Manches kann man nur glauben
Unseren Mathematiklehrer haben wir als Schüler des Öfteren mit Fragen an den Rand seiner Geduld gebracht, bis er mit dem Fuß aufstampfte und dazu mit schlesischem Akzent den Satz sagte: "Ihr müsst doch auch einmal was annehmen!". Er konnte mathematische Zusammenhänge zwar gut erklären, aber auch in der Mathematik gibt es Grenzen des Erklärbaren und Eckpunkte, die man im Alltag nicht mehr hinterfragen kann.
Ähnlich ergeht es mir auch mit der Frage nach der Auferstehung. Ich kann Ihnen zwar erklären, warum ich an die Auferstehung glaube, ich kann Ihnen aber nicht erklären, wie Auferstehung funktioniert oder was sich damals bei der Auferstehung Jesu genau zugetragen hat. Ich kann Ihnen auch nicht erklären, wie es einmal sein wird, wenn Gott uns auferwecken wird. Es ist etwas Unglaubliches, das wir im Glauben annehmen können, das aber manchen Menschen unannehmbar bleibt, weil sie es sich nicht vorstellen können oder weil sie es mit ihrem Weltbild nicht vereinbaren können.
Eine unglaubliche Frohe Botschaft
Im Evangelium hörten wir von den Frauen aus dem Freundeskreis Jesu, die nach der Sabbatruhe die erste Möglichkeit nutzen wollten, um dem Leichnam Jesu den letztmöglichen Liebesdienst zu erweisen. An alles haben sie gedacht, nur nicht an den großen Stein. Mit Entsetzen stellen sie fest, dass der Stein weggerollt ist. Was sie dann noch wahrnehmen, übersteigt ihre Fassungskraft.
Den letzten Satz dieser Erzählung des Markusevangeliums hat die kirchliche Leseordnung vorsorglich weggelassen, um Sie, liebe Hörerinnen und Leser, vor weiteren kritischen Fragen zu bewahren. Denn es heißt da noch: "Da verließen sie das Grab und flohen, denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon, denn sie fürchteten sich." Den männlichen Kollegen wäre es kaum anders ergangen. Niemand weiß, wie sie reagiert hätten.
Was uns mit der Osterbotschaft zugemutet wird, ist unvorstellbar und unglaublich. Ich wundere mich nicht, wenn Menschen sich schwer tun, an eine Auferstehung eines Toten zu glauben. Um so etwas Unfassbares glauben zu können, braucht es tiefergehende Gründe als historisierende Beweise. Die Jünger und Jüngerinnen Jesu haben sich zum Glauben an seine Auferstehung erst durchgerungen, als einige von ihnen eine persönliche Begegnung mit ihm erlebt hatten und sie nach und nach diese neue Wirklichkeit vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen, die sie mit Jesus in der Zeit ihrer Jüngerschaft gemacht hatten, reflektiert haben.
Schon die gegenwärtige Wirklichkeit übersteigt meine Vorstellungskraft
Allerdings ist für mich die Tatsache, dass etwas unvorstellbar ist, kein Grund, etwas als unmöglich abzulehnen. Vieles, was heute eine Selbstverständlichkeit und Alltagsrealität ist, konnte ich mir vor vierzig Jahren noch nicht vorstellen. Ohne es zu reflektieren, habe ich mein Weltbild und meine Vorstellungen von der Wirklichkeit ständig an die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst. Ich habe gelernt, dass morgen vieles möglich sein wird, was ich mir heute noch nicht vorstellen kann.
Wenn ich nach Gründen suche, dass mein Glaube an die Auferstehung nicht ganz absurd ist, muss ich weiter ausholen:
Trotz allem Schrecklichen in der Welt glaube ich an das Gute im Menschen und in der Welt. "Ich habe einen Traum" hat Martin Luther King 1963 den Menschen zugerufen, die nach Washington marschiert waren, um gegen das Unrecht der Rassendiskriminierung zu protestieren. Obwohl er selbst Opfer eines Anschlages geworden ist, hat sein Traum die Welt zum Besseren verändert. Auch Mahatma Gandhi, Mutter Theres u.v.a.m. haben in diesem Vertrauen auf das Gute unsere Welt mitgestaltet. Was Jesus vor seiner Hinrichtung gelebt, gepredigt und getan hat, sehe ich auf einer ähnlichen Linie.
Wenn wir im Markusevangelium zurückblenden an den Anfang des Wirkens Jesu, so beginnt er das Evangelium vom Reich Gottes zu verkünden und durch sein Leben zu bezeugen, nachdem man seinen Vorläufer und Lehrmeister Johannes den Täufer mundtot gemacht hatte (Mk 1,14). Er glaubte an ein bis dahin unvorstellbares Gottesverhältnis und predigte: Gott liebt den Menschen und seine ganze Schöpfung so sehr, dass er ihm bis in seine Ablehnung hinein nachgeht. Er zeigt den Menschen, die ihm Gehör schenkten, wie sie diese Liebe Gottes erwidern können und hält an dieser Überzeugung sogar in seiner Auslöschung fest. Am Kreuz lässt er sich in diese Liebe Gottes hineinfallen. Diese Liebe hat ihn getragen und gehalten.
Ich glaube an die Liebe Gottes
Und an diese Liebe glaube auch ich, für diese Liebe will ich leben. Und einer solchen Liebe traue ich zu, dass sie Jesus auferweckt hat und mich und alle, die mir ans Herz gewachsen sind, zu neuem Leben auferwecken wird. Wie das konkret aussehen wird, übersteigt meine Vorstellungskraft. Für solche Fantasien möchte ich keine Kraft verschwenden, denn die Zukunft ist größer und anders, als meine Fantasie es beschreiben könnte.
Die Frauen sind zunächst davongelaufen, weil sie fürchteten, dass sie für verrückt erklärt werden, wenn sie erzählen, was sie gesehen und erlebt haben. Ich kann sie gut verstehen. Mit der Befürchtung, dass manche Menschen mich wegen meines Glaubens an die Liebe Gottes und daran, dass diese Liebe Unvorstellbares möglich macht, für verrückt halten, kann ich mittlerweile gut leben. Im Gegenzug bekomme ich für diesen Glauben an die Liebe Gottes Halt, Geborgenheit, Hoffnung, Gelassenheit...
Ja, ich glaube, dass ein liebender Gott diese Welt geschaffen und Christus von den Toten auferweckt hat und dass "kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1 Kor 2,9).