Idiom und Sprache
In der ersten Lesung des heutigen Festtages vernehmen wir die eindrucksvolle Schilderung von einer höchst seltsamen Wirkung gesprochener Worte. Wer da genau in Jerusalem versammelt war, wird nicht im Einzelnen geschildert. Sicher waren die Apostel als "Prediger" darunter. Was inhaltlich gesagt wurde, bleibt offen. Es müssen jedenfalls begeisterte und begeisternde Worte gewesen sein. Das Erstaunliche, Wunderbare an dieser Weise des Redens aber war der Umstand, dass über sprachliche und vielleicht sonst noch bestehende Hürden hinweg ein Verstehenshorizont auf Seiten der Zuhörer erzeugt wurde, dass da etwas in ihnen berührt, angesprochen wurde, auf das sie vielleicht schon lange gewartet hatten. Denn diejenigen, die da gesprochen haben, verwendeten natürlich ihre Muttersprache, also hebräisch, vielleicht aramäisch, und sie hätten sich auch mit den Zuhörern gar nicht über profane Dinge unterhalten können, es hätte also keine Konversation oder ein Dialog zwischen ihnen stattfinden können, weil die Idiome der Sprechenden und der Hörenden total verschieden waren. Überflüssig zu sagen, dass es natürlich auch keine Simultanübersetzung gab.
Aber dennoch werden die Zuhörer in einer Weise angeredet, die sie nicht nur restlos begriffen haben; es muss da in ihren Herzen auch eine Melodie zum klingen gebracht worden sein, die sie längst in sich getragen, aber nicht vernommen haben. Die Hörer wurden in einer Weise angesprochen, die sie selbst in Erstaunen versetzt. Denn sie fragen sich ja, wie denn das sein könne, dass sie als Parther, Meder, Elamiter usw. angeredet werden und dass sie das Gesprochene auch verstehen, obwohl sie das Idiom der Sprechenden nicht beherrschen. In einer verborgenen Tiefe ihres Herzens konnten sie diese Anrede erfassen und sie verstehen, dass da in ihrer je eigenen Sprache Gottes große Taten verkündet werden (vgl. Apg 2, 11).
Babylon und andere (Sprach)verwirungen
Der Turmbau zu Babel war nach den Worten der Hl. Schrift Anlass, dass Gott die Sprache der Menschen verwirrt hatte (Gen 11,1-9). Dabei ist es geblieben, Babel ist leider zur bleibenden Gegenwart geworden. Es geht dabei aber nicht so sehr um die Frage der heute verwendeten Idiome (Deutsch, Englisch, Italienisch usw), sondern um die erschreckende Tatsache, dass Menschen mit dem Wort - dem eigenen wie dem anderer - erschreckend sorglos umgehen. Wir haben im Deutschen ja sehr treffende Redewendungen, wie z.B. "einem das Wort im Mund umdrehen", "jemandem ins Wort fallen", und bisweilen kann einem vor Schreck "das Wort im Hals stecken bleiben". Man kann ein "Wort verlieren" und es ist dann bisweilen unwiederbringlich fort.
Worte können heilen, vielleicht sogar ein Heilungs"wunder" bewirken, aber sie können
auch verletzen, ja sogar todbringend sein
Babylon blieb (leider) nicht die einzige Sprachverwirrung, und die Kirche selbst bedient sich durchaus nicht immer einer pfingstlichen Sprache. Manches an ihren Äußerungen ist bisweilen schwer verständlich und stellt beileibe nicht immer jene tröstende Botschaft dar, von der die Sequenz des heutigen Festtages so eindrucksvoll spricht: "Höchster Tröster in der Zeit, Gast, der Herz und Sinn erfreut, köstlich Labsal in der Not".
"Freude und Hoffnung"
Wenn die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils ("Gaudium et spes") diese Worte gleichsam zum Leitmotiv für das Wirken der Kirche in der Welt gewählt hat, so müsste alles Reden und Tun in der Kirche auch daran gemessen werden können, ob es wirklich dem entspricht was der Prophet Jesaia über das Wirken des Gottesknechtes gesagt hat: "Das genickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus" (Jes 42, 3). Die Kirche müsste immer deutlich machen, dass Gott heilsame Zuwendung zum Menschen ist.
Mit Freude und Dankbarkeit muss besonders am Pfingstfest der Vielen - Christen wie Nichtchristen - gedacht werden, die Licht in Dunkelheiten bringen, Bedrängten beistehen, Hoffnung schenken. Schon allein ihre Anwesenheit gibt Zeugnis dafür ab, dass der "Geist des Herrn" immer noch lebendige Wirklichkeit ist.
Aber andererseits hat die Kirche auch Strukturen eines Machtapparates an sich, dem es nicht unbedingt um das geduldige Zuhören und Verständnis bei der Lösung von vielleicht nicht immer mit dem erforderlichen Geschick vorgebrachter, gleichwohl aber berechtigter Anliegen geht. Gesprächsverweigerung und einseitiges Pochen auf Gehorsam sind kein Lösungsansatz.
Pfingstliche Rede heute?
Manchmal ist in der Kirche eine Sprache vernehmbar, die das Pfingstwunder von damals geradezu ins Gegenteil zu verkehren scheint. Nicht immer ist da der Geist dessen zu hören, der eigentlich als "höchster Tröster in der Zeit", als "köstlich Labsal in der Not" verstanden werden will und an den wir uns als dem "glückselig(en) Licht" bittend wenden (Pfingstsequenz). Sprachbarrieren können nicht nur vorgegeben, sondern auch verschuldet sein. Der Heilige Geist kann sie beide bereinigen, durch vergangene (Pfingstwunder) wie auch durch gegenwärtige.