Die Olympischen Spiele sind noch nicht lange vorbei. Manche Bilder sind noch sehr frisch. Ich denke an den Sprinter aus Jamaika, der nach seinem Sieg die Schuhe zeigte. Ich denke an die Sportler, die ihre Medaillen in die Kamera halten. "Seht meine Schuhe, die mich zum Sieg getragen haben!" "Seht mein Edelmetall!"
All dies sei den Sportlern von Herzen gegönnt. Sie zeigten etwas, worauf sie stolz sein konnten und können. Sie zeigten es einem Publikum im Stadion und an den Fernsehern, das genau dies sehen wollte: Strahlende Sieger und besondere Leistungen.
Aus der Geschichte gedeutet
Das heutige Fest der Kreuzerhöhung geht auch auf ein Zeigen zurück. Die ersten Christen hielten das Kreuz Jesu in Ehren. In einer Gefahrensituation versteckten sie es. Das gelang so gut, dass man es nicht mehr fand. Erst Kaiserin Helena soll es wieder entdeckt haben. Man baute für das Kreuz eine eigene Kirche und zeigte dann den Menschen dieses Kreuz. Sie sollten sehen und sich über all das freuen, was sich durch den Tod Jesu an diesem Kreuz für sie getan hatte.
Helena und ihre Mitarbeiter zeigten das Kreuz einer Menschenmenge, die es sehen wollte. Es kamen die Glaubenden. Sie wollten sehen und verstehen, was Erlösung heißen kann. Wer kam und schaute, suchte für sich Hilfe im christlichen Lebensstil.
In unseren Tagen zeigen wir das Kreuz am Karfreitag: "Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt!" wird dazu gesungen. Der Gedanke ist derselbe. Im Sehen und Berühren des Kreuzes nehmen wir Verbindung auf mit Jesu Tod. Und wir freuen uns darüber, dass wir an das Heil glauben können, das dort seinen Anfang nahm.
Karfreitag und Kreuzerhöhung
Und doch liegt ein großer Unterschied zwischen dem Karfreitag und dem heutigen Fest. Karfreitag ist eingebunden in den Jahreszyklus. Wir wissen dieses Datum schon vorher. Wir kennen die Liturgie dieses Tages. Manche freuen sich auf diese Feier. Andere mögen die Auseinandersetzung mit dem Leid nicht so. Aber wir wissen schon auf dem Weg zur Kreuzverehrung: In 2 Tagen ist Ostern. Die Menschen damals hatten das Kreuz nicht. Man wusste aus den Erzählungen, dass es irgendwo noch existieren muss. Natürlich wurde es gesucht - oft ohne Erfolg. Natürlich wünschte man sich, das Kreuz wieder zu finden. Aber viele starben mit diesem Wunsch. Nun aber war Erfolg da. Das Kreuz war gefunden - und es war das Kreuz. Es war die lebendige Erinnerung an Jesus. Wer dieses Kreuz sah, dachte auch an den, der daran hing. Wer dieses Kreuz sah, dachte an das eine oder andere Wort, das ihm überliefert war. Wer dieses Kreuz sah, erinnerte sich an Zeichen von Gottes Liebe und Größe, die den Glaubenden dazu gemacht hatten. Und er war froh, all diese Erinnerungen an diesem Kreuz festmachen zu können. Wer an dem Kreuz vorbeiging, durfte wissen: "Ich sehe, dass all meine Hoffnung sinnvoll ist. Schön, dass ich diese Versicherung habe. Und ich kann sie anderen auch weitergeben."
Wenn wir daher den heutigen Tag richtig begehen wollen, dann auch in der Erinnerung an den Schub, den die erste Kreuzerhöhung damals gab. Wir feiern die Dynamik eines Aufbruchs und dürfen um einen Streifen dieser Dynamik für uns bitten.
Unsere Kreuzerfahrung
"Seht das Kreuz und seht auf das Kreuz!" Dazu fordert uns der heutige Tag heraus. Was da gezeigt wird und worauf wir schauen liegt manchen Menschen schwer im Magen. Kreuz hatte nicht mit Erfolg zu tun. Kreuz hieß und heißt: Leid, Trauer, Not. Das ist etwas anderes als die Laufschuhe oder die olympischen Medaillen. Aber es ist etwas aus unserem Alltag. Wer hat den schon die Chance, überhaupt nur bei Olympia zu starten? - kaum jemand. Jene, die mit dem leben müssen, was ihnen schon jetzt zur Last wird – sind deutlich mehr. Wer muss mit der Angst leben, was noch kommen kann? - auch viele Menschen. Dann heißt der Blick auf das Kreuz: "Es ist noch kein Scheitern. Du kannst auch dort Segen erfahren und Segen sein!"