Das Gleichnis von der verkehrten Welt
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist so schön, dass man am liebsten verlorener Sohn, verlorene Tochter sein möchte. Vom Schweinestall an den festlich gedeckten Tisch, von tiefer Erniedrigung in ungeahnte Höhe gebracht, von Schuldvorwürfen mit Liebeserklärungen befreit. Zu schön, um wahr zu sein. Verlorene Söhne, verlorene Töchter werden aus den Familienfotos herausgeschnitten, mit Schweigen bedacht, in stiller Trauer begraben. Gefeiert wird der erfolgreiche Sohn, die erfolgreiche Tochter. Ihnen gehört das Fest! Ihnen gehört auch die Laudatio!
Lukas überliefert das Gleichnis von der verkehrten Welt. Von der verwandelten Welt. Von der neuen Welt. Ein junger Mann bricht auf. Frohgemut und bestens ausgestattet. Mit seinem Erbteil. Jetzt steht ihm die Welt offen. Woran es liegt, dass sich seine Biografie in die eines Schweinehirten verwandelt, erzählt Lukas nicht. Leider. Nur: er habe alles verprasst, alles verloren. Falsche Freunde? Dirnen lächeln im Hintergrund. Sie kennen die Menschen. Wie Bänker, Bettler und Beichtväter. Am Ende grunzen die Schweine. Tiefer kann ein Mensch nicht fallen!
Aber dieser junge Mann bricht wieder auf. Sein Selbstgespräch wird sogar überliefert. Es ist, als ob ihm jemand zugehört hat. Einer, der Lebensgeschichten einen guten Ausgänge gibt.
Jetzt kommt der Vater ins Spiel. Er scheint schon lange gewartet zu habe. Es ist, als ob er am Fenster steht. Tag für Tag. Wie schnell er laufen kann! Er rennt dem Häufchen Elend entgegen. Nimmt ihn in den Arm. Dass der heruntergekommene Typ nach Schwein stinkt - den Küssen macht das nichts. So schmeckt Liebe. So riecht sie. Sie riecht gut, sie macht alles gut. Dann geht alles ganz schnell. Lukas überschlägt sich fast. Neues Gewand, edler Siegelring und ein rauschendes Fest. Das kann doch alles nicht wahr sein. Hier stimmt etwas nicht. Es fängt zu stinken an.
Eine Geschichte, die vorne und hinten nicht stimmt
Ein abgearbeiteter und müder Mensch kommt nach Hause. Er weiß nichts... er wurde nicht einmal vom Feld geholt, nicht eingeladen, nicht informiert. Er versteht die Welt nicht mehr. Er hört die Musik. Er hört das Gelächter. Aber er fühlt sich ausgeschlossen, nein, verarscht. Dieser dein Sohn, sagt er erbost, nicht: mein Bruder. Die Grenze ist hochgezogen. Sie trennt die, die gerade feiern und die, die anständig von der Arbeit nach Hause kommen. Der Streit liegt in der Luft.
Lukas erzählt tatsächlich eine Geschichte, die vorne und hinten nicht stimmt! Ich weiß gar nicht, was ich denken soll. So verkehrt kann doch die Welt nicht sein - oder werden. Oder muss die Welt so umgedreht werden, dass sie noch einmal neu anfangen kann? Ob Lukas ein wenig Spott mit uns treibt? Zuzutrauen ist ihm das. Sein Evangelium ist sowieso voller Überraschungen. Im Magnifikat singt Maria: Er - der HERR - stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. In der Geburtsgeschichte Jesu kommen die Engel zu den Hirten auf den Feldern. Zu den Menschen, die nicht besser geachtet sind als - Schweinehirten. Ich könnte die Reihe fortsetzen und fände kaum ein Ende. Das verunsichert mich, fordert mich heraus. Bisher glaubte ich zu wissen, was rechtens ist. Was sich doch eigentlich von selbst versteht. Aber hier läuft gerade der falsche Film.
Das Zauberwort ist Umkehr
Lukas aber lächelt uns an. Falscher Film? Kennt ihr denn den richtigen, den wahren? Seht den Vater, seht Gott. Er ist barmherzig von Anfang an. Er gib nicht preis, was und wen er ins Leben gerufen hat. Er lässt niemanden fallen. Sein Zauberwort ist: Umkehr. Wer umkehrt, fängt noch einmal neu an. Ohne Hypothek, ohne Schatten. Ein neuer Weg beginnt. Zukunft. Darum muss gefeiert werden! Das duldet keinen Aufschub. Jetzt! Jetzt beginnt eine neue Geschichte. Ich sehe jetzt den verlorenen Sohn. Mit neuer Würde bekleidet. Mit Siegelring. Ein Herr!
Er war verloren und ist gefunden,
Er war tot - siehe: er lebt wieder.
Die ganze Geschichte ist eine Auferstehungsgeschichte, eine Ostergeschichte.
Das Zauberwort ist Umkehr! Der Bruder, treu, verlässlich, eine Stütze des Vaters, wird auch umkehren müssen. Er kann nicht so bleiben wie er ist. Schon gar nicht selbstgefällig, in seine eigene Bedeutung verliebt, ein Meister der Rechnung, der Abrechnung. Seine Verdienste sind unbestritten und hoch anerkannt. Aber wenn er sich nicht freuen kann über die Heimkehr seines Bruders, verliert er sich. Er macht sich zum verlorenen Sohn. Er geht verloren. Er verliert am Ende sogar den barmherzigen Vater.
Der große Bruder wird eingeladen, sich zu freuen. Das wird für ihn die Umkehr in das Leben. Die ganze Geschichte ist eine Auferstehungsgeschichte, eine Ostergeschichte.
Eine Geschichte vom Finden
Verlorene Söhne und Töchter gibt es immer wieder. Menschen werden überhaupt oft verloren gegeben. Menschen, die anders sind. Die sich unseren Bildern entziehen. Die sich uns nicht anpassen. Im Evangelium finden wir eine Findegeschichte, die von dem Wunder der Barmherzigkeit erzählt. Wir werden eingeladen, uns zu freuen!
Lukas erzählt eine Geschichte, die so schön ist, dass man am liebsten verlorener Sohn, verlorene Tochter sein möchte.
Keine Sorge! Von der Barmherzigkeit Gottes leben wir jeden Tag. Wir, die wir uns schuldig machen. Die wir uns schuldig sprechen.
Gleich brechen wir das Brot. Wir feiern EUCHARISTIE.
Es ist das Mahl seiner Barmherzigkeit.
Der Vater läuft uns entgegen - und lädt uns zur Freude ein.
Kommt, feiert ein Fest mit allen, die verloren waren - und gefunden sind.
Wir feiern eine Ostergeschichte. Jetzt!