Das Kommen des Messias
Wir feiern heute den ersten Advent. Von der Kirche und vom Glauben her werden wir eingeladen zu einer Zeit innerer Vorbereitung. Sehr naheliegend ist die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Je tiefer wir betrachten, welches Ausmaß an Liebe mit der Geburt Jesu vonseiten Gottes auf uns zugekommen ist, umso ergriffener und innerlich beglückter werden wir Weihnachten begehen und unseren Erlöser Jesus Christus feiern.
Das Evangelium erinnert uns sodann an eine zweite Ankunft Jesu in unserer Welt. Wie dieses zweite Erscheinen des Menschensohnes aussieht, weiß niemand. Jesus bedient sich in seiner Darstellung der Gedanken und Bilder der Menschen seiner Zeit. Israel hatte erlebt, dass jedem besonderen Eingreifen Gottes eine Katastrophe vorausgegangen war. Zum Beispiel: die Sintflut, der Untergang von Sodoma und Gomorra, die Knechtschaft in Ägypten, das Exil in Babylon. Die Größe Gottes wurde von den Israeliten gerade darin erkannt und gesehen, dass Gott Herr all dieser Katastrophen war und sie wenden konnte. Diese Tatsache im Blick entwickelte sich bei den Israeliten die Vorstellung, dass der Wiederkunft des Menschensohnes in Macht und Herrlichkeit ebenfalls eine Katastrophe des Weltalls vorausgehen werde. Ob das so sein wird, müssen wir abwarten. Das Bild und die Beschreibung von der Wiederkunft des Menschensohnes im heutigen Evangelium beruht eher auf dem Denken und den Vorstellungen der Menschen in damaliger Zeit.
Die Wiederkunft des Messias
Festhalten sollten wir auf jeden Fall an den Anliegen, die uns Jesus als seine Botschaft vermitteln möchte. Seine Wiederkunft wird kein armseliges Auftreten sein wie bei seiner Geburt in Betlehem. Bei seiner Menschwerdung ging es darum, das Leben voll mit uns Menschen zu teilen, um uns vorbildhaft zu zeigen, wie wir unser irdisches Leben gestalten können und sollten. Bei seinem zweiten Erscheinen werden wir die göttliche Seite des Menschensohnes sehen können: die Fülle seiner Macht und Herrlichkeit. Christus will dann kommen, um uns heimzuholen in sein Reich des Glücks, des Friedens und der Vollendung.
Das zweite Anliegen Jesu betrifft die Gestaltung der Zeit zwischen seinem Leben auf Erden und seiner Wiederkunft, jenem Zeitabschnitt, den er in unsere, des Menschen Hände gelegt hat. Diese Zeit sollen wir nicht vertrödeln, sondern füllen mit großer Vielfalt an Werken, die uns und anderen zum Segen werden. Die Zeit des Advents ist dazu angetan, dass wir sie nützen, einmal wieder intensiver darüber nachzudenken, was uns von unserem Herrn aufgetragen ist. Entspricht unser Leben den Vorstellungen Jesu? Ich muss gelegentlich bewusst innehalten, um mir über das eigene Denken und Handeln Rechenschaft zu geben, sonst werde ich gelebt - getrieben, ins Schlepptau genommen, für Nebensächliches vereinnahmt, an Nutzloses gebunden oder gar in Ungutes verwickelt.
Wachsamkeit
Jesus kennt unsere Schwächen. Daher ruft er uns zur Wachsamkeit auf. Als Beispiel nimmt er den Türhüter. Dieser trägt in besonderer Weise Verantwortung dafür, dass Dieben und Bösewichten die Tür verschlossen bleibt. Andererseits soll er sie öffnen: nicht nur dem Herrn, wenn er wiederkommt, sondern allen, die dem Haus und seinen Bewohnern Gutes tun oder als Gäste willkommen sind.
Das Bild des Türhüters sollen wir auf uns übertragen. Jesus möchte, dass wir Türhüter unseres Herzens sind. Wir entscheiden, wem wir die Tür unseres Herzen öffnen. Verschlossen halten sollen wir sie für alles, was unserem Denken und Handeln Schaden bringt oder - aufs Ganze gesehen - wertlos ist. Öffnen dagegen sollen wir sie für all das, wodurch wir im guten Sinn bereichert werden.
Da gibt es z.B. die Botschaft Jesu von der Liebe Gottes zu uns. Wir wissen um diese Botschaft. Sie ist in unserem Kopf und klopft an, um in unsere Herzen aufgenommen zu werden. Erst dann kann sie uns mit Glück erfüllen. Mich von Gott geliebt wissen und dies tief auskosten, erst das gibt mir Kraft für das Gute, lässt mich Verkennung durch andere ertragen und in dankbarer Freude immer wieder nach dem streben, was mich kostbar und wertvoll macht. Auf Rache sinnen, das mir mögliche Gute aus Bequemlichkeit auslassen, ist vergeudete Zeit. Auch Schadenfreude genießen bewegt nicht, ist vertane Zeit. Sie macht uns lediglich zu satten, sich selbst befriedigenden behäbigen Zuschauern. Sich von Gott geliebt wissen und sich freudig und entschlossen in seinen Auftrag stellen, das lässt uns lebendig und engagiert Christen sein.
Gnade und Segen in uns einlassen
Sodann gilt es, Gnade und Segen in uns einzulassen. Beide fallen nicht vom Himmel, wenn wir nicht darum bitten. Gott wird uns mit ihnen nicht überfallen oder vergewaltigen. Wir sind frei, uns für seine Gnade und seinen Segen verschlossen oder offen zu halten. Ihr Anklopfen ist vielleicht manchmal etwas leise. Gnade und der Segen Gottes scheuen Lärmen, Stürmen und Hasten. Sie senken sich eher wie Tau auf uns herab. Aus ihrer Kraft leben und sie spüren soll uns nicht anheizen, sondern zum Staunen über Gott führen und langen Atem verleihen. Permanente Hektik lässt Staunen über Gott und sein in der Regel verborgenes Handeln nicht zu. Aber ihm, dem im Verborgenen oft sehr intensiv handelnden Gott wieder neu auf die Spur zu kommen, dazu lädt uns die Adventszeit ein.
Schließlich sollen wir nach dem Willen Jesu unser Herz öffnen für Menschen, die uns um Hilfe bitten wollen, die Trost suchen oder Ermutigung brauchen. Bei Gesprächen von Herz zu Herz sind wir oft nicht nur die allein Gebenden. Erfahrungen, von denen uns andere berichten, seien sie negativ oder positiv, können unsere Wachsamkeit erhöhen: Sei es, uns rechtzeitig zu schützen; sei es, unsere Augen für Positives und Erstrebenswertes zu öffnen, das wir bisher nicht gesehen oder bedacht haben.
Wachsamkeit einüben
Wachsamkeit ist ein gutes Mittel, um Leben zu gestalten. Sich treiben lassen, rastlos wirtschaften und pausenlos Wühlen ermüden und erschöpfen. Wachsamkeit bringt Ruhe und ein gutes Maß an Entspannung in den Alltag, weil sie Unnötiges aussortiert und nach Wichtigkeit ordnet.
Adventszeit als neues Einüben der Wachsamkeit soll uns die Augen öffnen für das, was Weihnachten und überhaupt in unserem Leben als Christ wichtig ist. Feiern wir Weihnachten als Fest der Liebe, die uns untereinander verbindet, und der Liebe, die Gott uns schenkt. Mit der Menschwerdung Jesu haben wir nicht mehr nur prophetische Aussagen über Gott und seine Erwartungen an uns Menschen. Jesus hat uns mit seinem Leben gezeigt, wie wir leben sollen und worauf wir zugehen. Mitbauen sollen wir am Reiche Gottes. Im Evangelium wird nicht eigens aufgezählt, welche Aufgaben der Herr an jeden seiner Diener verteilte. Die konkreten Aufgaben stellen sich uns durch das Leben mit seinem Alltag und dem Umfeld, in dem wir leben, fast wie von selbst.
Ob wir unseren Aufgaben im Sinne Jesu gerecht werden, hängt sehr davon ab, ob wir wachsame Hüter unseres Herzens sind. Das heißt: Ob wir abwehren, was uns und den Bewohnern des Hauses, also den Menschen überhaupt, schadet, oder uns dem öffnen, was uns selbst und den anderen Heil und Segen bringt.
Nutzen wir wachsam die uns gegebene Zeit.
Manfred Wussow (2005)
Gabi Ceric (1996)