Schickimicki genügt nicht
Im Evangelium dieses Sonntags wird Jesus gefragt, ob es schwierig sei, gerettet zu werden und ob nur wenige dieses Ziel erreichen. Jesus antwortet mit dem Bild einer engen Tür, durch die man das ersehnte Ziel nur mit Mühe erreichen werde. Leider sagt er uns in diesem Abschnitt nicht, wie man durch die enge Tür gelangt. Was man konkret tun müsse, kommt in diesem Ausschnitt der Bibel nicht zur Sprache. Er stellt nur klar, dass es nicht genügt, mit ihm nur gegessen und getrunken zu haben, d.h. ihn nur oberflächlich zu kennen.
Oberflächliches Sich-Kennen und damit zu prahlen scheint zu allen Zeiten ein beliebter gesellschaftlicher Massensport gewesen zu sein. Prominenz kennt man, man ist mit ihnen vielleicht sogar per du, macht "Urlaub bei Freunden", streut einander Rosen, kennt den aktuellen Tritsch-Tratsch über einander und ist in aller Welt daheim. Und wenn man Glück hat, wäscht eine Hand die andere.
Jesus scheint auch mit dieser Art von Freundschaft Erfahrung gemacht zu haben. Er war gern gesehener Gast, ein begehrter Interviewpartner, man musste ihm einmal begegnet und über ihn informiert sein. Die Anliegen, derentwegen er unterwegs war und die ihm ans Herz gewachsen waren, wurden oft nicht wahrgenommen. Er musste sich von vielen verkannt und nicht ernst genommen fühlen. Da und dort wurde er für andere Zwecke missbraucht.
Jesus kennen
In Österreich hat ein Politiker in den letzten Tagen seine Sicht von Nächstenliebe plakatieren lassen, um damit für die bevorstehende Nationalratswahl zu punkten. Diese steht in Gegensatz zu dem, was Vertreter der Kirchen, der Caritas und der Diakonie predigen. Für jeden, der das Paradebeispiel Jesu zum Thema Nächstenliebe, die Erzählung vom barmherzigen Samariter, kennt, ist dieser Umgang mit einem zentralen Anliegen Jesu ein Schlag ins Gesicht.
Wer durch die enge Tür gelangen will, muss Jesus besser kennen und ihn nicht nur als Stichwortgeber missbrauchen. Er muss mit seinen Anliegen nicht nur vertraut sein, sondern diese auch teilen.
Die Frage, ob wir dazugehören ist damit noch nicht beantwortet. Sie bleibt ein Stachel in unserem Fleisch. Auch wir sind in Gefahr, Jesus schulterklopfend für unsere eigenen Interessen zu vereinnahmen. Wir zitieren gerne die Bibel, wo wir unsere Meinung durch sie bestätigt sehen. Aber lassen wir uns durch sie auch in Frage stellen? Oft schwimmen wir mit dem Mainstream, ohne dass wir es bemerken. Es ist gar nicht so leicht gegen den Mainstream anzudenken. Die Themen, die in der Öffentlichkeit diskutiert und behandelt werden, werden meist von langer Hand gesteuert. Nicht selten werden wichtige Informationen zurückgehalten usw. Was in der Kirche gepredigt wird, ist oft auch dem Mainstream angepasst. Prediger behandeln jene Themen, die heute gefragt sind. Oft ist es allerdings der Mainstream von gestern.
Was konkret tun?
Wie kommen wir an das heran, was Jesus gewollt und gesagt hat? Das ist gar nicht so einfach und geht meines Erachtens nicht ohne persönliche Anstrengung. Ich sehe zwei Spuren, auf denen wir uns Jesus annähern können.
Die erste Spur ist, dass wir das, was uns von Jesus überliefert wurde, nicht nur lesen, sondern auch in unserem Herzen bewegen. Dass wir versuchen, immer neu darüber nachzudenken und es von mehreren Seiten zu betrachten. Es lohnt sich, das Gehörte und Gelesene gegen den Strich zu bürsten und immer wieder mit dem in Beziehung zu setzen, was uns die Bibel sonst noch über Jesus und über Gott erzählt.
Für nicht weniger wichtig halte ich die zweite Spur: Wenn wir versuchen, den Menschen, dem Leben, der Welt in unserem Alltag so offen zu begegnen, wie Jesus den Menschen begegnet ist, wird darin Gott selbst zu uns sprechen. Die wichtigste Tür, durch die Gott zu uns kommt, sind die Brüche in unserem Leben. Wo die vorgefertigten Antworten uns nicht befriedigen, wo vorgegebenen Lösungen nicht aufgehen, wo die glatten Oberflächen aufbrechen, kann der Same des Wortes Gottes in uns eindringen und seine Kraft entfalten. Wer vor der vielfältigen Not der Menschen die Augen nicht verschließt, wird eine neue Sichtweise des Lebens gewinnen. Er wird vorsichtiger und weniger hart in seinem Urteil über andere und vielleicht sogar zum Helfen bereit. Weil Jesus sich von den Menschen hat anrühren lassen, ist er ihnen zum Nächsten geworden und ist er für sie eingetreten.
In diesem Sinne möchte ich das Bild von der engen Tür umdrehen: Wichtiger als sich ängstlich zu sorgen, ob ich durch die enge Tür kommen werde und wichtiger als alle Anstrengung unbedingt dabei zu sein, ist, dass wir jene Tür offen halten - auch sie ist eng und unscheinbar - durch die Gott in unser Leben tritt. Durch sie werden wir mit Jesus und seinen Herzensanliegen vertraut. Ich vertraue darauf, dass er uns dann erkennen und sich zu uns bekennen wird.