Glaubenswissen und Glaubenserfahrung
Vor einigen Tagen erlebte ich in einer Runde von Firmhelfern - so nennt man bei uns Erwachsene, die helfen, jugendliche Firmkandidaten auf das Sakramtent der Firmung vorzubereiten - ein Gespräch über ihre Erfahrungen mit der Firmvorbereitung. Neben anderem ging es dabei auch um die Frage, wie viel abfragbares Glaubenswissen für eine Zulassung zur Firmung vorausgesetzte werden soll, oder ob es nicht zielführender sei, die jungen Menschen Glaubenserfahrungen machen und besprechen zulassen.
Wie viel Wissen setzt unser Glaube voraus? Führt Glaubenswissen zum Glauben?
Des Öfteren wird das mangelnde Glaubenswissen vieler getaufter Christen beklagt. Zu besonderen Anlässen führen uns die Medien durch Passantenbefragungen vor Augen, wie wenig "der Mann/die Frau von der Straße" mit diesem oder jenen kirchlichen Feiertag anfangen können. Offenbar erbringen bei vielen Menschen weder die allgemeine Schulbildung noch ein jahrelanger Religionsunterricht das erwartete religiöse Basiswissen.
Meines Erachtens ist es ungerecht, die Schuld daran den Religionslehrern in die Schuhe zu schieben. Sie sind besser denn je zuvor ausgebildet, und die meisten von ihnen sind hoch motiviert. Auch auf der Seite der Kirchenleitung geschieht Beachtliches, um die nötigen Informationen fachgerecht zur Verfügung zu stellen. Letztes Beispiel dafür ist der sog. YOUKAT, ein Katechismus, der Jugendlichen in Glaubensfragen die entsprechenden Antworten bereithält. Warum bringt so viel aufrichtiges Bemühen nicht die erwünschten Früchte?
Weise, Kluge und Unmündige
Im Evangelium, das an diesem Sonntag verkündet wird, preist Jesus den Vater, "weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast". Seiner Einschätzung nach haben Letztere mehr und Wesentlicheres vom Glauben begriffen als die Religionsspezialisten, "die Weisen und Klugen". Bei den Kleinen und "Unmündigen" punktet Jesus. Sie laufen ihm zu, hören auf ihn, folgen ihm nach. Ihnen nimmt er Lasten ab, die sie nicht tragen können und für die offenbar die "Weisen und Klugen" verantwortlich sind.
Wo liegt der Unterschied? - Jesus geht es um ein Erkennen im Sinne von Beziehungen. Die Kleinen und Einfachen erkennen seine innige Beziehung zum Vater, und er leitet sie an, mit dem Vater und mit ihm in Beziehung zu treten. Genau das verweigern "die Weisen und Klugen". Ihre Kenntnis der religiösen Überlieferung hindert sie eher, in diese Beziehung einzutreten und die besondere Beziehung Jesu zum Vater anzuerkennen als sie ihnen nützt.
Glaubenserfahrung und Glaubenswissen fördern sich gegenseitig
Was kann das für uns heute bedeuten? Ist all unser Glaubenswissen überflüssig? Ist es gar hinderlicher Ballast? - Ich möchte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Mir selbst sind Erfahrungen in zwei Richtungen wichtig geworden: Ohne persönliche Beziehung zu Gott und zu Jesus Christus hätte das theologische Wissen, das ich mir im Laufe meines Lebens erworben habe, keine größere Bedeutung als das Wissen über die Römer und Griechen, mit dem mich meine humanistische Schulbildung ausgestattet hat. Dieses ist spannend, interessant und mitunter unterhaltsam, hat aber für mein persönliches Leben wenig Bedeutung.
Im Hinblick auf meine persönliche Beziehung zu Gott ist jedoch das Wissen um religiöse Zusammenhänge eine reich gefüllte Schatztruhe, in der ich immer wieder Interessantes und Anregendes für mein Leben entdecke. Die Beschäftigung damit führt mich immer tiefer in die Beziehung zu Gott und zu Jesus Christus hinein.
Besonders dankbar bin ich meinen theologischen Lehrern für ihre Anleitungen und ihre Ermutigung zu kritischem Denken. Dies hilft mir, mich von teils archaischen und manchmal auch primitiven Formen der Religionsausübung zu befreien. Es hilft mir auch, nicht auf moderne Ersatzreligionen hereinzufallen, die auf vielfältige Weise blühen und das Vakuum zu füllen trachten, das durch den Auszug vieler Menschen aus den traditionellen Großkirchen entstanden ist.
Gottesbeziehungspflege
Ohne persönliche Gottesbeziehung nützte mir dieses Wissen jedoch wenig. Ebenso wichtig, wie mich umfassend weiterzubilden, ist für mich, meine Gottesbeziehung zu pflegen. Vor allem durch persönliches Beten und durch das regelmäßige Feiern der Sakramente. Dabei nimmt der Sonntagsgottesdienst eine besondere Stellung ein.
Mit Sorge betrachte ich Tendenzen, die sich im religiösen Leben vieler Mitchristen abzeichnen. Etwa die Neigung zu geistlichen Großveranstaltungen im Rahmen von Wallfahrten oder aufwändig gestalteten kirchlichen "Events". Nicht wenige machen es sich zur Gewohnheit, nur dann den Gottesdienst mitzufeiern, wenn eine besondere Attraktion geboten wird; sei es, dass ein Chor auftritt, sei es, dass der Gottesdienst für eine bestimmte Gruppe gefeiert wird. Dabei befürchte ich, dass sich das Motiv des Mitfeierns verschiebt und die persönliche Gottesbeziehung und Gottesbegegnung in den Hintergrund tritt. Unter der Hand degradieren sich "Gottesdienst-Mitfeiernde" zu "Gottesdienstbesuchern"
Mein Wunschziel: Eine gepflegte Kultur des Sonntags, in der unsere Gottesbeziehung im Mittelpunkt steht und die Gottesdienstgemeinde "Altes und Neues" aus dem reichen Schatz der kirchlichen Überlieferung und aus den vielen Begabungen der Mitfeiernden hervorholt.