Wer ist Jesus? Diese Frage durchzieht die ganze Geschichte. Menschen möchten groß sein, setzen sich Denkmäler, um "unsterblich" zu werden. Menschen sehnen sich nach einem, der ihre Träume und Hoffnungen erfüllt. Gott offenbart diesen Hoffnungsträger im Menschen Jesus.
Was sagen die Leute
Was sagen die Leute? Das ist doch eine interessante Frage. Für Jung und Alt. Unter Nachbarn, Kollegen und – Feinden. Ein kleiner Voyeurismus am Rande. Hoch hochprofessionell wird es, wenn die Meinungsforscher fragen. Was sagen die Leute von - einem Promi, einem Politiker, einem Ereignis. Der Datenhunger ist immens. Doch unter den Zahlen und Gezählten die Wahrheit zu finden, statistisch, entzieht sich uns selbst bei den schönsten Grafiken und klügsten Interpretationen.
Ist Jesus auch unter die Meinungsforscher gegangen? Heute hat es Jesu Jünger erwischt. Dabei sollen sie nur sagen, was die Leute sagen. Jetzt tauchen Propheten auf: wohlklingende, aber auch befremdliche Namen. Kennen Sie Elia? Jeremia? Johannes? – Jesus, einer von denen? Prophet – irgendwie? Wir spüren die Ratlosigkeit! Mit ihren Namen waren Katastrophen verbunden, Bußpredigten und die Ansage von Unheil. Die kleinen Leute aber, die sonst nicht gefragt werden, wussten zu erzählen, dass die Propheten sich für sie eingesetzt haben – und den Mächtigen das Fürchten lehrten. Was sollten denn die Leute von Jesus halten? Ob die Frage, die Jesus stellt, klug ist? Was wollte Jesus denn hören?
Herr Schebna
Schwenken wir einmal – nur kurz – ab. Heute begegnet uns auch Herr Schebna. Wetten, dass Sie von ihm noch nie etwas gehört haben? Wetten, dass er Ihnen jeden Tag aber bekannt vorkommt? Herr Schebna ist ein hoher Herr. Palastvorsteher wird er genannt. Also Herr über Schlüssel, Chancen und manchmal auch über Leben und Tod. Zu Lebzeiten schon richtet er sich seine Grablege hoch über den Bergen ein, für die Ewigkeit gemacht. Alle sollen auch noch nach seinem Tod zu ihm aufschauen. Und er schaut herunter. Gnädig? Furchteinflößend? Nicht, dass Herr Schebna da ein Einzelgänger wäre, aber zu ihm kommt ein Prophet – Jesaja!
Originalton:
Einer, der sich hoch oben sein Grab aushaut,
sich im Felsen seine Wohnung ausmeißelt! -
Siehe, der HERR
schleudert dich in hohem Bogen weg, Mann! -
Wir wissen eigentlich nicht so genau, was alles passiert ist. Angedeutet wird der Größenwahn von Herrn Schebna, aber auch – wir ahnen es -, auf wessen Kosten er sich groß und ewig macht. Jedenfalls reicht es Gott. Er hat nichts weniger im Sinn, als dem Treiben ein Ende zu machen und die Verhältnisse neu zu ordnen. Eine Palastrevolution sozusagen. Der Nachfolger von Herrn Schebna wird seine Insignien tragen, das Gewand und die Schärpe. Die Prunkwagen landen auf dem Schrottplatz, kaputtgefahren.
Diese kleine Geschichte, wunderschön erzählt, nach so langer Zeit lebendig und farbig, zeigt einen Propheten im Einsatz, überliefert seine Worte und macht uns zu Zeugen einer großen Auseinandersetzung. Nicht nur um ein Grab…
Herrn Schebna ist ein Wiedergänger. Er kann auch Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko heißen oder, oder… Verzeihen Sie, an dieser Stelle könnte mir die Predigt platzen. Es gibt so viele von diesen Typen. Und so wenige Propheten.
Ein Bekenntnis
Wenn die Leute meinen, Jesus sei auch so jemand wie Jesaja, Jeremia, Elia oder Johannes, liegen sie so falsch nicht. Auf dem ersten Blick! Jesus ruft doch zur Umkehr auf. „Das Reich Gottes ist nahe!“ Jesus nennt die selig, glücklich, die arm sind vor Gott, die barmherzig sind, die Frieden stiften. Im Vaterunser lehrt er uns zu bitten: Dein Reich komme! Dein Wille geschehe! Das konnten auch die Propheten sagen. Und haben es getan.
Aber als Jesus seine Jünger fragt, wer er denn für sie ist, legt Simon ein Bekenntnis ab. Für sie alle: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und Jesus nennt ihn Petrus, Fels. Auch das ist ein Bekenntnis. Ein Bekenntnis zu dem Menschen, der eine wenig rühmliche Geschichte spielen wird. Kurz vor der Verurteilung, kurz vor der Hinrichtung Jesu wird Petrus ihn verleugnen, sich gar von ihm distanzieren, ihn allein lassen. Eine ganz dichte Situation tut sich hier auf. In der Gegend von Cäsarea Philippi. Hier der Christus, dort der Fels.
Christus ist nicht Jesu Nachname, nicht sein Familienname, wie wohl viele denken. „Christus“ ist das griechische Wort für Messias, übersetzt: der „Gesalbte“. Der von Gott auserwählte Herr, der König! Heiß ersehnt, von Menschen seit Menschengedenken erwartet und erbeten, von Gott seit Ewigkeit verheißen. Eine Traumfigur, eine Projektionsfläche für die größten Hoffnungen, die Menschen haben können. Der Messias, Christus, steht für eine neue Welt. Simon spricht das aus: Du bist es, Jesus! Doch die Worte reichen nicht aus. Nicht nur der König, du bist Gottes Sohn. Es gleicht einer Offenbarung. Jesus spricht es aus: Mein Vater im Himmel hat dir das offenbart. Mein Vater im Himmel! Dir! offenbart! Das ist das Geheimnis des Felsens.
Träume und Hoffnungen der Menschen
Die Sehnsucht, fest zu stehen, von Stürmen nicht weggespült zu werden, zu wissen, woran wir glauben können, ist groß. Vielleicht größer denn je. Wir kennen die Verunsicherungen, die Ängste und die Trotzreaktionen. Nicht nur bei oder mit Corona. Die Sehnsucht verrät sich in Meinungsumfragen, in Gesprächen, sogar auf Demonstrationen. Schauen wir fern, hören wir aus Fetzen, Fahnen und Chören, was Menschen weltweit umtreibt. Was sagen die Leute?
Jesus fragt danach, was die Leute sagen. Er fragt nach ihren Träumen und Hoffnungen. Er lässt sich erzählen, was gerade umläuft. Im Zwiegespräch mit den Jüngern wird Jesus als der Hoffnungsträger Gottes bekannt. Der Vater im Himmel bekommt ein Gesicht, eine Stimme, ein Lächeln. Ein Mensch – Sohn Gottes.
Die Sehnsucht der Menschen, Gott in seiner Liebe zu begegnen, bei ihm eine neue Welt zu entdecken und aus den vielen menschlichen Abgründen herauszufinden, wird von Jesus als Messias, als Christos erfüllt. In seinem Leben, in seinem Sterben, in seiner Auferstehung. Es ist schwer, darüber zu reden – und die Welt nicht nur auszuhalten, sondern zu heilen. Ich bin glücklich, dass uns Petrus Worte schenkt, die nicht von ihm sind, sondern aus dem Himmel kommen. Ein Bekenntnis, in dem die Herrschaft Gottes sichtbar wird. Ein Bekenntnis, in dem Gottes Liebe ausgerufen ist. Ein Bekenntnis, in dem mein Leben Halt und Geborgenheit findet. ER ist der Christos! Von Gott gesalbt und eingesetzt – für uns Menschen. Mein Herr und mein Gott! So wird es der berühmte ungläubige Thomas sagen.
Der lange Atem Gottes
In unseren kirchlichen Traditionen haben sich zwei Linien entwickelt: Auf der einen Seite wird das Christus-Bekenntnis leicht spiritualisiert, auf der anderen institutionalisiert. Auf der einen Seite reden wir erbaulich und oft folgenlos, auf der anderen kann der Papst, die Institution Kirche, den vielen Erwartungen nicht gerecht werden. Nach innen nicht, nach außen nicht. Auf der einen Seite feiern wir schöne Gottesdienste, auf der anderen sind wir als Kirche Stein des Anstoßes. Was sagen die Leute?
Dass Jesus der Christos ist, verbindet den Glauben mit der Liebe, die Liebe mit der Hoffnung, die Hoffnung mit dem Glauben. In allen Auseinandersetzungen weltanschaulicher Art, in gesellschaftlichen Konflikten und in den großen ökumenischen Hoffnungen ist Christus der Herr.
Übrigens: Wollten Sie noch wissen, wie die Geschichte von Herrn Schebna ausgegangen ist?
Deine Herrschaft (Schebna) gebe ich in seine Hand –
(lässt Gott ihm ausrichten)
und er wird zum Vater für die Einwohner Jerusalems
und für das Haus Juda.
Ich werde ihm den Schlüssel des Hauses David
auf die Schulter legen.
Er wird öffnen
und niemand ist da, der schließt;
er wird schließen
und niemand ist da, der öffnet.
Ich werde ihn als Pflock an einer festen Stelle einschlagen
und er wird zum Thron der Ehre für sein Vaterhaus.
Es ist ein Geschenk, eine Offenbarung, Christus zu bekennen! Ich will das heute wieder tun!
Der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Norbert Riebartsch (2014)
Martin Stewen (2002)
Martin Leitgöb (1996)