Im Anfang
Es dauert jetzt nicht mehr lange! In dieser Nacht verabschieden wir mit Glanz und Gloria ein Jahr, das Jahr 2012. Wie sich das anhört: Zweitausendzwölf. Nur einen kleinen Bruchteil davon nennen wir unsere Lebenszeit. Aber wir benennen jedes Jahr mit einer Zahl. Kontinuierlich und verlässlich. Wir müssen nicht einmal die Uhr stellen. Die Jahreswechsel sind serienmäßig. Das Geheimnis der Zeit wird uns in dieser Nacht aber vorgeführt, neu bewusst und - zugemutet. Wir antworten nachdenklich - oder in Partylaune - vielleicht auch mit beidem. Dann sind wir drin: in einem neuen Jahr. Wie schnell das wieder geht! Es dauert jetzt nicht mehr lange!
Ein kirchlicher Feiertag ist der 31.12. nicht. Es ist der 7. Tag der Weihnachtsoktav und gerät so in den Glanz von Weihnachten. Eigentlich eine großartige Entdeckung: mit dem 7. Tag erreichen wir heute sozusagen den Höhepunkt von Weihnachten. Der 31.12. - letzter Tag im Jahr - bekommt eine Krone aufs Haupt. Es ist, als ob die Zeit gesegnet werden soll. Das Evangelium ist noch einmal - letztmalig - weihnachtlich: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
Der Gedanke, dass wir am 31.12. weiter schauen können als nur über ein, gerade mal ein Jahr, ist ein Geschenk, das schönste und größte, dass uns heute übergeben werden kann. Wir werden mit unseren Blicken auf den Anfang gelockt und angezogen, wir sehen Gott ins Herz, wir werden zu Zeugen von dem, was er denkt. Licht soll es werden. Ein Jubel wird laut:
" ...das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit."
In seinem Weihnachtslied "Ich steh an deiner Krippen hier" fand Paul Gerhardt dafür die Worte:
Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden
Auffällig: immer wieder ich, immer wieder mir, immer wieder mein.
Ich werde neu geschaffen, ich sehe die Herrlichkeit Gottes, mir kommen Gnade und Wahrheit zu.
Der Gedanke, dass wir heute den 7. Tag der Weihnachtsoktav feiern, gefällt mir immer besser.
Aus seiner Fülle
Gefühlt ist es aber heute der letzte Tag des Jahres 2012. Weihnachten liegt längst hinter uns. Viele von uns haben zwischen den Jahren schon (wieder) gearbeitet. Die Zauberworte heißen: Jahresabschluss, Umtauschaktion oder einfach nur: Haushalt. Manche sind sogar glücklich darüber, dass Weihnachten vorbei ist.
Jeder, jede von uns hat längst einen eigenen Jahresüberblick versucht (oder auch vermieden). Überblick! Was für ein Wort! Die Mühen und Freuden der Tage sind längst verwischt, nachgedunkelt oder aufgehellt. Die besonderen und herausragenden Erfahrungen, im Guten wie im Bösen, haben es da leichter, sich in Erinnerung zu halten. Eine neue Arbeit. Eine (Traum)Hochzeit. Ein Säugling, ein Kind im Arm. Oder auch ein Rosenkrieg, ein Scheidungstermin. Schrecklich: der Tod eines lieben, vertrauten Menschen. Ich weiß nicht einmal, wie ich das alles in eine Reihe bekomme. Bändigen kann ich es eh' nicht. Aber ich sehe den Lichtschein. Die Schatten auch.
Die große Geschichte hat ihre Spuren dann auch noch bis weit in unser Leben gezogen. Die sog. Wirtschafts- und Finanzkrise ist immer noch da und die Rettungsschirme sind gefühlt zu klein. In unserer eigenen Umgebung wird wieder einmal ein Werk geschlossen. Die Entscheidung fällt in Übersee. Unterschriftenaktion zwecklos.
Wenn wir dann - um nur ein Beispiel zu nennen - in den Nahen Osten schauen, werden wir ratlos und kleinlaut. Wie wird es denn jetzt in Ägypten weitergehen? In Syrien? In Israel? In Palästina? Wir wissen von dem Leid, von Grenzen, von Hass - die Welt ist klein geworden. Am Ende haben wir genug mit uns zu tun.
In unseren Kirchengemeinden werden wir das Jahr in Statistiken zu fassen versuchen: Kirchensteueraufkommen, Kirchenaustritte, Kircheneintritte, Gottesdienstbesuch. Dass sich auch in nackten Zahlen Sehnsucht nach Gemeinschaft ausdrückt, auch Angst vor der Zukunft, überrascht nicht wirklich. Seufzend heißt es dann: Schon wieder weniger - oder auch zuversichtlich: Immer noch so viel.
Der 31.12. hat trotzdem seinen eigenen Reiz. Wir zelebrieren ihn. Die Grenze gar zum Karneval ist fließend. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass wir mit Klagen keine Zukunft haben - wir begrüßen das neue Jahr mit einem Fest.
Der tiefste Sinn eines solchen Festes wird uns heute am 7. Tag der Weihnachtsoktav geschenkt: wir leben aus seiner Fülle, aus der Fülle Gottes. Im Evangelium heißt es:
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.
Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
Das wahre Licht
Wenn wir nachher gebannt auf die Uhr schauen, 1, 2, 3, 4, 5 ... vor Zwölf,
wenn die Sektflaschen geöffnet werden,
wenn jung und alt draußen ein Feuerwerk eröffnet
wenn die Glocken läuten
wenn der Mond auf ein buntes Treiben schaut
dann werden Glückwünsche ausgesprochen, Segenswünsche sind es allzumal.
Ein glückliches neues Jahr ! wünschen wir uns,
Menschen nehmen sich in den Arm,
wer sich liebt, schenkt einen Kuss.
Von Johannes ist der wohl größte Wunsch:
Dass wir das wahre Licht sehen - Christus.
Wir gehen dann nicht in das Ungewisse, Fragliche, Zerbrechliche.
Wir gehen dann auch nicht verbittert, traurig und verängstigt -
Wir gehen dann in das Leben!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.