Die Fokolarbewegung, eine Erneuerungsbewegung, die in den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges in Italien entstanden ist, veranstaltet jährlich, meistens im Sommer eine 'Mariapoli'. Eine Mariapoli ist eine mehrtägige Veranstaltung. Hier treffen sich Männer, Frauen, Priester, Laien und Ordensleute, um miteinander ein paar Tage miteinander zu leben, miteinander zu beten, miteinander zu singen, über das Wort Gottes zu sprechen, und das Wort Gottes in die Tat umzusetzen. Ein neues Miteinander soll erlebt werden. Diese Veranstaltung heißt deswegen 'Mariapoli', weil alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen wollen, wie Maria, ganz bewusst auf das Wort Gottes hören und nach dem Willen Gottes fragen. Für Maria war Gott die Quelle des Lebens und des Glücks. In diesem Denken wollen alle, die an diesen Tagen mitmachen, Maria nacheifern. Wenn ich an diese Veranstaltung teilgenommen habe, dann spürte ich immer eine wohlwollende und friedliche Atmosphäre. Doch eine 'Mariapoli' kann sich im Alltag fortsetzen, nämlich dort, wo ich die Impulse versuche umzusetzen.
Die Erfahrungen der Mariapoli kann ich vergleichen mit dem, was in der Lesung aus dem Buch Jesaja über Jerusalem geschrieben wurde. Jerusalem: das war und ist für den frommen Juden der Ort, an dem sie mit Gott leben. Jerusalem ist der zentrale Ort des jüdischen Glaubens. So wünschen sich fromme Juden bei jedem Paschafest gegenseitig: "Nächstes Jahr in Jerusalem". Einmal im Jahr pilgerten fromme Juden nach Jerusalem, um Gott zu begegnen. Die Offenbarung des Johannes, das letzte Buch des Neuen Testamentes spricht, in seiner Vision vom himmlischen Jerusalem. In diesem himmlischen Jerusalem gibt es keinen Tempel, denn: Gott ist die Mitte der Stadt, Gott ist das Zentrum des Lebens.
Jerusalem: viele Juden denken zuerst an den geographischen Ort. Doch das ist Jerusalem nicht nur. Jerusalem ist für mich, dem heutigen Leser, vor allem geistlich und spirituell zu verstehen. Jerusalem ist für mich die Gemeinschaft aller Menschen, die Gott als die Mitte ihres Lebens erwählt haben. Seine Worte, seine Handlungen sind wichtig. Sein Wille ist wichtig. Bei allen Entscheidungen ist es wichtig, nach seinem Willen zu fragen.
Reich beschenkt
Schauen wir uns an, was Jesaja über Jerusalem schreibt. Dann werden wir schnell bei dem sein, was uns unser Glaube schenkt und warum es sich lohnt, zu glauben. Jesaja wird nicht müde, uns heute einzuladen, in Jerusalem zu leben; übertragen: unser Leben als glaubende Menschen auszurichten. Wir werden durch den Glauben reich beschenkt: mit Freude, mit mütterlichen Reichtum, mit Frieden, mit Trost. Unsere Kinder werden auf den Knien geschaukelt. Wir werden aufblühen, unser Herz wird sich freuen. Das wird uns geschenkt, wenn wir an Gott glauben.
Freude
Unser Glaube schenkt uns Freude. Freude, dass wir angenommen sind, immer wieder, auch dann, wenn wir noch so schuldig werden. Wie Jerusalem immer wieder aufgebaut wurde, wie es immer wieder neues Leben bekam, so werden wir immer wieder neu angenommen. Wir dürfen uns darüber freuen, dass wir von Gott geliebt sind. Freude erfahre ich, wenn ich auf die Liebe Gottes antworte: durch tägliches Gebet, durch tägliches Lesen der Bibel, durch das Mitfeiern der Eucharistie. Das alles kann meine Liebe vertiefen, kann mich mit Gott und dem, was er mir schenken möchte
Diese Liebe Gottes zu uns, dieses Ja Gottes zu uns, dieses Sich angenommen wissen, ist unser Reichtum. Reichtum kann sicher auch materieller Wohlstand bedeuten. In sich ist das ja nichts Schlechtes. Nur dann, wenn sich der Besitz zwischen Gott und uns stellt, wenn wir über den Besitz Gott vergessen, dann ist er nicht gut. Reichtum meint nicht den Reichtum, an dem nur wenige teilhaben. Reichtum aber kann auch bedeuten: ich vertraue zuerst auf Gott, dann auf das, was ich aus meiner eigenen Kraft mir selbst schenken kann. Reich werde ich in 'Jerusalem' zum Beispiel an guten Werken.
Ich habe gerade davon gesprochen, wie wichtig es ist, die Gesetze und Gebote Gottes zu halten. Zu diesen Gesetzen gehört es, ganz besonders die armen Menschen, die schwachen Menschen in die Gemeinschaft einzuschließen. Ihnen Gutes zu tun, ist wichtig. Es zählen nicht prächtige Bauten, nicht Denkmäler, die renoviert werden, es werden nicht die Diplome wichtig sein und uns vor Gott reich machen, nicht die Siege in Sport oder Musik, wir werden gemessen an dem, was wir für die armen und kranken Menschen getan haben. In diesen guten Werken gebe ich doch die Liebe weiter, die mein Herz mit Freude erfüllt.
Frieden
Was uns auch versprochen ist, ist doch der Friede. Friede ist für uns in erster Linie dann, wenn es keinen Krieg gibt, wenn es keinen Streit gibt. Krieg, das ist ja auch für uns Deutsche durch die Ereignisse in Afghanistan Realität geworden. Friede leitet sich ab von dem hebräischen Wort von Shalom. Shalom bedeutet, in Einheit mit Gott zu leben, in Übereinstimmung mit seinem Willen. Im Paradies lebten die Menschen im 'Shalom'. Weil die Menschen in Einheit mit Gott leben, darum leben sie in Einheit untereinander. Dieser Friede ist ein Geschenk Gottes. Er muss nicht, wie so manche meinen, mit Waffen hergestellt werden.
Ich habe auf jeder 'Mariapoli' immer wieder erleben dürfen, wie friedlich die Menschen miteinander umgingen. Wenn ich in der Einheit mit Gott zu leben versuche, dann kann mir das auch einen inneren Frieden schenken. Dieser innere Friede, ein Zufriedensein mit meinem Leben, weil ich mich von Gott getragen weiß, kann einmal einen äußeren Frieden bewirken. Wer mit sich und der Welt eins ist, wird weniger mit anderen Menschen Streit beginnen. Aber auch ein äußerer Friede kann einen inneren bewirken. Wir sind eingeladen "Männer und Frauen des Friedens" (Lk 10, 6) zu werden.
Trost
In der Einheit mit Gott wird uns auch Trost geschenkt werden. Trost bekommen wir dann, wenn der Glaube uns neue Hoffnung schenkt, wenn die Situation hoffnungslos erscheint. Trost wird uns geschenkt in Traurigkeit. Traurigkeit hat einfach nicht das letzte Wort. Trost heißt aber auch Stärkung bekommen. Der Glaube macht uns stark für unser Leben. Besonders in unserer Zeit brauchen wir Stärkung. Wir brauchen diese Stärkung, um Zeugen zu sein für ein Leben mit Gott.
Nur Mut!
Ich würde mir wünschen, dass unter uns Christinnen und Christen immer mehr erlebbar wird, was der Glaube uns allen für unser Leben schenkt. Dann können wir ausstrahlen: ja, es lohnt sich zu glauben.
Sind und werden wir immer mehr Zeugen, in Wort und Tat. Einer, der sich zur Fokolarbewegung zählt, würde sagen: versuchen wir immer wieder in unserem Leben 'Mariapoli' zu leben. Uns allen dazu: Nur Mut!