Als Gäste beim Abendmahl
Mit dem Gründonnerstag beginnen die hl. drei Tage: das letzte Mahl Jesu, seine Kreuzigung, seine Auferstehung. Genau genommen: wir brauchen drei Tage, um das Geheimnis der Liebe zu erzählen und zu feiern. Eine Liebe, die aufs Ganze geht – und dann alles gewinnt. Eine Liebe, die den Tod durchmisst – und ihn überwindet. Eine Liebe, die den Himmel öffnet – und uns die Erde aufschließt. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll…
Aber vielleicht muss ich jetzt auch nichts beschreiben! Heute Abend feiern wir das Abendmahl Jesu. Wir treten sozusagen in diese Geschichte ein, setzen uns zu den Jüngern – und erleben Jesus. Wenn wir dann wieder gehen, haben wir einen neuen Blick auf unser Leben, auf die Menschen, auf unsere Herausforderungen. Jedenfalls können wir nicht so tun, als ob wir nicht dabei gewesen wären!
Was macht Jesus? Er wäscht seinen Jüngern die Füße! Er rutscht dabei nicht unter den Tisch, wie es uns jetzt in den Sinn kommen könnte. Die Jünger liegen auf Polstern, ausgebreitet. Den Kopf abgestützt. Die Füße, nackt, zeigen nach außen. Wie staubig doch die Wege waren, die sie gegangen sind! Die Sandalen sind abgelegt. Jetzt ist niemand auf dem Sprung. Jetzt wird gefeiert. Doch: In einem guten Haus war es die Aufgabe von Sklaven, die Füße der Herren – und der Gäste - zu waschen. Die Sklaven gehörten nicht an den Tisch… Sie wurden auch nicht eingeladen, sich dazu zu setzen – Verzeihung, sich dazu zu legen. Der Tisch des Herrn hatte Grenzen. Unausgesprochen. Regel seit Ewigkeiten.
Füße waschen…
Ich sehe Füße vor mir. Sie tragen die Spuren des Alters, der Wege, der Steine. Sie erzählen von schönen Strecken, aber auch von beschwerlichen Touren. Sie haben Hornhaut angelegt – wie einen Panzer. Aber sie wissen von jeder Delle, von jedem Matsch ein Lied zu singen. Wie beweglich doch ein Fuß ist! Leicht federnd ist ein Schritt – wenn es zu einem geliebten Menschen geht. Hart und schwer ist der Gang – wenn die Last des Lebens auf den Schultern ruht. Von weitem schon sieht man, wie ein Mensch drauf ist – man erkennt von weitem an seinem Gang. Dabei sind es die Füße, die so viel Kraft haben, einmal zu springen – dann im Gleichmaß zu gehen. Kilometer um Kilometer. Manchmal rutscht der Druck in die Zehen. Sie krallen sich fest, sie spielen im Wind, sie sind als erste – im Ziel. Nur, wenn ich fest stehen will, ausruhen möchte oder einfach nur warten – dann sind es die Hacken, die tragen. Sie könnte ich auch zusammenschlagen. Unterwürfig und leidenschaftslos. - Ich muss es nicht.
Füße waschen …
Füße waschen heißt: das Leben waschen. Und dabei unten anzufangen. Hier gibt es keinen brillanten Gedanken, keinen erhobenen Kopf, keinen weitfliegenden Geist. Schritte gibt’s, Lebens-Schritte. Kleine Schritte. Schritt für Schritt. Wisst ihr, was es heißt, die Welt schrittweise zu entdecken? Mit bloßen Füßen? Dann wird die Welt ganz klein. Und die Uhren laufen anders. Der Herzschlag auch.
Füße waschen …
Petrus poltert los. Er versteht die Sprache, die Geste, das Zeichen nicht. Jesus als Sklave? Nicht mehr am Tisch des Herrn, der Herren – sondern gebückt, mit abgelegtem Festgewand, geschürzt? Das passt nicht zu dem Bild, das Petrus sich längst gemacht hat, auch nicht zu dem Bild, das er von sich gemacht hat. Die Rollen sind vertauscht, durcheinander geraten. Bei diesem Mahl. An diesem Abend. Aber wie sich die Füße jetzt fühlen! Nicht nur der Staub ist weg. Es sind die Füße, die sonst – buchstäblich – im Schatten sind, die die ganze Liebe spüren, die von Jesus jetzt ausgeht. Große Herren haben Füße, kleine Leute haben Füße, Flüchtlinge haben Füße…
"Ein Beispiel habe ich euch gegeben"
Jesus hat von einem Beispiel gesprochen, das er gegeben hat. Was an diesem Abend passiert, gegen alle Spielregeln, Konventionen und Überlieferungen, wird zu einem Auftrag.
„Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“
Mit dem Gründonnerstag beginnen die hl. drei Tage: das letzte Mahl Jesu, seine Kreuzigung, seine Auferstehung. Genau genommen: wir brauchen drei Tage, um das Geheimnis der Liebe zu erzählen und zu feiern. Eine Liebe, die aufs Ganze geht – und dann alles gewinnt. Eine Liebe, die den Tod durchmisst – und ihn überwindet. Eine Liebe, die den Himmel öffnet – und uns die Erde aufschließt.
Vorhin habe ich gesagt: Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll... Aber wer heute Abend bei diesem Mahl Jesu dabei ist, spuckt keine großen Töne, wirft sich nicht in Schale, trägt die Nase nicht hoch – schaut aber auf die Füße.
Heute erzählen die Füße:
Von den langen, beschwerlichen Strecken der Flüchtlinge, die jetzt irgendwo festhängen, die in Lagern angekommen sind, die auch die letzten Hindernisse erklimmen...
Von den alten Menschen, die nur noch langsam gehen können, Schmerzen haben, die ihre Füße nicht mehr spüren...
Von den Kindern, die mit einer Leichtigkeit und Schwerelosigkeit die Welt erobern, als könnten ihre Füße sie sogar in den Himmel tragen...
Von den Verkäuferinnen und Verkäufern, von den Serverinnen und Kellnern, von den Krankenschwestern und Pflegern, die den ganzen Tag auf den Beinen sind, geschwollene Füße haben und sich nur noch lang machen wollen...
Von den Athleten und Läufern, die ihre ganzen Träume in die Füße legen, Millisekunden und weite Sprünge...
Ich sehe aber auch den Rollstuhl, der die Füße nicht mehr ersetzt. Das abgenommene Bein. Die amputierte Hoffnung. Und die Prothesen, die einspringen.
Die Füße erzählen viel
Sie erzählen heute von Zuwendung und Nähe, sie erzählen heute von Liebe. Von empfangener Liebe. Von Wertschätzung. Von Wichtigkeit. Einmal im Jahr spielen sie die Hauptrolle. Bei dem Mahl Jesu, dass er mit seinen Jüngern feiert. In der Nacht, in der er verraten wird.
Jesus hat uns ein Beispiel gegeben. An ihm nehmen auch große Geister Maß – und werden ganz klein. Denn wenn von Füßen die Rede ist, werden auch die Sklaven ins Licht gestellt. Während die Herren verstummen. Und staunen!
„Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.“
Fortsetzungserzählung
So fängt eine Geschichte an, die ihre Fortsetzung sucht. In meinem Leben. Wissen Sie, was mir so am Schluss in den Sinn kommt? Jesus hat auch meine Füße gewaschen.
- Sie sind durch so viel Dreck gegangen...
- Sie haben sich so oft aus dem Staub gemacht...
- Sie sind so oft in einem Gestrüpp hängen geblieben...
- Sie sind so oft müde...
Jetzt bin ich dran! Den guten Anzug muss ich nicht immer anhaben. Die Schürze steht mir auch gut. Und dass fremde Füße eine Entdeckung sein können – na ja, das erzählen wir uns später.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.