Asche
Das gibt es nur bei uns: eine Predigt über die Asche. Sie haben einen Kamin im Wohnzimmer? Dann wissen Sie ein Lied über die Rückstände zu singen (oder auch nicht). Staubig, dreckig ist die Asche. Ein Abfallprodukt. Sie muss entfernt werden, bevor neues Holz entzündet werden kann und dann wärmt, leuchtet, die Schatten spielen lässt. Es ist schön und gemütlich, den Flammen zuzusehen. Das Knistern wahrzunehmen. Hinter sich die Kühle zu spüren.
Das ist das Geheimnis der Asche: Sie erzählt auf stille Weise von blühendem Leben, von Holz, dass sich dem Himmel entgegenstreckt, von der Wärme, die sich ausbreitet. Aber am Ende – einer langen Kette – erzählt sie von Vergänglichkeit. Wir spüren die Trauer. Es geht alles so schnell. Wir können nichts festhalten. Das Licht nicht, auch die Wärme nicht. Irgendwann am Morgen, wenn die Sonne aufgegangen ist, wird die Asche zusammengefegt. Mit ihr ist nicht mehr viel los. Abfall. Auf der Tonne steht: Bitte, keine heiße Asche einfüllen.
Aber: heute wird die Asche gesegnet! Heute empfangen wir die Asche! Heute wird die Asche zu einem Kreuz auf der Stirn! Heute werden wir gesegnet!
Umkehr
Ich will die lange Geschichte nicht erzählen, in der die Asche tatsächlich eine Hauptrolle spielt. Spielen darf. Bei den Ägyptern, Arabern, Griechen – und eben auch in Israel. Die Asche steht nicht nur für Vergänglichkeit, sie ist auch Zeichen der Trauer, der Klage – und der Buße. Vieles kann nicht immer nur weitergehen. Ohne Halt, ohne Zukunft. Das ist die wohl älteste Entdeckung von Menschen, in der sie sich ihrer selbst gewiss werden. In dem Wort Umkehr – oder Buße – steckt, noch einmal - oder auch immer wieder -, an den Ausgangspunkt zurückzukehren, neu aufzubrechen – und die alten Gewohnheiten, den gewöhnlichen Trott, die Lieblingsfehler nicht zu wiederholen. Wir brauchen die Trauer über uns, die Klage über uns – die Umkehr unter uns.
„Asche auf's Haupt streuen“, hat es längst in unsere Sprichwörter geschafft. Das Bild spricht für sich. Gelegentlich müssen wir Menschen uns in Sack und Asche hüllen, um noch einmal neu anfangen zu können. Obwohl Umkehr ein frommes Wort ist (oder geworden ist): in diesem Wort ist das Geheimnis unseres Menschseins eingefasst; wie ein Schmuckstück, ein Edelstein. Wir sind keine Rösser, die in die Schlacht getrieben werden, um dort auf dem Feld der Ehre das Leben zu lassen. Wir kennen das: immer weiter, schneller, erfolgreicher – die Menschen, die auf der Strecke bleiben, können nicht einmal von der von uns so heiß geliebten Statistik aufbewahrt werden. Und wenn, verschwinden sie in Zahlen, werden aber nicht mehr gesehen. Ein mathematisches Problem oder Exempel für klug-dumme Interpretationen. Das Bild von der Asche ist da um einiges menschlicher, schöner- unsere Blicke werden weiter. Wir riechen das Leben.
Vorbilder
Im Buch Esther heißt es: „Und in allen Ländern, wohin des Königs Wort und Gebot gelangte, war ein großes Klagen untern den Juden und viele fasteten, weinten, trugen Leid und lagen in Sack und Asche“ (Est 4,3).
Hiob (Ijob), dem alles genommen wird, sehen wir in der Asche sitzen. Aber in der Auseinandersetzung mit seinen Freunden, die Gottes Gerechtigkeit in Frage stellen, hält Hiob entgegen: „Was ihr zu bedenken gebt, sind Sprüche aus Asche; eure Bollwerke werden zu Lehmhaufen“ (13,12). Hiob klagt aber auch: „Man hat mich in den Dreck geworfen, dass ich gleich bin dem Staub und der Asche. Ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht; ich stehe da, aber du achtest nicht auf mich“ (30,19.f). Am Ende findet Hiob zu einer Antwort: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche“ (42,5f.).
Im Lied der Hanna – im 1. Buch Samuel – wird Gott als der gelobt, der Menschen aufhebt, aus dem Staub, aus der Asche, aus der Tiefe. „Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thorn der Ehre erben lasse“ (1. Sam. 2,7f.). - Wer genau zuhört, hört schon den Lobgesang der Maria.
Asche ist Zeichen der Trauer, der Klage, der Buße. Symbolisch werden wir ganz klein. Sind wir doch auch nur – Erde, wie es in den alten Schriften heißt. „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“. Gleich wird uns auch das wieder zugesprochen – mit dem Kreuz aus Asche. Ein anderer wird uns erheben, aufheben, groß machen. Der HERR, Gott, der Ewige, der die Himmel geschaffen hat, die Erde – und die Asche. Heute gereicht sie uns zur Ehre! „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“.
Das Verborgene
In den Lesungen aus dem Buch Joel, einem der 12 kleinen Propheten, aus dem 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth und in der Bergpredigt Jesu geht es um Umkehr, um Buße – und um die richtige Gesinnung. „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen … zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider“. „Laßt euch mit Gott versöhnen … dass ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt“[HH1] .
Und immer wieder im Evangelium: „Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“. Dreimal. Zu jeder Frömmigkeitsübung einmal: zu den Almosen, zum Gebet, zum Fasten. Menschen hatten wohl schon immer den Hang, auch noch ihre Frömmigkeit zur Schau zu stellen – und sich selbst zu präsentieren. Auf dem Silbertablett. Menschen möchten gut dastehen, sich hervortun, gelobt werden, Preise gewinnen. Von Menschen geliebt und anerkannt werden! Wer kann das nicht verstehen? Wer kennt den Anflug nicht auch bei sich selbst. Dabei geht es doch um das Herz, um die rechte Gesinnung, um das Vertrauen. „Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“.
Wenn wir die Lesungen durchschreiten wie einen Weg, der uns heute geöffnet ist, werden wir zu Gottes Herz geführt und bei ihm entdecken wir unsere Herzen. Unsere Abhängigkeiten, Sehnsüchte, Ängste und das Vertrauen, dass wir nur mit dem Herzen gut sehen können. Wie es der kleine Prinz meinte: Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Die Lesungen, das Evangelium führen uns in die Tiefe, in das Verborgene. Dann müssen wir nichts mehr von uns her posaunen, die rechte Hand muss nicht wissen, was die linke tut, und trübselig müssen wir nicht mehr dreinschauen. Gott hat uns schöne Gesichter gegeben, damit wir seine Liebe auf ihnen spiegeln. Jede auf ihre Art, jeder auf seine Art, mal mit Runzeln, mal mit Stoppeln. Das Verborgene leuchtet. Sehen wir doch einander in die Augen!
Wenn Asche predigt
Das gibt es nur bei uns: eine Predigt über die Asche. Heute. Am Aschermittwoch. Gesegnete Asche!
Die Asche predigt von einem neuen Anfang. Tatsächlich: Heute beginnt die 40 Tage Zeit. Wir nennen sie, je nach Region oder Herkunft Fastenzeit – oder Passionszeit. Es gibt ein eigenes Brauchtum. Und gewachsene Formen. Wir begleiten Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem. Dort wird er gekreuzigt. Dort wird er von den Toten auferstehen. Da erweist uns die Asche einen großen Dienst: War sie einmal blühendes Leben – begleitet sie uns, symbolisch, in ein neues Leben. Übrigens: die Asche, die wir heute segnen, kommt von den Palmzweigen, mit denen wir am Palmsonntag Jesus gehuldigt haben. Er ist in Jerusalem eingezogen. Wir standen bei den Menschen, die ihre Kleider vor ihm ablegten, die ihr Leben vor ihm ausbreiteten. Die Palmzweige in den Händen trugen. Hosanna, Hosanna, haben wir gerufen.
Im Evangelium heißt es: „Als er an die Stelle kam, wo der Weg vom Ölberg hinabführt, begannen alle Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Wundertaten, die sie erlebt hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!“ (Lk. 19, 37f.).
Das ist die Predigt der Asche!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.