Evangelium vom Fest der Taufe des Herrn, Lesejahr A:
Mt 3,13-17
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:
In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes,
um sich von ihm taufen zu lassen.
Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm:
Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir?
Jesus antwortete ihm:
Laß es nur zu!
Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen.
Da gab Johannes nach.
Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen,
da öffnete sich der Himmel,
und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
Und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
Das ist mein geliebter Sohn,
an dem ich Gefallen gefunden habe.
Mt. weicht von seiner Vorlage in Mk 1,7-11 ab, überliefert die Taufe Jesu aber in einem anderen Rahmen. Das gibt ihm die Möglichkeit, die Taufgeschichte pointiert nachzuerzählen.
Der Täufer Johannes will Jesus nicht zur Taufe zulassen. Er hat nur ein Argument - und das wird ihm entwunden: Um die Gerechtigkeit zu erfüllen (eine beliebte Formulierung des Matthäus), muss sich Jesus von Johannes taufen lassen. Jesus stellt sich auf die Seite der Sünder. In dieser Szene wird nicht einmal eine Verbrüderung erzählt, sondern die Unterordnung Jesu.
Dem entspricht, dass Matthäus die Predigt des Täufers, die er aus Markus hätte übernehmen können, weglässt: Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich … Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.
Matthäus, der die Bedeutung Jesu kennt und erzählt, relativiert sie hier sogar. So erscheint Jesus in dieser Szene als einer "von uns". Die Offenbarung fällt aus dem Himmel.
Diese Erzählebene richtet die Blicke neu aus. Als Jesus aus dem Wasser steigt, sieht er den Geist auf sich herabkommen. Eine Stimme aus dem Himmel spricht: "Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe." Aber wer sieht und hört hier was? Jesus? Nur Jesus? Matthäus lässt mich zuschauen. Und zieht mich ins Vertrauen. Die Frage, woher die Geschichte kommt, kann nur stellen, wer nichts gesehen, nichts gehört hat. Was der Geist bewirkt, wird im Evangelium erzählt.
Die Geschichte von der Taufe Jesu erzählt am Anfang der Geschichte Jesu (bevor sein Weg überhaupt beginnt), dass Gott sich zu ihm bekennt, ihn Sohn nennt, an ihm Gefallen gefunden hat. Das ist eine Proklamation, eine Inthronisation, eine Epiphanie. Am Ende seines Evangeliums werden die Jünger beauftragt, in alle Welt zu gehen, zu lehren, zu taufen. "Und siehe: ich bin bei euch alle Tage bis an die Enden der Erde" (Mt 28,28f.).
"Eine programmatische Geschichte” - so fasst Gnilka seinen Kommentar zur vorliegenden Perikope zusammen. Die Perikope ist einheitlich und nach vorne und hinten klar abgegrenzt. Der kurze Text kann in drei Teile gegliedert werden: Einleitung, Johannes-Jesus-Dialog und Offenbarungsgeschehen.
Seinen programmatischen Charakter erhält der Text durch drei Klammern, die im ganzen Matthäusevangelium wiederholt auftauchen und damit einen roten Faden’ legen: “Dies ist mein geliebter Sohn” - diese Wendung findet sich wieder in der Beschreibung der Verklärung Jesu (Mt 17:5) und
erhält eine Antwort im Aufschrei des Hauptmanns unter dem Kreuz Jesu (Mt 27:54). Entstanden ist diese Erzählung vermutlich aus einer Tradition des älteren Markusevangeliums und einer weiterführenden Bearbeitung durch den Autor des Matthäusevangeliums.
Die Taufe Jesu wird von allen vier Evangelien berichtet. Die Abweichung vom Markustext, ein Gesprächseinschub zwischen dem Täufer und Jesus, ist Hinweis auf ein dem Evangelisten wichtiges Thema, nämlich, wie die neue Gerechtigkeit erfüllt werden soll.
Jesus ist Sohn Gottes im Sinne der Gottesknechtslieder, der den Weg des Gehorsams geht. Der Knecht Gottes ist schon im Alten Testament nicht nur zu Israel gesandt. Er hat auch eine Aufgabe für die anderen Völker.
"Du bist mein Sohn" erinnert an das Psalmwort: "Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt" (Ps2:7) - ursprünglich ein Wort an den König bei dessen Thronbesteigung, das den König als von Gott bestellten Hirten legitimiert. Hier bei der Taufe Jesu wird festgehalten, daß Jesus von Anfang an Gottes Gesalbter (= Messias, Christus) ist.
Die Taufe des Johannes mit Wasser hat keine Sünden vergebende Kraft, sie ist Umkehrtaufe, welche die Umkehrbereitschaft des Volkes besiegelt.
Nun aber kommt der "Größere", auf den Johannes hingewiesen hat und reiht sich ein in die Schar derer, die der Taufe bedürfen. Jesu Antwort auf den Einwand des Täufers löst das Problem: "Nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen". Jesus und der Täufer werden so als Vorbilder im Tun der neuen und ganzen Gerechtigkeit hingestellt.
"Gerechtigkeit" gehört zu den Schlüsselbegriffen des Matthäusevangeliums. Sie ist das Thema der Bergpredigt und bezeichnet das rechte und vollkommene Verhalten des Jüngers nach dem Evangelium.
Die Herabkunft des Geistes Gottes wird als Erfahrung Jesu dargestellt. Die Himmelsstimme wirkt amtlicher und proklamatorischer als bei Markusund Lukas. Statt "Du bist ..." heißt es hier "Dieser ist mein geliebter Sohn", d.h. es wird öffentlich bekanntgemacht.
Manfred Wussow (2008)
Martin Stewen (2005)
Judith Putz (1999)