"Die Welt steht auf kan Fall mehr lang…"
"Die Welt steht auf kann Fall mehr lang…", lautet der Refrain des berühmten Kometenliedes (siehe Kontexte) in Johann Nestroys "Der böse Geist Lumpazivagabundus". Mit diesem Lied nahm der Wiener Komödiant die üppig blühenden Weltuntergangsprophezeiungen seiner Zeit aufs Korn.
Erinnern Sie sich noch an den Jahreswechsel zum Jahr 2000. Das Y2K-Problem (siehe Kontexte) der Computerwelt animierte unzählige Autoren zu Katastrophenspekulationen. Weltuntergangsängste haben alle paar Jahre Saison. Der nächste Termin 2012 (siehe Kontexte) kann im Kino bereits vorerlebt werden.
Bereits zur Zeit Jesu gab es eine spezielle Literatursparte zu diesem Thema, die sogenannte Apokalyptik. Einige Fragmente davon haben sogar Eingang in die Evangelien gefunden. Das letzte Buch des Neuen Testamentes, die Geheime Offenbarung des Johannes, ist als ganzes diesem Thema gewidmet und hat seitdem immer wieder Anlass zu neuen Spekulationen gegeben.
Wer diese Texte genau liest und mit der übrigen apokalyptischen Literatur vergleicht, wird entdecken, dass apokalyptische Motive vom biblischen Autor aufgegriffen und christlich umgedeutet werden. So auch der Textabschnitt, den wir heute im Evangelium gelesen haben. Der Evangelist zitiert die Schreckensvorstellungen nicht, um Angst zu schüren, sondern um seinen Lesern und Zuhörern Hoffnung zu geben und Angst zu nehmen: "Wenn all dies beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe." Alle, die auf Christus, den Menschensohn und Herrscher der Welt, vertrauen, brauchen keine Angst zu haben.
Das Leben ernst nehmen
Eine wichtige Frage der Weltuntergangsliteratur ist der Zeitpunkt, wann das alles eintreffen wird. Auch die Christen spekulieren über den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi, um entsprechend vorbereitet zu sein, wenn der Herr kommt, um die Welt zu richten. Der Evangelist mahnt zur Wachsamkeit, damit dieser Tag die Christen nicht überrascht.
Was bedeuten diese Mahnungen für uns heute? Zu oft schon wurde der Weltuntergang verschoben, als dass man solche Spekulationen ernst nehmen könnte. Kann man diese Texte dann vergessen und als religiöse Spinnerei belächeln? Ist dann nicht die ganze Bibel unglaubwürdig, wenn sich einige ihrer Autoren so offensichtlich verrechnet haben? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.
Eher als das Ende der Welt eintritt, muss jeder Leser mit dem eigenen Lebensende rechnen, dessen Zeitpunkt ebenso unvorhersehbar ist. Spätestens, wenn das eigene Ende eintritt, wird in drei Instanzen Bilanz gezogen. Ob gläubig oder nicht gläubig, werden sich dann Menschen, die mich kannten, ein Urteil über mein Leben bilden. Daran werden auch vollmundige Leichenreden nicht mehr viel ändern. Jeder Mensch kennt darüber hinaus eine Instanz in sich selbst, vor der er oder sie bestehen möchte. Zumindest wenn man älter wird, verspürt man ein Gefühl von Zufriedenheit oder Unzufriedenheit über sich selbst. Es stellt sich Dankbarkeit, Stolz oder auch Enttäuschung über das im Leben Erreichte ein. Die dritte Instanz ist für einen gläubigen Menschen die Erwartung einer Beurteilung, die der Schöpfer, bzw. Jesus Christus als von ihm eingesetzter Richter über sein Leben anstellen wird.
Die Mahnung zur Wachsamkeit ist führt über das Angstmachen hinaus und gilt nicht zuletzt gerade jenen, die sich um keine Moral mehr kümmern, weil ohnehin alles zugrunde geht und keine Zukunft hat.
Das Reich Gottes ist nahe
Ebenso wichtig wie der Hinweis auf das Ende, von dem her wir unsere Lebenspläne und -inhalte bedenken sollen, ist eine weitere Sichtweise der apokalyptischen Mahnungen.
Die angekündigten Katastrophen haben zwar bis jetzt noch nicht zum Weltuntergang geführt. Sie spielen sich aber nicht nur in den Köpfen und im Kino ab, sondern sind handgreifliche Wirklichkeit: Die Zerstörung und Vergiftung der Umwelt, Erdbeben, Überflutungen, Tsunamis, erbarmungslose Kriege, Völkermord, Terroranschläge, Vertreibungen…
Wenn all das geschieht, erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung, das Reich Gottes, ist nahe. Es ist die gleiche Zusage, die Jesus seit seinem ersten Auftreten als Frohe Botschaft seinen Zuhörern immer wieder verkündete. Wer wachsam, aufmerksam und wahrnehmungsfähig ist, wird dem Erlöser Christus mitten im Leben begegnen, auch wenn er von katastrophalen Zuständen umgeben ist. Das Reich Gottes ist nahe, auch wenn es um den Zustand der Welt schlecht bestellt ist.
Advent ist nicht nur eine Zeit des Erwartens im Blick auf das herannahende Weihnachtsfest. Der Advent mahnt nicht nur, auf das Kommen Gottes am Ende des Lebens zu denken. Gott ist da und begegnet mir mitten in den Ereignissen meines Lebens, sogar wenn es drunter und drüber geht.
Das Gesicht des Advent hat sich in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht verändert. Aus der stillsten Zeit im Jahr ist eine Zeit hektischer Geschäftigkeit geworden. Es nützt nicht viel, darüber zu lamentieren und der guten alten Zeit nachzuhängen. Der Advent unserer Tage ist eine Zeit vieler Begegnungen geworden. Wer aufmerksam und wach ist, kann gerade darin dem Herrn begegnen und in unserer Zeit Spuren des Reiches Gottes entdecken.