Tauffeier
Schade! In unserem Gottesdienst wird heute kein Mensch getauft. Kein Kind. Kein Erwachsener. Dabei ist es nicht nur ein Fest der Familie, sondern ein Fest der ganzen Gemeinde, wenn ein Mensch getauft wird. Wenn sich eine kleine oder größere Gemeinde an einem Taufbecken - oder auch Taufbrunnen - versammelt, an der Osterkerze die Taufkerze entzündet - und dann die Taufe feiert. Die Heilige Taufe. Mit Wasser und Geist.
In unseren Breiten ist die Taufe längst nicht mehr selbstverständlich. Vielleicht auch nur als Pflichtübung, als guter Brauch. Dabei ist die Taufe doch nichts weniger als ein großes Geschenk Gottes: Ich werde sein Kind - und werde auch so genannt, angesehen und sogar im Testament berücksichtigt. Ohne Vorleistung, Probezeit oder Bewährungsfrist. Was das für uns heißt, als Menschen, die sich ständig beweisen, rechtfertigen und besserstellen wollen, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Es kann nur gefeiert werden. Mit Wasser und Geist.
Lange wurde darüber gestritten, ob Kinder getauft werden könnten oder nicht doch nur Erwachsene, die doch wissen, was sie tun. Es war eine Entscheidung nach dem Herzen Gottes: Gerade Kinder. Und Menschen, die noch nichts mitbringen können, die nicht einmal auf ihren Glauben pochen können. Die sich beschenken lassen. Heute machen sogar viele Erwachsene gerade diese Erfahrung. Sie möchten sich taufen lassen. Sie möchten angenommen werden, die Zusage Gottes für sich hören, Glauben überhaupt erst einmal entdecken. Ohne fertig zu sein - und vielleicht je fertig zu werden.
Offener Himmel
Wenn ich jetzt an das Evangelium denke, das wir gehört haben, erscheint uns Jesus selbst als einer, der uns voraus- und vorangegangen ist. Er lässt sich taufen. Er geht an den Jordan. Er geht zu Johannes. Hat er es nötig, sich taufen zu lassen? Muss er auch Buße tun, umkehren, noch einmal neu anfangen? Entsetzt reagiert auch Johannes. Du - bei - mir? Wenn, müsste es doch umgekehrt sein. Ich - bei - dir! Aber Jesus lässt sich von seinem Weg nicht abbringen. Es ist ein Weg, der ihn mit den vielen anderen verbindet, die sich aufmachen, um getauft zu werden. Jesus stellt sich sogar in eine Reihe mit ihnen. Wartet, bis er dran ist. Wenn es Gott ernst ist, sich unter die Menschen zu mischen, einer von ihnen zu sein - jetzt, heute wird es sichtbar. Und sichtbar gemacht! Denn der Himmel öffnet sich. Wir hören die Stimme, ohne das Gesicht dazu sehen zu können: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Auffällig ist das schon: von Leuten, die das gesehen und gehört haben könnten, erzählt der Evangelist nichts - aber er erzählt es so, dass wir es hören und sehen. Eine Vorstellung für uns. Jetzt wissen wir, wer Jesus ist: Einer von uns - und doch Gottes Sohn. In den Streit, ob Jesus nur adoptiert worden sei, müssen wir uns nicht hineinziehen lassen. Wir werden auch keine neuen Argumente für die eine oder andere Seite finden - allerdings: wenn uns Jesus als Sohn Gottes begegnet, geht uns der Himmel auf. Gott ist auf einmal so nah, seiner Ferne und Größe geradezu entkleidet. Ich sehe Jesus an den Jordan gehen. Er will sich taufen lassen. Er ist nicht einmal der Erste, der sich taufen lässt - und nicht der letzte.
Große Verheißung
Sie könnten mir jetzt den Vorwurf machen, ich würde die Würde Jesu schmälern. Ihn einfach einreihen - und klein machen. Aber das könnte mir nicht einmal dann gelingen, wenn mir daran gelegen wäre. Nein, wer Jesus ist, wird uns heute in feinen Strichen gezeichnet:
In einer schrecklichen Situation, in der Israel buchstäblich am Ende war, predigt Jesaja:
"Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht"
Und dann, warm, nah, vertraut:
"Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus".
Erst dachte ich, ich müsse unbedingt etwas zu dieser Predigt des Jesaja sagen - aber dann ging mir auf, dass die Worte für sich sprechen: Wir wissen doch alle, wie Hoffnungen verglimmen, letzte Sicherheiten wegbrechen, uns selbst das Leben entgleitet. Gott setzt sich für Menschen ein, gerade dann, wenn sie glauben müssen, er habe sie fallen gelassen. Er gibt ihnen nicht den - Rest.
Bei Gott heißt das, "blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien." Eine neue Zeit kündigt sich an. Mit Menschen, die sehen - und die nicht mehr gefangen sind. Wir sehen geradezu das Licht aufgehen. Es gibt da einen, der sich kümmert - und der Autorität hat. Heißt er bei Jesaja noch "Knecht", wird er uns im Evangelium als "Sohn" vorgestellt - Gott begibt sich immer tiefer in die Geschichte der Menschen. Er gibt sein Bestes.
Mit dem Heiligen Geist gesalbt
Wir sind heute auch in der glücklichen Lage, einer Predigt des Petrus zu lauschen. Darf ich ihn zitieren? - "Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm."
Ich fühle mich auf Anhieb wohl: Ich weiß. Zumindest traut Petrus mir das zu. Das ist etwas! Manchmal bin ich da eher zögerlich - oder auch zweifelnd. Jesus, mit dem Heiligen Geist "gesalbt" - wunderschön ausgedrückt! - tut Gutes und heilt alle, die in der Gewalt des Teufels waren. Alle! Nun ist das mit dem Teufel so eine Sache, aber reden wir heute doch einmal von den bösen Erfahrungen, die wir machen - und die wir bereiten, reden wir heute doch einmal von der Angst, die wir ausstehen - und die wir machen, reden wir heute doch einmal von den Schuldverstrickungen, die uns gefangen halten - und aus denen wir andere nicht entkommen lassen. Auf einmal ist das Wort genannt: frei, erlöst. Und zwar: alle - Einschränkungen machen wir. Nicht ER.
Ich bin getauft
Immer, wenn ich an meine Taufe denke, wenn ich mit anderen eine Taufe feiere, dann sehe ich Jesus an den Jordan gehen. Seine Taufe fest im Blick. Das gefällt mir, tröstet mich auch. Er ist auf meiner Seite. Aber dann höre ich auch die Stimme aus dem Himmel. Sie ist - mir zugedacht. Der, der mit mir auf dem Weg ist, kommt von Gott, ist ein Teil von ihm, ja, am Ende nicht mehr zu unterscheiden von ihm. Das ist meine Hoffnung, mein Glück, mein Lied.
Was alles in meinem Leben zerbricht und zerbrechen kann: bei ihm muss ich nicht fertig sein. Mich auch nicht fertig machen. Aber er richtet mich auf. Was mich gefangen nimmt und wie ein Fluch auf mir lastet: ich bin frei gesprochen.
Was Gott über Jesus sagt: Das ist mein geliebter Sohn, strahlt auf uns aus. Es ist wie ein Licht, das auf uns gebreitet wird - wie ein Himmel, der sich uns öffnet. Jetzt - als Kinder Gottes angenommen, angesehen und sogar testamentarisch bedacht - werden wir glimmende Dochte nicht auslöschen, sondern entfachen; werden wir den Teufelskreisläufen keine Macht einräumen, sondern dem Bösen Paroli bieten; werden wir Gutes tun.
Zu den schönsten Geheimnissen des Weges Gottes mit uns Menschen gehört, dass er uns nicht alleine gehen lässt. Wenn wir schon "Kinder" sind - haben wir auch Brüder, Schwestern - Menschen, die mit uns auf dem Weg sind. Menschen, die uns, die wir brauchen! Wie gut tut da auch der Gedanke, Kirche zu sein - oder zu werden.
In meinen Leben spiele ich viele Rollen. Nicht immer gute. Auch nicht immer erfolgreiche. Schon gar nicht "göttliche". Aber was mir heute zugemutet wird, sprengt so ziemlich alles, was ich mir zurecht gelegt habe: Ich bin getauft!
Johann Jakob Rambach schreibt 1734:
Ich bin getauft auf deinen Namen,
Gott Vater, Sohn und Heil'ger Geist,
Ich bin gezählt zu deinem Samen,
Zum Volk, das dir geheiligt heißt,
Ich bin in Christum eingesenkt,
Ich bin mit seinem Geist beschenkt.
AMEN.