Kreuzes für die Menschen eintreten, für ihre Freiheit, gegen ihre Not. Aber Tod und Leid werden trotzdem bleiben. Das Kreuz wendet sie zum Segen.
Glaube mir, liebe Kerstin: Das sind nicht bloß fromme Sprüche. Es gibt Stunden, wo einen nur noch das Kreuz hochhält. Ich glaube fast, du hast das selber schon erlebt....
Aus: Winfrid Henze, Glauben ist schön, Harsum 2001.
Wunderbare Worte des Erlösers am Kreuz
Schweigend stehen wir vor dem Kreuz und hören Jesu Worte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Die römischen Soldaten wissen genau, was sie tun: einen Aufständischen hinrichten. Auch Pilatus weiß, was er tut. Aber wissen sie wirklich, dass unter ihren Händen ein Gerechter stirbt, zu dem sich Gott bekennen wird? Und sind nicht diese Täter des Grauens zugleich auch Opfer des blinden Hasses? Wer könnte die Worte Jesu hören, ohne sogleich an Gewalttaten unserer Tage zu denken? „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Diese Worte sind nicht nur Worte des Gekreuzigten für seine Mörder. Dies sind Worte der Liebe, die allen Menschen gelten, die sich in ihrem blinden Hass selbst nicht verstehen. Der Gekreuzigte will seine Feinde wandeln, nicht vernichten. Darin steckt die Zumutung des Karfreitages, die Zumutung der Liebe Gottes. Sie mutet uns zu, keinen Menschen für immer abzuschreiben.
Und dann das zweite Wort Jesu: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Jesus hat mit seiner Bitte um Vergebung den mitgekreuzigten Gewalttäter verändert. Schon „heute“ bricht für ihn, der nichts als Verderben verdient hatte, das ewige Leben bei Gott an. Gottes Gnade ist unfassbar und setzt unserem Urteil Grenzen. Wo wir andere als Feinde abschreiben, da errichtet Gott das Kreuz als unübersehbares Zeichen seiner Gnade, für die es nie ein „zu spät“ gibt.
„Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ So spricht grenzenloses Gottvertrauen. Wer so stirbt, rechnet mit der Treue Gottes über den Tod hinaus. Damit deutet sich bereits am Kreuzesstamm an, dass das Holz auf Jesu Schultern zum Baum des Lebens wird für alle, die sich von diesem Gottvertrauen erfassen lassen. Jesu Worte haben im Leben vieler Christen ein Echo des Gottvertrauens gefunden; im Leben von Menschen, die erfahren durften, dass Sterben im Gottvertrauen ein Weg zum Leben ist,
Ulrich Fischer in: Mit der Bibel durch das Jahr 2013, Freiburg 2012.
Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden
Die Zeit ist um
Die uns verband
Ich weiß, dass du es fühlst
So geh' ich jetzt
Auch wenn du mich
Noch gern beschützen willst
Dein Leuchtturm steht nun anderswo
Und nicht mehr hier bei dir
Und auf dem Weg
Zum eig'nen Licht
Komm sag - was wünscht du mir?
Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden
Und eine Hand, die deine hält
Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden
Und dass dir nie die Hoffnung fehlt
Und dass dir deine Träume bleiben
Und wenn du suchst nach Zärtlichkeit
Wünsch ich dir Liebe ohne Leiden
Und Glück für alle Zeit
Du du du du du du...
Du bleibst zurück
Und stehst an sich
Recht fest in deiner Welt
Und doch tut's gut
Wenn irgendwer
Auch mir den Daumen hält
So sag ich tschau...
Doch bitte schau
Noch einmal hinter dich
Und lach mich an
Und sage mir:
Was ist dein Wunsch für mich?
Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden
Und eine Hand, die deine hält
Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden
Und dass dir nie die Hoffnung fehlt
Und dass dir deine Träume bleiben
Und wenn du suchst nach Zärtlichkeit
Wünsch ich dir Liebe ohne Leiden
Und Glück für alle Zeit
Du du du du du du...
Du du du du du du...
Du du du du du du...
Du du du du du du...
Udo Jürgens: Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden
https://www.youtube.com/watch?v=dLZmSOMD4TM
Erlöst
Aller Jubel verhallt
Hosanna – Hochgelobt
Jetzt tief gebeugt
Gelegt in den Staub des Todes
Gestürzt – gefallen
Zum Opfer gefallen
Neid und Hass
Schuld und Sünde
Zum Opfer geworden
Unschuldig
Der Schuld – der Schuldigen wegen
Geopfert
Sich aufgeopfert
Alle Begeisterung verschwunden
Wenn alle Anstoß nehmen
Verleugnet – verraten
Verlassen und verkauft
Loskaufen kann keiner den anderen
Noch Sühnegeld zahlen
Nicht bezahlt – unbezahlbar
Losgekauft
Erkauft mit Blut
Losgekauft von Sünde und Tod
Erlöst im Leben, zum Leben durch Gott
Leben durch Gott
Leben mit Gott und bei Gott
Leben in Gott
Beatrix Senft 2023.
Kreuzwegsteine
Auf den
Kreuzwegsteinen des Jesus von Nazareth
mit-gehen
IHN
wahrnehmen
mit allem
was ihn ausmacht
erspüren
seine Last
seine Angst
ja Todesangst
erspüren
auch
seine Hingabe
seine Liebe
bis in die letzte Konsequenz
bei ihm
verweilen
ausharren
aushalten
zum
Mit-Leiden
bereit
auch
die Last spüren
die
auf meinen Schultern
als Holz
des Leidens
liegt
erspüren
die Last
die auf den Schultern
meiner Lieben
und
so vieler
liegt
IHM
zeigen
hin-halten
und
mit
IHM
erhoffen dürfen
dass es
ein
AUF-ERSTEHEN
gibt
und
auf den
Kreuzwegsteinen
auch
in dieser Zeit
mutig
WEITER-GEHEN
mit IHM
bin ich bereit?
mutig
WEITER-GEHEN
mit IHM
ich bin
bereit
Beatrix Senft 2023.
Ein musikalischer Wegbegleiter von Palmsonntag bis nach Ostern
8 Lieder von Reinhardt Burchhardt
mit Noten
im PDF-Format zum Herunterladen:
Wir loben dich
Jesu Einzug in JerusalemDas letzte Abendmahl
Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen JüngernÜberall ist Golgatha
Die Leiden Jesu Christi und dieser Welt heute sind einsDas Kreuz des Jesus Christus
Zur MeditationDeinen Tod o Herr verkünden wir
Lobpreis für den Überwinder des TodesLied vom Ostermorgen
Befreiung zum NeubeginnDer Herr sei mit euch
Gruß der Jünger Jesu – heuteWelcher Engel wird uns sagen
Für eine ganz persönliche Auferstehung
(c) Reinhard Burchhardt
Lied: Überall ist Golgota
Lied: Reinhard Burchhardt, Überall ist Golgota.
© LIEDERLAND Musikverlag GbR.
aus: "Von Palmsonntag bis nach Ostern - ein musikalischer Wegbegleiter". Warburg 2006.
Kreuz, wo ist deine Macht?
Das Kreuz,
es hat seine Härte
verloren.
Die Liebe,
die durch Jesus Christus
in das Kreuz
eingedrungen ist,
sie strömt aus ihm heraus
und wird
zum Heil
der Welt.
Für dich – für mich – für alle.
Und für alle Zeit.
AMEN.
Beatrix Senft, unveröffentlicht.
Trotzdem Ostern
Ostern ist das große Fest der Liebe, die stärker ist als der Tod. Ostern feiern wir das Trotzdem dieser Liebe. Im Gegensatz zum rechthaberischen Trotz ist das widerständige Trotzdem eine prophetische und hoffnungsvolle Haltung. Ich möchte zeigen, wie stark die Bibel geprägt ist von Trotzdem-Haltungen und Trotzdem-Personen; und dass dies gerade in der Karwoche und zu Ostern Hoffnung und Mut geben kann.
Der ganze Text >>>
tehocare.network: Theologie im zeichen von (Post)Corona. Hrsg. Institut für Praktische Theologie der katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien,
Weiße Wand: Was fehlt, wenn das Kreuz fehlt?
Das Kreuz ist für manche ein anstößiges Symbol, das mit schöner Regelmäßigkeit heftige Debatten hervorruft. Wir stehen seit Längerem in einem Wandel von einer christlichen Monokultur zu einer religiös pluralen Gesellschaft. Dabei wächst auch die Konfession der Konfessionslosen. Das mag nicht allen gefallen, aber es ist ein religionssoziologisches Faktum. Und wir müssen damit umgehen lernen.
Ganzer Beitrag >>>
Jan-Heiner Tück in Die Presse am 26.2.2020
Der Blick Jesu zu Petrus
Nach der Verleugnung
Wie sieht Jesus ihn an?
Nicht vorwurfsvoll,
nicht anklagend.
Nur wissend um seine Schwäche,
voll Liebe und Verzeihen.
In seinem Erkennen –
ist er von IHM erkannt.
Ilse Pauls
Karfreitag
Wenn der Vorhang
unseres Lebens zerreisst -
was werden wir sehen?
Unsere Schuld?
Unsere Versäumnisse?
Das wird alles
draußen bleiben. -
Unsere Augen
werden übergehen ins Licht,
Du selbst wirst uns
die Tränen abwischen.
Selig sind die,
die geweint haben. -
Du wirst mich rufen,
und ich werde
Deine Stimme erkennen.
Du wirst mich
beim Namen rufen
und ihn zärtlicher sagen
als jemals ein Mensch -
und ich werde wissen:
Ich bin am Ziel.
Aus: Ilse Pauls, Auf dem Weg. Gedichte und Gebete. Edition Club d'Art - International, Klagenfurt 2009.
Sacrificium – Das Opfer
Die deutsche Sprache unterscheidet nicht wie die lateinische oder englische zwischen dem, der ein heiliges Opfer - ein Sacrificium oder sacrifice - darbringt, und dem, der zum Opfer wird, Victima oder victim. In beiden Fällen ergibt sich das Opfer aus dem spannungsreichen Wechselspiel von Liebe, Begehren, Schuld und Leid. Seit den 60-er Jahren verbreitet Aufopferung aus Liebe einen altmodischen, moralischen Mief, dem es zu entkommen gilt. Im aufgeklärten Zeitalter war Selbstverwirklichung und Spaß angesagt, sowohl in der Liebe als auch in der Liturgie. Die religiös aufgeklärten 68-ger haben intellektuell nur noch die selbstmitleidige Opferrolle victima zugelassen, die es kritisch zu hinterfragen gilt, da wir doch alle viel zu lange den Repressalien einer „falschen“, verkrusteten Weltanschauung, Theologie und Moral nicht zuletzt der Kirche zum Opfer gefallen sind. Das alltägliche Sacrificium verdünnte sich bis zur Unkenntlichkeit und eine Hl. Messe für drei oder vier Besucher zahlt sich gar nicht aus. Außerdem ist ein Wortgottesdienst gemütlicher. Wer dennoch daran festhielt, wurde als konservativer Hinterwäldler von Gestern abgestempelt. Denn wenn Gott die Liebe sei, kann er doch nicht seinen Sohn geopfert haben! Das wäre blanker Sadismus. Nein danke! Diese „Gedanken“ lösten bei den Gläubigen in den post 68-iger Jahren bis heute eine anhaltende geistig-religiöse Revolution aus. Wozu in der Spaßgesellschaft aus Liebe zu Gott und dem Nächsten etwas und gar sein Leben aufopfern, wie es die Heiligen taten? Die herkömmlichen Stätten dieses Opfergedankens wie Klöster, Ordenshäuser und Priesterseminare leeren sich. Religiöse Selbstverwirklichung und Freizeit schauen eben anders aus als „Hingabe“. Und doch: Liebe und Leid lassen sich nicht wegrationalisieren. Wer wirklich jemanden liebt, nimmt so manches Opfer freiwillig auf sich, auch für Gott. Und nicht nur der Mensch — auch Gott. Credo quia absurdum est!
MJP in: "Die Brücke", Pfarrblatt der katholischen Stadtkirche Leoben. 44. Jg. / Nr. 2 / 2019
MJP in: "Die Brücke", Pfarrblatt der katholischen Stadtkirche Leoben. 44. Jg. / Nr. 2 / 2019
Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag
Zweitausend Jahre sind es fast,
seit du die Welt verlassen hast,
du Opferlamm des Lebens!
Du gabst den Armen ihren Gott.
Du littest durch der Reichen Spott.
Du tatest es vergebens!
Du sahst Gewalt und Polizei.
Du wolltest alle Menschen frei
und Frieden auf der Erde.
Du wusstest, wie das Elend tut
und wolltest allen Menschen gut,
damit es schöner werde!
Du warst ein Revolutionär
und machtest dir das Leben schwer
mit Schiebern und Gelehrten.
Du hast die Freiheit stets beschützt
und doch den Menschen nichts genützt.
Du kamst an die Verkehrten!
Du kämpftest tapfer gegen sie
und gegen Staat und Industrie
und die gesamte Meute.
Bis man an dir, weil nichts verfing,
Justizmord, kurzerhand, beging.
Es war genau wie heute.
Die Menschen wurden nicht gescheit.
Am wenigsten die Christenheit,
trotz allem Händefalten.
Du hattest sie vergeblich lieb.
Du starbst umsonst.
Und alles blieb
beim alten.
www.deutschelyrik.de/dem-revolutionaer-jesus-zum-geburtstag.html
abgeschrieben
Abgeschrieben
Von denen, die ich liebe.
Verlassen, allein geblieben
Bete ich zu dir,
Christus, erbarme dich.
Festgefahren, stecken geblieben,
gefangen in den eigenen Stricken
bete ich zu dir,
Christus, erbarme dich.
Dem Leben abgestorben,
im Kampf mit dem Schmerz,
den Hunger nach Leben im Herzen,
fassungslos, ohnmächtig,
bete ich zu dir,
Christus, erbarme dich.
Heidi Rosenstock/Hanna Köhler (Gebetsmappe der Burg Altpernstein)
Holz auf Jesu Schulter
Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt,
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.
Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu.
Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du?
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn
Jürgen Henkys nach dem niederländischen Met de boom des levens von Willem Barnard 1963, in: EG 97 und GL 291.
Keiner hat eine Ahnung
... Aber ich sage Ihnen noch eines: Das meiste, von dem, was den Leuten den ganzen Tag so aus dem Gesicht fällt, kannst du gleich auf den Mist schmeißen! Weil nämlich zwar alle reden, aber keiner was weiß. Keiner kennt sich aus. Keiner ist im Bilde. Keiner hat eine Ahnung. Wobei: Heutzutage ist es vielleicht sowieso besser, nicht allzuviel Ahnung zu haben. Die Ahnungslosigkeit ist ja praktisch das Gebot der Stunde, das Nichtwissen das Leitmotiv der Zeit. Da kann man auch schon einmal hinschauen, ohne was gesehen zu haben. Oder hinhorchen und trotzdem nichts verstehen. Die Wahrheit ist die Wahrheit und aus, so sagt es sich für gewöhnlich. Ich aber sage: so ist es eben nicht! Zumindest bei uns, in unserer seligen Wienerstadt, gibt es so viele Wahrheiten wie Fenster, hinter denen Leut‘ sitzen, die irgendetwas gesehen oder gehört oder gerochen oder immer schon gewusst haben wollen. Und was für den einen richtig ist, das ist für den anderen die größte Trottelhaftigkeit auf Gottes Erden und umgekehrt. Und jetzt geben S‘ mir bitte einen Liter Milch, oder besser gleich zwei, weil was man hat, das hat man! Das Einzige, was übrigens in der Angelegenheit praktisch unstrittig ist: Es muss letzte Nacht gewesen sein. Und zwar so zwischen drei und vier. Das ist die Stunde der Ratten. Da haben die Politischen ausgeschrien, die Besoffenen nach Haus gefunden und die Milchzulieferer sind noch nicht unterwegs ...
Robert Seethaler, Der Trafikant, Zürich-Berlin: Kein & Aber, 6. Aufl. 2014.
sub pontio et pilato
gott
heißt es
lebt in unserer stadt
ich suchte
von pontius bis pilatus:
pontius hielt mich
für einen mormonen
pilatus
für einen zeugen jehovas -
beide beriefen sich
auf die kirchensteuer die sie entrichten
und baten mit nachdruck
in ruhe gelassen zu werden
da niemand wisse
was wahr sei
gott
heißt es
lebt in unserer stadt
sub pontio et pilato
Kurt Marti in: Georg Langenhorst, Gedichte zur Bibel. Texte – Interpretationen – Methoden. Ein Werkbuch für Schule und Gemeinde. Kösel Verlag, München 2001.
Im Kreuz ist Heil - im Kreuz ist Leben - im Kreuz ist Hoffnung
Was tun wir denn, wenn wir das Kreuz verehren? Wir können nicht mit Tricks, durch Styling, durch Fitness und Wellness dem Leiden und dem Tod entkommen. Gegenüber Konzepten, die Glück als Leidlosigkeit denken, mag wahre Liebe den anderen gut "leiden". Maurice Blondel sieht im Leid sogar das "Siegel eines anderen in uns". "Wer an einer Sache nicht gelitten hat, kennt und liebt sie nicht... Der Sinn des Schmerzes liegt darin, uns zu entschleiern, was dem Erkennen und dem egoistischen Wollen sich entzieht, und Weg zur echten Freude [zu sein]. Lieben heißt... Freude und Tun eines anderen in uns lieben: diesen in sich liebenswerten und teuren Schmerz, den alle bejahen, die ihn erfahren und ihn gegen alle Lieblichkeit der Welt nicht tauschen möchten" (M. Blondel). Das ist kein Verliebtsein in die eigene Traurigkeit, kein lähmendes Ressentiment mit einem Gefühl des Weltschmerzes, kein Zelebrieren des eigenen Schmerzes. Bei der Fähigkeit zu leiden geht es eigentlich nur um die Fähigkeit, für die Zumutungen eines anderen zugänglich zu werden. Ein hart und wenig zugänglich gewordenes Subjekt, dem es allein um Selbsterhaltung geht, wird den anderen in schwierigen Situationen die kalte Schulter zeigen. Es geht um die Präsenz des anderen, das Aushalten der anderen, gerade nicht um Wehleidigkeit, die sich alles vom Leibe hält, es geht auch nicht um einen Jargon der Betroffenheit, die ihre Register nach Belieben zieht und ihrerseits selbst zur Keule werden kann.
…
Was aber heißt Erlösung der Welt durch das Leiden in Jesus? Jesus hat die Dunkelheit und auch die Bosheit der Menschen in seinem Leiden durchquert. Die Leidensbereitschaft ist Bedingung und Voraussetzung für die Nachfolge Jesu (Mt 16,24). Dieses Leiden ist kein Ausdruck von Resignation und Passivität. Aus der Einwurzelung in Gott durchbricht Jesus die unheilvolle Kette von Gewalt und Gegengewalt. Am Kreuz, dem Gipfel der Feindesliebe, der Bereitschaft zu Vergebung und Versöhnung, ist Jesus bereit, die Aggressionen der anderen auf sich zu ziehen und diese an sich auslaufen zu lassen. So überwindet er das Böse durch das Gute (Röm 12,21). In ihm zeigt sich auch der Unterschied zwischen dem wahren und dem falschen Gott: "Der falsche Gott verwandelt das Leiden in Gewaltsamkeit. Der wahre Gott verwandelt die Gewaltsamkeit in Leiden." So wird die Logik des Bösen von innen her aufgebrochen und überwunden.
[…]
Es geht dabei um die Frage, was Unrecht, Verwundungen, Kränkungen, Leid, eigene und fremde Schuld mit mir anstellen. Fluchtmechanismen wie die Suche nach Sündenböcken, die Verdrängung ins Unbewusste, Aggression oder das Herunterschlucken sind keine wirkliche Erlösung und Befreiung. Wenn Ungerechtigkeiten mit Hass bekämpft werden, wird das Unrecht mehr. Wer sich selbst und anderen nicht verzeihen kann, wird vom Groll dominiert. Dann greift Vergiftung um sich. Manche sammeln sich ein Vorratslager an Vorwürfen gegen andere an. So geht es mehr um die Frage, was den Kreislauf des Bösen vorantreibt, was die Spirale der - oftmals psychischen - Gewalt in die Höhe treibt und worin wirklich Heilung liegt. Letztlich geht es um die Frage der Gewaltlosigkeit und der Feindesliebe als einer wirklichen Therapie. Die Alternative ist: Heilen oder Zurückschlagen. Nur was in Liebe, in Verbindung mit Gott erlitten ist, ist erlöst.
Aus: Manfred Scheuer, Und eine Spur von Ewigkeit. Ein geistlicher Begleiter durch das Jahr. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
todsicher
Alles Liebe in diesem Haus
Dreht sich um
Sicherheit und Ordnung
Die Sicherheit
Ist hier Ordnung.
Meine eisenbeschlagene Tür
Ist doppelt verschlossen
Und zweifach verriegelt:
- mich überfällt keiner!
(Text eines Gefangenen)
Mein kleines Fenster
Mein kleines Fenster
Ist mit sieben Gitterstäben
Und Maschendraht abgesichert:
- bei mir steigt keiner ein!
Mein Zimmer
Ist einbruchsicher:
- mir kann nichts passieren!
Es sei denn,
dass mir die Decke
auf den Kopf fällt.
(Text eines Gefangenen)
Unser Credo
Wir glauben,
dass alles
machbar ist.
Wir glauben,
dass alles
käuflich ist
Wir glauben,
dass Eigentum
heilig ist.
Wir glauben,
dass Konsum
selig macht.
Wir glauben
an Wachstum
und
an das ewige Leben
hier auf Erden.
Amen.
(Text eines Gefangenen)
Armutszeugnis
Manchem Kind
geht es im Heim
besser als zu hause.
Manchem Straftäter
geht es im Knast
besser als draußen.
Manchem psychisch Kranken
geht es in der Anstalt
besser als daheim
Manchen alten Menschen
geht es im Altersheim
besser als bei seinen Kindern.
Vielen Menschen
geht es auf dem Friedhof
besser
als mitten unter uns.
(Text eines Gefangenen)
Siehe deine Mutter
Die Mutter unter dem Kreuz
wird unter dem Kreuz zur Mutter.
Der Jünger unter dem Kreuz
wird unter dem Kreuz zum Sohn.
Beide sind ihm gefolgt;
sie haben ihn begleitet
bis in die letzte Konsequenz
seiner göttlichen Liebe,
dorthin, wo er die ganze menschliche Urschuld
- Hass und Habgier -,
die er auf sich genommen hatte,
aus-litt in seinem Tod.
Dort sind sie Mutter und Sohn geworden.
Wer Jesus annimmt,
wer ihm folgt
bis in den tiefsten Sinn
seines gottmenschlichen Daseins,
der wird Mutter,
der wird Sohn,
- durch ihn.
Was sich in den Beziehungen menschlicher Verwandtschaft
irdisch nur erahnen lässt,
wird erst vollendet und erfüllt
durch seine Liebe,
durch die wahre Liebe,
die nicht angeboren ist,
die ich nicht selbst erzeugen kann,
die ich mir vielmehr schenken lassen muss
- immer wieder -
unter seinem Kreuz,
unter meinem Kreuz.
Im Willen Gottes,
das heißt: in seiner Liebe,
werde ich Vater, Mutter,
Bruder, Schwester, Kind -
alles zugleich,
für alle zugleich.
Und ich finde alles zugleich.
Durch Jesus,
der am Kreuze allen alles wurde,
kann auch ich für alle alles werden,
in der wahren Liebe,
die alles ertragen und tolerieren kann:
in Selbstaufgabe und Selbstverwirklichung zugleich.
Diese Verwandtschaft ist das Wesen der Kirche.
Sie entspringt aus Jesu hingebender
und hingegebner Liebe,
aus seinem Tod, -
aus seiner Seitenwunde.
Wenn ich Schwierigkeiten habe
in meinem und mit meinen irdischen Verwandtschaften,
als Vater, Mutter, Mann und Frau, Sohn und Tochter, -
dann habe ich einen Ort,
wo Beziehungen gesunden können.
Und wenn ich keinen Verwandten hätte,
der mir "zu-getan" ist,
dann kann mir durch Jesu Liebe
jeder andere,
jedes Geschöpf,
zum Ver-Trauten werden.
Andererseits kann jede Vertrautheit und Verliebtheit,
die mir das Leben schenkt
und die mich glücklich macht,
nur bestehen,
wenn ich mich bemühe,
dass sie dort verankert bleibt,
wo sie verankert ist:
im Kreuz Jesu,
in seiner Liebe.
Maria,
du Mutter, du Tochter, du Schwester,
du Frau, du Freundin, du Braut!
Du bist trotz allem Unverständnis
trauend und treu geblieben.
Du warst dabei,
als die Liebe Gottes
alles allen schenkte.
Seine Liebe macht dich zum Geschenk
für alle.
Du hast dich
verschenken lassen.
Maria,
unsere liebe Frau,
meine Mutter, meine Frau,
bitte für mich!
Elmar Gruber, Maria - Weg des Glaubens, Meditationen, München 1998.
Klagegebet
Gott, es geschieht in dieser Welt so viel Schreckliches, Grausames, Furchtbares, so viel Unrecht und Menschenverachtung. Weltweit und in nächster Nähe werden Menschen ihrer Würde und Freiheit beraubt, werden tyrannisiert und erpresst, werden Opfer von Missbrauch und Gewalt.
Gott, wir klagen dir die Nöte dieser Welt und Zeit!
Das Leid in dieser Welt ist so unüberschaubar, es übersteigt unser Begreifen. Wir können es nicht fassen noch verstehen. Wir können es nur aushalten und um die Kraft bitten, einander beizustehen, Anteil zu nehmen, einander zu helfen, es zu ertragen.
Gott, wir klagen dir die Nöte der Menschen und des Lebens!
Wir schauen auf Jesus, der für uns das schwere Kreuz getragen hat und sein Leben für uns hingegeben hat. Wir richten unseren Blick auf das Kreuz deines Sohnes. Er ist der Inbegriff allen Leidens, aller Schmach und Schande, allen Scheiterns und aller Ohnmacht. Er ist für uns auch ein Zeichen der Hoffnung, des Trostes und des Segens. Mit ihm verbinden wir das Schicksal aller unschuldig Leidenden, aller, die an den Lasten des Lebens zu zerbrechen drohen oder daran zerbrochen sind.
Wir schauen auf Jesus, der für uns das schwere Kreuz getragen hat!
Wir rufen zu ihm für alle Leidenden und Gequälten dieser Erde, für alle, die verstummt sind oder laut aufschreien, für alle, die verzweifelt sind, die nicht mehr ein noch aus wissen und völlig am Ende sind.
Wir rufen Jesus, der für uns gestorben und auferstanden ist.
Beate Jammer, Impulse und Modelle für alle Tage der Fastenzeit, Ruft ihm zu, der uns befreit, Ostfildern 2011.
Tod und Auferstehung
Leben ist nur im ewigen Kreislauf von Tod und Auferstehung möglich. Wer versucht, nur durch die Auferstehung zu leben, wird ebenso Schiffbruch erleiden wie derjenige, der nur bei Leiden und Tod ist. Tod und Auferstehung bedingen sich also gegenseitig.
Das Kreuz symbolisiert den Zusammenprall von Gegenteilen. Die Welt ist weder absolute Einheitlichkeit noch absolutes Chaos. Dieses Aufeinandertreffen von Gegensätzlichkeiten lässt sich auch in der Geometrie des Kreuzes erkennen. Man kann sich das Kreuz als aus zwei einander entgegen gesetzten Kräften bestehend vorstellen. Jesus hängt an diesen beiden sich widersprechenden Kräften.
Nach der Einsicht des Franziskaners Bonaventura wird ein Mensch gekreuzigt, wann immer er versucht, zwei widerstreitende Kräfte zusammenzuhalten. Wer zwischen zwei politischen Gruppen, den Liberalen, den Konservativen, oder zwischen Männern und Frauen eine Brücke schlagen will, wird als jemand wahrgenommen, der auf keiner Seite steht. Beide Seiten werden ihn als Häretiker, Sünder, Außenseiter oder Verlierer betrachten. Das meint Jesus mit den Worten: "Wenn ihr mir nachfolgt, wird die ganze Welt euch hassen." (Mk 13, 13)
Der Pfad der Nachfolge ist schmal. Es ist eine Berufung, sich auf das Mysterium des Kreuzes einzulassen, es zu leben und sich davon verwandeln zu lassen, um so zum Werkzeug der Verwandlung für andere zu werden. Der Preis, den wir zahlen, wenn wir Gegensätze zusammenhalten wollen, ist immer eine Art Kreuzigung. Der Heilige Augustinus erkennt diesen Zusammenhang im Mysterium der Passion.
Richard Rohr, Nur wer absteigt, kommt auch an, Die radikale Botschaft der Bibel, München 2010.
Das Kreuz erinnert uns daran, wer wir sind
Das Kreuz stellt uns in Frage. Es zwingt uns vor die Frage, die wir selbst sind. Aber es gibt uns auch Antwort auf unsere Frage, da Gottes Sohn selbst als Mensch am Kreuz unseres Daseins stirbt. Und nur weil Gott uns im Tod seines Sohnes die Antwort auf unsere Frage gibt, macht er uns Mut, "unser verhehltes Bild anzublicken, es in unseren Kammern aufzuhängen, an die Wege zu stellen und die Gräber zu pflanzen" (Ebd. 138). Das Bild des Kreuzes, das wir in alle Räume des Lebens hängen, will uns immer wieder daran erinnern, wer wir eigentlich sind. Es will uns in Berührung bringen mit unserem wahren Menschsein und uns davor bewahren, größenwahnsinnig unserer eigentlichen Wirklichkeit davonzulaufen und uns etwas vorzumachen, als ob wir der Wahrheit unseres Lebens aus dem Weg gehen könnten. Das Kreuz zeigt uns unsere Endlichkeit, unser Verwiesensein auf den Tod. Und nur wer seinen Tod willig annimmt, wird wirklich Mensch. Und das Kreuz zeigt uns, dass wir hier keine bleibende Stätte haben, dass wir immer auch Menschen des Himmels sind, aber zugleich auch Menschen, die aufeinander angewiesen sind, die nur als Menschen leben können, wenn sie die Solidarität zueinander verwirklichen. Das Kreuz ist für Rahner kein missionarisches Zeichen, das alle zum Christentum bekehren will, sondern ein Bild des wahren Humanismus, ein Bild, das dem Menschen immer wieder ein Bild seines ewigen Menschseins vor Augen hält und ihn einlädt, wirklich Mensch zu werden, anstatt sich irgendwelchen Illusionen hinzugeben, die ihn nur in eine Scheinwelt führen.
Anselm Grün, Das Kreuz, Münsterschwarzach, 3. Auflage 1999.
Vom universalen Mythos der erlösenden Gewalt zum neuen Szenario des erlösenden Leidens
Beim Kreuz geht es um die Weigerung, sich auf das simple Spiel von Gewinnen und Verlieren einzulassen, und um die Hoffnung auf ein mögliches Szenario, in dem alle Gewinner sind. Das Kreuz bedeutet die Weigerung, jemanden zu hassen oder den anderen unbedingt besiegen zu müssen, denn das würde bloß das immer gleiche Verhaltensmuster fortsetzen und wiederum Gegengewalt auslösen. Am Ende bliebe man gefangen in dem unerbittlichen Kreislauf, den die Welt immer als normal angesehen hat.
Das Kreuz sagt ganz klar, dass dem Bösen widerstanden werden muss, aber am Kreuz bin ich willens, die Spannung, die Zwiespältigkeit, den Schmerz auszuhalten, statt zu verlangen, dass bloß andere das tun. "Widersteht dem Bösen und überwindet es durch das Gute", sagt Paulus (Röm 12, 21). Das Kreuz führt vom universalen Mythos der erlösenden Gewalt zum neuen Szenario des erlösenden Leidens.
Am Kreuz des Lebens anerkennen wir, dass wir selbst Komplizen des Bösen sind und mit ihm kooperieren, statt dass wir uns einbilden, auf dem Podest moralischer Überlegenheit zu sehen. Jesus bejahte für sich, was Paulus lehrte: "Alle haben gesündigt" (Röm 5,12) und das Lamm Gottes hatte die Demut, mit uns "zur Sünde zu werden" (2 Kor 5,21), während wir so tun als stünden wir über ihr.
Ins Herz geschrieben: Die Weisheit der Bibel als spiritueller Weg. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2008.
Scandalum Crucis (das Ärgernis des Kreuzes)
War es nötig, dass Gott seinen Sohn am Kreuz opferte, um den Menschen zu retten? Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen müssen wir uns fragen: Konnte es denn anders sein? Konnte Gott, sagen wir, sich angesichts allen Leidens vor der Menschheitsgeschichte anders rechtfertigen als dadurch, dass er das Kreuz Christi in den Mittelpunkt dieser Geschichte stellte? Man könnte natürlich antworten, dass Gott sich gar nicht vor den Menschen zu rechtfertigen braucht; es reicht, dass er allmächtig ist. Unter diesem Aspekt muss alles angenommen werden, was er tut oder zulässt. Dies ist die Haltung des biblischen Ijob. Doch Gott, der nicht nur Allmacht, sondern auch Weisheit und - wiederholen wir es noch einmal - Liebe ist, hat regelrecht den Wunsch, sich vor der Geschichte des Menschen zu rechtfertigen. Er ist nicht das Absolute, das außerhalb der Welt steht und dem deshalb das menschliche Leiden gleichgültig ist. Er ist Emmanuel, der "Gott mit uns", ein Gott, der das Los des Menschen teilt und an seinem Schicksal teilnimmt. Hier tritt eine weitere Unzulänglichkeit, ja sogar Fehlerhaftigkeit jenes Gottesbildes ans Licht, das die Aufklärung ohne Einwände angenommen hat. Sie stellt in Bezug auf das Evangelium sicherlich einen Schritt nach rückwärts dar, nicht in Richtung einer besseren Erkenntnis Gottes und der Welt, sondern in Richtung ihres Unverständnisses.
Nein und noch mal nein! Gott ist keiner, der nur außerhalb der Welt steht und zufrieden ist, der Allerweiseste und Allmächtigste zu sein. Seine Weisheit und seine Allmacht stellen sich freiwillig in den Dienst des Geschöpfes. Wenn es in der Menschheitsgeschichte das Leiden gibt, so wird verständlich, warum sich seine Allmacht durch das Kreuz mit der Allmacht der Erniedrigung geoffenbart hat. Das Ärgernis des Kreuzes bleibt der Schlüssel zur Deutung des großen Geheimnisses des Leidens, das auf so organische Weise zur Menschheitsgeschichte gehört. Hierin sind sich sogar die zeitgenössischen Kritiker des Christentums einig. Auch sie sehen ein, dass der gekreuzigte Christus ein Beweis der Solidarität Gottes mit dem leidenden Menschen ist. Gott stellt sich auf die Seite des Menschen. Er geht bis zum Äußersten: "Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave ... und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz."(Phil 2, 7 - 8). Alles ist hierin enthalten; alles persönliche und alles gemeinschaftliche Leid, das von Naturkräften verursachte und das vom freien menschlichen Willen hervorgerufene Leiden, Kriege, die Gulags und die Holocauste: der Holocaust der Juden, aber beispielsweise auch der Holocaust der schwarzafrikanischen Sklaven.
Johannes Paul II., Die Schwelle der Hoffnung überschreiten. Hoffmann & Campe, Hamburg 1994.
Im Kreuz ist Heil
Jesus, der für uns das schwere Kreuz getragen hat - 4. Geheimnis des schmerzhaften Rosenkranzes
Der Prozess Jesu ist beendet. Pilatus hat sich dem Schrei der Menge gefügt. "Er ist des Todes schuldig, ans Kreuz mit ihm."
Das Kreuz steht bereit. Jesus ergreift es und fügt sich gehorsam in den Willen seines himmlischen Vaters. "Nicht wie ich will, sondern wie du willst."
Der Herr hat sich festegehalten am Jesajawort: "Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird." Der Meister, von dem Heil und Leben ausging, beendet sein Leben am Kreuz.
Die Liebe, die Jesus so vielen Menschen erwiesen hat, findet ihren höchsten Ausdruck in der Hingabe seines Lebens am Kreuz. Und "wenn ich am Kreuz erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen."
"Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung."
Auch in unserer Zeit werden den Menschen viele Kreuze auferlegt: das Kreuz des Leidens, der Krankheit, der Einsamkeit, der Enttäuschung und nicht zuletzt das Kreuz des Todes.
Alle diese menschlichen Kreuze müssen die Menschentragen, gewollt oder ungewollt. Wir lehnen uns auf gegen das Kreuz und möchten ihm aus dem Wege gehen. Und doch bleibt es wahr, was Romano Guardini geschrieben hat: "Der Kreuzweg allein ist der königliche Weg zu Gott." Und von Bischof Bares von Berlin stammt das Wort: "Ehe Gott ein Kreuz auf unsere Schultern legt, lässt er unsere Schultern wachsen, macht er uns stark durch seine Gnade."
Nicht wir tragen das Kreuz, o Herr, sondern dein Kreuz, das du für uns getragen hast, trägt uns, es trägt uns durch alle Dunkelheit an dein Licht!
Prälat Alois Haas in: Was er euch sagt, das tut, ein Gebetbuch zum Rosenkranz, Gegeben zur Vollendung des 70. Lebensjahres von Joachim Karl Meisner, Köln 2003.
Ein neuer Anfang
Jesus, der für uns gekreuzigt wurde - 5. Geheimnis des schmerzhaften Rosenkranzes
Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831) hat einmal gesagt, die ganze Welt sei ein großes Golgota, eine einzige Schädelstätte. Ein Wald von Kreuzen ist in ihr aufgerichtet, an denen Menschen hängen. Unter ihnen ist Jesus.
Er musste hinaus vor die Stadt, um zum letzten Menschen zu werden, der in den Tod der Schande gestoßen ist. Er musste sogar vom Vater verlassen werden, um den Becher menschlicher Not bis auf den Grund zu leeren. Seitdem können wir in alledem Gott finden.
Wir dürfen uns bei Christus wissen, wenn die Vorübergehenden und die Mitgekreuzigten zu unserem Kreuz hinauflachen, über unser Kreuz lästern, uns verspotten. Wir sind ihm noch näher, wenn sich auch uns das Antlitz des Vaters verbirgt und nichts und niemand uns antwortet. Sogar in unserem Sterben sind wir bei ihm. Denn seit Christus am Kreuz die Tiefen des Todes durchmessen hat, ist Gott auch dort zu finden.
Die neunte Stunde des Karfreitags war die kritischste Stunde der Weltgeschichte. Das Ende schien gekommen. Aber es war ihr neuer Anfang.
Dr. Rainer Woelki, Bischof und Kardinal von Berlin in: Was er euch sagt, das tut, ein Gebetbuch zum Rosenkranz, Gegeben zur Vollendung des 70. Lebensjahres von Joachim Karl Meisner, Köln 2003.
Golgota
Es gibt sie glücklicherweise: diese wortgewaltigen Frauen und Männer, die mit ihrer Sprache den Glauben zum Leben erwecken. Eine von ihnen ist die Schriftstellerin Eva Zeller. Sie schrieb das Gedicht "Golgota":
Wann
wenn nicht
um die neunte Stunde
als er schrie
sind wir ihm
wie aus dem Gesicht geschnitten
nur seinen Schrei
nehmen wir ihm noch ab
und verstärken ihn
in aller Munde
Diese Zeilen sind sehr eindringlich: Mitten im Leid werden Menschen Christus ähnlich. Und so ist Christus bis heute mitten unter uns. Er lebt und leidet mit Thomas und den vielen aidsinfizierten Menschen in Kibera, dem scheinbar endlosen Slum am Rande von Nairobi. Christus wird verhöhnt und geschlagen mit Pia und den anderen Kindern, denen skrupellose Sextouristen in den "Vergnügungszentren" auf den Philippinen die Kindheit rauben. Christus schleppt das Kreuz mit Pedro und den Kindern, die für einen Hungerlohn in den Bergwerken der Anden Erz abbauen. Und Christus bricht unter der Last des Kreuzes zusammen mit zahlreichen Menschen bei uns in Deutschland, die scheinbar aus heiterem Himmel eine Schicksalsschlag erleiden und nicht wissen wie sei die Last tragen können.
Das Kreuz ist brutal. Es ist Galgen, elektrischer Stuhl und Fallbeil. Es ist Krankheit und erlittene Ungerechtigkeit. Es ist nicht ein Relikt aus einer anderen Zeit, sondern grausame Wirklichkeit. Auf dem Weg zur Auferstehung - sei es die des einzelnen Menschen, sei es die der gesamten Schöpfung - darf diese Realität nicht ausgeblendet werden. Auch nicht in der Kunst.
Hermann Schlück, Stationen der Hoffnung, Ein Kreuzweg mit Bildern von Artist Batu, München 2002.
Ein Kreuz als denk-mal
Das Kreuz in unserer Kirche -
es ist riesengroß,
beherrscht den ganzen Raum.
Um dieses Kreuzes willen
ist diese Kirche mir ein lieber Ort.
Da seh ich dich, o Herr,
hängend am Marterpfahl.
Du hast den Tod auf dich genommen,
unseren Tod in seiner schlimmsten Form.
Das lässt mich denken an meinen eigenen Tod.
Tod - man redet schon von ihm - ganz allgemein.
Doch denkt man auch konkret an ihn?
Ich glaube, Herr, ich denke wirklich daran,
dass mein Tod nicht auf sich warten lässt.
Er kommt - todsicher, wie man sagt.
Wie werde ich dann reagieren,
wenn ich merke: Jetzt ist er da?
Über das, was dann kommt,
habe ich viel studiert und gelernt,
hab dicke Bücher gelesen.
Ich habe auch - vielleicht gar nicht schlecht -
davon geredet - große Worte gemacht...
Ob das alles dann noch zählt?
Ich glaube:
Das alles spielt dann keine Rolle mehr.
Ich kann nur bitten: Steh mir bei,
komm mir entgegen,
lass mich dich treffen.
Von dir in den Arm genommen zu werden -
was dann kommt - ist das noch wichtig?
Komm mir entgegen, Herr,
das bitt ich dich.
Lass mich darauf vertrauen,
jag alle Zweifel weg!
Aus: Gabriele Miller, Ob du mich hörst? Gebete. Kösel 2000.
voller schmerzen - mit krankheit vertraut
fallen
abgrundtief
bodenlos
zerbrochen
hingeworfen
ausgeblutet
tiefe
dunkel
ende
schweigen
stille
starre
und
ein leib
bäumt sich
glieder
verzerren
ein schrei
zerreißt
und stürzt
und
verliert sich
in
mir
hinabgestiegen
in mein reich
des todes
Andrea Schwarz, in: Wenn der Tod zum Leben wird, Schwarz Andrea/Stipinovich Angelo. Herder Verlag Freiburg Basel Wien 2002.
Dem ausgelieferten Schmerzensmann
Dieser Passionshymnus nähert sich von den Figuren des erschlagenen Abel (1.Str.) und des unschuldig leidenden Hiob (2. Str.) her an Jesus an (3. Str.), der gerade in seinem unschuldigen Leiden mit allen Leidenden solidarisch wurde (4. Str.). Wie ihm, dem unschuldigen Gottesknecht, die Sünde der Welt aufgeladen ist, kann er sie wegtragen (5. Str.). Die Doxologie (6. Str.) bittet um die Auferstehung.
1. Bruder Abel, du Erschlagner,
tausendfach erlittener Tod:
heut noch schreit von dieser Erde
dein vergossenes Blut zu Gott.
Unser Leid und Leiden-Machen
sammelt sich in deiner Not.
2. Hiob, der aus wehen Wunden
wie aus vielen Mündern schreit:
Wo ist für dich Platz auf Erden,
wo für dich Gerechtigkeit?
Dass sich dir dein Gott verschwiegen,
ist ein abgrundtiefes Leid!
3. Bruder Jesus, wahrer Abel,
den, der eigne Freund verstieß,
der in Todesqual gerufen,
warum ihn sein Gott verließ:
Welcher Wille dich die Wege
unsres Schicksals gehen hieß?
4. Ausgestoßner, Dorngekrönter,
als geschundner Schmerzensmann
führest du die langen Reihen
aller Todgeweihten an:
Jeder sein entstelltes Antlitz
in dein Schweißtuch drücken kann!
5. Du, dem alle Schuld der Erde
aufgeladen worden ist:
Trag sie weg, denn du allein nur
ohne Schuld und Unrecht bist.
O Lamm Gottes, hab Erbarmen,
hilf uns, Bruder Jesu Christ!
6. Wer soll nun den Tod besiegen,
wer das Leid in dieser Welt?
Gott, du, der mit Schöpferhänden
Jesu Leib umfangen hält:
Hauche Leben in das Tote,
dass es laut von die erzählt!
Albert Höfer, Gottes Wege mit den Menschen. Don Bosco Verlag 1997.
Du heilst mich von der Wunde des Todes
Herr Jesus Christus,
am Karfreitag feiern wir
dein Leid und deinen Tod am Kreuz.
Wie können wir dein Leiden feiern?
Wir sehen am Kreuz den Sieger über den Tod.
Wir verehren dein Kreuz,
weil an ihm das Heil der Welt gehangen.
Es ist für uns ein Hoffnungszeichen,
dass selbst das schlimmste Marterwerkzeug,
zum Ort der größten Liebe werden kann.
Dass die Grausamkeit der Menschen nicht
über dich triumphiert,
sondern deine Liebe stärker ist
als alle menschliche Bosheit.
Das Kreuz zeigt uns,
dass du alles in uns liebst, dass deine Liebe
in alle Gegensätze unseres Leibes und
unserer Seele hineinströmt.
Es gibt nichts in mir,
was nicht angenommen ist.
So schenkst du mir mit deinem Kreuz
das Vertrauen, dass ich ganz und gar
geliebt bin und dass mich nichts
von deiner Liebe zu trennen vermag.
Du selbst hast dein Kreuz mit dem Bild
der ehernen Schlange gedeutet,
das die Israeliten in der Wüste in ihrer Todesangst
anschauen sollten, um von den tödlichen Bissen
gerettet zu werden.
Du bist am Kreuz der göttliche Arzt,
der unsere Wunden heilt.
Der uns vom Gift der Schlange befreit,
vom Gift unserer Bitterkeit und unseres Grolls,
vom Gift der Rache und der Eifersucht.
Und du heilst uns von der tiefsten Wunde, die uns bedroht,
von der Todeswunde.
Wir schauen am Kreuz unsere Wunden an,
aber auch den Arzt für unsere Wunden.
So feiern wir am Karfreitag,
dass deine Liebe stärker ist als der Tod.
Deine ausgestreckten Arme am Kreuz sind
eine Geste der liebenden Umarmung.
Alles in uns ist von deiner Liebe berührt.
Deine ausgestreckten Arme laden mich ein,
mich in deiner Liebe zu bergen.
Verwandle mein Kreuz und die Kreuze der Welt,
damit an ihnen deine Liebe aufleuchtet. Amen.
Anselm Grün, Schenk mir ein weites Herz. Gebete. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
ECCE HOMO
Weniger als die Hoffnung auf ihn
das ist der Mensch
einarmig
immer
Nur der gekreuzigte
beide Arme
weit offen
der Hier-Bin-Ich
"Seht den Menschen, ecce homo!" (Joh 19,5) - dieses Pilatuswort über den abgeurteilten, gemarterten, verhöhnten Jesus gibt dem kurzen, in wenigen, sehr genau kalkulierten Worten gesetzten Gedicht nicht nur den Titel, sondern zielt im Sinne einer Frage auf die Kernaussage: Was ist der Mensch? Das ganze Gedicht ist vor dem Hintergrund dieser Pilatusgeste lesbar. Die erste, für sich allein stehende Zeile gibt eine erste Antwort: Der Mensch, das ist jemand, der stets hinter den Erwartungen an sich selbst zurückbleibt, der stets die auf ihn, auf sich selbst gesetzten Hoffnungen enttäuscht, stets sich selbst in seinen Ansprüchen verfehlt: "Weniger als die Hoffnung auf ihn." Menschsein ist stets Mangeldasein, Fragment, Versuch, Stückwerk, Scheitern. Der folgende Dreizeiler bestätigt diese Lesart in einem poetischen Bild: Einarmig ist der Mensch, verkrüppelt, unfähig, das zu sein und zu tun, was er eigentlich sein und tun könnte oder müsste. Unbeholfen, unfähig, sich und anderen zu helfen, oder wenn nicht unfähig, dann immer nur teil-fähig.
Das aber ist nicht die ganze Antwort auf die Frage, was er, - der Mensch - denn sei.
"Hoffnung" - in der ersten Zeile des Gedichtes programmatisch angesprochen, hat einen Zielpunkt, bekommt eine Perspektive, findet eine Vision: im "gekreuzigten". Bewusst ist dieses Wort im Text klein geschrieben. Es geht hier zweifelsfrei einerseits um ihn, den Gekreuzigten, um Jesus, aber eben nicht nur um ihn. In der Kleinschreibung nimmt Hilde Domin all die anderen -tatsächlich oder im übertragenen Sinn- gekreuzigten Menschen in die folgende Aussage mit hinein. Wer zeichnet den Gekreuzigten, die Gekreuzigten im Gegensatz zu den zuvor "porträtierten" - normalen- Menschen aus? Wo der Mensch normalhin "einarmig" bleibt, verkrüppelt, unfähig - da ist der Gekreuzigte "zweiarmig", komplett, seine beiden Arme sind als weit geöffnete Einladung ausgespannt. Diese Offenheit bedeutet freilich allergrößte Schutzlosigkeit und Verwundbarkeit, eben der bedingungslos Offene und Schutzlose wird zum Gekreuzigten.
Diese offene Einladung konkretisiert sich im "Hier-Bin-Ich", im "Ich-Bin-Da", in jener Gottesbezeichnung, mit der sich Gott dem Mose aus dem brennenden Dornbusch als treuer, sich sorgender, auf Seiten der Menschen stehender und wirkender Gott offenbarte (Ex 3,14). Im Gekreuzigten - so Domin - zeigt sich Gott neu, wird der Jahwe des Alten Testaments neu sichtbar, in dem einen Gekreuzigten genauso wie in allen anderen ihm Nachfolgenden. Nachfolge darf dabei nicht tragisch missverstanden werden als krampfhafte Leidsuche, als bedingungslos ohnmächtiges Ducken unter unerklärliches Schicksal, sondern als Nachfolge in der Offenheit den anderen Menschen gegenüber, jener Offenheit, die Jesus als Nächstenliebe gekannt hat, Nachfolge als Versuch der "Einarmigen, ihre öffnende Zweiarmigkeit" zu entdecken.
So wird Hilde Domins ECCE HOMO zu einer vorsichtig andeutenden Wegweisung zum wahren Menschsein.
ECCE HOMO von Hilde Domin (+1912) aus der Sammlung "Ich will dich", im Jahr 1970 erstmals veröffentlicht.
Aus: Georg Langenhorst, Gedichte zur Bibel, Texte - Interpretationen - Methoden. Ein Werkbuch für Schule und Gemeinde. Kösel Verlag München 2004 (2001).
Das Mysterium der Passion
Das Kreuz symbolisiert den Zusammenprall von Gegenteilen. Die Welt ist weder absolute Einheitlichkeit noch absolutes Chaos. Dieses Aufeinandertreffen von Gegensätzlichem lässt sich auch in der Geometrie des Kreuzes erkennen. Man kann sich das Kreuz als aus zwei einander entgegengesetzten Kräften bestehend vorstellen. Jesus hängt an diesen sich beiden widersprechenden Kräften. Nach der Einsicht des Franziskaners Bonaventura wird ein Mensch gekreuzigt, wenn immer er versucht zwei widerstreitende Kräfte zusammen zu halten. Wer zwischen zwei politischen Gruppen den Liberalen und den Konservativen oder zwischen Männern und Frauen eine Brücke schlagen will, wird als jemand wahr genommen, der auf keiner Seite steht. Beide Seiten werden ihn als Häretiker, Sünder, Außenseiten oder Verlierer betrachten. Das meint Jesus mit den Worten: "Wenn ihr mir nachfolgt, wird die ganze Welt euch hassen (Mk 13,13)."
Der Pfad der Nachfolge ist schmal. Es ist eine Berufung, sich auf das Mysterium des Kreuzes einzulassen, es zu leben und sich davon verwandeln zu lassen, um so zum Werkzeug der Verwandlung für andere zu werden. Der Preis, den wir zahlen, wenn wir Gegensätze zusammen halten wollen, ist immer eine Art der Kreuzigung. Der heilige Augustinus erkennt diesen Zusammenhang im Mysterium der Passion. Das wahre Leben entsteht erst durch die Reise in den Tod und durch diese Reise in den Tod erkennen wir, wer Gott für uns und in uns und mit uns ist.
Nach meiner Überzeugung können wir Gott ausschließlich durch die Reise in den Tod erkennen. Wir können ihn nicht erfahren, indem wir ein Buch lesen. Wer sich hingegen auf den Tod eines anderen Menschen einlässt, kann Gott und das große Ganze finden...
Natürlich löst der Tod eines geliebten Menschen Bitterkeit und Rebellion aus. Doch der Tod ist - so paradox es scheinen mag - der große Lehrer des Lebens. Solange wir das Leben nicht verlieren, können wir es nicht finden und erst dann erkennen wir, dass wir es die ganze Zeit hatten, aber nicht realisiert haben, wie wertvoll und wunderschön es war.
Das erkennen wir erst, wenn das Leben im Alter allmählich unserem eigenen Körper oder jemandem weg genommen wird, den wir lieben. Menschen, die ein Kind verloren haben, stehen vor einem noch viel größeren Paradoxon: Sie müssen ihr eigenes Kind begraben und das stellt den natürlichen Ablauf auf den Kopf, nachdem die jüngere Generation die ältere zu Grabe tragen muss und nicht umgekehrt. Doch diese Menschen gelangen sehr oft an den Ort der Erleuchtung. Wahre Spiritualität in der zweiten Lebenshälfte ereignet sich im Loslassen. Die Hälfte des Lebens ist der Tod, er war es immer und wird es immer sein.
Aus: Richard Rohr, Nur wer absteigt, kommt auch an. Die radikale Botschaft der Bibel, Claudius Verlag 2010.
Anwesenheit Gottes
Das gelebte Kreuz enthält eine Botschaft.
Das Kreuz ist das Zeichen all dessen,
was unser Leben durchkreuzt,
was in Verlassenheit, Leiden und Tod gipfelt.
Es ist nicht der Ort der Abwesenheit,
sondern der Ort der Anwesenheit Gottes.
Gott ist der, der in Jesus
in die Nacht des Leidens eingegangen ist...
In der Nacht unseres Lebens,
in Einsamkeit, Gottverlassenheit und Tod
ist Jesus gegenwärtig,
und in ihm sind die Nähe,
das Wort und die Liebe Gottes anwesend.
Heinrich Fries
unappetitlich und zuwider
Nach einem Vortrag kommt eine Frau und sagt schnippisch:
"An einen barmherzigen Gott im Himmel glaube ich auch,
aber einen gekreuzigten Jesus brauche ich nicht.
Ein leidender Christus am Kreuz ist mir zu unappetitlich und zuwider!"
Im Sommer 1988 ereignete sich in Borken ein schweres Grubenunglück.
Eine furchtbare Explosion zerstörte einen Stollen.
Eine fieberhafte Rettungsaktion begann.
Grubenwehren aus ganz Deutschland suchten nach Überlebenden und bargen Tote.
50 Bergleute kamen ums Leben.
Als kaum noch Hoffnung auf Überlebende bestand,
entdeckte man sechs Männer, die sich in ein Stollenende hatten retten können.
Man begann zu rechnen und zu planen.
Dann wurde eine Bohrung niedergebracht.
Und schließlich, nach langen Stunden von Bangen und Hoffen,
drangen die Retter zu den Verschütteten vor.
Die Retter kamen dreckig, verschwitzt in der gleichen Kleidung
und unter Einsatz ihres Lebens zu den Eingeschlossenen
und brachten sie vorsichtig und mit viel Mühe ans Tageslicht.
Was hätte den Bergleuten in ihrer Angst und Todesnot, in ihrer Dunkelheit und Bedrohung
ein schön angezogener Bergwerksdirektor über Tage genützt?
Die Retter kamen zu den Gefangenen herab,
sie kamen in die gleiche Not und Dunkelheit hinunter.
Sie trugen die gleiche Kleidung und wurden mit den Bergleuten eins.
Nur so konnten sie sie retten.
Verfasser unbekannt
Dein Kreuz - mein Heil
Zu deinem Kreuz fliehe ich mit meinem ganzen Wesen und Sein,
mit meinem Hunger und Durst nach Ganzsein und Geborgenheit,
mit meinem Suchen und Fragen nach dem Sinn, nach der Antwort,
mit meinem Seufzen und Weinen, Warten und Hoffen, mit aller Unruhe und Unrast,
mit allem Sehnen und Verlangen, mit aller Armut und allem Heimweh.
An deinem Kreuz finde ich Halt, in deinem Kreuz ist mir Zuspruch und Trost geschenkt,
von deinem Kreuz strömt mir Zuwendung und Güte entgegen.
Dein Kreuz ist ausgespannt groß und mächtig,
still und weit über allen meinen Gedanken, über allen meinen Wegen,
über allen Stunden und Tagen meines Lebens.
Dein Kreuz liegt in allen Tiefen und Abgründen meines Lebens.
An deinem Kreuz heilst du meine Zerrissenheit, den Widerspruch und Zwiespalt in mir.
An deinem Kreuz trägst du meine Krankheit und lädst auf dich meine Schmerzen,
meine Verzweiflung und Anfechtung.
An deinem Kreuz hältst du mein Elend und meine Not aus.
An deinem Kreuz hast du mein Leben durchsiegt.
Dein Kreuz ist unübersehbares Zeichen deiner Liebe zu mir.
Dein Kreuz ist meine Erlösung vom ewigen Tod.
Unter deinem Kreuz lege ich ab meine Sünde und meine Eitelkeit,
meine Verzagtheit und meinen Kleinglauben, alle Furcht und alle Sorgen.
Du entlastest mich von meinem Ungehorsam,
löst mich aus der Verstrickung meiner Schuld.
Du hebst mich aus des Todes Staub
und stellst meine Füße auf weiten Raum,
da keine Bedrängnis mehr ist.
Benedikt W. Traut
Herrn Cogitos Meditationen über die Erlösung
zu viele haben
des sohnes durchstochene hände gesehen
seine gewöhnliche haut
das war geschrieben
uns zu versöhnen
durch schlimmste Versöhnung
zu viele nüstern haben
mit wohlgefallen
den geruch seiner angst geatmet
man darf nicht
hinuntersteigen
durch blut sich verbrüdern
er hätte den sohn nicht senden sollen
er hätte besser
im barockpalast
aus marmornen wolken
auf dem thron des entsetzens
mit dem zepter des todes
weiterregiert
Herbert Zbigniew
Kreuze ohne Christus tragen
Kreuze ohne Christus tragen
ist für mich zu schwer.
Kommt ein Kreuz, so will ich sagen:
"Hilf mir tragen, Herr!
Lass das Kreuz allein nicht kommen.
Komme, Herr, ich bitt!
Geh den Kreuzweg Deiner Frommen
immer wieder mit."
Kreuze ohneChristus drücken
jedes Herz zu Tod.
Wohin soll das Leiden blicken,
kennt es keinen Gott,
der die Schmerzen nicht erschaffen,
aber sie erlöst.
Christus ist's, in dem wir raffen
mutig auf uns beim Erschlaffen,
unser Kreuz erhöh'n zum Fest.
Verfasser unbekannt
Ich verneige mich in Ehrfurcht vor deinem Kreuz
Herr Jesus Christus, Heiland und Erlöser,
ich verneige mich in Ehrfurcht vor deinem Kreuz.
Ich will es betrachten und auf mich wirken lassen,
damit ich wieder ein wenig besser begreife und mir zu Herzen nehme,
was du getan und gelitten hast und für wen du gelitten hast.
Deine Gnade stehe mir bei,
dass ich die Stumpfheit und Gleichgültigkeit meines Herzens abschüttle,
dass ich wenigstens für kurze Zeit meinen Alltag vergesse,
damit meine Liebe, meine Reue und Dankbarkeit bei dir verweilen.
König der Herzen, deine gekreuzigte Liebe umfange
mein schwaches, armes, müdes und verdrossenes Herz.
Gib ihm ein innerliches Empfinden für dich.
Wecke auf in mir, was ich in mir vermisse:
Anteilnahme an dir, Liebe zu dir, Ernst und Treue,
die aushalten in der Betrachtung
deines heiligen Leidens und Sterbens.
Karl Rahner
Wir danken dir für dein Haupt voll Blut und Wunden
Herr, Jesus Christus,
wir danken dir für dein Haupt voll Blut und Wunden.
Dein Haupt, das alle Ehre verdient,
wird von dichtem Dornengeflecht zerstochen.
Dein Antlitz, schön vor allen Menschenkindern,
wird durch Speichel entehrt.
Deine Augen, leuchtender als die Sonne,
werden im Tod verfinstert.
Deine Ohren, die den Gesang der Engel kennen,
vernehmen die Lästerreden der Sünder.
Dein Mund, der uns Worte des ewigen Lebens kündete,
wird mit Essig und Galle getränkt.
Es bleibt dir nichts als die Zunge,
damit du für uns Sünder betest.
Um dieser schmerzlichen Wunden willen hilf uns,
wenn wir gedemütigt werden um deinetwillen.
Lass dein göttliches Antlitz über uns leuchten und segne uns.
Nach Bernhard v. Clairvaux
Manfred Wussow (2006)
Gabi Ceric (1999)
Hans Hütter (1998)