Last und der Lust der Nachfolge
Vorgänger haben Hochkonjunktur. Etwa: In Griechenland, in Italien und nun auch in Spanien dürfen sich Politiker in leitender Verantwortung mit den Scherben herumschlagen, die ihre Vorgänger produziert haben. Und derer gibt es reichlich. Die Vorgänger haben sich versucht - und bei einigen darf man ja durchaus feststellen: Sie haben ihr Bestes gegeben - wenn auch nicht immer erfolgreich. Ob ihren Nachfolgern jetzt mehr Glück beschieden ist, wird sich weisen. Aber nicht nur in der Politik, auch in der Wirtschaft und in der Kirche erleben Verantwortliche, dass sie sich mit dem Erbe ihrer Vorgänger und Vorgängerinnen auseinander setzen müssen.
In die Fußstapfen anderer zu treten, ist immer ein heikles Geschäft: entweder wird man an den Erfolgen der Vorgänger gemessen oder es wird erwartet, dass man deren Schlappen ausbügelt. Nachfolger, die ihr eigenes Profil entwickeln, müssen das immer in Auseinandersetzung mit den Taten ihrer Vorgänger tun.
Vom Vorgänger Johannes
Im Evangelium heute ist von einem Vorgänger die Rede, bei dem es - zumindest in der Darstellung des Evangeliums - ganz anders ist: Johannes ist der Vorläufer, der wie eine Lampe seinen Lichtstrahl auf den Nachfolger wirft, um den es aber immer zuerst in der Verkündigung des Evangeliums geht. Am Jordan ist es die Aufgabe des Täufers, den Gottessohn anzukündigen und den Menschen deutlich zu machen, dass sich das Wirken des Johannes noch zuspitzen wird: Johannes ruft auf zur Umkehr und verkündet Heil, Jesus ist selber personifiziertes Heil Gottes. Die Wirkung des Vorläufers wird also gemessen am Wirken des Nachfolgers. Wenn Gott Heilstaten vollbringt, werden anscheinend übliche Logiken ausgehebelt.
Erbe verpflichtet
Dennoch wird eines deutlich sichtbar: Das Heilswirken Gottes in dem Gottesssohn und Mann aus Nazareth ist nicht ein einzelnes Geschehen, das einmalig passiert ist wie der Stern über der Krippe in Bethlehem. Gott hat einen Plan mit seiner Schöpfung. Und dieser Plan ist zum Moment der Geburt Jesu schon so alt wie die Schöpfung selbst. Und in diesem Plan Gottes gibt es Zeiten und Momente, die alle ihre ganz eigene Gestalt haben. Oder vielmehr: ihre ganz eigenen Gestalten vorweisen. Vor dem Auftreten des Gottessohnes ist es der Täufer, der am Jordan auf seine ganz eigene Weise die Menschen Heil Gottes erfahren lässt. Und vor dem Täufer sind es wieder andere. Wir denken etwa an Elisabeth, die Verwandte Mariens. Sie hatte schon angesichts der schwangeren Gottesmutter eine tiefgehende Ahnung dafür, was da passiert. Wir denken an die Gottesmutter selbst, die der Evangelist Lukas im Magnificat eindrücklich und tiefgehend das Heil Gottes besingen lässt. Wir denken weiter zurück an die Stammväter und -mütter und die Propheten des alten Volkes Israel, die auf ihre Weisen und zu ihren Zeiten Gottes Plan mit seiner Schöpfung haben Wirklichkeit werden lassen.
"Bist du aber Kind, dann auch Erbe” (Gal 4,7b)
Der Heilsplan Gottes ist in Jesus aufgegangen, aber nicht vollendet. Er hat seinen Höhepunkt erreicht, aber nicht seinen Abschluss. Das Heilsgeschehen geht weiter - bis heute und weit darüber hinaus. So wie Jesus Vorgängerinnen und Vorgänger hatte, die - mit ihren ganz eigenen Profilen - ihr Licht auf ihn warfen, so gibt es bis heute viele Nachfolgerinnen und Nachfolger, die in dem Licht Jesu leben und den Plan Gottes weiterleben lassen. Jeder und jede, die durch die Taufe in die Nachfolge Jesu ge-rufen ist, ist somit auch be-rufen, mit dem eigenen und persönlichen Profil, mit den eigenen Fähigkeiten und Gaben, den eigenen Charismen, Gottes Plan für seine Schöpfung hier und heute umzusetzen. Damals gab es dabei keine zwei gleichen Weisen - heute auch nicht. Jeder Prophet und jede Prophetin wie auch Johannes und all die anderen waren Zeuginnen und Zeugen zu ihren Zeiten und in ihren Zusammenhängen - das gilt auch für jeden Christ und jede Christin heute. Die Prophetinnen und Propheten haben ihre Fehler gemacht, der Kopf des Johannes landete in der Schale der Salomé - nicht jeder hat Glück gehabt und immer die richtigen Schritte gemacht: Wer für Gott einsteht, darf Fehler machen und kann auch scheitern.
Wer dagegen hingeht und das System der Nachfolge stört, es kanalisieren und uniformieren will, wer hingeht und an Zeuginnen und Zeugen ein anderes Kriterium als ihre Glaubwürdigkeit anlegt, wer hingeht und das Engagement von Menschen in der Nachfolge Jesu abschneidet, weil sie stören, der vergeht sich fundamental am Heilsplan Gottes. Das waren zur Zeit des Alten Israels Menschen wie ein König Nebukadnezar, zur Zeit Jesu ein König Herodes und viele andere. Und auch heute gibt es solche Menschen noch - sogar in den Kirchen.
Träumen und tun
An diesem Tag will uns das Vorbild des Johannes ermutigen, unseren Weg der Nachfolge wieder in den Blick zu bekommen: Johannes stand am Ufer des Jordan. - Wo ist unser Platz, wo stehen wir als Christinnen und Christen? Johannes sprach zu den Menschen, die ihn aufsuchten, die von ihm gehört hatten. - Wem erzählen wir? Kindern, Enkeln, Partnern und Partnerinnen, Schülern, Nachbarn, Freunden, - Fremden? Johannes hatte diese Vision des Jesaja im Herzen: "Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn.” (Jes 40,4.5a) - Was trägt uns, wovon träumen wir?
In wenigen Tagen ist Weihnachten. Da liegt dann dieses kleine Kind in der Krippe, das augenscheinlich schwach und hilfsbedürftig ist. Doch es hat großes zu bieten. Und doch braucht dieses Kind auch heute unsere Augen, die in die Welt sehen, unsere Füße, die neue Wege gehen, unsere Hände, die zupacken, und unsere Herzen, die Brücken schlagen zu den Menschen.
An uns liegt es, uns von dieser Situation des Weihnachtsfestes anspornen zu lassen und dieses Geschenk Gottes an uns den Menschen immer wieder neu weiterzureichen.