Ich habe ein schönes Bild vor Augen. Eltern bringen ihr Kind zur Taufe. Und wenn dann noch andere Kinder dabei sind - ein Fest. Auch für die Augen. Ein großer Tag. Schade. Vielen ist das Geheimnis, das der Taufe inne wohnt, fremd geworden: In der Taufe wird ein Mensch Gottes Kind. Ihm wird das österliche Licht geschenkt. Er bekommt ein neues Gewand. Er wird Teil, Glied einer Gemeinschaft, die mit ihm zusammen auf dem Weg ist. Die er braucht, die ihn braucht. In jeder Taufe feiert auch die Kirche Geburtstag. Das Fest einer großen Hoffnung. Ist Ihnen das alte Wort noch im Ohr? Wiedergeburt. Wiedergeburt steht für einen neuen Anfang, für ein neues Leben, für einen neuen Weg. Ein traumhaftes Bild für Menschen, die aus ihrer Haut nicht heraus kommen. Alter, Erfahrung und Ansehen spielen keine Rolle. Bei Gott muss ich auch nichts werden. Ich bin - getauft.
Ein offener Himmel
Heute hören wir das Evangelium von der Taufe. Von der Taufe Jesu. Er lässt sich im Jordan von Johannes taufen. Wie die vielen anderen, die zu dem Prediger in der Wüste pilgern. Jesus ist einer unter vielen. Kein VIP. Es ist auch keine Kamera da, die sich für ihn interessieren würde. Kein Pulk von Journalisten im Nahkampf der Mikrophone. In der Gemeinschaft der Pilger geht Jesus geradezu unter.
Was geschieht, ist schnell erzählt. Als Jesus aus dem Wasser steigt, geht über ihm der Himmel auf, der Geist Gottes kommt auf ihn herab und eine Stimme stellt ihn vor: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.
Bemerkenswert: Jesus hat noch nichts gesagt, noch nichts getan. Es eilt ihm auch noch kein Ruf voraus. Auf der Fahndungsliste ist sein Name auch noch nicht zu lesen. Aber: Du bist mein geliebter Sohn.
Diese Geschichte ist eine Proklamation. Ein Vorhang geht auf - und eine Geschichte beginnt. Eine Geschichte übrigens, die sehr viel mit einer anderen Vorstellung zu tun hat, die nicht vom Spielplan genommen ist. Im Lied vom Knecht Gottes heißt es: "Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien."
Im Bekanntenkreis habe ich keinen Knecht. Leider. Gibt es ihn überhaupt noch? Ich verbinde mit ihm Stallgeruch, ein unrasiertes Gesicht, ausgebeulte Hosen. Ein Knecht wird auch nicht vorgestellt. Nicht ernannt. Lieder werden ihm auch nicht gewidmet. Und Grosses erwartet man von ihm schon gar nicht.
Herren treten anders auf. Herren haben gut reden. Herren stellen sich selbst vor. Herren können auch ein Kostüm tragen. Herren haben kein Geschlecht. Nur Ambitionen - und Macht.
Aber heute kann die Welt nicht bleiben wie sie ist. Ein Knecht wird proklamiert. Er wird als Licht der Völker vorgestellt. Ihm wird sogar ein Lied gewidmet. Und alles in diesem Lied riecht nach Gott. Allerdings: Den Stallgeruch von Bethlehem habe ich in der Nase. Er liegt mir auf der Zunge. Ich habe ihn in meinen Kleidern.
Denn heute bekommt der Knecht ein Gesicht - das Gesicht Jesu. Der Himmel, der sich über ihn öffnet, der Geist, der auf ihn herabkommt, die Stimme, die ihn heraushebt - stellen ihn als das Licht vor, das jetzt aufgeht. Das Evangelium erzählt davon. Es sind viele Geschichten. Geschichten von Menschen, die wieder leben können, mutig werden, die so mutig werden, dass sie in Dunkelheiten Licht bringen. Geknickte Halme - um im Bild zu bleiben - werden aufgerichtet, Dochte, die heruntergebrannt sind, nicht ausgepustet, Niemandem wird der Rest gegeben, das Leben abgeschnitten, die Zukunft genommen. Dafür ist Jesus sogar gestorben. Selbst im Sterben hat er den Auftrag erfüllt: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien. Ich sehe den Schächer, den Mörder an seiner Seite. Ihm wird doch, als alles am Ende ist, das Paradies versprochen! Das Paradies!
Mit Geist getauft
Johannes, der Jesus tauft, hat gewusst: nach mir kommt einer, der stärker ist als ich - er wird euch mit dem Heiligen Geist taufen. Weiß Johannes, wen er tauft? Hat er überhaupt etwas von dem offenen Himmel mitbekommen, die Taube gesehen, die Stimme gehört? Der Evangelist erzählt nichts davon. Aber lenkt Ohren und Augen genau dahin. Wichtig ist, dass ich mitbekomme, wer hier getauft wird.
Heute feiern wir den Tag der Taufe Jesu. Unwillkürlich denken wir daran, dass wir getauft sind. Viele unter uns haben auch schon als Eltern oder Paten, Familien oder Freunde Taufen gefeiert. Nicht nur kleine Kinder, zunehmend auch erwachsene Menschen werden getauft. Die Taufkerzen, die an der Osterkerze entzündet werden, tragen manchmal als Schmuck und Zierde eine - Taube. Sie ist das Symbol des Heiligen Geistes. Was wir mit Worten nicht ausdrücken können, verdichtet sich in einem Zeichen. Dahinter steht die Bitte, dass wir mit Heiligem Geist getauft werden. Neu werden. In der Gemeinschaft mit Christus leben. Seine Botschaft weiter tragen.
Taufscheinchristen soll es auch geben. Aber ich mag das Wort nicht. Nicht, weil ich mir nicht mehr Engagement, Herzenswärme und Offenheit wünschen würde - nein, in jeder Taufe liegt eine Hoffnung. Eine Bitte. Ein Vertrauen. Der Vertrauensvorschuss, dass geknickte Rohre nicht zerbrechen und glimmende Dochte nicht erlöschen. Letztlich ist es die Liebe, die nicht müde wird, für ein heiles Leben einzutreten - und heil werden zu lassen, was zerbrochen ist. Der Geist Gottes schenkt Mut, gute Gedanken - und Flügel verleiht er auch. Nicht umsonst passt das Bild von der Taube gut zu ihm.
Was heute geschieht
Ich habe ein schönes Bild vor Augen. Menschen kommen zur Taufe. Im Taufgespräch habe ich einige von ihnen kennen gelernt. Sie haben, vielleicht unbewusst, viel von sich erzählt. Sie haben auch ihre Hoffnungen ausgedrückt. Dass ihr Kind in den vielen Gefahren und Unbilden des Lebens geschützt bleibt. Dass es - fromm formuliert - zum Segen wird. Dass die Familie heil bleibt, Vater und Mutter arbeiten können. Und dass es so etwas gibt wie ein warmes Nest. Ja, ohne das Lied vom Knecht Gottes zu kennen, wissen die Menschen, was mit geknickten Rohren und glimmenden Dochten geschieht - und was sie selbst mit ihnen machen.
Das Evangelium erzählt aber von einem geöffneten Himmel …
Jesus hat sich von Johannes taufen lassen - um ihn mit uns zu teilen!
Die Freude kann ich nicht verbergen: Ich bin - getauft.
Jochen Klepper hat 1941 in einem Tauflied geshrieben:
Gott Vater, du hast deinen Namen
In deinem lieben Sohn verklärt
Und uns, so oft wir zu dir kamen,
die Vatergnade neu gewährt.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn