2. Lesung vom 17. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C:
Kol 2,12-14
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Kolosser:
Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben,
mit ihm auch auferweckt,
durch den Glauben an die Kraft Gottes,
der ihn von den Toten auferweckt hat.
Ihr wart tot infolge eurer Sünden,
und euer Leib war unbeschnitten;
Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht
und uns alle Sünden vergeben.
Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen
und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben.
Er hat ihn dadurch getilgt,
daß er ihn an das Kreuz geheftet hat.
Im Kolosserbrief wird die Lehre über Jesus abgesetzt gegen verschiedene Philosophien, Religionen und andere Lehren. Um das leisten zu können, wird in Kol 2,8-15 eine Christologie entwickelt, die den Anspruch des Briefes erklären kann.
Christus ist Sündenvergeber, Erlöser, Vorbereiter einer neuen und wahren Zukunft. Wer sich darauf einlassen will, muss sich mit dem Tod Jesu auseinandersetzen. Und er sollte einen persönlichen Zugang zu diesem Ereignis gefunden haben.
Das Schreiben wurde von einem namentlich nicht bekannten Paulusschüler verfasst und ist ca. 61 n. Chr. entstanden. Die damals aufgetretenen Irrlehren und die damit verbundene Weltangst waren wohl der Anlass für das Schreiben. Der Verfasser kämpft gegen zu eigenartige Frömmigkeitspraktiken an und versucht, den Blick auf das Leben des neuen Menschen in Jesus Christus zu richten.
Weder verschiedene Philosophien noch so klare und scheinbar fromme Überlieferungen und Gesetzesbräuche können dem Menschen helfen.
Durch die Taufe wurden wir hineingenommen in die göttliche Kraft, die Leben verheißt und schenkt. Mit der Taufe wurden wir auch in die Auferstehung Jesu mit hineingenommen. Dieses neue Leben ist wirkkräftig. Gott hat uns angenommen. Alle Schuld ist vergeben. Der Glaube an die rettende Kraft, die von Gott kommt und in Jesus Christus erfahrbar wurde, kann und wird dieses neue Leben bewirken.
Christus ist das Zentralthema in der Verteidigung gegen die Irrlehrer in Kolossä. Schon im Christushymnus wird das deutlich. Im Abschnitt 2,9-15 ("ungekürzte Textfassung") aus dem die Tageslesung genommen ist, wird noch einmal die Stellung und die Funktion Christi herausgestellt.
In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit, und zwar leibhaftig, wesentlich, das heißt: Christus ist ganz Gott, nicht Teil eines göttlichen Kosmos. In seiner Person ist Gott wirklich und wesenhaft anwesend. Nicht nur bruchstückhaft oder ansatzweise ist Gott in ihm da, sondern ganz und auch dauerhaft, weil die Fülle Gottes, Gott selbst, in ihm "wohnt". (Kol 2,9)
Diese Fülle Gottes erfüllt von Christus her auch die Adressaten. Sie sind nicht angewiesen darauf, das Heil irgendwo anders suchen zu müssen, sie brauchen keine Angst zu haben vor irgendwelchen Mächten und Gewalten, weil Christus das Haupt, der Chef aller Gewalten ist. Angst vor Dämonen, abergläubische Ängste und magische Schutzriten sind deshalb heidnisch, damals schon, aber heute immer noch. (Kol 2,10)
Beschneidung war das äußere Zeichen des Bundes Gottes mit Abraham. Im Neuen Bund, den Gott durch seinen Sohn Jesus Christus gestiftet hat, geschieht durch die Taufe eine Art innere "Beschneidung". Der Getaufte, die Getaufte gehört dem Bereich Gottes an, ist ein "neuer" Mensch, der nicht mehr Gefangener der Sünde ist. (Kol 2,11)
Erlösung und Heil in Christus allein
Die paulinische Tradition versteht die Taufe auf Christus als "Sterben". Das Untergetauchtwerden ist Symbol dafür, daß bei der Taufe Altes stirbt und Neues beginnt. Christen nehmen so teil am Todesschicksal Jesu, werden hineingenommen in sein ganzes Leben und Sterben. So läßt sich Leben und Schicksal des Menschen neu verstehen. Alle Leiden und Schmerzen des Lebens und besonders das physische Sterben ist Gott in Jesus Christus nichts Fremdes. Zugleich bedeutet die Taufe auch eine geheimnisvolle Auferweckung von den Toten zusammen mit Christus.
Die Gläubigen nehmen schon seit der Taufe teil an diesem Leben Christi, das mit der biologischen Vorstellung von "Leben" nicht vergleichbar ist (Kol 2,12). Darum ist es so schwierig, etwas über dieses Leben auszusagen. Manche nennen es "Himmel", "Paradies", "Sein bei Gott", "ewige Seligkeit", wobei dieses "Leben" schon vor dem physischen Tod ansatzweise erfahrbar werden kann.
Den Zustand des Todes zu beschreiben ist leichter. Der Schreiber des Kolosserbriefes spricht davon, daß die Adressaten tot waren infolge ihrer Sünden (Kol 2,13). Sünde bedeutet Trennung von Gott und von den Lebensmöglichkeiten, die er schenkt. "Sünde" erscheint zwar oft vordergründig als Lebensgewinn, wenn ich mir nehme, was mir nicht zusteht, wenn ich meine Position auf Kosten anderer durchsetze, wenn ich meine Erlösung selber in die Hand nehme, wenn ich Beziehungen, Menschen oder mich selber vernachlässige... Das Gefangensein in solchen Strukturen führt letztlich nicht zu mehr Leben, sondern zerstört das Leben anderer und schließlich auch meine eigenen Lebensmöglichkeiten.
Die Chance aus (selbst)zerstörerischen Systemen auszusteigen ist uns geschenkt, weil Christus "den Schuldschein durchgestrichen hat". (Kol 2,14). Neuanfang ist möglich, die Vergangenheit ist nicht eine Fessel, die unser ganzes Leben bestimmen muß. Gerade durch das Kreuz, die Konsequenz der Treue Christi zu seinem göttlichen Auftrag, wissen wir, daß Gott uns unsere Altlasten nicht nachträgt. Gott ist treu in seiner Liebe zu uns und er geht damit bis zum Äußersten. Er stellt sich auf die Seite der Menschen und nimmt damit der Sünde ihre zerstörerische Gewalt: Schuld wächst an wie eine Lawine, wenn sie ungehindert den Hang hinunterrast. Gott hat dem Menschen zugesagt, daß es jederzeit möglich ist, aus der Schuldlawine auszusteigen, daß immer Verzeihung und Neuanfang möglich sind. (Kol 2,15)
Paulus selber ist ein deutliches Beispiel dafür, wie Gott mit den Mächten von Schuld und Sünde umgeht. Dieser Paulus, der zahlreiche Christen auf dem Gewissen hat, darf neu anfangen und zwar nicht nur gnadenhalber als einer in den hinteren Reihen, sondern als beeindruckender Vorreiter und Apostel. Die todbringende Macht, hier im wahrsten Sinn des Wortes ist gestoppt, das neue Leben des Paulus wird auch für andere ansteckend und macht die Berufung aller Menschen zum endgültigen "Leben" sichtbar.
Norbert Riebartsch (2010)
Marita Meister (2001)
Regina Wagner (1998)