Wie über Gott reden?
In einer Reihe von europäischen Großstädten, allen voran in London, ließ eine Gruppe kämpferischer Atheisten an und in Linienbussen die Botschaft anbringen: "Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Jetzt mache Dir keine Sorgen und genieße Dein Leben". Das Überraschende an dieser Aktion war, dass sie bei relativ geringen Kosten so viel Aufsehen erregte. Manche stießen sich daran. Einige christliche Bewegungen nahmen sie zum Anknüpfungspunkt für Diskussionen über ihre Gottesvorstellungen.
Der sog. "neue Atheismus" versucht das Glauben an Gott als unwissenschaftlich hinzustellen und den politischen Einfluss der Religionen zu bekämpfen. Leider ist das wissenschaftliche Niveau dieser Auseinandersetzungen nicht auf der Höhe der langen Tradition, die diese Diskussion in der Wissenschaft der letzten Jahrhunderte erreicht hat.
Das zugrundeliegende Problem scheint zu sein, dass in manchen Medien und in manchen fundamentalistischen und evangelikalen Kreisen in eher primitiver Weise über Gott und den Glauben an Gott geredet und geschrieben wird.
Der Dreifaltigkeitssonntag sollte für uns Christen Anlass sein, darüber nachzudenken, wie wir von Gott und wie wir über Gott reden. Die wissenschaftliche Sprache der Theologen schließt viele Menschen von der Diskussion aus, die Sprache der Liturgie erreicht ein verhältnismäßig kleine Zahl von Menschen und wird von vielen nicht mehr verstanden. Nicht wenige glauben "irgendwie" an "etwas Höheres", sehen sich jedoch nicht imstande, dies in Worte zu fassen.
1 Gott, 99 Namen Gottes oder 3 Götter?
Manche Muslime werfen den Christen vor, sie glaubten an 3 Götter und hätten den Eingottglauben des Abraham und des Mose verlassen. In ihrer Überlieferung schreiben sie dem einen Gott Allah 99 Namen zu und bringen damit zum Ausdruck, dass man die Größe Gottes mit keinem Namen und keiner Zuschreibung einer Eigenschaft angemessen ausdrücken kann.
Vor einigen Jahren sandte die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, das ist die höchste Instanz für liturgische Fragen in der katholischen Kirche, an alle Bischofskonferenzen der Welt einen Brief, in dem sie einmahnte, aus Respekt vor der jüdischen Tradition in Gottesdiensten das Aussprechen des Gottesnamens zu vermeiden. Darin heißt es: »Als Ausdruck für die unendliche Größe und Erhabenheit Gottes wurde der Name als unaussprechbar betrachtet und während des Lesens der Heiligen Schrift durch einen alternativen Namen ersetzt: durch 'Adonai', was 'Herr' heißt. Auch griechische und lateinische Bibel-Übersetzungen haben dies respektiert und das hebräische Tetragramm mit den jeweiligen Ausdrücken für 'Herr' wiedergegeben: 'kyrios' und 'dominus'«.
Das religiöse Judentum hält sich nicht nur an das Gebot, Gott nicht in Bildern darzustellen, es vermeidet sogar die Aussprache des geoffenbarten Namens Gottes. Dabei geht es nicht nur um Ehrfurcht, sondern auch um die Überzeugung, dass wir uns von Gott kein Bild machen können und dass jede bildhafte Darstellung Gottes irreführend ist. Wir können uns von Gott auch nicht mit einem Namen, selbst nicht mit dem geoffenbarten Gottesnamen einen Begriff machen.
Das unfassbare Geheimnis Gott
Das Christentum ging in seiner Geschichte einen anderen Weg. In den ersten Jahrhunderten seines Bestehens hat es sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, in welchem Verhältnis Jesus von Nazareth zu Gott steht. In einer langwierigen und vielschichtigen Diskussion versuchte es, der biblischen Rede von Gott, von Jesus Christus und vom Heiligen Geist gerecht zu werden. Die Christen glauben seit frühester Zeit an einen Gott in drei Personen als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist. Diese Formel geht als Rechnung nicht auf und ist rational nicht auflösbar. Ähnlich wie in der jüdischen und muslimischen Tradition kommt darin zum Ausdruck, dass wir über Gott nicht in klar abgegrenzten Begriffen reden können. Gott ist größer als jede Vorstellung, die sich je ein Mensch von ihm machen kann. Er ist unbegreifbar, unfassbar. Das gilt auch für unsere Sprache.
Ein Gott in drei Personen
Im Christentum gehen wir davon aus, dass Gott in Jesus von Nazareth ein menschliches Antlitz bekommen hat. Die alte Vorstellung, dass Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, wird in der Person Jesu von Nazareth noch einmal zugespitzt. An Jesus sehen wir, wie Gott ist. Da Gott in Jesus eine konkrete Gestalt bekommen hat, können wir uns auch ein Bild von Gott machen. Wir würden jedoch die Größe, die Unbegreiflichkeit, das Geheimnis Gottes verniedlichen, wollten wir ihn auf die historische Person Jesu reduzieren.
Für mich ist das Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit eine tiefe Verneigung vor dem unfassbaren Geheimnis Gott. Die Heiligen Schriften der Menschheit überliefern uns viele Vorstellungen, die sich Menschen im Laufe der Geschichte von Gott gemacht haben, und erzählen uns ihre Erfahrungen mit Gott. Ich kann nicht umhin, als mich vor jeder dieser Erfahrungen und Vorstellungen zu verneigen, sie zu respektieren und eventuell meine Fragen dazu zu stellen.
Gleichzeitig ist dieses Fest für mich eine Einladung, die großen Fragen nach dem Woher und Wohin und Wozu des Lebens neu zu stellen und diese Suche fortzusetzen. Sie ist nicht neu. Sie hat viele Generationen von Menschen bewegt. Es wäre vermessen, so damit umzugehen, als wäre ich der erste, der sich darüber Gedanken macht.
Was uns die Heiligen Schriften der Christen über Jesus von Nazareth, seine Beziehung zu Gott und zum Heiligen Geist erzählen, haben für mich dabei besonderes Gewicht. Daneben verblassen für mich andere Vorstellungsweisen. Vor allem aber schätze ich, dass dieser Gott mir als Du, als Person begegnet und mich als Gegenüber, als Gesprächspartner ernst nimmt.