Wartezeiten sinnvoll nutzen
Ein Mitbruder von mir hat einmal gesagt: "Lieber stehe ich im Stau länger an einer Stelle, als dass es nur langsam Stop and Go weitergeht." Wenn ich im Stau längere Zeit stehen bleibe, dann ist das zwar lästig. Doch kann ich die Zeit auch nutzen: ich verlasse das Auto und vertrete mir die Beine. Ich kann ein Buch lesen oder eine Zeitung durchblättern. Wartezeiten, sie sind nicht immer schön, doch wir können Wartezeiten auch sinnvoll nutzen, das Beste daraus machen.
Warten - das ist für viele Menschen eine sehr unangenehme Erfahrung. Viele Flüchtlinge auf der Welt warten darauf, in ihre Heimat zurückkehren zu können. Viele, die Kriege erleben, warten auf Frieden. Arbeitslose warten auf wirtschaftlich bessere Zeiten oder auf ein Stellenangebot. Der Mensch ist einer Wartender.
Warten auf Weihnachten
Der Advent ist eine Wartezeit. Wir warten auf Weihnachten. Wir warten auf das Fest der Geburt Christi. Die Kinder beginnen schon die Tage bis Weihnachten zu zählen. Denn sie freuen sich auf Geschenke. Arbeitnehmer sehnen sich schon nach dem kleinen Urlaub, den es um diese Tage herum gibt. Bei vielen kommt auch eine gewisse Vorfreude auf. Denn sie erwarten Besuch von Menschen, mit denen sie gerne feiern.
Wie aber nutzen wir diese Wartezeit? Lassen wir uns zu sehr treiben davon, dass alles, gerade an Weihnachten perfekt sein muss. Lassen wir uns mehr hetzen von der Arbeit als zuvor. Leider ist für viele Berufstätige diese Zeit mit mehr Stress als sonst verbunden. So sind gerade viele in der Gefahr, diese Zeit des Advents nicht zur Ruhe zu kommen.
Warten auf das Kommen Gottes
Die Adventszeit zeigt uns noch viel mehr: unser Leben als Christ/ in bedeutet: Wir warten darauf, dass Gott in unserem Leben kommt, dass er uns neu begegnet. Diese Verheißung hat uns Jesus im Evangelium heute geschenkt. "Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen..." Gott kommt wieder, in unserem Leben. Paulus schreibt den Korinthern das in seinem Brief. "Denn das Zeugnis über Christus wurde bei euch gefestigt, so dass euch keine Gnadengabe fehlt, während ihr auf Christus wartet." Der Prophet Jesaja fleht geradezu, dass Gott zu denen kommt, die auf ihn hoffen und vertrauen. Auch dann, wenn sich die Menschen von Gott abgewandt haben, sind und bleiben sie Gottes Eigentum. Jesaja weiß, dass der Mensch ohne Gott nicht zu einem erfüllten Leben finden kann.
Unser Glaube sagt uns: wir haben dieses Ziel, einmal bei Gott zu sein. Es gilt, diese Zeit des Wartens auf das Fest der Geburt Christi gut zu nutzen. In vielen Pfarreien werden gerade in der Adventszeit Angebote wie Spätschichten, Besinnungstage oder Andachten gemacht. Sie sollen helfen, uns zur Besinnung zu führen, dass wir Gott in unseren Herzen Platz machen. Sie wollen uns helfen, dass wir den Sinn des Festes neu erfassen und uns neu bewusst machen. Es gilt, mit Gott zu leben.
Doch Gott in unser Herz zu lassen, das ist nicht nur in der Zeit des Advents wichtig. Wie aber können wir diese Zeit nutzen? Unser ganzes Leben lang gilt es, auf Gott hoffen zu lernen. Es gilt, dass wir stets in der Liebe zu ihm wachsen und reifen, dass wir immer mehr mit ihm verbunden leben. Als Menschen, die zu Gott gehören, sind wir eingebunden in allem, was in der Welt geschieht. Wir erleben dieselben Freuden und Wünsche wie unsere Mitmenschen. Wir erleben aber auch dieselben Ängste, dieselben Schwierigkeiten, dieselben Krankheiten, dieselben Süchte wie andere Menschen. Nichts, was andere Menschen erleben, macht vor uns Halt. Wir sind nicht herausgehoben von dieser Welt. Wir werden sterben wie alle anderen auch. Wie so manche andere Wartezeiten im Leben, so ist auch ein Leben als Christ nicht immer leicht oder angenehm. Zuweilen ist es ganz schön schwer.
Neue Erfahrungen
Doch alles, was wir in dieser Zeit erleben, hat nicht das letzte Wort. Wir dürfen die Welt mit den Augen des Glaubens und der Hoffnung sehen. So auch das, was am Ende der Welt geschehen wird. Wenn sich die Sonne verfinstert, wenn der Mond nicht mehr scheint, so ist das keine endgültig Katastrophe. Es ist das Zeichen dafür, dass etwas Neues beginnt. Es ist die Sicht der Hoffnung. Wenn wir sterben, dann ist dieses unser Tor zu einem neuen Leben. Trauer erleben auch wir, doch wird unsere Trauer überwunden vom Glauben, dass wir einmal bei Gott sein werden. Eine schwere Krankheit können wir auch als eine Zeit betrachten, unser Leben zu überdenken. Wenn im Alter die Kräfte schwinden, dann muss uns das nicht traurig machen. Dann ist die Zeit da, alles in die Hand Gottes zurückzulegen. Wir können neu begreifen, dass wir nicht die Macher sind. Erlittene Niederlagen können uns zu uns selbst führen. Wir erfahren, dass wir das Leben nicht so im Griff haben, wie wir es gerne möchten. Wir erfahren, dass wir Grenzen haben. Nehmen wir diese Grenzen an, dann kann uns das gelassener machen. Nehmen wir unsere Grenzen an, dann nehmen wir uns auch an wie Gott uns gedacht hat.
Neue Deutungen und Sichtweisen
Alles kann für uns ein Zeichen und ein Anruf von Gott sein. Wer mit Gott verbunden lebt, wird nicht nur Zeichen der Natur deuten können, sondern der kann auch erahnen und erspüren, wo Gott wirkt im eigenen Leben wie auch im Leben der Kirche. Entwicklungen, die uns Sorge bereiten, wie der immer weniger werdende Kirchenbesuch, sehen wir als eine Anfrage Gottes an uns. Wenn die Kirchen in Afrika und Asien immer mehr Einfluss gewinnen, dann ist das keine Katastrophe für uns in Europa. Es ist eine Bereicherung. Es zeigt uns auch neue Formen des Glaubens auf.
Advent - wir warten auf Weihnachten - wir warten mehr noch auf Gott. Haben wir vielleicht dieses Warten verlernt. Entfachen wir unsere Sehnsucht nach Gott neu. Denn Gott kommt wieder; wann, das wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass er kommt.
Im stehenden Stau lesen wir vielleicht ein Buch oder eine Zeitung. In unserem Leben wachsen wir im Glauben und in der Liebe. Machen wir das Beste aus dieser Zeit des Wartens.