2. Lesung vom 13. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A:
Röm 6,3-4. 8-11
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:
Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden,
sind auf seinen Tod getauft worden.
Wir wurden mit ihm begraben
durch die Taufe auf den Tod;
und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters
von den Toten auferweckt wurde,
so sollen auch wir als neue Menschen leben.
Sind wir nun mit Christus gestorben,
so glauben wir,
daß wir auch mit ihm leben werden.
Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt,
nicht mehr stirbt;
der Tod hat keine Macht mehr über ihn.
Denn durch sein Sterben
ist er ein für allemal gestorben für die Sünde,
sein Leben aber lebt er für Gott.
So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen,
die für die Sünde tot sind,
aber für Gott leben in Christus Jesus.
"Diese epistel ist ein rechtes heubtstück" schreibt Martin Luther über den Römerbrief und nennt ihn ein "Evangelium im Evangelium". Für den Reformator zählte diese Schrift zu den kostbarsten der ganzen Bibel, und im Rückblick auf sein Leben berichtet er, wie ein einziger Satz daraus (Röm 1,17) sein ganzes Dasein verwandelte: "Der aus Glauben Gerechte wird leben".
Der Römerbrief ist der späteste der Paulusbriefe: Der Apostel schreibt ihn etwa 56 n. Chr. in Korinth, um mit ihm seine geplante Romreise vorzubereiten. Zunächst will er die Gemeinden Roms besuchen und anschließend zu einer Missionsreise nach Spanien aufbrechen. Als einziger seiner Briefe ist er an eine Gemeinde gerichtet, die Paulus noch nicht kannte. Das spürt man auch beim Lesen. Die anderen Paulusbriefe sind Gelegenheitsschriften. Sie beantworten Anfragen der Gemeinde, schlichten Streit, ordnen die Liturgie, sind voller Brüche, Stimmungsumschwünge und lassen immer wieder den Menschen Paulus mit seinen Beziehungen durchschimmern. Mit dem Römerbrief dagegen präsentiert sich Paulus der berühmten Gemeinde in der Hauptstadt des römischen Imperiums mit seinen theologischen Gedanken und nimmt sich deshalb Zeit für einen klaren Gedankenaufbau. Das macht diesen Brief zur "gehaltvollsten", aber auch kompaktesten und anspruchsvollsten der Paulusschriften. Daher sollen im folgenden einige Schlüsselbegriffe der paulinischen Theologie erklärt werden:
In den Kapiteln vor und nach unserer Lesung stellt Paulus zwei Existenzweisen des Menschen vor - oder eher: zwei Machtbereiche, in denen der Mensch existieren kann. Es gibt den Prototyp Adam, den "alten Menschen". Das sind wir Menschen, die wir es mit unseren Verfehlungen soweit gebracht haben, daß wir ganz entfremdet leben - entfremdet untereinander, aber auch entfremdet von uns selbst und entfremdet von Gott. Wir sind nicht mehr Herren im eigenen Haus, nicht mehr unserer eigenen Taten mächtig: "Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will", klagt Paulus in Röm 7,19. Wir können uns aus dieser dreifach gestörten Beziehung nicht aus eigener Kraft befreien. Wohl können wir erkennen, was eigentlich gut und richtig wäre - "das Gesetz" - aber das führt uns noch deutlicher vor Augen, wie wenig wir unseren Ansprüchen und den Ansprüchen Gottes genügen. Denn dieses Gesetz ist uns immer eine Nummer zu groß, wir können es nie erfüllen, so daß wir uns selber sagen können: Ich bin gut, so wie ich bin. Besser muß ich nicht sein.
Der verstörte "alte" Mensch erlebt sich unterjocht unter eine fremde und lebensfeindliche Macht, die Paulus "Sünde" nennt - oder sogar "Tod".
Die Hoffnung in dieser verfahrenen Situation liegt für den Apostel darin, daß es einen "neuen Menschen" gibt: Jesus Christus. Dieser neue Mensch lebt in versöhnten Beziehungen und im Einklang mit sich und seinem Gott: nicht fremdbestimmt, sondern "geistbestimmt", nicht von einer fremden Macht unterjocht, sondern von Gottes Macht bevollmächtigt und befreit. Erst ein solchermaßen versöhntes Leben, sagt Paulus, ist ein Leben im Vollsinn des Wortes. Und wenn wir uns diesem Christus und seinem Leben und Sterben anvertrauen, werden wir auch in seine versöhnte Beziehung zu Gott hineingenommen. Wir erhalten Anteil an dieser neuen Lebensqualität, werden wie er "neue Menschen".
In diesem Sinne deutet Paulus nun in unserer Lesung auch die Taufe: In ihr wird der "alte Mensch", diese entfremdete Art Lebenshaltung, richtiggehend ertränkt. Sie ist ein Zeichen dafür, daß wir völlig neu und unbelastet beginnen dürfen. Wir sind dem Machtbereich der Sünde entzogen und können die alten Gespenster mit ihren Einflüsterungen ("du mußt", "du sollst", "du bist ungenügend") ruhigen Gewissens mit Nichtbeachtung strafen: Das ist nicht mehr relevant für uns. Für all das sind wir tot. Wir dürfen - so wie wir sind und ohne vorherige Verbesserungen - "ganz frech" damit rechnen, daß Gott uns annimmt als die, die wir sind. Für Paulus ist das eine Tatsache. Und gleichzeitig bleibt es ein Auftrag, es immer wieder neu, wie er sagt, zu "begreifen", und dieses neue vollmächtige und versöhnte Leben in allen Bereichen immer mehr wachsen zu lassen.
Die Lesungsperikope bringt einen Ausschnitt aus einem zentralen Text darüber, wie Paulus den theologischen Inhalt der Taufe versteht.
Mit Hilfe der wesentlichsten Glaubensaussage "Christus ist gestorben und auferweckt worden" interpretiert Paulus die Taufe: Weil der Getaufte in dieses Geschehen hineingenommen ist, also "mit Christus gestorben" ist, wird er auch mit ihm auferweckt werden. Mit dem Futur in Vers 4 zeigt Paulus, daß das endgültige Heil noch nicht Gegenwart ist, aber für den Gläubigen eine reale Verheißung darstellt.
Aber die Taufe betrifft nicht nur das Leben nach dem leiblichen Tod, sondern ganz konkret das irdische Leben des Menschen: Dadurch, daß der Getaufte zu Christus gehört, ist er frei geworden von dem, was Paulus als "die Sünde" bezeichnet: Die durch die Taufe geschenkte Gemeinschaft mit Christus soll in das zu erneuernde Alltagsleben hineinwirken. Sie soll konkrete Auswirkungen im Denken und Handeln des Getauften haben.
Alles was den Menschen versklavt, falsch verstandene Gesetzesfrömmigkeit, der Tod und die Macht der Sünde beherrschen den Getauften nicht mehr. Er ist frei, sich zu entscheiden und das neue Leben mit Gott anzunehmen. Dazu ist er durch die Taufe gerufen und soll immer mehr hineinwachsen in diese neue Haltung, jetzt schon, im irdischen Leben, bis zur endgültigen Gemeinschaft mit Gott.
Der paulinischen Sprache folgend, ist das Leben des Getauften bestimmt davon, sich als neuer Mensch zu bewegen und in einem neuen Geist. Damit kommt die dem Menschen seit der Schöpfung zugedachte, in der Sünde aber verlorene, Herrlichkeit zur Sprache, die ihm neu geschenkt wird. Mit Christus haben wir den "alten" Menschen und dadurch den Tod überwunden.
Es ist nicht ohne Bedeutung, daß dieser hoffnungsvolle Glaube nicht von dessen Treue und Bewährung abhängig gemacht wird sondern von der Tatsache, daß Jesus durch seinen Tot die Fähigkeit als neuer Mensch zu leben für uns geschaffen hat. Die durch die Taufe entstande neue Situation, daß wir "für die Sünde tot sind" sollen wir begreifen - real umsetzen.
Antonia Keßelring (2002)
Regina Wagner (1999)
Feri Schermann (1996)